Urteil des VG Wiesbaden vom 25.06.2010

VG Wiesbaden: altersgrenze, behörde, polizei, verfügung, ersatzmitglied, erfüllung, beamtenrecht, aktiven, amtszeit, gewerkschaft

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Gericht:
VG Wiesbaden 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 L 551/10.WI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 53 Abs 1 BBG
Hinausschieben des Ruhestands bei freigestelltem
Personalratsmitglied
Leitsatz
Ein dienstliches Interesse können nur solche Umstände begründen, die für die Qualität
der Verwaltungsleistung unmittelbar von Bedeutung sind und hinsichtlich derer dem
Dienstherrn ein eigener verwaltungspolitischer Gestaltungs- und
Entscheidungsspielraum zu Gebote steht.
Eine nach Auffassung des Personalratsvorsitzenden bestehende Notwendigkeit einer
Fortsetzung der Tätigkeit eines freigestellten Personalratsmitglieds wegen
beamtenrechtlicher Kenntnisse ist nicht geeignet, ein dienstliches Interesse zu
begründen.
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.530,50 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt das Hinausschieben seines Eintritts in den Ruhestand.
Der Antragsteller wurde im Frühjahr 2008 auf der Liste der Gewerkschaft der
Polizei in den Örtlichen Personalrat bei dem XXX in XXX gewählt. Er ist einer der
beiden stellvertretenden Vorsitzenden und zu 100 % für Personalratsaufgaben
freigestellt. Der Antragsteller tritt gemäß § 5 Abs. 2 BPolBG regulär mit Ablauf des
31.08.2010 in den Ruhestand.
Mit Schreiben vom 06.11.2009 beantragte der Antragsteller, den Eintritt in den
Ruhestand gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG bis zum 30.04.2012 hinauszuschieben,
um sein Ehrenamt bis zum Ende der Wahlperiode fortzuführen. Mit Schreiben vom
12.01.2010 unterstützte der Vorsitzende des Örtlichen Personalrats in XXX den
Antrag. Zu dessen Begründung führte der Antragsteller aus, das dienstliche
Interesse an dem Hinausschieben seines Ruhestandes müsse sich im Hinblick auf
seine Freistellung an der Aufgabenerfüllung des Örtlichen Personalrats orientieren.
Der Antragsteller habe sich seit seiner Freistellung schwerpunktmäßig mit dem
Beamtenrecht befasst und hierzu auch eine Veröffentlichung verfasst und an der
Fachhochschule der Polizei unterrichtet. Bei einem Ausscheiden während der
laufenden Amtsperiode wäre deshalb die Aufgabenerfüllung des Vorstands und
des gesamten Örtlichen Personalrats beeinträchtigt. Auf der Liste der
Gewerkschaft der Polizei stehe kein Plenumsmitglied mit ähnlich gelagerten
Kenntnissen zur Verfügung. Die Möglichkeit des Hinausschiebens der Altersgrenze
sei auch im Interesse des Beamten geschaffen worden. Hiervon sei in der
Vergangenheit auch im höheren Polizeivollzugsdienst bereits Gebrauch gemacht
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Vergangenheit auch im höheren Polizeivollzugsdienst bereits Gebrauch gemacht
worden.
Mit Bericht vom 04.03.2010 legte das Bundeskriminalamt den Antrag dem
Bundesministerium des Innern gemäß Ziffer 4.7 PersBest vor. Mit Erlass vom
07.05.2010 stimmte das Ministerium dem Antrag nicht zu. Mit Schreiben vom
31.03.2010 hatte sich die Gleichstellungsbeauftragte bei dem Bundesministerium
des Innern mit der Verneinung eines dienstlichen Interesses nicht einverstanden
erklärt und lediglich Kenntnis von der Personalangelegenheit genommen.
Mit Bescheid vom 14.05.2010 teilte das Bundeskriminalamt im Einvernehmen mit
dem Bundesinnenministerium dem Antragsteller mit, dass seinem Antrag nicht
entsprochen werden könne, da es an dem erforderlichen dienstlichen Interesse
fehle. Auszugehen sei dabei allein von der Tätigkeit im Hauptamt. Aber auch bei
einer Orientierung an den Aufgaben des Personalrats fehlte es an einem
entsprechenden Interesse. Die Dienstrechtskenntnisse könnten auch durch
andere Personalratsmitglieder erworben werden, ggfs. mit Hilfe flankierender
Maßnahmen der Dienststelle. Außerdem sei die personalwirtschaftliche
Gesamtsituation zu berücksichtigen. Eine Verlängerung hätte zur Folge, dass zwei
Beamte des höheren Dienstes für einen erheblichen Zeitraum nicht befördert
werden könnten. Auch sei bereits zu Beginn der Wahlperiode erkennbar gewesen,
dass zum 31.08.2010 ein Ersatzmitglied nachrücken müsse. Es habe somit
ausreichend Zeit bestanden, ein anderes Mitglied oder Ersatzmitglied
einzuarbeiten. Trotz der allgemeinen Anhebung der Altersgrenzen sei § 53 BBG
nicht geändert worden.
Mit Schreiben vom 25.05.2010 legte der Antragsteller Widerspruch ein. Er
wiederholte sein Vorbringen und führte ergänzend aus, der Aufwand für die
Aneignung entsprechender Fachkenntnisse könne bis zum Ende der Wahlperiode
nicht mehr geleistet werden. Die Möglichkeit, den Ruhestand hinauszuschieben,
diene auch dem privaten Interesse. Dem Beamten solle hierdurch die Möglichkeit
eingeräumt werden, nach Erreichen der Altersgrenze weiter im aktiven Dienst zu
bleiben. Für ihn sei dies aufgrund seiner derzeitigen finanziellen Situation, die der
Antragsteller näher ausführt, auch erforderlich. Mit seinem Antrag komme er dem
Wunsch der Bundesregierung nach, mehr Bedienstete dazu zu bewegen, über die
Altersgrenze hinaus zu arbeiten. In anderen Fällen habe die Verzögerung von
Beförderungen keine Rolle gespielt. Sie könne deshalb auch ihm nicht angelastet
werden. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Am 09.06.2010 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Er trägt vor, für die Frage des dienstlichen Interesses sei hier nicht auf das
Hauptamt, sondern auf die Aufgaben des § 68 BPersVG abzustellen. Die Erhaltung
der Funktionsfähigkeit einer wirksamen Personalvertretung gehöre zu den
gesetzlichen Pflichtaufgaben der Antragsgegnerin. Der Antragsteller sei als
stellvertretender Vorsitzender Beamtenrechtsexperte im Personalrat und in dieser
Funktion gegenwärtig nicht zu ersetzen. Die Einarbeitung eines Nachrückers werde
bis zum Ablauf der Wahlperiode nicht gelingen. Bislang sei niemand bereit
gewesen, sich vollständig freistellen zu lassen und sich außerdem vertieft mit dem
Beamtenrecht zu beschäftigen. Da zum Jahresende ein Vorstandsmitglied aus
dem Tarifbereich in den Ruhestand gehe, müsse ein „Ausbluten“ des Örtlichen
Personalrats verhindert werden. Das Anliegen der Bundesregierung, die
Lebensarbeitszeit auch im öffentlichen Dienst zu verlängern, müsse im Rahmen
der Ermessensentscheidung ebenfalls berücksichtigt werden. Die gerichtliche
Entscheidung sei auch deshalb notwendig, weil der Antragsteller angesichts der
unklaren Rechtslage ansonsten seinen gesamten Jahresurlaub bis zum 31.08.2010
nehmen müsste. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz
vom 09.06.2010 verwiesen.
Der Antragsteller beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 14.05.2010 den Eintritt des Antragstellers
in den Ruhestand vorläufig bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung in der
Hauptsache hinauszuschieben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ihre Verpflichtung zur Unterhaltung einer
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Sie ist der Auffassung, ihre Verpflichtung zur Unterhaltung einer
Personalvertretung werde durch die Ablehnung des Antrags nicht berührt. Eine
Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Örtlichen Personalrats in XXX sei
durch den Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand nicht zu besorgen. Das
Bundespersonalvertretungsgesetz enthalte genaue Regelungen, wie bei dem
Ausscheiden eines Personalratsmitgliedes zu verfahren sei. Vertiefte
Spezialkenntnisse seien keine Voraussetzung für die Personalratsarbeit. Es könne
erwartet werden, dass sich der Nachrücker die erforderlichen Kenntnisse aneigne.
Auch stünden dem Personalrat umfassende Möglichkeiten der
Informationsgewinnung bei dem XXX zur Verfügung. Die Notwendigkeit, einen
neuen stellvertretenden Vorsitzenden zu wählen und über die Freistellung zu
entscheiden, stelle sich bei jedem Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds. Ein
Hinausschieben des Ruhestandes würde sie lediglich verschieben. Die
Berücksichtigung der personalwirtschaftlichen Gesamtsituation und die Förderung
von Beamten jüngerer Jahrgänge seien legitime Ziele und könnten dem
dienstlichen Interesse an der Beschäftigung des Antragstellers entgegenstehen.
Dessen persönliche Umstände unterschieden sich nicht von den üblicherweise mit
einer Ruhestandsversetzung einhergehenden Folgen. Die in politischen Kreisen
geäußerte Wunschvorstellung, die Bediensteten sollten von der Möglichkeit zum
Hinausschieben von Rente und Ruhestand Gebrauch machen, indiziere nicht das
Vorliegen eines dienstlichen Interesses. Da jede Entscheidung eine
Einzelfallbetrachtung erfordere, könne der Umstand, dass in einen wenigen
Einzelfällen, in denen ein überwiegendes dienstliches Interesse an der
Weiterbeschäftigung bestanden habe, der Ruhestand hinausgeschoben worden
sei, nicht zu einer Bindung der Verwaltung führen. Die Ablehnung des Antrags falle
nicht unter § 76 Abs. 1 Nr. 9 BPersVG. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens
wird auf den Schriftsatz vom 22.06.2010 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der vorlegten Verwaltungvorgänge (1
Heftstreifen) und der Personalakten des Antragstellers (7 Hefter und 2 Ordner).
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch
nicht glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO). Die ablehnende
Entscheidung der Antragsgegnerin vom 14.05.2010 ist nicht rechtswidrig und
verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Dem Antragsteller steht ein
Anspruch auf Hinausschieben der Altersgrenze nicht zu.
Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 BBG kann auf Antrag des Beamten der Eintritt in den
Ruhestand bis zu drei Jahre hinausgeschoben werden, wenn dies im dienstlichen
Interesse liegt. Die gilt gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 BBG auch, wenn – wie hier – eine
besondere Altersgrenze (§ 5 Abs. 2 BBG) gilt.
Das dienstliche Interesse richtet sich ausschließlich nach dem gesetzlichen Auftrag
der Behörde und den dort vorhandenen personalwirtschaftlichen und
organisatorischen Möglichkeiten. Es bezeichnet das Interesse des Dienstherrn an
einer sachgemäßen und reibungslosen Aufgabenerfüllung. Zu den relevanten
dienstlichen Interessen gehören die Aufrechterhaltung der Kontinuität in der
Wahrnehmung bestimmter Aufgaben, Schwierigkeiten bei der Wiederbesetzung
von frei werdenden Stellen, das Interesse an einer bestimmten Altersstruktur,
andere personalplanerische Belange, die Verringerung von
Versorgungsaufwendungen. Bestehen vernünftige, nachvollziehbare Zweifel daran,
dass die Weiterbeschäftigung des Beamten im Beamtenverhältnis den Belangen
des Dienstherrn und der Qualität seiner Verwaltungsleistung dient, fehlt das nötige
dienstliche Interesse. Über das Vorliegen des dienstlichen Interesses befindet der
Dienstherr ohne Beurteilungsspielraum, so dass seine diesbezügliche
Entscheidung grundsätzlich der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl.
OVG Koblenz, U. v. 17.09.2004 – 2 B 11470/04 –, zit. nach Juris; v. Roetteken, in:
HBR, § 50 HBG RdNr. 45 ff.; § 194 HBG RdNr. 18 f. jeweils m. w. N.).
Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Dienstherr nach eigenen
verwaltungspolitischen Überlegungen entscheidet, was dem dienstlichen Interesse
entspricht. Insoweit steht ihm vom Ansatz her ein Beurteilungsspielraum zu,
dessen Ausfüllung eigenverantwortlich erfolgt und der angesichts der dem
Dienstherrn insoweit zukommenden Einschätzungsprärogative und
Gestaltungsfreiheit gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Es ist in erster
Linie Sache des Dienstherrn, in Ausübung der ihm zugewiesenen Personal- und
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Linie Sache des Dienstherrn, in Ausübung der ihm zugewiesenen Personal- und
Organisationsgewalt zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die
Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen, sie auf die
einzelnen Organisationseinheiten zu verteilen und ihre Erfüllung durch
bestmöglichen Einsatz von Personal sowie der zur Verfügung stehenden
Sachmittel sicherzustellen. Das dem Dienstherrn bei Bestehen eines dienstlichen
Interesses eröffnete Ermessen („kann“) ist beamtenrechtlich vorrangig am
dienstlichen Interesse auszurichten und dient weniger dem individuellen Wunsch,
eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses zu erreichen. Der Dienstherr hat die
individuellen Belange des Beamten zwar zu berücksichtigen, braucht ihnen jedoch
keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen zu lassen (v. Roetteken, in: HBR,
§ 194 HBG RdNr. 18 f. m. w. N.; OVG Koblenz, U. v. 17.09.2004 – 2 B 11470/04 –,
zit. nach Juris).
Ausgehend hiervon ist die Auffassung des Antragsgegners, es bestehe im Fall des
Antragstellers kein dienstliches Interesse am Hinausschieben des Ruhestandes,
nicht zu beanstanden.
Auf ein dienstliches Interesse an seiner weiteren Beschäftigung unter Ausblendung
seiner vollständigen Freistellung im Hinblick auf die früher wahrgenommene
Tätigkeit oder eine jetzt fiktiv in Betracht kommende Beschäftigung beruft sich der
Antragsteller nicht. Insoweit sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass
zur sachgemäßen und reibungslosen Aufgabenerfüllung der Behörde oder einer
ihrer Organisationseinheiten die beamtenrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen
gerade des Antragstellers temporär unentbehrlich wären.
Darauf, ob der Antragsteller als Beamtenrechtsexperte für den Personalrat bis zu
einer Neuwahl unabdingbar ist – wie auch der Vorsitzende des Personalrats meint
–, kommt es für die Frage eines dienstlichen Interesses nach Auffassung des
Gerichts nicht an. Ein dienstliches Interesse können nur solche Umstände
begründen, die für die Qualität der Verwaltungsleistung unmittelbar von
Bedeutung sind und hinsichtlich derer dem Dienstherrn ein eigener
verwaltungspolitischer Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zu Gebote steht.
Fehlt dem Dienstherrn die Möglichkeit, im Rahmen gesetzlicher und politischer
Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen, sie
auf die einzelnen Organisationseinheiten zu verteilen und ihre Erfüllung durch
bestmöglichen Einsatz von Personal und Sachmitteln sicherzustellen, handelt es
ich nicht um eine Verwaltungsaufgabe, die ein dienstliches Interesse begründen
könnte. Hierfür ist erforderlich, dass die Behörde die Umstände der
Aufgabenerledigung beeinflussen kann, um ggfs. durch geeignete Umorganisation
oder Gewichtungsänderung eine reibungslose Aufgabenerfüllung auch ohne das
Hinausschieben des Ruhestandes zu gewährleisten.
Danach ist die hier nach dem Vortrag des Antragstellers und der Auffassung des
Personalratsvorsitzenden bestehende Notwendigkeit einer Fortsetzung der
Tätigkeit des Antragstellers im Örtlichen Personalrat in XXX nicht geeignet, ein
dienstliches Interesse zu begründen. Insoweit steht der Antragsgegnerin kein
eigener Gestaltungs- und Organisationsspielraum zu. Wer die der
Personalvertretung gesetzlich zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt, entscheidet
nicht der Dienstherr, sondern die Beschäftigten, die den Personalrat in geheimer
und unmittelbarer Wahl (§ 19 Abs. 1 BPersVG) bestimmen. Mit dieser Wahl steht
zugleich das Ende der Mitgliedschaft durch Ablauf der Amtszeit oder Beendigung
des aktiven Dienstverhältnisses (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BPersVG) fest. Die
Mitglieder des Vorstands, der die laufenden Geschäfte führt, werden aus der Mitte
des Personalrats bestimmt (§ 32 Abs. 1 BPersVG). Auch insoweit kommt dem
Dienstherrn keine Entscheidungsbefugnis zu. Diese gesetzliche Ausgestaltung des
Wahlehrenamtes (§ 46 Abs. 1 BPersVG) würde unterlaufen, wenn der Dienstherr
bei freigestellten Personalratsmitgliedern zu prüfen hätte, ob deren weitere
Mitwirkung in dem Beteiligungsgremium zur Aufrechterhaltung der Kontinuität in
der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben erforderlich ist. Insoweit ist dem
Dienstherrn keinerlei Einschätzungsprärogative eingeräumt. Der Dienstherr ist
aber umgekehrt auch nicht gehalten, die Einschätzung des Personalrats zu
übernehmen und seiner eigenen Organisationsentscheidung zu Grunde zu legen.
Eine derartige Bindung ließe das Letztentscheidungsrecht des Dienstherrn als
eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers außer Betracht (vgl.
dazu BVerfG, B. v. 24.05.1995 – 2 BvF 1/92 –, BVerfGE 93, 37). Der dem
Dienstherrn eingeräumte Ermessenspielraum würde je nach Fallgestaltung hierfür
kein ausreichendes Korrektiv bieten. Die Dienststelle muss zwar Kosten und
Sachaufwand des Personalrats übernehmen (§ 44 BPersVG), hierzu zählt aber
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Sachaufwand des Personalrats übernehmen (§ 44 BPersVG), hierzu zählt aber
nicht die Bereitstellung von personellen Ressourcen durch Hinausschieben der
Altersgrenze für Personalratsmitglieder. Überdies bestünde dabei die Gefahr einer
Verfälschung des Wählerwillens, wenn der Dienstherr den Ruhestand eines
Personalratsmitglieds im Hinblick auf etwaige Notwendigkeiten innerhalb des
Personalrats hinausschieben würde. Den Wählern war das Alter des Antragstellers
durch den Aushang des Wahlvorschlages (§§ 13 Abs. 1, 8 Abs. 2 Satz 2 BPersVWO)
und die damit einhergehende Notwendigkeit, dass ein Ersatzmitglied während der
Amtszeit in den Personalrat eintritt, bekannt. Es ist nicht von vornherein
auszuschließen, dass dies ihre Wahlentscheidung mitbestimmt hat.
Auch dann, wenn man für die Frage des dienstlichen Interesses auf die Situation
im Örtlichen Personalrat abstellt, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Es ist davon
auszugehen, dass sich auch andere Mitglieder des Örtlichen Personalrats
unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit durch die Teilnahme an Aus- und
Fortbildungsveranstaltungen die notwendigen fachlichen Kenntnisse aneignen
können. Für die Übergangszeit muss erforderlichenfalls verstärkt von der
Einholung von Auskünften und Erläuterungen durch die Dienststelle Gebrauch
gemacht werden. Auch ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin die
Auswirkungen einer Bewilligung für ihre Beförderungsplanung in die Bestimmung
des dienstlichen Interesses einstellt. Schließlich ergibt sich aus § 53 Abs. 1 BBG
keine Intention des Gesetzgebers, dem Beamten grundsätzlich ein
Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand zu ermöglichen. Das Gericht sieht
insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt
Bezug auf die Ausführungen in den Abschnitten 1, 2 und 4 des Bescheids vom
14.05.2010 (§ 117 Abs. 5 VwGO entsprechend).
Eine Benachteiligung des Antragstellers wegen der Wahrnehmung seiner
Personalratsaufgaben (§ 8 BPersVG) liegt in der Ablehnung seines Antrags nicht.
Es ist – wie bereits erwähnt – nichts dafür vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass
es ohne die Freistellung wegen der Personalratstätigkeit im dienstlichen Interesse
läge, den Eintritt seines Ruhestandes hinauszuschieben. Ebenso wenig geht mit
der Ablehnung des Antrags eine Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs des
Antragstellers (§ 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG) einher. Es würde im Gegenteil eine
unzulässige Begünstigung (§ 8 BPersVG) des Antragstellers bedeuten, wenn die
Altersgrenze bei ihm hinausgeschoben würde, ohne dass hierfür ein dienstliches
Interesse besteht. Einer Zustimmung der Personalvertretung bedurfte es nicht.
Die Ablehnung eines Antrags auf Hinausschieben des Ruhestands unterfällt nicht §
76 Abs. 1 Nr. 9 BPersVG (GKÖD, § 76 BPersVG RdNr. 33 m. w. N.). Ob mit dem
Bescheid vom 14.05.2010 eine eigene Entscheidung des Bundeskriminalamts
getroffen oder eine Entscheidung des Bundesinnenministeriums übermittelt
worden ist, ohne dies ausreichend offenzulegen, bedarf keiner Klärung, nachdem
beide Behörden mit übereinstimmenden Gründen ein dienstliches Interesse
verneint haben und dies die ablehnende Entscheidung trägt.
Auf den von dem Antragsteller weiter vorgebrachten Aspekt der Gleichbehandlung
sowie die dargelegten persönlichen Gründe kommt es nicht an. Da ein dienstliches
Interesse nicht besteht, ist für eine Ermessensausübung des Dienstherrn, in die
diese Gesichtspunkte Eingang finden könnten, kein Raum.
Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen
(§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1
und Abs. 5 Satz 2 GKG und berücksichtigt das Endgrundgehalt der
Besoldungsgruppe A15 nach der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden
Besoldungstabelle. Danach errechnet sich ein Betrag von 35.061,00 € (5.394,00 €
* 13 / 2). Dieser Betrag ist wegen des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens zu
halbieren (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 17.09.2004 – 2 B 11470/04 –, DVBl. 2005,
330). Danach errechnet sich ein Streitwert von 17.530,50 €.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.