Urteil des VG Wiesbaden vom 06.01.2011

VG Wiesbaden: hessen, veranstalter, lotterie, behörde, eugh, europarecht, spieleinsatz, werbung, geschäftsbetrieb, dienstleistungsfreiheit

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Gericht:
VG Wiesbaden 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 K 9/11.WI
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 Abs 2 S 3 GlSpielWStVtr, §
4 Abs 4 GlSpielWStVtr, § 19
GlSpielWStVtr, § 9 Abs 1 S 2
GlSpielG HE, § 14 GlSpielG HE
Gewerbliche Spielvermittlung
Leitsatz
Das Internetverbot verstößt nicht gegen Verfassungs- und Europarecht. Die Tätigkeit
als gewerblicher Spielvermittler ist erlaubnispflichtig. Liegen alle
Erlaubnisvoraussetzungen vor, besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer
Erlaubnis. Das Regionalitätsprinzip und die Zwei-Drittel-Regelung sind nicht zu
beanstanden; allerdings ist die Verpflichtung, über den gesamten Geschäftsbetrieb den
Bericht eines Wirtschaftsprüfers vorzulegen, unverhältnismäßig.
Tenor
1. Ziffer 2 des Bescheides des Beklagten vom 30.10.2008 wird aufgehoben. Der
Beklagte wird verpflichtet, den Erlaubnisantrag der Klägerin vom 15.08.2008
(eingegangen am 18.08.2008) für den Zeitraum ab 01.01.2009 unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Ziffer 3 des Bescheides vom 30.10.2008 wird aufgehoben, soweit der Klägerin
mehr als die Hälfte der Kosten auferlegt werden, Ziffer 4 wird aufgehoben, soweit
die Gebührenhöhe 500,-- € übersteigt.
3. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist gewerbliche Spielvermittlerin und begehrt vom Beklagten eine
Erlaubnis zur Vermittlung der Lotterie „6 aus 49“ in Hessen.
Die Klägerin, die zunächst auch die Erteilung einer übergangsweisen Internet-
Erlaubnis nach § 25 Abs. 6 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) beantragt
hatte (insoweit wurde die Klage gegen die ablehnende Entscheidung später
zurückgenommen und unter dem Az. 5 K 48/10.WI eingestellt) und nach der
Übergangsvorschrift des § 25 Abs. 1 GlüStV bis Ende 2008 auch außerhalb des
Internets in Hessen tätig werden wollte (insoweit wurde die Klage im Termin zur
mündlichen Verhandlung am 06.01.2011 zurückgenommen und unter dem
bisherigen Az. 5 K 1272/08.WI eingestellt), beantragte unter dem 15.08.2008
(eingegangen beim Beklagten am 18.08.2008) ausdrücklich die Erlaubnis für die
Betätigung als gewerbliche Spielvermittlerin in Hessen ab dem 01.01.2009.
Sie vermittle ausschließlich die Teilnahme an Ausspielungen des Deutschen Lotto-
und Totoblocks („6 aus 49“) und beabsichtige an Personen, die sich in Hessen
aufhalten, gem. § 4 Abs. 1 GlüStV i.V.m. §§ 9 ff., 14 des Hessischen
Glücksspielgesetzes (GlüG) ihre Produktangebote zu vermitteln.
Dazu lege sie ihre AGBs, die allgemeinen Spiel- und Teilnahmebedingungen, das
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Dazu lege sie ihre AGBs, die allgemeinen Spiel- und Teilnahmebedingungen, das
Sozialkonzept mit Kommunikations- und Vertriebskonzept, den Treuhändervertrag
und Unterlagen über die persönliche Zuverlässigkeit vor.
Das Teilnahmeverbot Minderjähriger werde durch den Schufa-Identitäts-Check
Premium mit Q-Bit sichergestellt, eine nachgelagerte Kontrolle erfolge durch das
Post-Ident-Verfahren.
Die Werbung werde auf das nach § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV zulässige Maß
beschränkt. Eine gezielte Aufforderung zur Teilnahme an Lotto finde nicht statt.
Den Aufklärungspflichten werde nachgekommen, die Einsatzgrenze von 1.000,-- €
pro Monat sei in die AGB aufgenommen worden.
Es werde seit längerem kein Vertrieb mehr übers Internet getätigt, das gelte auch
für die Werbung. Im Internet werde lediglich auf der eigenen Homepage das
Unternehmen präsentiert und dessen Produkte vorgestellt.
Mit Bescheid ohne Datum, der ausweislich Bl. 13 der Gerichtsakte im Verfahren 5
K 1272/08.WI am 30.10.2008 bei der damaligen Klägerbevollmächtigten einging,
lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 15.08.2008 zur gewerblichen
Vermittlung der Lotterie „6 aus 49“ in Hessen (ebenso wie die nicht
weiterverfolgten Anträge auf Erlaubnis bis Ende 2008) ab [Ziffer 2], erlegte der
Klägerin die gesamten Verfahrenskosten auf [Ziffer 3] und erhob eine Gebühr von
1.000,-- € [Ziffer 4].
Da die Klägerin bisher ihre Tätigkeit in Hessen nicht angezeigt habe, könne sie sich
für den Zeitraum bis Ende 2008 nicht auf die Übergangsvorschriften berufen.
Vielmehr sei ihre Betätigung ab 01.01.2008 erlaubnispflichtig.
Eine Erlaubnis für die nachfolgenden Zeiträume könne jedoch nicht erteilt werden:
- Die Klägerin halte die Vorgaben des § 14 Abs. 2 GlüG nicht ein, weil sie
Spielaufträge an andere Lotterieveranstalter aus dem deutschen Lotto-Toto-Block
vermittele.
- Sie erfülle nicht die Anforderungen im Bereich des Jugendschutzes, weil sie
für die Fälle, in denen die Altersverifikation durch die Schufa nicht möglich sei, als
zusätzliche Möglichkeit die Vorlage eines amtlichen Ausweisdokumentes in Form
einer Fotokopie vorsehe. Manipulationen durch Jugendliche seien nicht
ausgeschlossen.
- Sie komme ihrer Verpflichtung aus § 19 Abs. 1 GlüStV nicht hinreichend nach.
Nach ihrer Darstellung im Internet würden nur 2/3 der Basisleistungen abgeführt;
es fehle an der notwendigen Transparenz.
- Eine Aufstellung über die Gewinn- und Verlustmöglichkeiten nach § 7 Abs. 1
GlüStV sei nur der Internetseite zu entnehmen und daher lediglich einem
begrenzten Kundenkreis zugänglich. Die bloße Abbildung einer Tabelle auf S. 21
des Sozialkonzepts reiche nicht aus.
- Die vorgenannten Punkte schlössen die Erteilung einer Erlaubnis aus (§ 4
Abs. 2 GlüStV, § 15 Abs. 1 und § 10 Abs. 6 Nr. 3 GlüG).
- Die Kostenfestsetzung beruhe auf § 1 und § 2 des Hessischen
Verwaltungskostengesetzes i.V.m. Nr. 4316 des Verwaltungskostenverzeichnisses.
Dagegen hat die Klägerin am 27.11.2008 Klage erhoben (die bis zur Abtrennung
aufgrund der mündlichen Verhandlung am 06.01.2011 unter dem Az. 5 K
1272/08.WI geführt wurde).
Sie hält den Erlaubnisvorbehalt und die beschränkenden Regelungen im
Glücksspielstaatsvertrag für verfassungs- und europarechtswidrig und ist im
Übrigen der Auffassung, sie habe sämtliche Vorgaben des GlüStV und des GlüG
erfüllt sowie die entsprechenden Unterlagen vorgelegt.
Die Klägerin verweist darauf, dass 14 andere Bundesländer ihr antragsgemäß
Erlaubnisse – wenn auch unter zum Teil angefochtenen Auflagen – erteilt hätten.
Nur Sachsen-Anhalt habe – neben Hessen – den Antrag abgelehnt. Dort verfolge
die Klägerin ihr Begehren aber nicht weiter.
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Das Glücksspielmonopol des Landes Hessen sei inkohärent ausgestaltet. Das
staatliche Lotterieangebot werde über ca. 2.100 Lottoannahmestellen breitflächig
vertrieben und öffentlichkeitswirksam beworben. Sonderauslosungen und hohe
Jackpots würden ausdrücklich herausgestellt.
Anders als die Lotterie selbst greife die gewerbliche Spielvermittlung lediglich auf
die Infrastruktur einer genehmigten Lotterieveranstaltung zurück und eröffne die
Möglichkeit, die Ausgabe von Spielscheinen für den Spieler zu übernehmen und
diesen mit anderen Spielinteressenten zu einer Spielgemeinschaft
zusammenzuführen. Dies stelle keine gemeinwohlschädliche Tätigkeit dar. Bisher
habe es keine Erlaubnispflicht für die gewerblichen Spielvermittler gegeben; auch
sei es möglich gewesen, länderübergreifende Spielaufträge zu akquirieren und an
eine Lottogesellschaft der Wahl weiterzuleiten. Da es schon zweifelhaft sei, ob das
Lotteriespiel überhaupt ein nennenswertes Suchtpotential in sich berge, und die
Vermittlung erlaubter staatlicher Lotterien nicht geeignet sei, die Spiel- und
Wettleidenschaft zu fördern, könnten die nunmehrigen Einschränkungen für die
gewerbliche Spielvermittlung nicht durch besondere Gründe des Gemeinwohls
rechtfertigt werden. Motivation für die Verabschiedung des
Glücksspielstaatsvertrages sei die Sicherung der Einnahmen aus dem Glücksspiel
für die Landeshaushalte gewesen. Die gewerblichen Spielvermittler, die man seit
jeher als unliebsame Konkurrenz empfunden habe, sollten nun aus dem Markt
gedrängt werden. Es werde nicht die Kanalisierung des Spieltriebes, sondern die
Kanalisierung des Glücksspielmarktes bezweckt.
Das Genehmigungsverfahren sei darüber hinaus nicht verfassungsgemäß
ausgestaltet, der Genehmigungsvorbehalt enthalte keine tatbestandsmäßige
Festlegung der Genehmigungsvoraussetzungen. In § 4 GlüStV seien nur
Versagungstatbestände genannt, die die Behörde aber nicht hinderten, die
Genehmigung auch aus anderen Gründen zu verweigern. Nicht das Gesetz,
sondern die Verwaltung bestimme damit abschließend, welche Gesichtspunkte die
Versagung einer Genehmigung rechtfertigten. Allein die Bezugnahme auf die
allgemein gefassten Zielsetzungen des Glücksspielstaatsvertrages reiche nicht
aus.
Die Erlaubnisregelungen seien darüber hinaus unverhältnismäßig, weil der jeweilige
Antragsteller keinen Rechtsanspruch auf Genehmigung habe.
Soweit der Beklagte sich auf strafrechtliche Vorschriften beziehe, sei darauf
hinzuweisen, dass § 287 StGB – als speziellere Vorschrift zu § 284 StGB – die
gewerbliche Spielvermittlung gerade nicht erfasse. Dazu in Widerspruch stehende
Strafvorschriften der Länder könnten keine Gültigkeit beanspruchen.
Dass die Klägerin in anderen Bundesländern die Auflagen zu den
Erlaubnisbescheiden (insbesondere das Regionalitätsprinzip und die
Wirtschaftsprüferverpflichtung) angreife, bedeute nicht, dass sie sich nicht an das
geltende Recht halte; sie berufe sich lediglich auf den Suspensiveffekt ihrer Klagen.
Daraus könne der Beklagte nicht die Unzuverlässigkeit der Klägerin ableiten.
Im Übrigen seien die im angefochtenen Bescheid aufgeführten Ablehnungsgründe
nicht nachvollziehbar und rechtfertigten die Entscheidung nicht. Warum das zur
Altersverifikation vorgelegte Konzept nicht ausreichend sei, werde nicht dargelegt.
Außerdem habe der Beklagte andere, aus seiner Sicht erfolgreichere und
sicherere Verifikationsmethoden im Rahmen von Nebenbestimmungen anordnen
können.
Dass die Anforderungen des § 19 Nr. 1 GlüStV nicht erfüllt würden, sei nicht
ersichtlich. Im Übrigen sei die 2/3-Regelung verfassungsrechtlich zu beanstanden,
weil sie in das Grundrecht der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreife; sie nehme
auf die Preisgestaltung der Klägerin mit erdrosselnder Wirkung Einfluss.
Auch die Regionalisierungsverpflichtung begegne verfassungs-, kartell- und
europarechtlichen Bedenken. Angesichts der bundeseinheitlichen Ausspielung von
„6 aus 49“ erschließe sich die Notwendigkeit der regionalisierten
Spielscheinabgabe allein für die gewerblichen Spielvermittler nicht.
Die Klägerin könne sich auf die Einhaltung europarechtlicher Vorgaben berufen,
weil ihre Tätigkeit potentiell grenzüberschreitend sei; bis 2008 sei sie auch im
Internet tätig gewesen.
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Soweit das Bundesverfassungsgericht bislang Entscheidungen zum
Glücksspielstaatsvertrag getroffen habe, handele es sich lediglich um
Nichtannahmebeschlüsse, die keine materielle Bindungswirkung entfalteten.
Demgegenüber seien die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes von jedem
nationalen Gericht zwingend zu beachten.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom
30.10.2008 zu verpflichten, der Klägerin die Erlaubnis zur Vermittlung der Lotterie
„6 aus 49“ im Lande Hessen ab dem 01.01.2009 im Rahmen der geltenden
Gesetze unbefristet - hilfsweise befristet auf vier Jahre, d. h. bis zum 31.12.2011-
zu erteilen, hilfsweise diese Erlaubnis ggf. mit Nebenbestimmungen zu versehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin vermittele keine in Hessen erlaubten Lotterien, wie dies § 14 Abs. 2
GlüG voraussetze. Notwendig dazu sei die Einrichtung einer Schnittstelle gewesen,
um wenigstens die technischen Voraussetzungen zur ordnungsgemäßen
Vermittlung der hessischen Spielaufträge an Lotto Hessen zu schaffen. Außer
einer Nachfrage der Klägerin bei Lotto Hessen Anfang 2008 seien jedoch keine
weiteren Gespräche geführt worden.
Die Verpflichtung, den Spieler klar und verständlich auf den an den Veranstalter
weiter zu leitenden Betrag hinzuweisen, halte die Klägerin nicht in ausreichendem
Maße ein. Das Neukunden-Begrüßungsschreiben sei irreführend. Der
Weiterleitungsbetrag bei zwei Ziehungen pro Woche werde mit 5,52 € beziffert,
betrage aber tatsächlich 7,99 € bei dem dort genannten Spieleinsatz von 11,98 €
Die Aufklärung über Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeit sei unzureichend.
Außerdem verstoße die Klägerin gegen die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV.
Ihre Internetpräsenz suggeriere dem Spieler das Gefühl, mit einem Mehreinsatz
seine Gewinnchancen zu erhöhen. Zudem sei die Bestellhotline mit der Hotline zur
Suchtberatung und zum Jugendschutz identisch.
Das Bundesverfassungsgericht habe in mehreren Entscheidungen die
Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielstaatsvertrages festgestellt und die
Beschränkungen für zulässig erachtet.
Das staatliche Glücksspielangebot werde von weniger als 2000
Lottoannahmestellen in Hessen vermittelt. Die Zahl der Annahmestellen sei
kontinuierlich reduziert worden.
Der Jugendschutz nehme bei Lotto Hessen einen besonders hohen Stellenwert ein.
Nur mit der Lotto-Card könnten Spieler an Sportwetten und Lotterien mit
besonderem Gefährdungspotential teilnehmen.
Die Regionalisierung sei zulässig und ergebe sich zwingend aus der Gliederung der
Bundesrepublik Deutschland in Bundesländer und der daraus resultierenden
begrenzten Zuständigkeit der Landesbehörden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 5 K
1272/08.WI, 5 K 48/10.WI und 5 K 9/11.WI sowie auf die vorgelegten Behördenakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem noch aufrechterhaltenen Umfang zulässig und begründet.
Die Klägerin, die immer anwaltlich vertreten war, begehrt unter Aufhebung der
ablehnenden Entscheidung des Beklagten eine Erlaubnis zur gewerblichen
Spielvermittlung ab 2009 „im Rahmen der geltenden Gesetze“.
Da nach den Regelungen der §§ 9 Abs. 1 Satz 2, 14, 15 GlüG und 19 i.V.m. 4 Abs.
2 Satz 3 GlüStV auch die gewerbliche Spielvermittlung der Erlaubnispflicht
unterworfen wird und – selbst bei Vorliegen aller Voraussetzungen – auf die
Erteilung einer Erlaubnis kein Rechtsanspruch besteht, kommt vorliegend nur ein
Bescheidungsausspruch als Unterfall des Verpflichtungsausspruches in Betracht (§
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Bescheidungsausspruch als Unterfall des Verpflichtungsausspruches in Betracht (§
113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Eine Ermessensreduzierung auf Null – die zu einer Verpflichtung des Beklagten
zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes führen könnte – kann hier schon
deshalb nicht festgestellt werden, weil die Erlaubnisvoraussetzungen von der
Behörde nicht abschließend geprüft wurden, sondern im Bescheid nur einzelne
Ablehnungsgründe genannt sind.
Soweit der angefochtene Bescheid die Betätigung der Klägerin generell unter
Erlaubnispflicht stellt, ist er nicht zu beanstanden.
Weder der Europäische Gerichtshof (vgl. zuletzt in den Urteilen vom 08.09.2010,
Rs. C-46/08 und Rs. C-316/07 u.a.) noch das Bundesverfassungsgericht (vgl.
Beschluss vom 14.10.2008, Az.: 1 BvR 928/08; Urteil vom 28.03.2006, Az.: 1 BvR
1054/01) verlangen im Bereich des Glücksspiels uneingeschränkte
Gewerbefreiheit. Vielmehr wird dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungs- und
Prognosespielraum eingeräumt; welches Schutzniveau er anstrebt und welche
Maßnahmen er zum Schutz der Bevölkerung und im Allgemeininteresse für nötig
hält, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen.
Die (durch den Glücksspielstaatsvertrag erstmals eingeführte) Erlaubnispflicht
nach § 19 i.V.m. § 4 Abs. 1 GlüStV und nach §§ 14, 15 GlüG für die gewerbliche
Spielvermittlung (die bis zum Inkrafttreten des GlüStV in Hessen nur anzeige – und
bestätigungspflichtig war, § 4 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen
in Deutschland) ist weder inkohärent noch unverhältnismäßig oder diskriminierend.
Vielmehr passt sie ins Regelungssystem der §§ 284 ff. StGB, 1 und 4 GlüStV, 9
GlüG, 1 und 2 Rennwett- und Lotteriegesetz, 1 Hessisches Spielbankengesetz und
der §§ 33c, d, e und i Gewerbeordnung. In diesen Vorschriften haben sowohl der
Bundes- als auch der Landesgesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass sie
Gefahren, die vom Glücksspiel ausgehen, kontrollieren und ihnen begegnen wollen,
und dass sie den unzweifelhaft vorhandenen Spieltrieb in kontrollierbaren Bahnen
halten wollen.
Eine behördliche Erlaubnis ist dafür ein geeignetes Mittel. Das hat die Klägerin
auch letztlich nicht in Abrede gestellt, weil sie gerade die Erteilung einer solchen
Erlaubnis für Hessen beantragt hat, um an Kunden vermitteln zu können, die sich
in Hessen aufhalten.
Die nach der aktuellen Gesetzeslage bestehende Erlaubnispflicht hat nach
Auffassung der Kammer grundsätzlich auch dann Bestand, wenn sich das
staatliche Lotterie-Veranstaltungsmonopol als verfassungs- oder
europarechtswidrig erweisen würde. Denn der Glücksspielstaatsvertrag regelt nicht
nur den Zugang von Veranstaltern zum Glücksspielmarkt, sondern legt daneben
die Anforderungen an die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen und
die Werbung hierfür fest. Diese Regelungen können unabhängig davon, ob neben
dem staatlichen Monopolveranstalter weitere private Veranstalter aus Gründen
der Dienstleistungs- oder Berufsfreiheit zum Lotteriemarkt zugelassen werden
müssen, bestehen (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.11.2010, Az.: 11
MC 429/10; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.11.2010, Az.: OVG 1 S
204.10).
Der Rechtsauffassung des VG Halle (Urteil vom 11.11.2010, Az.: 3 A 158/09), dass
– bei festgestellter Europarechtswidrigkeit– mit dem
Glücksspielveranstaltungsmonopol auch alle Regelungen, die die Vermittlung
betreffen, unanwendbar werden, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen.
Vielmehr müssten für diesen Fall nur die Vorschriften der §§ 10 Abs. 2 und 5
GlüStV, 6 Abs. 1 und 6 GlüG unangewendet bleiben, ohne dass der
Glücksspielstaatsvertrag und das Hessische Glücksspielgesetz im Übrigen ihren
Sinn verlieren würden. Denn auch wenn anderen Veranstaltern Zugang zum
hessischen Lotteriemarkt einzuräumen wäre, würden diese einer Erlaubnispflicht
unterliegen, wie sie derzeit auch für den Monopolisten gilt (§§ 6 Abs. 4, 9 GlüG, 4
Abs. 1 GlüStV).
Entsprechendes gilt für die – nicht monopolisierte – gewerbliche Spielvermittlung.
Deren Zulässigkeit knüpft an die in Hessen zugelassenen Lotterien an,
unabhängig davon, ob diese monopolisiert oder im regulierten Markt veranstaltet
werden.
Die Erlaubnispflicht ist auch weder unverhältnismäßig noch diskriminierend. Sie gilt
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Die Erlaubnispflicht ist auch weder unverhältnismäßig noch diskriminierend. Sie gilt
für alle gewerblichen Spielvermittler gleichermaßen und erfordert keinen Aufwand,
der für die bundesweit tätigen Vermittler unzumutbar wäre (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 14.10.2008, Az.: 1 BvR 928/08).
Allerdings rechtfertigen die Gründe, die der Beklagte für die Ablehnung der
begehrten Vermittlererlaubnis aufgeführt hat, nicht den angefochtenen Bescheid.
Soweit der Klägerin vorgehalten wird, sie vermittele keine Spielaufträge an in
Hessen zugelassene Lotterieveranstalter, sondern nur an Lotteriegesellschaften
anderer Bundesländer, ist dem entgegenzuhalten, dass die Klägerin mit ihrem
Antrag gerade für Hessen die Erlaubnis erstrebt. Dass sie noch keine
abschließenden Verhandlungen mit Lotto Hessen geführt und noch keine
Schnittstelle eingerichtet hat, ist der Verpflichtung geschuldet, vor dem
Tätigwerden eine Erlaubnis einzuholen. Soweit der Beklagte in diesem
Zusammenhang auf eine bislang unangemeldete Tätigkeit verweist und daraus
Unzuverlässigkeitsgründe herleiten will, hat die Klägerin vorgetragen, bislang –
auch vor 2008 – keine vertraglichen Beziehungen zu Lotto Hessen unterhalten und
dementsprechend insoweit keine Vermittlung von Spielaufträgen an diesen
Lotterieveranstalter durchgeführt zu haben. Dem zuständigen
Regierungspräsidium war die Klägerin bis zum Eingang des Erlaubnisantrages nicht
bekannt, was ebenfalls gegen eine Betätigung in Hessen spricht.
Die Ablehnung der Vermittlererlaubnis ab 2009 mit der Begründung, die Klägerin
halte die Vorgabe des § 14 Abs. 2 GlüG nicht ein, ist rechtsfehlerhaft.
Auch die Feststellung des Beklagten, die Form der Altersverifikation genüge nicht
den Anforderungen des § 4 Abs. 3 GlüStV, ist nicht nachvollziehbar, die Ablehnung
mit dieser Begründung fehlerhaft.
Nach § 4 Abs. 3 GlüStV ist die Teilnahme von Minderjährigen am Glücksspiel
unzulässig; die Vermittler haben ebenso wie die Veranstalter das Teilnahmeverbot
sicherzustellen. Nach den von ihr vorgelegten Unterlagen (Sozialkonzept vom
24.07.2008, Seite 31 bis 33) bedient sich die Klägerin dazu in erster Linie des –
vom Beklagten nicht beanstandeten – Schufa-Systems „Identitäts-Check mit Q-
Bit“. Ist danach eine Identifizierung nicht möglich, werden den Spielinteressenten
mehrere Möglichkeiten angeboten: Das Post-Ident-Verfahren, das Eigenhändig-
Plus-Verfahren von DHL oder die Vorlage der Kopie eines amtlichen
Ausweisdokuments. Nur letzteres hat der Beklagte beanstandet, ohne auf die
beiden anderen – mehr Sicherheit bietenden – Verfahren einzugehen. Eine
vollständige Versagung der Erlaubnis mit der gewählten Begründung verbietet sich
schon deshalb, weil die Behörde keine vollständige Prüfung der Alternativen
durchgeführt hat. Da der Klägerin als zulässiger Vertriebsweg unter Geltung des
Glücksspielstaatsvertrages und des Hessischen Glücksspielgesetzes nur der
Postweg bleibt, können Identifizierungsverfahren auch nur auf schriftlichem Wege
durchgeführt werden. Die Möglichkeit, dass sich Jugendliche unberechtigt Zugang
zu Unterlagen der Eltern verschaffen und diese für sich verwenden, kann nie
restlos ausgeschlossen werden. Darauf kann aber die Versagung einer Erlaubnis
nicht generell gestützt werden. Wie in anderen Bundesländern auch hätte der
Beklagte die Vorlage einer Personalausweiskopie zwar als zulässiges Ersatz-
Identifizierungsverfahren ablehnen können, ohne dass dies die Zulässigkeit der
übrigen Identifizierungsmöglichkeiten berührt hätte.
Soweit der Beklagte die Erlaubniserteilung mit der Begründung abgelehnt hat, die
Erfüllung der Verpflichtung aus „§ 19 Abs. 1 GlüStV“ sei nicht ausreichend
dargelegt, ist dies ebenfalls rechtsfehlerhaft. § 19 GlüStV, der keine verschiedenen
Absätze, sondern verschiedene Ziffern hat, regelt unter Ziffer 1 die Anforderung
an den gewerblichen Spielermittler, mindestens 2/3 der von den Spielern
vereinnahmten Beträge für die Spielteilnahme an den Veranstalter weiterzuleiten.
Darüber sind die Spieler klar und verständlich zu informieren. Diese Regelung war
bereits in der Vorgängervorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 3 LotterieStV Gegenstand
der Anforderungen, die an gewerbliche Spielvermittler zu stellen sind.
Im Sozialkonzept der Klägerin wird unter Abdruck eines Neukunden-
Begrüßungsbriefes ein Rechenbeispiel für Maxi-Lotto X400 mit zwei Ziehungen pro
Woche dargestellt, mit Kosten für den Spielteilnehmer von 5,99 € je Ziehung (die
sich aus 4,14 € Basisleistung für die Teilnahme am Spiel und 1,85 € Zusatzleistung
zusammensetzen), die Weiterleitung an die Lottogesellschaft wird mit 5,52 € pro
Woche beziffert. Insoweit rügt der Beklagte Intransparenz, weil lediglich 2/3 der
Basisleistung abgeführt würden. Mehr verlangt das Gesetz allerdings auch nicht.
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Basisleistung abgeführt würden. Mehr verlangt das Gesetz allerdings auch nicht.
Bei verständiger Würdigung fällt unter den Begriff der Basisleistung der vom
Spieler verlangte Spieleinsatz.
Zwar muss der Kunde – um dessen Schutz es hier geht -, um das Rechenbeispiel
nachzuvollziehen, vom Basis-Spieleinsatz pro Ziehung 2/3 berechnen und diesen
Betrag verdoppeln, um die Summe für die wöchentliche Weiterleitung an die
Lottogesellschaft zu erhalten. Es geht aber bei der Vorschrift des § 19 Ziffer 1
GlüStV nicht um eine Kontrollmöglichkeit für den Kunden, dass der
Abführungsbetrag richtig berechnet wird, sondern um dessen Information darüber,
dass 2/3 seiner Spieleinsätze an den Veranstalter weiterzuleiten sind. Diese
Verpflichtung wird zwei Seiten vorher im Sozialkonzept der Klägerin beschrieben.
Soweit der Beklagte dies nicht für ausreichend erachten, sondern der Auffassung
sein sollte, der Neukunden-Begrüßungsbrief müsse auch die eindeutige
Formulierung, dass 2/3 des Basispreises an den Veranstalter weitergegeben
werden, enthalten, wäre dies im Wege einer Auflage ebenso zu regeln gewesen wie
die Verpflichtung, den weiterzuleitenden Betrag einheitlich pro Woche und pro
Ziehung darzustellen (so z.B. die Erlaubnis des Innenministeriums des Landes
Schleswig-Holstein vom 23.12.2008). Die vollständige Versagung der Erlaubnis mit
dieser Begründung ist unverhältnismäßig.
Auch der der Klägerin vorgeworfene Verstoß gegen die Verpflichtung,
Spielteilnehmer über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust aufzuklären (§
7 Abs. 1 GlüStV), rechtfertigt nicht die Versagung der Erlaubnis.
Eine Tabelle zur Gewinnwahrscheinlichkeit befindet sich im Internetauftritt der
Klägerin. Auch in den Spielunterlagen, die den Spielern übersandt werden, wird die
Gewinnwahrscheinlichkeit tabellarisch dargestellt und darauf hingewiesen, dass
das maximale Verlustrisiko auf den Spieleinsatz beschränkt ist (vgl. Sozialkonzept
vom 24.07.2008, Seite 21). Wieso der Beklagte diese Angaben der Klägerin in
Zweifel zieht, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist aber nicht nachvollziehbar,
warum der Beklagte vor Ablehnung den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt und die
Vorlage der kompletten Spielunterlagen, wie sie an Spielinteressenten versandt
werden, gefordert hat.
Unabhängig davon hätte die Klägerin in einer Auflage vorgeschriebenen werden
können, wie sie Spielteilnehmer über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und
Verlust aufzuklären hat. Eine vollständige Versagung ist jedenfalls
unverhältnismäßig.
Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides ist dementsprechend vollständig
aufzuheben.
Die Ziffern 3 und 4 sind in dem im Tenor zum Ausdruck kommenden Umfang
ebenfalls aufzuheben, weil sie der Klägerin für einen Verfahrensteil Kosten und
Gebühren auferlegen, der von dem Beklagten rechtsfehlerhaft beschieden wurde.
Die – hier nicht mehr streitgegenständliche – Antragsablehnung in Ziffer 1 hat
kosten- und gebührenmäßig das gleiche Gewicht wie die Antragsablehnung in
Ziffer 2.
Der Beklagte wird den Erlaubnisantrag der Klägerin neu zu bescheiden haben.
Dabei darf nach Auffassung des Gerichts der Umstand, dass die Klägerin einzelne
Nebenbestimmungen in den Erlaubnisbescheiden anderer Bundesländer
angefochten hat, ebenso wenig zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden wie
der Umstand, dass sie sich insoweit auf den Suspensiveffekt ihrer dort erhobenen
Klagen beruft. Aus der Bezugnahme auf gesetzliche Vorschriften (§ 80 Abs. 1
VwGO) lässt sich weder eine Unzuverlässigkeit noch ein Versagungsgrund ableiten.
Allerdings darf der Beklagte das von der Klägerin in Frage gestellte
Regionalitätsprinzip und die sogenannte 2/3-Regelung zum Gegenstand eines
Erlaubnisbescheides machen.
Die Wirtschaftsprüferverpflichtung des § 15 Abs. 3 GlüG ist demgegenüber eine
unverhältnismäßige und nicht mehr vertretbare Belastung der gewerblichen
Spielvermittler.
Abschließend ist § 4 Abs. 2 Satz 3 GlüStV und § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüG verfassungs-
und europarechtskonform dahin auszulegen, dass – wenn alle zulässigen
Erlaubnisvoraussetzungen vorliegen oder deren Einhaltung durch
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Erlaubnisvoraussetzungen vorliegen oder deren Einhaltung durch
Nebenbestimmungen gesichert ist – ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis
besteht, weil das Ermessen dann als auf Null reduziert anzusehen ist.
Die 2/3-Reglung (§ 19 Nr. 1 GlüStV i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 6 GlüG) ist ebenso wie das
Treuhändergebot (§§ 19 Nr. 3 GlüStV, 15 Abs. 1 GlüG) nicht neu, sondern war
bereits in den Vorgängerreglungen enthalten (vgl. § 14 Abs. 2 Nrn. 3 und 5
LotterieStV). Auch diese Verpflichtungen bestehen unabhängig davon, ob das
staatliche Lotteriemonopol Bestand haben kann oder ob auch private Veranstalter
zum Lotteriemarkt zuzulassen sind. Hier geht es um die regulierte Vermittlung,
deren Regelung dem Spielerschutz dient und den finanziellen Anreiz für eine
erhebliche Erweiterung der Angebote der gewerblichen Spielvermittler begrenzen
soll. Die Regulierung der Vermarktung des Glücksspielangebots entspricht den
Vorgaben des § 1 GlüStV und hat den Zweck, die Einnahmen aus der
Glücksspielveranstaltung und –vermittlung zu kanalisieren und kontrollieren.
Dagegen bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken.
Das Regionalitätsprinzip (§§ 2 Abs. 4, 9 Abs. 4 Satz 1 GlüStV, 14 Abs. 1 und 2
GlüG) fordert in Bezug auf die Spielvermittler, dass – soweit dem Spieler in Hessen
die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet wird (§ 2 Abs. 4 GlüStV) – der Spieler sich in
Hessen aufhält und sein Spielauftrag nur für Lotterien und Ausspielungen, die in
Hessen zulässig sind, entgegengenommen wird. Diese Vorschrift ist in Anbetracht
der Regelung des § 9 Abs. 3 GlüG auch auf Spieler anzuwenden, die in Hessen
wohnen. Damit dürfen in Hessen Spielaufträge auswärtiger Spieler, die sich auch
nicht in Hessen aufhalten, nicht an Lotto Hessen vermittelt werden. Auch
Spielaufträge hessischer Spieler dürfen nicht an andere Lottogesellschaften
weitergeleitet werden, wenn das Vermittlungsgeschäft in Hessen stattfindet. Diese
Einschränkungen machen die überregionale Vermittlung unmöglich und verlangen
im Ergebnis die Bildung von Spielergemeinschaften nach Bundesländern getrennt.
Damit geht das Gesetz über die bisherigen Regelungen in § 14
Lotteriestaatsvertrag hinaus; es will den Wettbewerb verschiedener Veranstalter
um Kunden verhindern und das Angebot sozialverträglich begrenzen (so die
amtliche Begründung zu § 15 GlüG, Hessischer Landtag, 16. Wahlperiode, DS
16/7656 vom 23.08.2007). Auch wenn die im Deutschen Toto-Lottoblock
zusammengeschlossenen Lottogesellschaften der einzelnen Bundesländer
bundeseinheitlich die Ziehung „6 aus 49“ ausspielen, ist die ordnungsrechtliche
Kontrolle durch die Landesbehörden aufgrund der beschränkten Gebietshoheit nur
im Bereich des jeweiligen Bundeslandes möglich. Entsprechendes gilt für die
Erlaubnis, auch diese kann von einer hessischen Behörde nur für eine Betätigung
in Hessen erteilt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat vergleichbare Regelungen anderer
Bundesländer als einen Eingriff in die Berufsfreiheit der gewerblichen
Lotterievermittler angesehen, der aber gerechtfertigt ist, obwohl er maßgeblichen
Einfluss auf die Rentabilität des Gewerbebetriebes hat, weil er der Verwirklichung
der Ziele des Glücksspielstaatsvertrages dient (Beschluss vom 14.10.2008, Az.: 1
BvR 928/08).
Eine ordnungsbehördliche Begrenzung und Überwachung auch der Tätigkeit der
gewerblichen Spielvermittler begegnet darüber hinaus keinen europarechtlichen
Bedenken, weil die Dienstleistungsfreiheit gerade im Bereich des Glücksspiels
keinen uneingeschränkten Marktzugang fordert, sondern nur unangemessene
Einschränkungen und den diskriminierenden Ausschluss einzelner Bewerber
verhindern will. Unter der Prämisse, dass gerade im Glücksspielrecht den
einzelnen Mitgliedsstaaten ein weites Auswahlermessen hinsichtlich der von ihnen
zum Spielerschutz ergriffenen Maßnahmen zusteht (vgl. EuGH, Urteile vom
08.09.2010, Rs. C-46/08 und 316/07), kann eine unverhältnismäßige Beschränkung
insoweit nicht festgestellt werden, zumal den gewerblichen Spielvermittlern nach
Erteilung entsprechender Erlaubnisse – auf die sie nach Ansicht des Gerichts bei
Vorliegen aller Voraussetzungen einen Anspruch haben – nach wie vor der
gesamte Glücksspielmarkt in Deutschland offensteht.
Allerdings ist die in Hessen zwingende Verpflichtung, für jedes Geschäftsjahr den
Bericht eines Wirtschaftsprüfers über den gesamten Geschäftsbetrieb vorzulegen
(§ 15 Abs. 3 GlüG), als unverhältnismäßige Einschränkung des Art. 56 AEUV
anzusehen.
Diese Vorschrift kann, auch wenn es vorliegend um den Geschäftsbetrieb der
Klägerin in Hessen mit dem Ziel, Spielaufträge an Lotto Hessen zu vermitteln,
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Klägerin in Hessen mit dem Ziel, Spielaufträge an Lotto Hessen zu vermitteln,
geht, angewendet werden. Es ist ein grenzüberschreitender Bezug deshalb
gegeben, weil die Klägerin Vermittlung über das Internet betreiben und
Spielaufträge auch von Kunden vermitteln möchte, die in einem anderen EU-Land
ansässig sind. Die Anwendung der die Dienstleistungsfreiheit regelnden Vorschrift
des Art. 56 AEUV ist nicht davon abhängig, dass solche Geschäftsbeziehungen
bereits bestehen; es kommt lediglich darauf an, ob es potentiellen
Leistungsempfänger gibt, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind (vgl.
EuGH, Urteil vom 10.05.1995, Rs. C-384/93). Damit sind die Regelungen, die die
Geschäftstätigkeit der Klägerin reglementieren und einschränken, von den
nationalen Gerichten auch an den Maßstäben zu messen, die der Europäische
Gerichtshof zur Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit
aufgestellt hat (vgl. Urteil vom 08.09.2090, Rs. C-409/06, RdNrn. 55,56,61).
Entsprechend muss die Einschaltung einer Wirtschaftsprüferin oder eines
Wirtschaftprüfers notwendig sein, um den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages
Rechnung zu tragen. Eine solche einschneidende und finanziell belastende
Maßnahme wäre dementsprechend überhaupt nur gerechtfertigt, wenn sie
entweder dem Spielerschutz und der Verhinderung von Glücksspielsucht oder der
Kriminalitätsbekämpfung dienen würde und andere Maßnahmen weniger
erfolgversprechend wären. Die Gesetzesbegründung gibt hierüber keinen
Aufschluss, sondern wiederholt nur den Gesetzestext. Die genannte Verpflichtung
besteht auch nicht bundesweit, sie ist nicht in allen Bundesländern zwingend
vorgeschrieben.
Die Überprüfung interner Geschäftsabläufe hat mit Suchtprävention nichts zu tun,
sondern allenfalls mit der Verhütung krimineller Machenschaften. Dass es solche
bei den gewerblichen Spielvermittlern in nennenswertem Umfang jemals gegeben
hätte, ist nicht erkennbar. Vergleichbare Regelungen gibt es auch weder für die
Buchmacher noch für die Betreiber hessischer Spielbanken. Auch geht eine solche
Verpflichtung weit über das hinaus, was der Klägerin nach dem GmbH-Gesetz und
dem HGB an gesellschaftsrechtlichen Prüfungspflichten auferlegt wird (vgl. dazu
VG Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2009, Az.: 18 K 515/09).
Eine Erleichterung der Kontrolltätigkeit der hessischen Ordnungsbehörden kann
keine Rechtfertigung für einen so einschneidenden Eingriff sein. Darüber hinaus
dürfte eine Prüfungsverpflichtung ohne Anlasstatbestand dem präventiven
Charakter der Erlaubnispflicht widersprechen (vgl. VG Regensburg, Urteil vom
21.10.2010, Az.: RO 5 K 10.31, zur Auskunfts- und Vorlageverpflichtung bezüglich
„aller Unterlagen und Nachweise“).
§ 15 Abs. 3 GlüG (als zwingende Erlaubnisvoraussetzung) muss daher
unangewendet bleiben.
Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 3 GlüStV verstößt ebenfalls gegen Europarecht,
weil ein System vorheriger behördlicher Erlaubnisse nur gerechtfertigt ist, wenn es
auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht,
die dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen setzen (so EuGH, Urteil vom
08.09.2010, Rs. C-46/08, RdNr. 87). Solche Kriterien lassen sich der schlichten
Formulierung, dass kein Anspruch auf eine Erlaubnis besteht, nicht entnehmen.
Auch der Verweis in § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüG, dass bei der Ermessensausübung den
Zielen des § 1 GlüStV Rechnung zu tragen ist, beinhaltet lediglich eine
Selbstverständlichkeit, benennt aber keine ermessensbindenden Kriterien.
Allerdings kann § 4 Abs. 2 Satz 3 GlüStV verfassungs- und europarechtskonform
dahin ausgelegt werden, dass dann, wenn alle zulässigen gesetzlichen
Erlaubnisanforderungen erfüllt und keine Unzuverlässigkeitsgründe im Sinne von §
35 Abs. 1 Gewerbeordnung vorhanden sind, das Ermessen auf Null reduziert wird
und eine Erlaubnis erteilt werden muss.
Das generelle Internetverbot des § 4 Abs. 4 und das Werbeverbot im Internet nach
§ 5 Abs. 3 GlüStV, das für alle dem Glücksspielstaatsvertrag unterliegenden
Glücksspiele und deren Vermittlung gilt, verstößt nicht gegen Verfassungs- und
Europarecht. Sowohl das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) als auch der EuGH
(vgl. Urteil vom 08.09.2010, Rs. C-46/08, RdNrn. 100 ff.) betonen die besonderen
Gefahren des Internets im Glücksspielbereich, besonders im Hinblick auf die
Verfügbarkeit des Angebots und die erleichterten Zugriffsmöglichkeiten. Es liegt
im weiten Ermessen des Gesetzgebers, besondere Veranstaltungs- und
Vertriebsmöglichkeiten als gefährlich anzusehen und sie zu verbieten, unabhängig
davon, ob einzelne Lottogesellschaften – wie auch Lotto Hessen – und private
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davon, ob einzelne Lottogesellschaften – wie auch Lotto Hessen – und private
Anbieter auf die Wiedereinführung des Internetangebots dringen.
Auch in diesem Zusammenhang kommt es auf die Frage, ob das Lotteriemonopol
europarechtlicher Überprüfung standhalten kann, nicht entscheidend an. Denn das
Internetverbot gilt allgemein in den durch den Glücksspielstaatsvertrag geregelten
Bereichen, seien sie monopolisiert oder dem regulierten Markt zuzurechnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.