Urteil des VG Wiesbaden vom 30.12.2008

VG Wiesbaden: staatssekretär, einweisung, referat, rechtsschutz, dokumentation, mitbewerber, behandlung, zusammenarbeit, erlass, amt

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Gericht:
VG Wiesbaden 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 L 1178/08.WI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 33 Abs 2 GG, Art 134 Verf
HE, § 18 BBesG, § 25 BBesG
Nachschieben einer fehlenden Auswahlentscheidung im
gerichtlichen Verfahren; Fehlende Dienstpostenbewertung
für eine Planstelle
Leitsatz
1. Eine fehlende Auswahlentscheidung kann im gerichtlichen Verfahren nicht
nachgeschoben werden (wie BVerfG v. 09.07.07 - 2 BvR 206/07).
2. Fehlende Dienstpostenbewertung für eine Planstelle nach B2 BBesG stellt einen
Mangel des Auswahlverfahrens dar. Ein Nachschieben diesbezüglicher Erwägungen
wäre nur durch die für die Personalauswahlentscheidung sachlich und persönlich
zuständige Stelle möglich.
Tenor
1. Dem Antragsgegner wird bis zum Abschluss eines erneut durchzuführenden
Auswahlverfahrens untersagt, die Beigeladene in eine Planstelle der
Besoldungsgruppe B 2 BBesG einzuweisen.
2. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der
Antragsteller hat der Antragsgegner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre
außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 28.706,44 € festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller, eine Ministerialrätin und zwei Ministerialräte (A 16 BBesG), sind
Referatsleiter im Hessischen Ministerium XXX in Wiesbaden. Sie wenden sich
gegen die Einweisung der Beigeladenen in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B
2 BBesG.
In der Beförderungsrunde Oktober XXX stand im Hessischen Ministerium XXX eine
Beförderungsmöglichkeit nach B 2 BBesG zur Verfügung, deren Nutzung sich die
Dienststelle ausweislich eines Vermerks des Abteilungsleiters I vom 17.09.2008
vorbehalten wollte (Bl. 7 VV). Mit Vermerk vom 17.09.2008, der am 18.09.2008
von der Ministerin gebilligt wurde, wurden Auswahlentscheidungen bezüglich der
Besoldungsgruppen A 16 bis A 13 g.D. getroffen (Bl. 9 - 11 VV). Diesbezüglich
wurden der Personalrat, die Frauenbeauftragte und die
Schwerbehindertenvertretung beteiligt. In dem Anschreiben an den Personalrat
wurde ausgeführt, dass eine Auswahlentscheidung aufgrund des laufenden
Konkurrentenstreitverfahrens noch nicht getroffen worden sei (Bl. 17 VV). Mit
ergänzendem Schreiben vom Oktober XXX an den Personalrat teilte der
Staatssekretär mit, dass er beabsichtige, eine weitere Beförderungsstelle A 13
g.D. mit einem bestimmten Bewerber zu besetzen und bat um Zustimmung
hierzu (Bl. 20 VV). Mit weiterem ergänzenden Schreiben vom 21.10.2008 an den
Personalrat teilte der Abteilungsleiter I im Rahmen der vertrauensvollen
Zusammenarbeit mit, dass er beabsichtige, die Beigeladene in die
Besoldungsgruppe B 2 BBesG einzuweisen, da sie am besten beurteilt worden sei
(Bl. 26 VV). Die Frauenbeauftragte stimmte dem Vorschlag am 22.10.2008 zu (Bl.
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(Bl. 26 VV). Die Frauenbeauftragte stimmte dem Vorschlag am 22.10.2008 zu (Bl.
56 VV).
Mit Schreiben des Abteilungsleiters I vom 15.10.2008, das der Antragstellerin zu 1)
am 16.10.2008 und dem Antragsteller zu 3) am 15.10.2008 persönlich
ausgehändigt sowie dem Antragsteller zu 2) am 15.10.2008 in seinen privaten
Hausbriefkasten eingelegt wurde, wurden die Antragsteller über die Auswahl der
Beigeladenen informiert (Bl. 33, 36, 39, 44, 57 und 64 VV) und es wurde mitgeteilt,
dass die Aushändigung des Einweisungsschreibens an die Beigeladene am
31.10.2008 erfolgen solle.
Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 27.10.2008, der am 28.10.2008
eingegangen ist, bei dem Verwaltungsgericht Wiesbaden um vorläufigen
Rechtsschutz nachgesucht.
Zur Begründung des Eilantrages tragen die Antragsteller vor, nach Aktenlage
existiere kein Auswahlvermerk, der die Auswahlentscheidung nachvollziehbar
dokumentiere.
Die anlässlich der Beförderungsrunde neu erstellten Beurteilungen seien ohne
Anhörung der Antragsteller gemäß Ziffer 5.3.1.6 der Beurteilungsrichtlinien erstellt
worden. Sie seien nur von dem Abteilungsleiter erstellt und unterzeichnet worden.
Dies verstoße gegen die maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien, die als
Erstbeurteiler den jeweiligen Abteilungsleiter und als Zweitbeurteiler den
Staatssekretär vorsähen. Es gebe auch keine Hinweise, dass eine
Beurteilerkonferenz die Entwürfe miteinander verglichen, diskutiert und
gegebenenfalls geändert habe.
Im Hessischen Ministerium XXX gebe es keine Dienstpostenbewertung. Aus der
Größe eines Referates könne nicht geschlossen werden, dass diesem eine B 2-
Stelle zugeordnet werden könne. Denn in der jüngsten Vergangenheit seien viele
Kleinreferate geschaffen worden.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO
vorläufig bis zum Abschluss eines erneut durchzuführenden Auswahlverfahrens zu
untersagen, die Beigeladene in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 2 BBesG
einzuweisen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner trägt vor, bei der Einweisung in die Besoldungsgruppe B 2
handele sich um eine Beförderung ohne Änderung der Amtsbezeichnung.
Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, die Auswahlentscheidung zur
Besetzung der Planstelle B 2 beruhe auf form- und verfahrensgerechten
Beurteilungen, so dass die Beförderungsrunde Oktober XXX im Ergebnis nicht
fehlerhaft durchgeführt worden sei.
Die von den Antragstellern gerügten Besprechungsmängel führten nicht zur
Rechtswidrigkeit einer Beurteilung. Mit dem Antragsteller zu 3) sei vor dem
15.09.2008 ein Gesprächgeführt worden, ein Gespräch mit der Antragstellerin zu
1) sei wegen deren Abwesenheit und Erkrankung nicht möglich gewesen. Die
Verletzung solcher relativen Verfahrensvorschriften erhalte durchschlagende
rechtliche Bedeutung nur dann, wenn es nach den Verhältnissen des Einzelfalles
konkret möglich erscheine, dass die Beachtung der Vorschriften den Inhalt der
Beurteilung beeinflusst hätte, weil Einzelfeststellungen oder die Gesamtnote
hätten günstiger ausfallen können. Dies sei jedoch bei keiner der Beurteilungen
der Fall.
Es habe ein zweistufiges Beurteilungsverfahren stattgefunden; nach Vorbereitung
der Beurteilungen im Entwurf durch die Abteilungsleitungen habe der
Staatssekretär diese unterzeichnet. Am 15.09.2008 sei eine Beurteilerkonferenz
durchgeführt worden.
Das Fehlen einer vorherigen Dienstpostenbewertung stelle vorliegend keinen
Verfahrensmangel des Auswahlverfahrens dar. Die Rechtsprechung sehe den
Bewerbungsverfahrensanspruch dann nicht als verletzt an, wenn die erforderlichen
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Bewerbungsverfahrensanspruch dann nicht als verletzt an, wenn die erforderlichen
Erwägungen zur Dienstpostenbewertung nachgeholt würden oder wenn die
fehlerhafte Einleitung des Beförderungsverfahrens für die Entscheidung in der
Sache unerheblich sei. Vorliegend hätten die Antragsteller keine Erwägungen zur
Wertigkeit der von ihnen und von der Beigeladenen wahrgenommenen
Dienstposten angestellt. Aufgrund der Aufgabenstellung des Ressorts habe in der
Vergangenheit die Notwendigkeit bestanden, vereinzelt Kleinreferate einzurichten,
was aber keine Abkehr von dem Kabinettsbeschluss vom 27.03.2001 darstelle. So
seien auch Großreferate geschaffen worden. Das Referat XXX, das die Beigeladene
koordinierend leite, stelle als eines der zentralen Referate des Hauses ein
Großreferat dar. Neben den Referatsleitungen XXX und XXX seien insgesamt sechs
Beamte beschäftigt, zwei aus dem höheren, vier aus dem gehobenen Dienst.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 12.11.2008 wurde die
ausgewählte Bewerberin zu dem Verfahren beigeladen. Sie hat sich nicht
geäußert.
Mit Schriftsatz vom 19.12.2008 legte der Antragsgegner einen Auswahlvermerk
vom 16.12.2008 vor, den der Staatssekretär am gleichen Tag unterzeichnet hatte
(Bl. 61-62 GA). Auf den Inhalt des Auswahlvermerks wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten der Eilverfahren 8 L 447/08.WI, 8 L
565/08.WI und 8 L 566/08.WI sowie der vorgelegten Behördenvorgänge (je ein Band
Personalakte der Antragsteller und der Beigeladenen, ein Hefter Auswahlvorgang)
Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, da die
Ablehnungsentscheidung des Antragsgegners im Hinblick auf die mangels
Rechtsbehelfsbelehrung in der Auswahlmitteilung noch offene Widerspruchsfrist (§
58 Abs. 2 Satz 1 VwGO) nicht bestandskräftig geworden ist (vgl. Hess. VGH,
Beschluss vom 17.01.1995 - 1 TG 1483/94 -, HessVGRspr. 1995, 82).
Der zulässige Antrag ist auch begründet. Die Antragsteller haben sowohl einen
Anspruch, dessen Einhaltung durch die einstweilige Anordnung gesichert werden
soll, als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 3 VwGO,
920 Abs. 2 ZPO).
Die Antragsteller sind durch die Art und Weise des durchgeführten
Auswahlverfahrens und die hierauf beruhende, zu Gunsten der Beigeladenen
getroffene Auswahlentscheidung in ihrem von Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit
Art. 134 HV gewährleisteten grundrechtsgleichen Recht auf (chancen-) gleichen
Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung verletzt worden. Der sogenannte
Bewerbungsverfahrensanspruch umfasst das Recht eines Bewerbers um eine
Beförderungsstelle beziehungsweise einen Dienstposten auf eine faire und
chancengleiche Behandlung unter Einhaltung des eventuell gesetzlich
vorgeschriebenen Verfahrens einschließlich etwaiger Anhörungs- und
Beteiligungsrechte sowie die Pflicht des Dienstherrn, von seinem
Auswahlermessen einen fehlerfreien Gebrauch zu machen (Hess. VGH, Beschluss
vom 18.02.1985 - 1 TH 242/85 -; Beschluss vom 12.10.1987 - 1 TG 2724/87 -).
Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung setzt voraus, dass der Dienstherr auf der
Grundlage des gesamten für die Einschätzung der persönlichen Eignung und der
fachlichen Leistungen der Bewerber bedeutsamen Inhalts der Personalakten,
insbesondere der letzten aktuellen dienstlichen Beurteilung, die persönliche und
fachliche Leistung der Bewerber im Hinblick auf das spezifische Anforderungsprofil
des zu besetzenden Dienstpostens einem Vergleich unterzieht und nach
Feststellung der insoweit bedeutsamen Tatsachen eine wertende Abwägung und
Zuordnung vornimmt (Hess. VGH, Beschluss vom 26.10.1993 - 1 TG 1585/93 -,
HessVGRspr. 1994, 34). Diese Feststellungen und die wesentlichen
Auswahlerwägungen sind schriftlich niederzulegen. Über dieses formelle
Begründungserfordernis hinaus muss die Begründung der Auswahlentscheidung
inhaltlich den Bedingungen rationaler Abwägung genügen (Hess. VGH, Beschluss
vom 10.10.1989 - 1 TG 2751/89 -, NVwZ 1990, 284).
Eine rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung setzt weiter voraus, dass der
Dienstherr für den zu besetzenden Dienstposten ein spezifisches
Anforderungsprofil festgelegt, soweit dies nicht bereits durch Gesetz, Verordnung
oder Verwaltungsvorschriften vorgegeben ist. Dabei bleibt es ausschließlich der
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oder Verwaltungsvorschriften vorgegeben ist. Dabei bleibt es ausschließlich der
Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen den zur Eignung, Befähigung
und fachlicher Leistung zuzurechnenden Umständen er das größere Gewicht
beimisst. Orientiert sich die Auswahlentscheidung nicht an dem
dienstpostenspezifischen Anforderungsprofil als Maßstab, kann nicht
ausgeschlossen werden, dass der Dienstherr von seiner Beurteilungsermächtigung
fehlerhaft Gebrauch gemacht hat.
Dieser Anforderungen wird die angefochtene Auswahlentscheidung nicht gerecht.
Das Verfahren ist bereits deshalb fehlerhaft, weil es an einer schriftlichen
Auswahlentscheidung fehlt, die nachvollziehbar die Entscheidung zugunsten der
Beigeladenen dokumentiert. Die Antragsteller haben zu Recht darauf hingewiesen,
dass sich der in dem Verwaltungsvorgang befindliche Auswahlvermerk vom
17.09.2008, den die Ministerin unterzeichnete, gerade nicht mit der Einweisung in
die Planstelle beschäftigte. Aus dem nachfolgenden Anschreiben vom 19.09.2008
an den Personalrat zwecks Zustimmung zu den beabsichtigten Maßnahmen wird
dies noch einmal bestätigt, denn dort heißt es: "Einweisung in B 2 - Eine
Auswahlentscheidung wurde auf Grund des laufenden
Konkurrentenstreitverfahrens noch nicht getroffen." Eine weitere, von der
Ministerin oder dem zur ständigen Vertretung befugten Staatssekretär
unterzeichnete Auswahlentscheidung zur Einweisung der Beigeladenen in B 2
findet sich in dem vorgelegten Verwaltungsvorgang nicht. Vorhanden ist allein ein
Anschreiben des Abteilungsleiters I vom 21.10.2008 an den Personalrat, in dem
dort im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit die Einweisung der
Beigeladenen in die Besoldungsgruppe B 2 mitgeteilt wird und das Anschreiben
vom 21.10.2008 an die Frauenbeauftragte zwecks Beteiligung nach dem HGlG.
Abgesehen davon, dass dieses Schreiben zeitlich nach der Mitteilung an die
Antragsteller über ihre Nichtauswahl datiert, war der Abteilungsleiter I unter
keinem Aspekt hierüber entscheidungsbefugt.
Dieser Fehler ist im gerichtlichen Verfahren durch Nachschieben einer schriftlichen
und vom zuständigen Staatssekretär unterzeichneten Auswahlentscheidung nicht
mehr heilbar. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seinem Beschluss vom
09.07.2007 (2 BvR 206/07) ausgeführt:
"c) Auch durch die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung, der
Dienstherr könne die Gründe für seine Auswahlentscheidung noch erstmals im
verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren darlegen, wird der gerichtliche Rechtsschutz
des Beschwerdeführers unzumutbar erschwert.
Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO hat der
unterlegene Mitbewerber im gerichtlichen Eilverfahren Anordnungsanspruch und
Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Ihm obliegt daher die Darlegungslast für
die von ihm behauptete Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung. Grundlage
hierfür können allein die in den Akten niedergelegten Auswahlerwägungen sein.
Andere Erkenntnisse stehen dem unterlegenen Bewerber nicht zur Seite und
können von ihm auch nicht beschafft werden. Aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung
mit Art. 19 Abs. 4 GG folgt deshalb auch die Verpflichtung, die wesentlichen
Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 21.
Januar 2003 - 9 AZR 72/02 -, BAGE 104, 295 <301 f.>; Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. Januar 2005 - 3 CE 04.2899 -, BayVBl
2006, S. 91; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 17. Juni 1997, 1
TG 2183/97 -, ZTR 1997, S. 526 <527>).
Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren
Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht
verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber
befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder
ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und
chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher
gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst
die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die
Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl.
BVerfGE 65, 1 <70>; 103, 142 <160>).
Die Annahme der angegriffenen Entscheidung, die Auswahlerwägungen könnten
auch erstmals im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens dargelegt
werden, mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten des Beschwerdeführers in
unzumutbarer Weise. Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass ohne die Kenntnis
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unzumutbarer Weise. Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass ohne die Kenntnis
der Entscheidungsgrundlagen eine substantiierte Begründung und
Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs kaum - oder jedenfalls nur
sukzessive auf die Erwiderung des Dienstherrn hin - möglich ist. Vielmehr ist es
dem Beschwerdeführer insbesondere nicht zuzumuten, die Auswahlentscheidung
seines Dienstherrn gewissermaßen "ins Blaue hinein" in einem gerichtlichen
Eilverfahren angreifen zu müssen, um überhaupt nur die tragenden Erwägungen
der Auswahlentscheidung zu erfahren. Im Übrigen stellt nur die schriftliche
Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen
der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind, und erweist sich
damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des
Art. 33 Abs. 2 GG.
d) Die Auffassung im angegriffenen Beschluss des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs steht überdies im Widerspruch zur Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts. Danach lässt § 114 Satz 2 VwGO nur die Ergänzung
von Ermessenserwägungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zu, nicht
aber die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die
Ermessensentscheidung tragenden Gründe (vgl. BVerwGE 106, 351 <365>; 107,
164 <169> sowie Beschluss vom 20. August 2003 - 1 WB 23/03 -, RiA 2004, S. 35
<37> für ein beamtenrechtliches Konkurrentenverfahren). So liegen die Dinge
aber hier, weil die Auswahlerwägungen des Dienstherrn im gerichtlichen Verfahren
- auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - nicht lediglich ergänzt,
sondern erstmals dargelegt worden sind. "
Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung an und macht sie sich zu
Eigen, so dass sich die Auswahlentscheidung bereits aus diesem Grunde fehlerhaft
erweist.
Die getroffene Auswahlentscheidung erweist sich überdies wegen der fehlenden
Dienstpostenbewertung als rechtswidrig. Eine Heilung dieses Fehlers ist weder im
Auswahlverfahren selbst noch im gerichtlichen Verfahren erfolgt.
Die besoldungsrechtlichen Vorgaben der §§ 18, 25 BBesG gebieten vor der
Zuordnung freier höherwertiger Planstellen zu bestimmten Dienstposten eine
Dienstpostenbewertung unter Beachtung des Grundsatzes der funktionsgerechten
Besoldung. Bei der Dienstpostenbewertung sind die auf dem Dienstposten
wahrzunehmenden Funktionen und die zu erfüllenden Aufgaben sachgerecht und
unabhängig davon zu bewerten, ob der jeweilige Dienstposteninhaber
"beförderungswürdig" ist. Erst nach Feststellung des Dienstpostens, der die
Zuordnung einer höherwertigen Planstelle rechtfertigt, ist anschließend nach dem
Grundsatz der Bestenauslese zu entscheiden, welchem Beamten dieser
Dienstposten zu übertragen ist (Hess. VGH, Beschluss vom 17.01.2008 - 1 TG
1899/07 - LKRZ 2008, 154, mit weiteren Nachweisen).
Ausgehend von diesen Erwägungen und vor dem Hintergrund des
Kabinettsbeschlusses vom 03.01.1990 (geändert durch Kabinettsbeschluss vom
27.03.2001) und der diesem zugrunde liegenden Begründung der Kabinettvorlage
des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 12.12.1989 zur Schaffung der B2-
Stellen, wonach "neben allgemeinen Verbesserungen der Beförderungssituation
auch eine Öffnung der Besoldungsgruppe B 2 für Referenten erreicht" werden
sollte, die "freilich nur für solche Referenten Platz greifen (kann), die großen oder
wichtigen Referaten vorstehen...", ist die Auswahlentscheidung rechtswidrig.
Das Fehlen einer vorherigen Dienstpostenbewertung bei der Vergabe von
Beförderungsplanstellen, die keinem bestimmten Dienstposten zugeordnet sind,
stellt einen Mangel des Auswahlverfahrens dar. Vorliegend ist auch der
Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragsteller hierdurch verletzt. Grundsätzlich
verletzt die nicht vorhandene Dienstpostenbewertung dann im Ergebnis keine
subjektiven Rechte von Beförderungsbewerbern, wenn entweder der Dienstherr die
erforderlichen Erwägungen zur Dienstpostenbewertung - jedenfalls im behördlichen
Auswahlverfahren - nachholt oder wenn die unterbliebene Dienstpostenbewertung
im Ergebnis unerheblich ist (Hess. VGH, Beschluss vom 17.01.2008 - 1 TG 1899/07
-, LKRZ 2008, 154, m.w.N.; Beschluss vom 18.01.2000 - 1 TZ 3149/99 -, NVwZ-RR
2000, 622 m.w.N.; Beschluss vom 22.03.2001 - 1 TZ 3214/00 -).
Eine Dienstpostenbewertung im Geschäftsbereich des Hessischen Ministeriums
XXX, bei der die Personalabteilung hätte prüfen müssen, welche Referate des
Ministeriums im Sinne des Kabinettsbeschlusses vom 03.01.1990 so groß und /
oder wichtig sind, dass ihnen eine B 2 - Planstelle hätte zugeordnet werden
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oder wichtig sind, dass ihnen eine B 2 - Planstelle hätte zugeordnet werden
können, hat vor bzw. nachgeschoben im behördlichen Auswahlverfahren nicht
stattgefunden (Hess. VGH, Beschluss vom 25.02.1997 - 1 TG 4063/97 -).
Angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.07.2007
(Az.: 2 BvR 206/07), in der das Bundesverfassungsgericht die Nachholung der
schriftlich niederzulegenden, aber unterlassenen Auswahlerwägungen erst im
gerichtlichen Eilverfahren für unzulässig erachtet hat, ist es fraglich, inwieweit die
Nachholung der zunächst unterbliebenen Dienstpostenbewertung noch während
des Gerichtsverfahrens zulässig ist. Dies kann vorliegend offen bleiben, denn
soweit der Antragsgegner ausgeführt hat, das von der Beigeladenen koordiniert
geleitete Referat III 4 stelle eines der zentralen Referate des Hauses dar, wären
diese Angaben auch nicht ausreichend. Denn es fehlen jegliche Ausführungen
hinsichtlich Größe oder Wichtigkeit des Referats der Antragsteller und Abwägungen
im Verhältnis zu dem Referat der Beigeladenen.
Überdies rühren diese "nachgeschobenen Erwägungen" nicht von der für die
Personalauswahlentscheidung sachlich und persönlich zuständigen Stelle her oder
wurden zumindest von ihr gebilligt. Sie wurden nämlich nicht durch die Ministerin
oder den Staatssekretär als ihren ständigen Vertreter nachgereicht oder mit deren
ausdrücklicher Billigung vorgetragen, sondern von dem mit der Prozessführung
beauftragten Beamten des Hessischen Ministeriums XXX unterzeichnet (Hess.
VGH, Beschluss vom 24.03.1998 - 1 TZ 4013/97 -).
Die vorliegenden Fehler sind auch entscheidungserheblich, denn die Kammer
vermag im Rahmen ihrer eingeschränkten Überprüfungskompetenz nicht
auszuschließen, dass bei einer erneuten, den Grundsätzen der Bestenauslese
entsprechenden, schriftlich dokumentierten Auswahlentscheidung, der eine
Dienstpostenbewertung vorangegangen ist und die von der sachlich zuständigen
Stelle getroffen wird, die Antragsteller zum Zuge kommen könnten. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein unterlegener Bewerber,
der um einstweiligen Rechtsschutz gegen eine fehlerhafte Auswahlentscheidung
nachsucht, eine neue fehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung bereits dann
beanspruchen, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden,
offen sind, d. h., wenn seine Auswahl möglich erscheint. Dabei ist es im Hinblick
auf den dem Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung zustehenden Beurteilungs-
und Ermessensspielraum grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, eine eigene
Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (BVerfG, Beschluss
vom 24.09.2002 - 2 BvR 857/07 -, ZBR 2002, 427). Vorliegend kann keine Aussage
darüber getroffen werden, welche Ergebnisse eine vorzunehmende
Dienstpostenbewertung und die nachfolgende Auswahlentscheidung bringen
würden. Eine erneute Auswahlentscheidung ist daher bezüglich der Beteiligten
völlig offen.
Ein Anordnungsgrund für den begehrten Erlass der Anordnung ist gegeben, denn
der Antragsgegner beabsichtigt, die Beigeladene sofort in eine Planstelle der
Besoldungsgruppe B 2 BBesG einzuweisen.
Der Antragsgegner hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu
tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind
nicht erstattungsfähig. Da sie keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko
übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es nicht der Billigkeit, ihre
außergerichtlichen Kosten dem unterliegenden Beteiligten oder der Staatskasse
aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1
und Abs. 5 Satz 2 GKG und berücksichtigt die Hälfte des Endgrundgehalts der
Besoldungsgruppe B 2 BBesG nach der zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen
Besoldungstabelle (§ 40 GKG). Danach errechnet sich ein Betrag von 38.275,25 €
(5.888,50 € x 13 : 2). Die sonst übliche Ermäßigung des Streitwerts wegen des
vorläufigen Charakters des Eilverfahrens kommt in Anbetracht der Vielzahl der
Beigeladenen nicht in Betracht. Allerdings ist in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs der für das
Hauptsachestreitverfahren anzusetzende Wert um ein Viertel zu kürzen, da eine
Klage zulässigerweise nur auf eine erneute Entscheidung über die Bewerbung
gerichtet sein könnte (Hess. VGH, Beschluss vom 22.03.2001 - 1 TZ 3214/00 -).
Daraus ergibt sich ein festzusetzender Streitwert von 28.706,44 €.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.
ausgewählt und dokumentiert.