Urteil des VG Wiesbaden vom 09.08.2007

VG Wiesbaden: befangenheit, erstellung, anforderung, verfügung, eingriff, besoldung, beamter, beförderung, voreingenommenheit, einzelrichter

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Gericht:
VG Wiesbaden 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 E 721/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 42 Abs 2 VwGO, § 44a VwGO
(Beamter; isolierte Klage gegen Beurteilungsbeitrag;
Befangenheit des Beurteilers)
Leitsatz
Ein Beurteilungsbeitrag ist keine selbständig anfechtbare Maßnahme (wie BVerwG, B. v.
04.08.1988 - 1 WB 69/88 -).
Für die isolierte Klage gegen einen Beurteilungsbeitrag fehlt es dem Beamten am
Rechtsschutzbedürfnis.
Beurteilungsbeiträge dienen nicht als Entscheidungsgrundlage für die Vergabe
leistungsbezogener Besoldungselemente.
Auch eine etwaige Befangenheit des Erstellers eines Beurteilungsbeitrags kann nur
zusammen mit der Beurteilung selbst gerichtlich gerügt werden.
Veröffentlichungen:
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Neuerstellung eines Beurteilungsbeitrags. Anlässlich eines
Referatswechsels erstellte der bisherige Referatsleiter des Klägers am 02.12.2005
einen Beurteilungsbeitrag für die Zeit vom 01.11.2004 bis 31.05.2005. Mit E-Mail
vom 08.12.2005 teilte der Kläger dem Beurteiler mit, dass er ihn für befangen
halte und bat, das nach § 21 VwVfG vorgesehene Verfahren einzuleiten. Zur
Begründung bezog er sich auf Äußerungen des Referatsleiters, er habe ihn in der
Angelegenheit F. kontinuierlich hintergangen, auf schriftliche Stellungnahmen in
dieser Sache sowie das Verhalten des Referatsleiters in der Sache W. Mit Bescheid
vom 13.01.2006 lehnte das B-Amt den Antrag des Klägers ab. Für eine objektive
Befangenheit des Referatsleiters bestünden keine Anhaltspunkte. § 21 VwVfG finde
auf dienstliche Beurteilungen keine Anwendung. Diese seien auch nicht
selbständig anfechtbar. Mit seinem per E-Mail eingelegten Widerspruch vom
21.02.2006 machte der Kläger geltend, Beurteilungsbeiträge seien in der
Beurteilung angemessen zu berücksichtigen. Es könne aber nicht Aufgabe des
Beurteilers sein, die Befangenheit des Erstellers eines Beurteilungsbeitrags zu
prüfen. Es müsse die Möglichkeit einer zeitnahen Überprüfung bestehen, da sonst
der Dienstherr auf Grund des Beurteilungsbeitrags dem Beamten
Entwicklungsmöglichkeiten nehmen könnte. Mit Bescheid vom 18.04.2006 wies
das B-Amt den Widerspruch des Klägers zurück, da § 21 VwVfG auf
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das B-Amt den Widerspruch des Klägers zurück, da § 21 VwVfG auf
Beurteilungsverfahren keine Anwendung finde. Eine etwaige Voreingenommenheit
könne nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der
Überprüfung der dienstlichen Beurteilung geltend gemacht werden. Der
Beurteilungsbeitrag sei keine selbständig anfechtbare Maßnahme. Ein über den
Zweck des Beurteilungsbeitrags hinausgehender zusätzlicher Eingriff in die
Rechtssphäre des Klägers sei nicht ersichtlich. Personalrechtlich relevante
Entscheidungen würden auf der Grundlage des Beurteilungsbeitrags nicht
getroffen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 26.04.2006 zugestellt. Am
26.05.2006 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, der
Beurteilungsbeitrag könne selbständig überprüft werden. Die Vergabe von
Leistungselementen erfolge bei Vorliegen eines aktuellen Beurteilungsbeitrags auf
dessen Basis. Es gebe Einzelmerkmale, die allein im Beurteilungsbeitrag bewertet
seien. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb § 21 VwVfG zwar im Prüfungsrecht,
nicht aber im Anlassbeurteilungsverfahren gelten solle. Es sei nicht praktikabel,
dass der Beurteiler selbst die Befangenheit des Erstellers eines
Beurteilungsbeitrags überprüfen müsse. Sein Referatsleiter sei befangen gewesen.
Er habe ihm bei der der Eröffnung der Anlassbeurteilung mitgeteilt, dass weder er
noch ein anderer Beurteiler ihm eine Beurteilung erteilen würde, mit der es für eine
Beförderung reichen würde. Der Kläger, der zunächst die Verpflichtung der
Beklagten zur Überprüfung der Befangenheit des Referatsleiters erstrebt hat,
beantragt nunmehr sinngemäß,
den Bescheid des ... vom 13.01.2006 und dessen Widerspruchsbescheid vom
18.04.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit
vom 01.11.2004 bis 31.05.2005 einen neuen Beurteilungsbeitrag unter Beachtung
des Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide. Sie vertieft ihre Auffassung, der
Beurteilungsbeitrag sei nicht selbständig anfechtbar. Sie trägt weitrer vor, die
Beurteilungsbeiträge würden den Entscheidungsträgern für die
Leistungshonorierung überhaupt nicht zur Verfügung gestellt. Ihre Bedeutung
erschöpfe sich in der Rolle der Erkenntnisgrundlage für die Beurteilungserstellung.
Es erschließe sich nicht, inwiefern bei Nichtberücksichtigung von im
Beurteilungsbeitrag genannter Einzelmerkmale in der Beurteilung eine
Rechtsschutzlücke entstehen solle. Mit Beschluss vom 25.06.2007 hat die
Kammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf
den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenvorgänge (1 Hefter).
Entscheidungsgründe
Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung
entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).Die geänderte Klage hat keinen Erfolg, da sie
unzulässig ist. Dem Kläger fehlt die erforderliche Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO
analog). Es besteht keine Möglichkeit der Rechtsverletzung des Klägers durch den
Beurteilungsbeitrag. Anders als die Beurteilung selbst dient der
Beurteilungsbeitrag nicht der Vorbereitung von Personalmaßnahmen. Nach Nr. 3.4
der Richtlinien für die Beurteilung der Beamten/Beamtinnen im nachgeordneten
Geschäftsbereich des BMI (ohne BGS) vom 01.03.2000 haben
Beurteilungsbeiträge den Zweck, Beurteilungen auf einer vollständigen
Erkenntnisgrundlage zu ermöglichen. Eine Gesamtnote wird nicht vergeben. Die
Beurteilungsbeiträge sind zu eröffnen und bei der Anforderung von Beurteilungen
dem zuständigen Erstbeurteiler zuzuleiten. Dieser erstellt dann
eigenverantwortlich für den gesamten Beurteilungszeitraum die Beurteilung. Erst
sie dient als Basis für Auswahl- und Förderungsentscheidungen. Dementsprechend
wird der Beurteilungsbeitrag auch erst nach Erstellung der Beurteilung zu den
Personalakten genommen. Der Beurteilungsbeitrag stellt sich damit als
Vorbereitungsakt für die dienstliche Maßnahme der Beurteilungserstellung dar. Er
wird Bestandteil der Beurteilung und ist deshalb keine selbständig anfechtbare
Maßnahme (BVerwG, B. v. 04.08.1988 - 1 WB 69/88 -, zit. nach Juris). Er kann nicht
zum Gegenstand eines eigenständigen Klageverfahrens gemacht werden. Soweit
er sich auf die Beurteilung auswirkt, ist der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs.
4 GG durch die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Beurteilung selbst
Genüge getan. Der Beurteilungsbeitrag dient entgegen der Behauptung des
Genüge getan. Der Beurteilungsbeitrag dient entgegen der Behauptung des
Klägers auch nicht als Basis für die Vergabe von leistungsbezogenen
Besoldungselementen. Zur Stärkung des Grundgedankens der dezentralen
Vergabe sieht die Leistungsprämien- und -zulagenverordnung gerade keine
Bindung an die dienstliche Beurteilung oder einen Beurteilungsbeitrag vor. Der
Entscheidungsberechtigte soll ohne Bindung hieran und ohne Unterstützung durch
die Personalverwaltung den leistungsstärksten Mitarbeitern seines
Verantwortungsbereichs eine Leistungsprämie oder Leistungszulage gewähren
können (vgl. Göser/Schlatmann, Leistungsbezahlung in der Besoldung, 1998, § 5
Abs. 1 LPZV, S. 102). Auch die Gewährung einer Leistungsstufe wird ohne Bindung
an die dienstliche Beurteilung (oder den Beurteilungsbeitrag eines früheren
Beurteilers) durch eine aktuelle Leistungseinschätzung des
Entscheidungsberechtigten vorgenommen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 LStV; vgl. dazu
Göser/Schlatmann, Leistungsbezahlung in der Besoldung, 1998, § 2 Abs. 1 LStuV,
S. 33). Wie sich aus den Beurteilungsrichtlinien ergibt, werden Beurteilungsbeiträge
für diese Maßnahmen auch nicht zur Verfügung gestellt. Sie werden vielmehr - wie
ausgeführt - nur bei Anforderung einer Beurteilung dem zuständigen Beurteiler
zugeleitet. Es ist nicht ersichtlich, dass bei Gelegenheit der Erstellung des
Beurteilungsbeitrags ein zusätzlicher Eingriff in die Rechtssphäre des Klägers
erfolgt wäre, der über Zweck und Ziel der Beurteilung hinausgeht und eine
selbständige Überprüfung erforderte (vgl. dazu BVerwG, B. v. 28.08.1990 - 1 WB
67/90 -, zit. nach Juris). Der Umstand einer etwaigen Befangenheit des Erstellers
des Beurteilungsbeitrags genügt hierfür nicht. Wie sich aus § 44a VwVfG ergibt,
kann deren Überprüfung als behördliche Verfahrenshandlung nur zusammen mit
einem Rechtsbehelf gegen die Beurteilung selbst der gerichtlichen Kontrolle
zugeführt werden. Als unterliegender Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens
zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen
nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.