Urteil des VG Wiesbaden vom 13.07.2010

VG Wiesbaden: hessen, verfügung, glücksspiel, aufschiebende wirkung, europäisches gemeinschaftsrecht, poker, internetseite, werbung, zwangsgeld, verwaltungsverfahren

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Gericht:
VG Wiesbaden 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 L 1413/09.WI
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 GlSpielWStVtr, § 4 Abs 1
GlSpielWStVtr, § 4 Abs 4
GlSpielWStVtr, § 52 Abs 1 GKG
Sportwetten, Casinospiele und Poker im Internet
Leitsatz
Die Erlaubnis zum Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen, die durch einen
anderen europäischen Staat erteilt wurde, hat keine Geltung auf dem Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland. Deshalb und wegen des generellen Internetverbots ist ein
Einschreiten der Glücksspielaufsicht gerechtfertigt.
Wie der jeweilige Antragsteller einer Untersagungsverfügung nachkommt, ist ihm
überlassen.
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerinnen zu tragen.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerinnen wenden sich gegen eine glücksspielrechtliche Verfügung
des Antragsgegners.
Die Antragstellerin zu 1., eine Limited, bietet Sportwetten im Internet an, die
Antragstellerin zu 2. (ebenfalls eine Limited) veranstaltet Casinospiele und Poker
über das Internet. Das Angebot ist unter … auch von Deutschland aus in
deutscher Sprache erreichbar.
Beide Gesellschaften haben denselben Direktor, ihren Sitz in A. (unter derselben
Anschrift) und verfügen über Konzessionen der A. Aufsichtsbehörde. Für den
gesamten Abrechnungsablauf und die Stornierungen ist die Antragstellerin zu 1.
zuständig.
Mit Schreiben vom 26.06.2009 – gerichtet an beide Antragstellerinnen – hörte der
Antragsgegner zur beabsichtigten Untersagung des Angebots von unerlaubtem
Glücksspiel in Hessen und der Werbung hierfür an.
Für die Antragstellerinnen meldete sich daraufhin ihr jetziger Bevollmächtigter
(unter Vorlage einer eingeschränkten Vollmacht nur für die Anhörung im
Verwaltungsverfahren) und wies darauf hin, dass aus seiner Sicht der Erlass einer
Ordnungsverfügung gegen Verfassungs- und Europarecht verstoße, namentlich
werde die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit rechtswidrig eingeschränkt.
Für das im Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) verankerte Glücksspielmonopol gebe
es keinerlei Rechtfertigung. Außerdem fehle es an der systematischen Begrenzung
der Spieltätigkeiten in Deutschland. Die geplante Verfügung sei auch nicht
umsetzbar, weil eine in A. befindliche Internetseite nicht so gestaltet werden
könne, dass nur Kunden aus Hessen keinen Zugriff haben.
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Mit Bescheid vom 10.11.2009 – gerichtet an beide Antragstellerinnen – wurde
diesen untersagt, öffentliches Glücksspiel i.S.v. § 3 GlüStV über das Internet – wie
es unter … geschehe – in Hessen zu veranstalten und zu vermitteln (Ziff. 1) und
für dieses öffentliche Glücksspiel zu werben (Ziff. 2). Für die Umsetzung wurde den
Antragstellerinnen eine Frist von 14 Tagen eingeräumt (Ziff. 3) und ihnen für den
Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,-- € angedroht (Ziff.
4). Die Verwaltungsgebühr wurde auf 1.000,-- € festgesetzt (Ziff. 5).
Das Angebot der Antragstellerinnen in deutscher Sprache richte sich vor allem an
Teilnehmer aus Deutschland. Öffentliche Glücksspiele dürften aber in Deutschland
nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörden des jeweiligen Bundeslandes
veranstaltet werden. Über eine solche Erlaubnis verfügten die Antragstellerinnen
nicht. Darüber hinaus sei das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele
im Internet ausnahmslos verboten. Das gelte auch für die Werbung.
Die Verfügung sei zur Umsetzung der in § 1 GlüStV genannten Ziele geboten. In
welcher Form die Antragstellerinnen sie umsetzten, bleibe ihnen überlassen. Es
gebe zuverlässige technische Verfahren, z. B. die Geolokalisation; auch könne das
Angebot vollständig vom Netz genommen werden.
Der Bescheid wurde den Antragstellerinnen per Fax und per Einschreiben mit
Rückschein zugestellt.
Am 01.12.2009 haben die Antragstellerinnen durch ihren Bevollmächtigten Klage
erhoben (Az.: 5 K 1412/09.WI) und den vorliegenden Eilantrag gestellt. Die
Vollmacht erstrecke sich ausschließlich auf die Vertretung im Klageverfahren, nicht
aber auf die Entgegennahme und das Bewirken von Zustellungen durch die
Behörde.
Die beiden Antragstellerinnen agierten unabhängig von einander und seien
wechselseitig nicht für das Angebot der jeweils anderen verantwortlich. Es könne
also der Antragstellerin zu 1. nicht aufgegeben werden, auf der Internetseite das
Produktangebot der Antragstellerin zu 2. einzustellen oder zu sperren.
Auch könne ein international tätiger ausländischer Anbieter nicht sein Angebot für
ein bestimmtes Bundesland in Deutschland sperren.
Es sei nur der Antragstellerin zu 1. Gelegenheit zur Stellungnahme im
Verwaltungsverfahren gegeben worden, weil in der Überschrift nur auf Sportwetten
Bezug genommen worden sei.
Außerdem sei der Verwaltungsakt nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben
worden. Es sei nur eine Verfügung, gerichtet an beide Antragstellerinnen, versandt
worden. Außerdem sei es einem ausländischen Unternehmen nicht zumutbar,
einen Verwaltungsakt in deutscher Sprache zu verstehen und umzusetzen.
Die Verfügung sei nicht hinreichend bestimmt, weil den Antragstellerinnen
pauschal das Veranstalten und Vermitteln öffentlichen Glücksspiels sowie die
Werbung hierfür untersagt worden sei. Sportwetten seien schon gar keine
Glücksspiele, das gelte auch für Poker.
Es sei nicht erkennbar, ob die Antragstellerinnen für das angedrohte Zwangsgeld
gesamtschuldnerisch oder jede für sich haften sollen.
Veranstaltungsort der Wetten und Spiele sei A., eine Vermittlung von Wetten an
Dritte finde ohnehin nicht statt. Vielmehr sei es Interessenten auch von Hessen
aus möglich, über das Internet auf die Seite der Antragstellerinnen zu gelangen,
auf der diese ihr lizensiertes Angebot offerierten.
Die Antragstellerinnen würden nur im Rahmen ihrer maltesischen Genehmigung
unter Aufsicht der A. Behörden tätig.
Die Verfügung sei auch deshalb rechtswidrig, weil den Antragstellerinnen nicht
vorgegeben werde, auf welchem Weg sie diese umsetzen könnten. Die Methode
der Geolokalisation sei unausgereift, ein Ausschluss nur von Spielern aus Hessen
nicht möglich.
Die Frist sei unangemessen kurz.
Im Übrigen verstoße der Glücksspielstaatsvertrag, insbesondere das
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Im Übrigen verstoße der Glücksspielstaatsvertrag, insbesondere das
Internetverbot, gegen europäisches Gemeinschaftsrecht und geltendes
Verfassungsrecht.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des
Antragsgegners vom 10.11.2009 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Bescheid.
Das Anhörungsschreiben sei an die im Impressum der Internetseite genannte
Adresse versandt worden. Angaben über vertretungsberechtigte Personen seien
dort (unter Verstoß gegen das Telemediengesetz) nicht enthalten. Außerdem
seien das Anhörungsschreiben und der Bescheid offenkundig beiden
Antragstellerinnen zugegangen.
Der Direktor beider Antragstellerinnen sei in F. geboren und daher der deutschen
Sprache mächtig.
Bei den von den Antragstellerinnen veranstalteten Sportwetten, Casinospielen und
Poker handele es sich um Glücksspiele i.S.v. § 3 GlüStV. Ein Glücksspiel werde dort
veranstaltet, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet werde.
Die A. Konzession habe keine Geltung in Hessen. Da lediglich ein Unterlassen
gefordert werde, sei die Zwei-Wochen-Frist ebenso angemessen, wie die Höhe des
angedrohten Zwangsgeldes.
Die Verfügung sei auch umsetzbar. Das Ziel sei unzweideutig. Wie sie dieses
erreichten, liege im Entscheidungsspielraum der Antragstellerinnen. In Betracht
kämen mindestens zwei technische Verfahren: die Mobilfunkortung oder die
Geolokalisation.
Der Glücksspielstaatsvertrag sei im Übrigen europarechtskonform und
verfassungsgemäß.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte
5 K 1412/09.WI und auf den Inhalt der Behördenakte des Antragsgegners Bezug
genommen.
II.
Der Antrag ist unzulässig, soweit er sich gegen die Festsetzung der
Verwaltungsgebühr in Ziffer 4 wendet.
Denn die Antragstellerinnen haben es versäumt, zuvor einen Aussetzungsantrag
nach § 80 Abs. 6 VwGO beim Antragsgegner zu stellen.
Im Übrigen ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zwar zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand rechtmäßig.
Hinter das besondere, von Gesetzes wegen bestehende überwiegende öffentliche
Vollzugsinteresse (§ 9 Abs. 2 GlüStV und § 16 Hess. AGVwGO) muss das private
und wirtschaftliche Interesse der Antragstellerinnen an der Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ihrer Klage zurücktreten.
Formelle Rechtsfehler der Verfügung sind nicht erkennbar.
Es kann dahinstehen, ob der angefochtene Bescheid beiden Antragstellerinnen
ordnungsgemäß zugestellt wurde (in der Akte befindet sich nur ein
Zustellungsnachweis für die Antragstellerin zu 1.); denn beide Antragstellerinnen
haben durch Klageerhebung und Antragstellung zu erkennen gegeben, dass sie
den Bescheid tatsächlich erhalten haben und ihn als gegen sich gerichtet
ansehen.
Da beide Gesellschaften unter derselben Adresse firmieren, denselben
Geschäftsführer und einen einheitlichen Internetauftritt haben, ist ohnehin davon
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Geschäftsführer und einen einheitlichen Internetauftritt haben, ist ohnehin davon
auszugehen, dass sie gemeinsam Störer sind, unabhängig davon, ob aus
wirtschaftlichen, organisatorischen oder steuerlichen Gründen eine
gesellschaftsrechtliche Aufsplittung vorgenommen wurde (vgl. dazu auch
Hess.VGH, Beschluss vom 24.06.2010, Az.: 8 B 2939/09).
Weiterhin kann dahinstehen, ob die Anhörung im Verwaltungsverfahren
ordnungsgemäß, insbesondere alle untersagten Betätigungen betreffend, erfolgt
ist. Denn ein eventueller Mangel ist nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs.2 HVwVfG
geheilt, weil die Antragstellerinnen im gerichtlichen Verfahren ihre Argumente
vortragen konnten und diese vom Antragsgegner in der Antragserwiderung
gewürdigt wurden.
Es kann im Ergebnis dahinstehen, welche der Antragstellerinnen Wetten auf
Sportereignisse und welche Casinospiele und Poker anbietet, denn es handelt sich
in allen Fällen um Glücksspiele nach dem Glücksspielstaatsvertrag, weil die Spiele
einem größeren, nicht geschlossenen Teilnehmerkreis öffentlich zugänglich sind
und weil für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird (§ 3 Abs. 1
und 2 GlüStV). Das ist bei allen Angeboten der Antragstellerinnen der Fall.
Entsprechend ist die offene Formulierung in Ziffer 1 des angefochtenen
Bescheides nicht zu beanstanden, weil sich aus § 3 GlüStV zweifelsfrei entnehmen
lässt, was als Glücksspiel anzusehen ist.
Durch den Hinweis auf die Internetseite der Antragstellerinnen ist im Übrigen der
Umfang der Untersagungsverfügung hinreichend bestimmt. Denn nur auf das dort
vorgehaltene und beworbene Angebot bezieht sich der Bescheid.
Im derzeitigen Verfahrensstadium bestehen auch keine Bedenken gegen die
materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides.
Er findet seine Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 und Abs. 4
sowie § 5 Abs. 3 und 4 GlüStV sowie §§ 6 Abs. 1, 9, 16 Hessisches
Glücksspielgesetz (GlüG).
Sportwetten, Poker und Casinospiele sind nach allgemein herrschender Auffassung
Glücksspiele (vgl. EuGH, Urteil vom 08.07.2010, Rs. C-447/08 und 448/08; BVerfG,
Beschluss vom 20.03.2009, Az.: 1 BvR 2410/08; OVG NRW, Beschluss vom
12.01.2010, Az.: 13 B 939/09; Bay.VGH, Beschluss vom 12.03.2010, Az.: 10 CS
09.1734).
Das Veranstalten oder Vermitteln öffentlichen Glücksspiels ohne Erlaubnis der
zuständigen Behörden ist in Deutschland verboten. Eine Erlaubnis eines anderen
europäischen Staates kann eine solche der hier zuständigen Behörden nicht
ersetzen, weil das Glücksspielwesen europarechtlich nicht harmonisiert ist.
Nach § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo
dem Spieler die Möglichkeit zur Spielteilnahme eröffnet wird. Diese Regelung
entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss
vom 14.10.2008, Az.: 1 BvR 928/08) und des Europäischen Gerichtshofs (vgl.
zuletzt Urteil vom 08.07.2010, Rs. C-447/08 und 448/08). Danach wird die
Rechtmäßigkeit des Internetangebots nach den Regeln beurteilt, die dort gelten,
wo sich der Verbraucher aufhält.
Da die Antragstellerinnen keine Erlaubnis einer zuständigen Landesbehörde
besitzen, können sie in Hessen nicht legal tätig werden und auch nicht legal für
ihre Angebote werben. Schon deshalb ist das Einschreiten des Antragsgegners
berechtigt.
Im Übrigen bestimmt der Glücksspielstaatsvertrag ein generelles Internetverbot,
und zwar sowohl für die Veranstaltung und Vermittlung als auch für die Werbung.
Wegen der besonderen Gefahren, die von Online-Glücksspielen ausgehen, ist das
generelle Verbot verhältnismäßig und zur Gefahrenabwehr geeignet;
verfassungsrechtliche oder europarechtliche Bedenken dagegen bestehen nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder auf die spezifischen Gefahren
des Mediums Internet hingewiesen und das vollständige Internetverbot im
Interesse der Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht sowie des
Jugendschutzes für verfassungskonform erachtet (BVerfGE 115, 276; vgl. auch
Beschluss vom 14.10.2008, NVwZ 2008, Seite 1338 - zur gewerblichen
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Beschluss vom 14.10.2008, NVwZ 2008, Seite 1338 - zur gewerblichen
Spielvermittlung -; Beschluss vom 20.03.2009, Az.: 1 BvR 2410/08).
Auch das Europaparlament befasst sich mit den Suchtgefahren von Glücksspielen
im Internet und hält angesichts des wachsenden Marktes allein eine
Selbstregulierung nicht für ausreichend (vgl. EU: Parlament veröffentlicht Bericht
zu Gefahren von Online-Glücksspielen, 05/2009, über: …).
Der Europäische Gerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung (zuletzt: Urteil
vom 08.09.2009, Rs. C – 42/07; Urteile vom 03.06.2010, Rs. C – 203/08 und
258/08; Urteil vom 08.07.2010, Rs. C-447/08 und 448/08) die Autonomie der
Mitgliedsstaaten bei der Beurteilung, welche Erfordernisse sich im Einklang mit der
eigenen Wertordnung aus dem Schutz der betroffenen Interessen, z. B. des
Spieler- und Verbraucherschutzes, ergeben, und hält Beschränkungen der
Dienstleistungsfreiheit aus Art. 49 EG hinsichtlich des Anbietens von Glücksspielen
im Internet für gerechtfertigt, wenn sie geeignet sind, Wetttätigkeiten in kohärenter
und systematischer Weise zu begrenzen. Dass die letztgenannten
Voraussetzungen nunmehr in Deutschland gegeben sind, hat das
Bundesverfassungsgericht anlässlich der oben genannten Entscheidungen
eindeutig bestätigt.
Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof
(a.a.O.) halten eine sektorale Betrachtungsweise bei der Kohärenzprüfung für
zulässig und verlangen nicht eine einheitliche Ausgestaltung aller Regelungen des
nationalen Glücksspielmarktes.
Dass den Antragstellerinnen die Umsetzung der Untersagungsverfügung nicht im
Einzelnen vorgeschrieben wurde, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Auf welche
Weise der Verpflichtete der Anordnung, Rechtsverstöße gegen eine
landesrechtliche Vorschrift zu unterlassen, nachkommt, kann ihm in zulässiger
Weise selbst überlassen werden (so Bay. VGH, NVwZ-RR 2009, S. 202 m. w. N.;
vgl. auch Hess.VGH, Beschluss vom 24.06.2010, Az.: 8 B 2929/09).
Ein regional begrenztes Verbot ist auch eine grundsätzlich geeignete Maßnahme,
es wird weder etwas Unmögliches noch technisch nicht Umsetzbares verlangt. Die
Antragstellerinnen haben z. B. die Möglichkeit, das Vermittlungsangebot und die
Werbung hierfür ganz von der deutschsprachigen Web-Site zu entfernen oder eine
räumliche Beschränkung beispielsweise mit Hilfe der Ortungs- oder
Geolokalisations-Technologie so vorzunehmen, dass das Angebot von
Internetnutzern in Hessen nicht mehr abgerufen werden kann (so Bay. VGH, a. a.
O.; die noch anderslautende Entscheidung des Hess. VGH vom 29.10.2007, Az.: 7
TG 2891/06 dürfte mittlerweile überholt sein; vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom
03.06.2010, Rs. C – 258/08). Dass eine Sperrung des Zugangs zu bestimmten
Angeboten im Internet bezogen auf einzelne Nutzer oder bestimmte Regionen
technisch möglich ist, erschließt sich ohne weiteres aus den Diskussionen um und
aus den Regelungen im sogenannten Zugangserschwerungsgesetz (Gesetz zur
Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen vom 18.06.2009,
BT-Drucksache 16/13411). Es gibt mehrere technische Möglichkeiten,
Internetverkehr zu regeln oder ganz zu verhindern (vgl. dazu im Einzelnen:
Schnabel, Das Zugangserschwerungsgesetz, JZ 2009, Seite 996 m. w. N.).
Der Umstand, dass gewiefte Benutzer unter Einsatz besonderen Fachwissens
Sperren oder Identifizierungsverfahren umgehen können, macht diese nicht als
Mittel ungeeignet, weil es sich bei der Umgehung zumindest um vertragswidriges
Verhalten handelt. Wenn nämlich die Antragstellerinnen auf ihrer Web-Site auf das
in Hessen geltende Verbot und die Untersagungsverfügung hinweisen, müssen sie
zugleich ihre Vertragsbedingungen dahin ändern, dass sie Personen, die sich in
dem genannten Bundesland aufhalten, nicht die Möglichkeit zur Teilnahme am
Glücksspiel eröffnen und entsprechend mit ihnen keine Verträge abschließen.
Die Umsetzungsfrist ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist eine
Unterlassungsverfügung wegen rechtswidrigen Verhaltens umgehend zu befolgen,
sie kann sogar direkt im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden (§ 72
Abs. 2 HVwVG, § 8 HSOG). Den Antragstellerinnen ist auch seit längerem der
Inhalt des Glücksspiel-staatsvertrags und der dazu ergangenen Rechtsprechung
bekannt, so dass sie von der Untersagungsverfügung nicht überrascht werden
konnten.
Aus den gesamten Umständen und aus der Formulierung des Bescheides
erschließt sich, dass der Antragsgegner die Antragstellerinnen als gemeinsame
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erschließt sich, dass der Antragsgegner die Antragstellerinnen als gemeinsame
Betreiberinnen der Internetseite und damit als Störergemeinschaft
gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen will. Dies ist im Hinblick auf die
gesellschaftsrechtliche Konstruktion und die übergreifenden Befugnisse - jedenfalls
der Antragstellerin zu 1. – nicht zu beanstanden.
Denn hinter beiden Gesellschaften steht dieselbe Person, nämlich der allein
vertretungsberechtigte Direktor, der die Geschäfte führt und für die
Antragstellerinnen nach außen tätig wird.
Entsprechend richtet sich die Zwangsmittelandrohung an beide Antragstellerinnen
als Störermehrheit.
Ob das angedrohte Zwangsgeld in A. tatsächlich eingetrieben werden kann,
berührt nicht die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung und der
Zwangsmittelandrohung. Ggf. hat der Antragsgegner im Falle der Erfolglosigkeit
die Möglichkeit, das Zwangsmittel zu wechseln (§ 71 HVwVG, § 48 Abs. 3 HSOG).
Auch die Zwangsgeldhöhe ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
Zwar wurden Zwangsgeldandrohung und Zwangsgeldhöhe im Bescheid nicht
begründet, eine Ermächtigungsgrundlage wurde nicht genannt. Rechtsgrundlage
für die Androhung ist § 69 Abs. 1 Nr. 2 HVwVG und § 53 HSOG. Nach § 76 Abs. 2
HVwVG und § 50 Abs. 1 HSOG beträgt das Zwangsgeld mindestens 10,00 € und
höchstens 50.000,00 €. Dass sich der Antragsgegner am Höchstbetrag orientiert
hat, ist im Hinblick auf die Gefahren, die vom verbotenen Internetglücksspiel
ausgehen, und unter Berücksichtigung der massiven wirtschaftlichen Interessen,
die die Antragstellerinnen mit ihrem Angebot verfolgen, jedenfalls nicht
offenkundig rechtswidrig.
Dem von Gesetzes wegen bestehenden besonderen öffentlichen Interesse am
Sofortvollzug stehen jedenfalls keine so überwiegenden persönlichen Belange der
Antragstellerinnen entgegen, die es gebieten würden, den Vollzug der
Untersagungsverfügung auszusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Bei der Festsetzung des Streitwertes hat sich das Gericht am wirtschaftlichen
Interesse der Antragstellerinnen im Sinne von § 52 Abs. 1 GKG orientiert und hält
sich hinsichtlich der Bewertung des Interesses an der Suspendierung der hier
angegriffenen Untersagungsverfügung aus Gründen der Einheitlichkeit an die
Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom
29.10.2007, Az.: 7 TG 2891/06), der in einem vergleichsbaren Eilverfahren von
25.000,00 € Streitwert ausgegangen ist (unter Bezugnahme auf die Entscheidung
des Bay. VGH vom 07.05.2007, Az.: 24 CS 07.10, der allerdings im Eilverfahren
50.000,00 € pro Instanz festgesetzt hat).
Der ansonsten vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof in ständiger
Rechtsprechung angesetzte Mindeststreitwert aus Ziffer 54.1 des
Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. z. B. Beschluss vom
13.02.2009, Az.: 7 A 114/09) erscheint im vorliegenden Fall überregional
agierender Internetanbieter unangemessen niedrig und würde den wirtschaftlichen
Interessen der Antragstellerinnen – auch im Hinblick auf und im Vergleich mit der
Höhe der Zwangsgeldandrohung – nicht hinreichend gerecht (vgl. dazu auch OVG
Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.05.2010, Az.: 4 MB 19/10).
Das angedrohte Zwangsgeld bleibt streitwertmäßig außer Betracht (Ziffer II Nr.
1.6.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit), die
Verwaltungsgebühr ist mit ½ (Ziffer II Nr. 1.5 des Streitwertkataloges) im
Eilverfahren anzusetzen. Daraus ergibt sich ein Gesamtstreitwert von 25.500,00 €.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.