Urteil des VG Wiesbaden vom 18.01.2008

VG Wiesbaden: auskunftspflicht, behörde, ermessen, eingriff, belastung, geheimhaltung, einzelrichter, gastgewerbe, entlassung, geschäftstätigkeit

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Gericht:
VG Wiesbaden 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 E 1559/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1
GG, Art 14 GG, Art 19 Abs 3
GG, § 5 BStatG
Heranziehung zur Handelsstatistik
Leitsatz
1. Die Erhebungseinheiten zur Handelsstatistik werden als Stichproben nach einem
mathematisch-statistischen Verfahren ausgewählt. Die Einzelheiten des
Auswahlverfahrens liegen im Ermessen der Verwaltung. Sie legt dabei die
Auswahlgrundsätze fest, welche nicht veröffentlicht werden müssen.
2. Über die Durchführung des Auswahlverfahrens (Ermittlung der einzelnen Schichten
und der Unternehmen) bedarf es keiner Niederschrift.
3. Datenschutzrechtlich verantwortlich für den Stichprobenplan für Handel- und
Gastgewerbe ist die Statistikbehörde und nicht der einzelne Mitarbeiter.
4. Alle Unternehmen, die einer Totalschicht zuzurechnen sind, sind auskunftspflichtig.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zur Großhandelsstatistik.
Mit Bescheid vom Juli 2004 wurde die Beklagte zur Handelsstatistik herangezogen.
Die Handelsstatistik umfasst monatliche, jährliche und fünfjährliche Erhebungen.
Ein Widerspruch gegen diesen Bescheid erfolgte nicht. Auch gab die Klägerin keine
Erklärungen gegenüber der Beklagten ab.
Mit Schreiben der Beklagten vom 22.03.2005 wurde die Klägerin erinnert und
aufgefordert, die Meldungen Handelsstatistik im Großhandel vorzulegen, da diese
bisher nicht bei der Beklagten eingegangen waren. Die Klägerin wurde insoweit
gebeten, den Berichtsbogen für das Gesamtjahr 2003 sowie die Berichtsmonate
Januar bis Dezember 2004 auszufüllen und an die Beklagte zurück zu senden.
Unter Bezug auf dieses Erinnerungsschreiben meldete sich der damalige
Bevollmächtigte der Klägerin. Er machte geltend, dass die Klägerin bestreite, zur
Erteilung von Auskünften verpflichtet zu sein. Man bitte zunächst einmal um
Mitteilung der Rechtsgrundlage und auf welche Art und Weise die Klägerin als
auskunftspflichtig ermittelt worden sei.
Mit Schreiben der Beklagten vom 11.04.2005 an den Bevollmächtigten der
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Mit Schreiben der Beklagten vom 11.04.2005 an den Bevollmächtigten der
Klägerin wurde diesem mitgeteilt, dass die Rechtsgrundlagen dem
Einbeziehungsschreiben (Bescheid vom Juli 2004) hätten beiliegen müssen. Im
Übrigen wurde das Stichprobenverfahren dargestellt. Hiernach umfasst die
Handelsstatistik monatliche und jährliche Erhebungen. Die Ermittlung der
Ergebnisse erfolge durch die Befragung eines repräsentativ ausgewählten
Bereichsfirmenkreises, der quantitativ begrenzt sei. Bei dem Auswahlverfahren
handele es sich um ein geschichtetes Zufallstichprobenverfahren, welches
wissenschaftlichem Standard entspreche und verwaltungsgerichtlich bestätigt sei.
Danach werde die Zufallswahl erst nach einer Schichtung der Grundgesamtheit
nach Bundesländern, Umsatzgrößenklassen und Branchengruppen
vorgenommen. Aus jeder einzelnen Schicht werde dann anhand eines im Vorfeld
festgelegten Stichprobenplans eine bestimmte Anzahl an Unternehmen gezogen.
In einzelnen Schichten befänden sich möglicherweise relativ wenig Unternehmen,
so dass die Auswahlwahrscheinlichkeit hoch werde. Die einmal getroffene Auswahl
sei bis zur nächsten Stichprobenziehung unumstößlich. Eine Entlassung aus der
Auskunftspflicht sei nur bei Aufgabe der Geschäftstätigkeit oder Wechsel des
wirtschaftlichen Schwerpunktes in einen anderen Bereich möglich.
Aufgrund dieses Schreibens erfolgte u.a. die weitere Nachfrage des
Bevollmächtigten der Klägerin, wie die Einordnung des Betriebes erfolgt sei, welche
Umsatzgrößenklasse und welche Branchengruppen zugrunde gelegt worden seien.
Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass die Grundeinheit das Unternehmensregister
für statistische Zwecke bilde. Dieses enthalte Daten aus den Finanzverwaltungen
und der Bundesagentur für Arbeit. Aufgrund dieser Angaben erfolge eine
Zuordnung zu dem jeweiligen Wirtschaftszweig und der jeweiligen Größenklasse.
Die Stichprobenziehung selbst erfolge im zuständigen Statistischen Landesamt, in
diesem Fall im Statistikamt Nord.
Im weiteren Verlauf mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 28.09.2005 und
beantwortete noch weitere Fragen. Nachdem sich der nunmehrige
Bevollmächtigte zu den Akten gemeldet hatte, erließ die Beklagte unter dem
Datum vom 31.03.2006 einen weiteren Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung und
forderte die Klägerin auf, die monatlichen Meldungen rückwirkend ab
Berichtsmonat 01/04 bis einschließlich 03/06 sowie den Fragebogen zur
Jahreserhebung 2004 bis zum 28.04.2006 zurück zu senden. Hierin wurde die
Beklagte darauf hingewiesen, dass von der Beklagten übersandte
Heranziehungsbescheid vom 15.07.2004 rechtskräftig sei. Bezüglich der nunmehr
gemachten datenschutzrechtlichen Bedenken könnten diese nicht nachvollzogen
werden. Man beabsichtige die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens. Um
dies zu vermeiden und das Ausfüllen und die Erledigungen der ausstehenden
Meldungen zur Monats-und Jahreserhebung zu vereinfachen, würden erneut
Leerformulare für die monatlichen Meldungen für den Berichtsmonat 01/04 bis
einschließlich 03/06 sowie ein Fragebogen ”Jahreserhebung 2004” mit der Bitte um
Erledigung und Rücksendung beigefügt.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 28.04.2006, eingegangen bei der
Beklagten am 02.05.2006, legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein.
Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass ungeachtet von der
theoretisch ausreichenden Rechtslage die gravierende Befürchtung und
unüberwindlichen Zweifel bestünden, dass die Geschäftsinteressen durch
Indiskretion verletzt oder durchbrochen werden könnten. Darüber hinaus
bestünden auch andere Möglichkeiten, sich die Daten zur Vervollständigung der
Statistik zu beschaffen. Auch sei die Personaldecke äußerst knapp, weshalb eine
Zumutbarkeit zu der statistischen Berichtspflicht nicht gegeben sei. Es werde
angeregt und darum gebeten, im Rahmen einer repräsentativen Auswahl eine
andere Auswahlentscheidung vorzunehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2006 wurde der Widerspruch gegen die
Wiederholung der Heranziehung zur Auskunftserteilung zur Handelsstatistik als
unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,
dass sich aus § 8 Abs. 1 Handelsstatistikgesetz (HdlStatG) eine gesetzliche
Auskunftspflicht ergebe. Aus dieser könne die Beklagte auch nicht entlassen
werden. Eine einmal getroffene Auswahl sei bis zur nächsten Stichprobenziehung
aus dem Unternehmensregister unumstößlich. Bis dahin sei eine ausnahmsweise
Entlassung aus der Auskunftspflicht nur bei nachgewiesener Aufgabe der
Geschäftstätigkeit oder bei nachgewiesenem Wechsel des wirtschaftlichen
Schwerpunktes in einen Nichthandelsbereich möglich. Die Geheimhaltung sei
gewährleistet. Eine unzumutbare Belastung ist nicht gegeben. Der
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gewährleistet. Eine unzumutbare Belastung ist nicht gegeben. Der
Widerspruchsbescheid wurde am 09.11.2006 zugestellt.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 04.12.2006, eingegangen beim
Verwaltungsgericht Wiesbaden am 07.12.2006, hat die Klägerin Klage erhoben. Die
Klägerin ist der Auffassung, dass die Heranziehung zur Handelsstatistik mit der
daraus folgenden Pflicht, ihre Geschäftsdaten fortlaufend periodisch an die
Statistikbehörde liefern zu müssen, einen Eingriff in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung darstelle. Im vorliegenden Fall richte sich die Heranziehung der
Klägerin nach dem Handelsstatistikgesetz. Hiernach würden die
Erhebungseinheiten, d. h. die Unternehmen, nach mathematisch-statistischem
Verfahren ausgewählt. Außerdem regele das Gesetz, wie viel Unternehmen
höchstens zu beteiligen seien und welche Unternehmen wegen
Nichtüberschreitens bestimmter Umsatzgrößen von bestimmten Erhebungen
ausgenommen seien. Weitere Angaben zur Auswahl der Unternehmen enthalte
das Gesetz jedoch nicht. Dies habe zur Folge, dass ein zur Handelsstatistik
herangezogenes Unternehmen weder aus den Vorschriften des
Handelsstatistikgesetzes noch aus anderen untergesetzlichen Normen oder
sonstigen Verwaltungsvorschriften erkennen könne, worauf konkret seine
Heranziehung beruhe, wie bei seiner Auswahl vorgegangen werde und wer konkret
die individuelle Verantwortung für seine Heranziehung trage. Das rechtsstaatliche
Gebot der Normenklarheit sei damit verletzt. Weder im Gesetz noch in sonstigen
Regelungen, noch im Verordnungsrecht noch in anderen untergesetzlichen
Normen oder Verwaltungsvorschriften gebe es entsprechende Regelungen.
Die Klägerin richte sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung nicht
dagegen, dass die Statistikgesetze keine genauen Angaben über das
mathematisch-statistische Stichprobenverfahren enthielten. Es müsse aber
untergesetzliche Regelungen geben, die erkennen ließen, wie die zuständige
Behörde im Rahmen eines Verwaltungsermessens die einzelnen
Verfahrensschritte des mathematisch-statistischen Verfahrens zuzuordnen
hätten. Auch müsse es Verwaltungsvorgänge geben, die nach diesen Vorgaben
durchgeführt würden. Zur Rechtsstaatlichkeit des Verwaltungsablaufes gehöre,
dass die Regelungen und ihre Anwendung im Einzelfall dokumentiert und damit die
Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit vom Betroffenen nachvollzogen werden
könne. Eine bloße schriftliche Versicherung, die Auswahl sei nach einem
geschichteten Zufallstichprobenverfahren vorgenommen worden, genüge in
keinster Weise. Da weder veröffentlichte noch nicht-veröffentlichte
Verwaltungsvorschriften für das Auswahlverfahren bestünden, stehe fest, dass es
für die Klägerin nicht möglich sei, sich anhand verbindlicher Regelungen davon zu
überzeugen, dass ihre Heranziehung formell und materiell rechtmäßig zustande
gekommen sei. Eine verbindliche Festlegung der Maßstäbe und Methoden sei nicht
ersichtlich.
Hinzu komme, dass nach den Angaben der Beklagtenseite unter dem WZ-
Schlüssel X, in dem sich die Klägerin befinde, in Schleswig-Holstein 902
Unternehmen geführt würden. Eine eigene Nachfrage beim Statistischen Amt für
Hamburg und Schleswig-Holstein habe aber ergeben, dass es 1434 Unternehmen
seien. Insoweit müsse davon ausgegangen werden, dass die erfolgte Berechnung
der Schichtung und Auswahl falsch sei.
Darüber hinaus bezweifelt die Klägerin das Vorhandensein von Vorschriften, die
der Geheimhaltung und dem Datenschutz dienten. Auch könnten die Daten
anderweitig erhoben werden und sei eine Statistikabgabe aufgrund der
angespannten Arbeitslage unzumutbar.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 31.03.2006 in der Form des
Widerspruchsbescheids vom 03.11.2006 aufzuheben sowie die Revision
zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Umsatzgrößenklassen nach allgemein
anerkannten Optimierungsverfahren festgelegt würden, so dass sichergestellt sei,
dass bei gegebenem Stichprobenumfang die Präzision für die Ergebnisse des
Erhebungsmerkmales Gesamtumsatz am größten sei. Das klägerische
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Erhebungsmerkmales Gesamtumsatz am größten sei. Das klägerische
Unternehmen sei einer Schicht zugeordnet worden, die total zu erfassen sei
(Auswahlsatz 100 %). Die Jahresumsatzgrenze für diese Totalschicht betrage 60
Mio. Euro. Die vollständige Erfassung der umsatzstarken Unternehmen in
Stichprobenerhebungen bewirke die Gesamtbelastung der Auskunftspflichtigen
insgesamt niedrig halten zu können, da die bedeutenderen, nämlich
umsatzstärkeren Unternehmen, relativ stärker zur Erhebung herangezogen
würden, als die umsatzschwächeren. Ohne Totalschichtung der bedeutsameren
Unternehmen müsse der Gesamtstichprobenumfang um ein vielfaches höher
liegen, um zuverlässigere Ergebnisse sicherstellen zu können. Diese
Vorgehensweise sei nicht zu beanstanden. Auch sei die Belastung der Klägerin
nicht so hoch. Nach den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Untersuchung
müsse von einer Belastung im Durchschnitt von 32,8 Minuten für das Ausfüllen
eines Erhebungsbogens ausgegangen werden, wobei der Medianwert sogar nur bei
nur 20 Minuten gelegen habe. Für das Ausfüllen des umfangreicheren, aber auch
nur einmal jährlich zu bearbeitenden Fragebogens der Jahreserhebung habe man
im Schnitt 96,7 Minuten benötigt. Durch Einsatz der elektronischen
Datenverarbeitung lasse sich die Bearbeitungszeit weiter reduzieren. Eine
angespannte Arbeitslage sei ebenfalls wenig glaubhaft gemacht worden. Laut dem
Unternehmensregister habe die Klägerin im Jahre 2004 über 186 Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen verfügt. Die Mitarbeiterzahl nehme offenbar von Jahr zu Jahr zu.
Ein Unternehmen dieser Größenordnung müssen zwangsläufig über einen
erheblichen und leistungsfähigen Verwaltungsapparat verfügen und wenn nicht,
bestünde die Möglichkeit sich eines Steuerberaters zu bedienen. Darüber hinaus
sei die Beklagte zur Wahrnehmung der statistischen Geheimhaltung verpflichtet.
Eine bloße Befürchtung der Klägerin als Auskunftspflichtige von der Möglichkeit der
Übermittlung von Einzelangaben an andere öffentlichen Stellen betroffen zu
werden, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Heranziehung des
Auskunftspflichtigen.
Mit Beschluss vom 13.02.2007 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter
übertragen.
In der mündlichen Verhandlung am 07.05.2007 erfolgte eine sehr ausführliche
Erörterung der Sach-und Rechtslage. Dabei wurden diverseste Unterlagen von
Seiten der Beklagten vorgelegt.
Soweit die Klägerin beantragte Beweis zu erheben, dass es zur Zeit der Auswahl
des klägerischen Unternehmens keine veröffentlichten Verwaltungsvorschriften
des Beklagten für das Auswahlverfahren nach § 5 Abs. 1 Handelsstatistikgesetzes
gab, wurde dies aufgrund der Ausführungen der Beklagten als wahr unterstellt.
Soweit die Beklagte begehrte, Beweis darüber zu erheben, dass es für die
Durchführung des die Klägerin betreffenden Auswahlverfahrens und die Beachtung
der dafür maßgebenden Regelungen keine Niederschrift gebe, wurde diesem
Begehren insoweit stattgegeben, als der Beklagten Gelegenheit gegeben wurde,
sich zu der Frage, ob und inwieweit es betreffend des Auswahlverfahrens unter
Berücksichtigung von Regeln und/oder Grundsätzen zur Stichprobenziehung eine
Verantwortlichkeit bestimmen lässt bezüglich der Person oder Personengruppe,
welche letztendlich den Auswahlvorgang bezüglich der einzelnen Unternehmen in
den einzelnen Schichtungen verantwortet, zu erklären.
Dies erfolgte durch Schriftsatz vom 25.06.2007. Insoweit wird auf diesen und die
darin gemachten Anlagen vollinhaltlich Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
durch den Einzelrichter einverstanden erklärt (Schreiben vom 18.12.2007 (Bl. 231
GA) und 19.12.2007 (Bl. 232 GA).
Soweit sich daraus weiterer Sachvortrag von Seiten der Klägerin bzw. der
Beklagten ergibt, wird vollinhaltlich -wie im Übrigen auch -auf den Inhalt der
Gerichtsakte Bezug genommen, welche sämtlich zum Gegenstand der
Entscheidung gemacht worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die
Verfahrensbeteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren durch den
Einzelrichter einverstanden erklärt haben.
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Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Klage zulässig ist. Zweifel an der
Zulässigkeit bestehen zumindest insoweit, als der Heranziehungsbescheid vom Juli
2004 bestandskräftig geworden ist und insoweit möglicherweise der Klägerin das
notwendige Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte. Hierauf kommt es jedoch nicht
an, denn die Beklagte hat durch den späteren Bescheid vom 31.03.2006 und den
Widerspruchsbescheid vom 03.11.2006 sich mit den bis dato gemachten
Einwendungen der Klägerin auseinandergesetzt und eine Regelung getroffen.
Die Klage ist auf jeden Fall nicht begründet. Die Klägerin ist durch die
Heranziehung zur Handelsstatistik mit monatlicher, jährlicher und fünfjährlicher
Erhebung nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Bescheid der Beklagten vom Juli 2004, der Bescheid vom 31.03.2006 und der
Widerspruchsbescheid vom 03.11.2006 sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist
in nicht zu beanstandender Weise zur statistischen Erhebung herangezogen
worden.
Rechtsgrundlagen für die Heranziehung ist § 5 und § 15 Bundesstatistikgesetz
(BStatG) i.V.m. § 8 Handelsstatistikgesetz (HdlStG). Danach besteht für die
Erhebung nach den Handelsstatistikgesetz eine Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig
ist der Inhaber oder Leiter des Unternehmens (§ 8 Abs. 1 Satz 2 HdlStG). Die
Unternehmen sind gem. § 4 HdlStG die Erhebungseinheiten. Gemäß § 5 HdlStG
werden die Erhebungen als Stichprobenerhebungen durchgeführt. Die
Erhebungseinheiten werden nach mathematisch-statistischem Verfahren
ausgewählt. Ferner werden in § 5 HdlStG die Höchstzahlen an Unternehmen
festgelegt, welche zur Erhebung heranzuziehen sind sowie die Umsatzhöhen.
Das Handelsstatistikgesetz legt dabei nicht die Gesichtspunkte fest, nach denen
die Auskunftspflichtigen konkret ausgewählt werden. Diese Einzelheiten der
Ausgestaltung des Auswahlverfahrens verbleiben vielmehr dem Ermessen der
Verwaltung überlassen. Dies ist mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar. Das
Rechtsstaatsprinzip fordert, dass der Einzelne weiß, inwieweit die Verwaltung in
seinen Rechtskreis eingreifen darf, fordert grundsätzlich aber nicht, dass der
Gesetzgeber die Verwaltung bindet, den möglichen Eingriff immer zu vollziehen,
oder das der Gesetzgeber genau umreist, wann die Verwaltung von einem nach
Tatbestand und folgegeregelten Eingriff Abstand nehmen darf (BVerwG, Beschluss
vom 15.11.1998, Az. BVerwG 1 B 136.89). Der Kreis derjenigen, die zur Auskunft
herangezogen werden können, ist im Gesetz festgelegt. Es sind die Inhaber oder
Leiter der Unternehmen, vorliegend der Handelsvermittlung und des Großhandels,
§ 8 Abs. 1 i. V. m. § 2 HdlStG.
Wer von diesen potentiell Betroffenen bis zur Höchstzahl tatsächlich herangezogen
wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (BVerwG, Beschluss vom
15.11.1998, Az. BVerwG 1 B 136.89). Die Beklagte ist mithin befugt, die
Auswahlgrundsätze zu entwickeln. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass
es vorliegend an solchen fehlt, vermag dem das Gericht nicht zu folgen. Wie sich
aus der mündlichen Verhandlung am 07.05.2007 ergeben hat, steht fest, dass es
zwar keine ”veröffentlichten Verwaltungsvorschriften” des Beklagten für das
Auswahlverfahren gibt. Öffentlich zugänglich sind jedoch nicht nur Beiträge in
Zeitschriften, welche abstrakt generell die Bestimmung der Schichten und
Erhebung der Repräsentativproben mit den entsprechenden Berechnungsformeln
beinhalten (vgl. Bl. 100 bis 106 GA), sondern weitere Berichte und Unterlagen der
Beklagten, aus denen sich der Verfahrensablauf als Erhebungsmethodik ergibt
(vgl. insoweit Monatserhebung im Handel, März 2006, S. 6 ff., S. 91/92 f. GA).
Konkret für das vorliegende Verfahren heruntergebrochen wurde von Seiten der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2007 nachvollziehbar
dargelegt, dass es unter Berücksichtigung der 16 Bundesländer etwa 3600
Schichten in der Handelsstatistik gibt. Entscheidend für das vorliegende Verfahren
ist der Sitz des Unternehmens, hier Schleswig-Holstein. Die Klägerin fällt unter den
WZ-Schlüssel X als Großhandelsunternehmen. Alle Unternehmen, die dieser
Schlüsselzahl zugeordnet werden, wurden im Unternehmensregister erfasst. Nach
Angaben der Beklagten handelt es sich dabei um 902 Unternehmen in Schleswig-
Holstein. Diese wurden wie folgt geschichtet:
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Zu letzterer Gruppe gehört unstreitig die Klägerin.
Soweit die Klägerin nunmehr geltend macht, dass es für die Schichtermittlung,
mithin die Durchführung des Auswahlverfahrens und die Beachtung der dafür
maßgeblichen Erhebungen keine Niederschrift gibt, so hat die Beweiserhebung
erbracht, dass dies tatsächlich der Fall ist.
Dies ist vorliegend jedoch unschädlich. Denn hierdurch wird die Klägerin nicht in
ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und
Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 19 Abs. 3 GG in ihrem Recht auf informationelle
Selbstbestimmung verletzt. Zwar kann sich die Klägerin auf das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung insoweit berufen, als ihrem Träger Schutz
gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der
betreffenden individualisierten oder individualisierbarer Daten zusteht (vgl.
BVerwG, Urteil vom 20.12.2001, Az. 6 C 7/01, Rdnr. 18 -nach Juris -; BVerfG,
Beschluss vom 01.10.1987, Az. 2 BvR 1178/86 u. a., Rdnr. 126 -nach Juris -;
nochmals BVerfG, Urteil vom 17.07.1984, Az. 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, Rdnr. 135
f. -nach Juris -).
Insoweit sind auch die datenschutzrechtlichen Vorgaben auch auf juristische
Personen, soweit ein grundrechtlich verbirktes Recht auf informationelle
Selbstbestimmung nach Art. 14 GG gegeben ist, entsprechend anzuwenden.
Dies führt aber nicht dazu, dass die Klägerin einen Anspruch darauf hat, dass auf
Verwaltungsebene verbindliche Festlegungen der Maßstäbe und Methoden sowie
entsprechende Niederschriften über die Auswahl gefertigt und vorgelegt werden.
Denn nach allgemein datenschutzrechtlichen Grundsätzen ist verantwortlich die
datenverarbeitende Stelle, mithin die Beklagte, und nicht eine einzelne Person.
Hinzu kommt, dass -wie der Stichprobenplan für Handel und Gastgewerbe zeigt -
es diverseste statistische Berechnungen nach dem Dalenius-Verfahren nach der
mathematischen Formel Nh x Sh = Konstant gibt, um einen statisch optimalen
Schichtungsplan zu ermitteln. Für diese einzelnen Berechnungen, weitere
schriftliche Vorgaben zu fordern, erscheint dem erkennenden Gericht nicht
verhältnismäßig, zumal die Ergebnisse dieser Berechnung von den Mitarbeitern
des Hauses im Einzelfall bewertet und für die dann zugrunde zu legende Auswahl
bestimmt werden müssen. Dass die sich aus den wirtschaftlichen Gegebenheiten
der einzelnen Unternehmen jeweils ergebenden Verhältnisse im Rahmen der einer
Mitarbeitererörterung besprochen und dabei festgelegt wird, wie dies vorliegend
mit dem Grundzügen der Stichprobenpläne für die Stichprobenerhebung
gehandhabt wird (Jahres-und Monatserhebung im Handel und Gastgewerbe ab
dem Berichtsjahr 2003 vom 17.06.2003), ist zur Überzeugung des Gerichtes
ausreichend.
Soweit die ständige Rechtsprechung der mit Statistik befassten
Verwaltungsgerichte davon ausgeht, dass die Behörde in die Lage versetzt werden
muss, ihre Aufgaben den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls und
den wechselnden Situationen des wirtschaftlichen Lebens gerecht zu werden, folgt
dem das Gericht. Es vermag auch nicht zu erkennen, dass die Beklagte dagegen
verstößt. Dies insbesondere nicht, als die Klägerin aufgrund ihrer hohen
Umsatzahlen zur Totalerhebungsschicht gehört und damit die Daten der
Beklagten für eine aussagekräftige Handelsstatistik bezogen auf das Bundesland
Schleswig-Holstein zwingend erforderlich sind.
Insoweit kommt es auch nicht auf die Frage an, wieso das Statische Amt für
Hamburg und Schleswig-Holstein der Klägerin gegenüber für den WZ-Bereich X
eine Anzahl von 1434 Unternehmen mitteilte, nach der Erklärung der Beklagten
jedoch für Schleswig-Holstein lediglich 902 Unternehmen für die Schichtung
zugrunde gelegt worden sind. Einer Aufklärung dieser Differenz bedarf es nicht.
Denn die Klägerin hat schon im Ansatz nicht dargelegt, dass unter den ”Mehr-”
Unternehmen sich auch nur ein einziges Unternehmen befindet, welches von der
Umsatzzahl zu der 5. Schicht zählen würde, mithin der Schicht, der die Klägerin als
Totalschicht zugeordnet wurde.
Schließlich kann die Klägerin keinen Anspruch auf Freistellung von der
Auskunftspflicht mit der Befürchtung herleiten, die Anonymität der Angaben sei
nicht gewährleistet und eine unbefugte Weiterleitung der Einzelangaben an andere
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nicht gewährleistet und eine unbefugte Weiterleitung der Einzelangaben an andere
Stellen sei nicht ausgeschlossen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 BStatG sind das
Statistische Bundesamt, die Statischen Landesämter und die sonstigen
erhebenden Stellen berechtigt und verpflichtet, den fraglichen zuständigen
obersten Bundes-und Landesbehörden sowie von ihnen bestimmten Stellen auf
Verlangen statische Einzelangaben zu übermitteln, wenn diese Übermittlung unter
Angabe des Empfängerkreises und der Art des Verwendungszweckes in die
Statistik anordnenden Rechtsvorschriften zugelassen und in dem der Klägerin
zugeleiteten Erhebungsvordruck bekannt gegeben worden ist. Soweit die zu
übermittelnden Daten den Namen und die Anschrift des Betroffenen umfassen
sollen, ist dies ebenfalls in der Rechtsvorschrift und in dem Erhebungsvordruck
kenntlich zu machen.
Eine solche Übermittlung ist vorliegend nicht gegeben. Nach § 9 HdlStG können an
die obersten Bundes-und Landesbehörden für die Verwendung gegenüber den
gesetzgebenden Körperschaften und für Zwecke der Planung, jedoch nicht für die
Regelung von Einzelfällen, vom Statischen Bundesamt und den Statistischen
Ämtern der Länder Tabellen mit statistischen Ergebnissen übermittelt werden,
auch soweit Tabellenfelder nur einen einzigen Fall ausweisen. Dies ist vorliegend
nicht der Fall. Denn in der Schicht 1 befinden sich 5 Unternehmen. Wenn alle 5
Unternehmen ordnungsgemäß ihrer statischen Verpflichtung nachkommen
würden, werden die Zahlen so generiert, dass sie einem einzelnen Unternehmen
nicht mehr zuzuordnen sind. Mithin ist das Statistikgeheimnis nach § 11 BStatG
gewahrt ist.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass ihr die Abgabe der Statistik
unzumutbar sei und die Daten anderweitig erhoben werden könnten, vermag dem
das Gericht nicht zu folgen. Die Klägerin hat nicht im Ansatz dargelegt, dass ihre
Arbeitslage so angespannt sei, geschweige denn die Erstellung der Statistik
unzumutbar ist. Insoweit muss hier von einer reinen Schutzbehauptung
ausgegangen werden.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO,
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO entsprechend.
Die Zulassung der Revision beruht auf §§ 134, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, da die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.