Urteil des VG Trier vom 25.04.2006
VG Trier: verordnung, alkoholisches getränk, traubenmost, endprodukt, hefe, zugabe, behandlung, bier, stoff, quelle
Weinrecht
VG
Trier
25.04.2006
2 K 979/05.TR
Ein Getränk, das aus einer Mischung von Traubenmost und Bierwürze (Maische, die aus Malz und
Hopfenzusatz besteht) dergestalt gewonnen wird, dass die Ausgangsmischung unter Zusatz von Bierhefe
vergoren wird, ist kein "aromatisierter weinhaltiger Cocktail" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 c VO (EWG) Nr.
1601/91.
In diesem rechtlichen Zusammenhang liegt eine Aromatisierung nur dann vor, wenn dem
Ausgangsprodukt fertige Aromastoffe zugesetzt werden, nicht jedoch dann, wenn nach der Mischung
verschiedener Ingredienzen durch einen chemischen Prozess Aromastoffe gebildet werden.
Verwaltungsgericht Trier
2 K 979/05.TR
Urteil
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Weinrecht
(Bezeichnung eines Getränks als "aromatisierter weinhaltiger Cocktail")
hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. April
2006, an der teilgenommen haben
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass es sich bei einem Getränk, das durch
Vergärung von Traubenmost und Bierwürze hergestellt wird, um einen "aromatisierten weinhaltigen
Cocktail" handelt.
Die Klägerin hat ein neuartiges Getränk entwickelt. Es wird aus Traubenmost hergestellt, dem Bierwürze
zugesetzt wird. Bei dieser Würze handelt es sich um eine Maische, die aus Malz und Hopfenzusatz
besteht, wie sie zur Herstellung von Bier verwendet wird. Diese Mischung wird sodann unter Zusatz von
Bierhefe vergoren. Im Endprodukt finden sich dadurch Aromen, die aus dem Bereich der Weine bekannt
sind, ebenso wie solche, die man vom Bier her kennt. Die Aromen werden durch den Gärungsprozess
gebildet.
Am 01. Juni 2005 bat die Klägerin das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau
darum, zu bestätigen, dass es sich bei dem entwickelten Produkt um einen "aromatisierten weinhaltigen
Cocktail" handelt. Dem entsprach das Ministerium nicht. Die einschlägige Verordnung lasse nur
bestimmte lebensmitteltechnologische Verfahren und Ausgangssubstanzen zu. Die Aromatisierung mittels
Fermentation sei nicht zugelassen. Bei Bierwürze handele es sich nicht um ein Nahrungsmittel sondern
um die Produktionsvorstufe eines anderen Nahrungsmittels. Auch handele es sich bei Bierwürze nicht um
einen Aromastoff im Sinne der Vorschriften.
Nachdem die Klägerin beim Verwaltungsgericht Mainz Klage erhoben hatte, wies das Ministerium darauf
hin, dass die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier die zuständige Behörde für die Überwachung
der Vorschriften der gemeinsamen Marktorganisation für Wein und des Weingesetzes sei. Der
Verwaltungsrechtsstreit wurde daraufhin an das erkennende Gericht verwiesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass es sich bei dem genannten Getränk um einen "aromatisierten
weinhaltigen Cocktail" im Sinne der europarechtlichen Vorschriften handelt. Insbesondere finde im
Herstellungsprozess eine Aromatisierung statt. Da Traubenmost allein Ausgangsprodukt sein könne, es
sich beim Fertigprodukt jedoch um ein alkoholisches Getränk handeln müsse, sei zwingend eine
Fermentierung erlaubt, denn der Zusatz von Alkohol sei bei Getränken der in Rede stehenden Art
verboten. Durch den Zusatz von Bierwürze, die sodann vergoren würde, entstünden biertypische Aromen.
Dies stelle eine Aromatisierung durch Aromastoffe dar. Dem Endprodukt würden biertypische Aromastoffe
dadurch zugeführt, dass durch ein mikrobiologisches Verfahren, nämlich die Vergärung von Stoffen
pflanzlichen Ursprungs (Traubenmost, Malz und Hopfen) die entsprechenden Aromen gebildet würden.
Durch die Gärung, die mit Bierhefe durchgeführt werde, sollten gerade die für das Getränk typischen
Geschmacksstoffe erzeugt werden. In den Vorschriften sei nicht geregelt, auf welche Art und Weise
Aromastoffe zugesetzt werden könnten. Es sei daher Sache des Herstellers, zu entscheiden, wie er die
Aromastoffe in das Getränk bringe. Beim Zusatz von Bierhefe handele es sich auch nicht um ein
unerlaubtes önologisches Verfahren. Da die betreffenden Vorschriften aufgehoben und nicht durch neue
ersetzt worden seien, habe der Verordnungsgeber bewusst auf einen Katalog der zulässigen
önologischen Verfahren verzichtet. Folglich sei der Hersteller darin frei, welche Verfahren er anwenden
wolle.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass es sich bei einem Getränk, das durch Vergärung von Traubenmost und Bierwürze
hergestellt wird und bei dem die Voraussetzungen des Art. 2 c VO 1601/91 EG im Übrigen eingehalten
sind, um einen "aromatisierten weinhaltigen Cocktail" handelt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertrat zunächst die Auffassung, dass die Klage unzulässig sei. Die Klägerin habe jedoch auch in der
Sache keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, weil es sich bei dem in Rede stehenden Getränk
nicht um einen "aromatisierten weinhaltigen Cocktail" handele. Die das Produkt charakterisierenden
Eigenschaften stammten nicht aus einer Aromatisierung sondern seien durch Gärung bedingt. Dabei
könne Bierwürze nicht als Geschmack gebendes Lebensmittel im Sinne der Verordnung eingeordnet
werden. Die zugesetzte Bierwürze werde nicht zur Geruchs- bzw. Geschmacksgebung benutzt. Sie diene
nur dazu, mittels Hefe eine Gärung im Sinne einer Fermentation in Gang zu setzen. Mit einer Fermentation
würden erhebliche stoffliche Veränderungen der Inhaltsstoffe bewirkt. Die zugesetzten Stoffe ließen sich in
der Regel analytisch nicht mehr unmittelbar nachweisen, da sie im Verlaufe der Fermentation
umgewandelt worden seien. Dagegen sei der Zusatz von Aromen im fertigen Endprodukt nachweisbar.
Folglich handele es sich hier nicht um eine Aromatisierung. Ferner handele es sich um eine unzulässige
önologische Behandlung. Die Zugabe von Bierwürze und Hefe zur Herbeiführung einer Gärung sei nicht
im Anhang IV der Weinmarktordnung aufgeführt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten und
zur Gerichtsakte genommenen Schriftsätze sowie auf den von dem Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sie führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf die begehrte Feststellung. Bei dem streitbefangenen Getränk handelt es sich nicht um einen
"aromatisierten weinhaltigen Cocktail" im Sinne der europarechtlichen Vorschriften.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 c der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die
Begriffsbestimmung, Bezeichnung und Aufmachung aromatisierten Weins, aromatisierter weinhaltiger
Getränke und aromatisierter weinhaltiger Cocktails gilt als "aromatisierter weinhaltiger Cocktail" das
Getränk, das aus Wein und/oder Traubenmost gewonnen wurde und das einer Aromatisierung
unterzogen wurde. Die Aromatisierung hat dabei durch natürliche Aromastoffe und/oder Aromaextrakte
bzw. naturidentische Aromastoffe und/oder Aromaextrakte gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. b) Ziff. i) und ii) der
Richtlinie 88/388/EGW zu erfolgen. Die weiteren Voraussetzungen bzw. Alternativen der Vorschrift
interessieren hier nicht. Nach Art. 3 b) der Verordnung (EWG) 1601/91 ist Aromatisierung das Verfahren,
bei dem zur Herstellung von aromatisierten Weinen, aromatisierten weinhaltigen Getränken und
aromatisierten weinhaltigen Cocktails einer oder mehrere der Aromastoffe gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. a)
der Richtlinie 88/388/EGW und/oder Würzkräuter und/oder Gewürze und/oder Geschmack gebende
Nahrungsmittel verwendet werden. In Satz 2 der Vorschrift ist geregelt, dass durch den Zusatz solcher
Stoffe das Fertigerzeugnis organoleptische Eigenschaften erhält, die sich von denen des Weins
unterscheiden.
Ob bei der Herstellung eines "aromatisierten weinhaltigen Cocktails" -was zwischen den Beteiligten
streitig ist- eine Gärung stattfinden darf, kann dahingestellt bleiben, jedenfalls findet bei der Herstellung
des von der Klägerin entwickelten Getränks keine Aromatisierung im Sinne der vorgenannten Vorschriften
statt. Eine Aromatisierung liegt nur dann vor, wenn bereits fertige Aromastoffe dem Ausgangsprodukt
zugesetzt werden, nicht jedoch dann, wenn - wie vorliegend - nach der Mischung der verschiedenen
Ingredienzen durch einen Prozess Aromastoffe gebildet werden. Das ergibt sich im Ansatz zunächst
daraus, dass Art. 3 b) S. 2 der Verordnung (EWG) 1601/91 vom Zusatz von Stoffen spricht. Nach
allgemeinem Sprachgebrauch (vgl. hierzu auch § 2 Nr. 13 Weingesetz) liegt ein "Zusetzen" dann vor,
wenn dem einen Stoff weitere Stoffe hinzugefügt werden. Von einem Zusetzen im Sinne der genannten
Vorschriften ist demnach regelmäßig nicht zu sprechen, wenn nicht fertige Stoffe zu einem Produkt
zusammengeführt werden sondern ein Prozess in Gang gesetzt wird. Hierfür streitet vorliegend
insbesondere auch die in den genannten Vorschriften in Bezug genommene Richtlinie des Rates zur
Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Aromen zur Verwendung in Lebensmitteln
und über Ausgangsstoffe für ihre Herstellung (88/388/EWG). In Art. 1 Satz 2 b) ist definiert, was
"Aromastoffe" im Sinne der Richtlinie und damit auch im Sinne der VO (EWG) 1601/91 sind. Die Klägerin
stützt sich dabei auf die in den Unterpunkten i) und ii) genannten Verfahren. Zwar finden sich dort u.a. die
von der Klägerin angesprochenen mikrobiologischen Verfahren, jedoch vermittelt dieser Umstand
deshalb nicht den geltend gemachten Anspruch, weil die Vorschrift in der einleitenden Definition des
Begriffs "Aromastoffe" klarstellt, dass es sich überhaupt nur bei definierten chemischen Stoffen mit
Aromaeigenschaften um Aromastoffe handelt, die mittels der genannten Verfahren gewonnen werden. Im
Zusammenklang der Vorschriften liegt eine Aromatisierung demnach nur dann vor, wenn bereits
gewonnene Aromastoffe im Sinne definierter chemischer Stoffe mit Aromaeigenschaften zugesetzt
werden. Mithin muss dem Wein bzw. Traubenmost ein endgültig definierter chemischer Stoff zugesetzt
werden, damit von einem "aromatisierten weinhaltigen Cocktail" ausgegangen werden kann. Da
vorliegend jedoch das Aroma durch einen nach der Zusammenfügung verschiedener Stoffe in Gang
gesetzten Prozess erst entwickelt wird, liegt keine Aromatisierung im Sinne der europarechtlichen
Vorschriften vor.
Im Übrigen ist die Kammer mit dem Beklagten der Auffassung, dass es sich bei dem hier in Rede
stehenden Verfahren um ein unzulässiges önologisches Verfahren handelt. Nach Art. 5 Abs. 1 der VO
(EWG) 1601/91 sind auf Wein und Most in der Zusammensetzung der in Art. 1 genannten Erzeugnisse -
hierzu gehören auch die "aromatisierten weinhaltigen Cocktails" - die festgelegten önologischen
Behandlungen und Verfahren gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 anwendbar. Zwar wurde diese
Verordnung in der Tat später aufgehoben und die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 wurde in den späteren
Änderungen der Verordnung (EWG) 1601/91 nicht angepasst, hierbei handelt es sich jedoch um ein
redaktionelles Versehen. Die zugelassene önologischen Behandlungen und Verfahren ergeben sich aus
den Anhängen IV und V der Weinmarktordnung (Koch, Kommentar zum Weinrecht, Anm. 6.1 zu den
aromatisierten Getränken). Für diese Auffassung streitet die Präambel der Verordnung (EWG) Nr. 1601/91.
Danach sollen in der Verordnung die dort aufgeführten Getränke insbesondere auch unter
Berücksichtigung der überlieferten Herstellungsverfahren definiert werden. Dies zeigt, dass dem
Verordnungsgeber die zulässigen önologischen Verfahren ein besonderes Anliegen waren. Dafür, dass
der Verordnungsgeber später hiervon abrücken wollte, gibt es außer der redaktionellen Unterlassung
keine Anhaltspunkte. Für ein bloßes redaktionelles Versehen spricht dabei der Umstand, dass die
Vorschrift des Art 5 VO (EWG) 1601/91 gänzlich unbearbeitet geblieben ist, d.h. der Verordnungsgeber hat
die Vorschrift auch nicht etwa aufgehoben, obwohl die darin in Bezug genommene VO (EWG) 822/87
nicht mehr gilt.
Die Zugabe von Bierwürze und Bierhefe zur Herbeiführung einer Gärung ist in den Anhängen zur
Weinmarktordnung nicht genannt, weshalb es sich um eine unzulässige Behandlung bzw. um ein
unzulässiges önologisches Verfahren handelt.
Die Klage ist nach alledem mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten findet seine
Rechtsgrundlage in §§ 167, 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung.
Gründe, nach § 124 a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben, denn die Rechtssache
hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung
im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde
angefochten werden.