Urteil des VG Trier vom 22.04.2010

VG Trier: deponie, neues beweismittel, neue beweismittel, stand der technik, sanierung, erlass, behörde, erfüllung, neubewertung, abfallrecht

Abfallrecht
VG
Trier
22.04.2010
5 K 611/09.TR
Der Eigentümer einer stillgelegten Deponie, der mit dem ehemaligen Deponiebetreiber nicht identisch ist,
hat keinen Anspruch auf zusätzliche Sanierungsanordnungen, wenn ein bestandskräftiges
Sanierungskonzept vorliegt und sich seit Inkrafttreten des Sanierungskonzeptes die Sach- und Rechtslage
nicht geändert hat.
Die abfallrechtliche Pflicht des Deponiebetreibers zur Rekultivierung ist grundsätzlich nicht drittschützend.
Verwaltungsgericht Trier
5 K 611/09.TR
Urteil
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen abfallrechtlicher Anordnung
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. April
2010, an der teilgenommen haben
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der
Kläger.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger möchte erreichen, dass der Beklagte gegenüber dem Beigeladenen strengere
Sanierungsauflagen betreffend die ehemalige Zentraldeponie D*** erlässt.
Der Beigeladene betrieb von 1975 bis 1984 in D*** eine Zentraldeponie für Haushaltsabfälle.
Rechtsgrundlage für die Errichtung und den Betrieb der Deponie war der Planfeststellungsbeschluss der
damaligen Bezirksregierung Trier vom 20. März 1974. Der Planfeststellungsbeschluss enthielt in Teil III
folgende Auflagen:
"7. Beim Betrieb der Deponie ist die Richtlinie Nr. 4 des Generalplanes Abfallbeseitigung Rheinland-Pfalz
(Merkblatt der Zentralstelle für Abfallbeseitigung im Bundesgesundheitsamt) zu beachten.
8. Die endgültige Abdeckung des Deponiekörpers ist überall so durchzuführen, wie in den Blättern 7- 10
des Entwurfes dargestellt ist."
Die genehmigten Planunterlagen weisen eine Rekultivierungsschicht von 0,50 m aus.
Im Rahmen eines Zusammenlegungsverfahrens in der Gemeinde D*** trat die Ortsgemeinde den
Anspruch auf kostenlose Übereignung des Deponiegeländes gegenüber dem Landkreis an den Kläger
ab. Hierfür stellte der Kläger der Flurbereinigung eigene andere Flächen zur Verfügung. Der Beigeladene
zahlte an den Kläger zur Abgeltung aller Ansprüche, die aus dem Bau und dem Betrieb der kreiseigenen
Mülldeponie entstanden waren bzw. noch entstehen würden eine einmalige Pauschalentschädigung in
Höhe von 20.000 DM (Vertrag vom 10. August 1984). Der Kläger verzichtete in der vorgenannten Urkunde
auf Schadensersatzleistungen jeglicher Art und auf die Geltendmachung von Mängeln am
Deponiegelände jetzt und in der Zukunft.
Die Deponie wurde im November 1984 geschlossen. Der Kläger verpachtete die Parzellen der
ehemaligen Deponie an seine Schwester, die dort ein Damwildgehege betrieb.
Zu Beginn des Jahres 2003 verendeten mehrere Tiere des Klägers auf dem ehemaligen Deponiegelände.
Der Beigeladene gab daraufhin im September 2003 ein Gutachten zur Gefahrenbeurteilung der
Altablagerung D*** bei Herrn Prof. R*** in Auftrag. Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, dass keine
Beeinträchtigung der Nutztiere durch das Deponiegas gegeben sei. Er stellte jedoch an der Oberfläche
Setzungsrisse fest und empfahl, in naher Zukunft den Verschluss der Setzungsrisse in der Oberfläche
vorzunehmen, um die vorhandenen hohen Methanemissionen zu verhindern. Hierbei sollten die Risse
tiefgründig und weiträumig abgedichtet werden. Er empfahl, die Oberflächenabdeckung an Stellen mit
Mächtigkeiten kleiner als 50 cm auf über 50 cm aufzufüllen, um ein ausreichendes
Methanoxidationspotential der Oberflächenabdeckung zu gewährleisten.
Mit Sanierungsanordnung vom 16. November 2004 gab der Beklagte dem Beigeladenen auf, die
Setzungsrisse in der Oberfläche zu verschließen und die Deponiebereiche mit hohen
Deponiegasemissionen abzudichten. Die Deponieabdeckung sei an Stellen mit Mächtigkeiten kleiner als
50 cm auf mindestens 50 cm mit kulturfähigem Boden aufzufüllen. In seiner Begründung nahm der
Beklagte auf das Gutachten von Prof. R*** Bezug und führte zur Begründung u.a. aus, die bodenkundliche
Untersuchung der Universität Trier, Abteilung Bodenkunde, habe ergeben, dass einige Bereiche der
Deponie nicht über eine im Planfeststellungsbeschluss vom 20. März 1974 geforderte
Oberflächenabdeckung von 50 cm verfüge. Eine Untersuchung der Deponieoberfläche habe ergeben,
dass an mehreren Stellen der Verschluss von Setzungsrissen erforderlich sei.
Mit Verfügung vom 16. November 2004 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger die Duldung der
Sanierungsmaßnahmen an. Gegen diese Duldungsverfügung legte der Kläger Widerspruch ein. Im
Rahmen eines Ortstermins am 7. Juli 2005 schlossen dann der Kläger und der Beklagte folgende
Vereinbarung ab:
1. Herr B*** duldet die Ausführung der im Bescheid vom 16. November 2004 festgelegten Maßnahmen.
Beginn mit den Vermessungsarbeiten am 18. Juli 2005. Maßnahmen sollen bis zur Brunftzeit
abgeschlossen sein (Ende September). Die Arbeiten werden sukzessive von zwei Zugängen zu dem
Gelände ausgeführt. Die Einzäunungen erfolgen durch den Kreis nacheinander.
2. Herr B*** erklärt Verzicht auf weiteres Rechtsmittel gegen die Duldungsverfügung.
3. Das Land verzichtet im Gegenzug auf die Gebühren des Widerspruchsverfahrens.
4. Mit Bescheid vom 30. Mai 2006 erließ der Beklagte dann gegenüber dem Beigeladenen eine
Änderungsanordnung. Mit dieser Änderungsanordnung wurde dem Beigeladenen aufgegeben, die
vorhandene Oberflächenabdeckung der Deponie so zu ergänzen und zu verstärken, dass
flächendeckend eine mindestens 50 cm mächtige Oberflächenabdeckung der Deponie vorhanden ist. Bei
homogenen Chargen wurde zum Nachweis der Schadstofffreiheit grundsätzlich ein
Untersuchungsumfang je angefangene 1000 mg festgesetzt. Die Zulassung von Ausnahmen könnten
beantragt werden, wenn es sich um homogenes Material aus nachweislich natürlich anstehenden
Bodenschichten handele, bei denen schädliche Kontaminationen aus anthropogenen Einflüssen nicht zu
erwarten seien.
Mit Duldungsverfügung vom 30. Mai 2006 gab der Beklagte dem Kläger auf, die Maßnahmen der
Anordnung vom 16. November 2004 in Gestalt des Änderungsbescheides zu dulden. Gleichzeitig erließ
der Beklagte gegenüber der Pächterin, Frau *** B***, mit Bescheid vom 30. Mai 2006 eine gleichlautende
Duldungsverfügung. Widerspruch und Klage gegen den vorgenannten Bescheid blieben erfolglos (VG
Trier, Urteil vom 20. Juni 2007 - 5 K 328/07.TR; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. November 2007
- 8 A 10842/07.OVG -).
Am 29. März 2006 beantragte der Kläger bei dem Landgericht Trier die Durchführung eines selbständigen
Beweissicherungsverfahrens betreffend die Auswirkungen der Deponie auf seinen landwirtschaftlichen
Betrieb. Am 23. Mai 2006 erließ das Landgericht einen entsprechenden Beweisbeschluss zum
Aktenzeichen 4 OH 9/06.
Unter dem 22. April 2008 legte der Sachverständige Dr. S*** sein Gutachten vor und gelangte u.a. zu dem
Ergebnis, eine Deponieoberfläche, die ackerbaulich genutzt werden solle, müsse über eine
Abdeckschicht mit kulturfähigem Bodenmaterial von mindestens 200 cm verfügen. Bei einer
Grünlandnutzung habe die Bodenauftragsschicht mindestens 150 cm zu betragen. Zusätzliche
Maßnahmen an der Grenze zwischen Müllkörper und Mineralbodenauflage wie beispielsweise die
Einlage eines Geotextils sowie einer Bedarfsdrainage seien zu treffen. Unter Zugrundelegung der
Erfahrungen zur Rekultivierung von bergbaulichen Altstandorten seien für eine landwirtschaftliche
Folgenutzung folgende Sanierungsmaßnahmen zu treffen:
"Mulchen der vorhandenen Grünlanddecke,
Planieren der vorhandenen Oberfläche zur Beseitigung von Mulden,
Abdecken der planierten Oberfläche mit einem Geotextil,
Auftrag einer ca. 20 m mächtigen Dichtungsschicht aus Ton,
Drainageverlegung mit zwei Sammlern über der Abdichtungsschicht, um eine Entlüftung von
Restgasmengen sicherzustellen und um eine Stauwasserbildung mit der Gefahr einer Pseudovergleyung
der darüber lagernden Bodenschicht zu verhindern,
Auftrag einer durchwurzelbaren Bodenschicht nach DIN 19731 von:
mindestens 150 cm für eine Grünland-Folgenutzung,
mindestens 200 cm für eine ackerbauliche Folgenutzung,
Tiefenlockerung der aufgetragenen Bodenschicht bis etwa 80 cm Tiefe quer zum Hanggefälle zur
Behebung von Bodenverdichtungen,
Oberbodenbearbeitung zur Herstellung eines Saatbettes und Einsaat einer Gründüngung bzw.
Zwischenfrucht oder von Dauergrünland als Erosionsschutzmaßnahme."
In einem Ergänzungsgutachten vom 28. Mai 2009 führte der Sachverständige S*** weiter aus, die
streitgegenständliche Deponieabdeckung erfülle hinsichtlich ihrer Mineralbodenmächtigkeit nicht die
Voraussetzungen für eine landwirtschaftliche Folgenutzung. Selbst für die im Planfeststellungsbeschluss
und im Rekultivierungsplan vorgesehene forstwirtschaftliche Folgenutzung auf der Deponie-Nordhälfte
reiche die vorhandene Mächtigkeit der Abdeckschicht nicht aus. Die im Planfeststellungsbeschluss
vorgesehene 50 cm mächtige Abdeckung mit Mineralboden werde großflächig nicht eingehalten und
stellenweise deutlich unterschritten.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2009 forderte der Kläger den Beklagten auf, gegenüber dem Beigeladenen als
Rechtsnachfolger des Deponiebetreibers die zur vollständigen Erfüllung des
Planfeststellungsbeschlusses der Bezirksregierung Trier mit der dort festgeschriebenen
landwirtschaftlichen Folgenutzung unter Berücksichtigung der Auflagen dieses
Planfeststellungsbeschlusses insbesondere Punkt 7 und Punkt 8 die erforderlichen Anordnungen zu
treffen. Er habe einen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Tätigwerden des Beklagten gegenüber dem
Beigeladenen zur Sicherstellung der Erfüllung des dem Deponiebetrieb zu Grunde liegenden
Planfeststellungsbeschlusses vom 20. März 1974 zur Sanierung der Deponieoberfläche für die
festgeschriebene Folgenutzung als landwirtschaftliche Nutzfläche.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2009 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erlass einer
fachbehördlichen Anordnung ab. Zur Begründung führte er aus, eine Auslegung der Ausführungen des
Klägers ergebe, dass er ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und eine nachfolgende Änderung bzw.
Ergänzung der am 16. November 2004 ergangenen Sanierungsanordnung anstrebe. Er sehe jedoch
keine Veranlassung, das bestandskräftig abgeschlossene Verfahren zum Erlass der
Sanierungsanordnung wieder aufzugreifen. Die gesetzlichen Voraussetzungen seien insoweit nicht
gegeben. Schon bei Erlass der Sanierungsanordnung sei bekannt gewesen, dass die Abdeckung der
Deponie nicht durchgängig eine Stärke von mindestens 0,50 m aufweise. Die ergänzenden Ausführungen
des Gutachters befassten sich lediglich mit einigen möglichen Ursachen für die Verminderung der
Deckschichten und schlössen diese aus.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen
aus, der Beigeladene müsse eine landwirtschaftliche Folgenutzung des ehemaligen Mülldeponiekörpers
ermöglichen. Der zu Grunde liegende bestandskräftige Planfeststellungsbeschluss sehe dies vor. Es
stehe nun fest, dass der Mülldeponiebetreiber nach Beendigung der Ablagerung zu keiner Zeit die zur
Ermöglichung der landwirtschaftlichen Folgenutzung erforderliche Abdeckung des Mülldeponiekörpers
hergestellt habe. Der Deponiekörper sei als landwirtschaftliche Nutzfläche zu keiner Zeit geeignet
gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2009 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers
zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, aus dem Planfeststellungsbeschluss der
Bezirksregierung Trier ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf eine Verstärkung der Bodenschicht.
Aus den Unterlagen des Planfeststellungsbeschlusses sei ersichtlich, dass eine Schichtstärke von 50 cm
vorgesehen sei. Die Deponie sei seinerzeit stillgelegt worden, so dass jetzt die bodenschutzrechtlichen
Bestimmungen Anwendung fänden. Das Verfahren zur Sanierung der Deponie D*** sei bestandskräftig
abgeschlossen. Der bestandskräftigen Sanierungsanordnung vom 16. November 2004 seien
umfangreiche Gespräche vorausgegangen, an denen auch der Kläger beteiligt gewesen sei. Die
Sanierung sei mit ihm abgestimmt worden. Der Zustand der Deponie habe sich im Übrigen in dem
entscheidungserheblichen Zeitraum nicht in einer Weise verändert, dass dies eine Neubewertung der
Deponie und der Sanierungsplanung erforderlich mache. Mit dem Gutachten von Herrn Dr. S*** seien
keine neuen Beweismittel vorgelegt worden. Die Feststellungen des Gutachters zur nicht durchgängig
vorhandenen Abdeckung der Deponie in einer Stärke von mindestens 50 cm stimmten mit den der
Sanierungsanordnung vom 16. November 2004 zu Grunde gelegten Erkenntnissen überein.
Nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides hat der Kläger Klage erhoben.
Er ist der Ansicht, der Beklagte müsse als Fachaufsichtsbehörde gegenüber dem Beigeladenen als
Rechtsnachfolger des Landkreises *** als Betreiber der ehemaligen Kreismülldeponie D*** auf der
Grundlage des Ergebnisses der auf Antrag des Klägers vom Landgericht Trier durchgeführten
gerichtlichen Beweisaufnahme im Verfahren des Landgerichts Trier zum Aktenzeichen 4 OH 9/06
einschreiten. Aus den Verwaltungsakten werde erkennbar, dass die Geeignetheit der Deponiefläche für
die landwirtschaftliche Nutzung und zwar nicht beschränkt auf zu keiner Zeit umbrechbares
"Dauergrünland" extensivster Nutzung vereinbart worden und Grundlage für Errichtung und Betrieb der
Deponie gewesen sei. Das Abfallgesetz sei nach wie vor anwendbar, es fehle an der notwendigen
förmlichen Abnahme nach Stilllegung der Deponie. Diese hätte bis heute nicht stattgefunden. Entgegen
der Behauptung des Beklagten fehle der erforderliche Nachweis der Erfüllung des
Planfeststellungsbeschlusses durch förmliche Abnahme der Deponie, wie dies nach dem Abfallgesetz
erforderlich sei. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Bodenschutzrechtes seien nicht gegeben.
Die Möglichkeit einer landwirtschaftlichen Folgenutzung sei nicht gegeben. Der Beklagte habe daher dem
Betreiber aufzugeben, die landwirtschaftliche Nutzung der Deponiefläche - sei es als Grünlandfläche oder
als Ackerfläche - sicherzustellen. Es stelle sich aufgrund der Ist-Situation der Deponie auch die Frage, ob
der Beklagte verpflichtet sei, dem Beigeladenen aufzugeben, die gesamte Deponie "auszuräumen" und
den deponierten Müll einer anderweitigen Entsorgung, nämlich einer umweltverträglichen Verbrennung
anstelle einer Deponierung zuzuführen. Gegenstand seines Begehrens sei die Ergänzung der Auflagen
des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses. Der Beigeladene müsse nun verpflichtet werden, die
notwendigen Rekultivierungsmaßnahmen zu treffen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 29. Juni 2009 und
des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2009 gegenüber dem Beigeladenen
fachaufsichtsbehördlich einzuschreiten und ihm aufzugeben, die nach dem Ergebnis des selbständigen
Beweisverfahrens des Landgerichts Trier zum Aktenzeichen 4 OH 9/06 durch Gutachten des gerichtlich
bestellten Sachverständigen Dr. S*** vom 22. April 2008 in der Fassung des Ergänzungsgutachtens vom
28. Mai 2009 notwendigen baulichen Maßnahmen zur Abdichtung und ordnungsgemäßen Abdeckung
des Deponiekörpers der ehemaligen Kreismülldeponie D***, Gemarkung D***, Flur 3, Flurstück Nr. 2, Flur
13, Flurstücke Nr. 9 und 11/1 sowie Flur 14, Flurstück Nr. 16 zur Sicherstellung der nach den Regelungen
der Errichtung und dem Betrieb der Kreismülldeponie zu Grunde liegenden bestandskräftigen
Planfeststellungsbeschlusses mit Renaturierungsplan vorgesehenen landwirtschaftlichen Folgenutzung
durchzuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagtenvertreter hat seinen Klageabweisungsantrag in der mündlichen Verhandlung ausführlich
begründet und bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
Er führt aus, es gebe keine Veranlassung dafür, das bestandskräftig abgeschlossene Verfahren zum
Erlass der Sanierungsanordnung vom 16. November 2004 wieder aufzugreifen. Es hätten sich keinerlei
Hinweise darauf ergeben, dass die Sach- und Rechtslage sich zu Gunsten des Klägers geändert hätte.
Das Gutachten des Sachverständigen Dr. S*** sei im Zuge einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung auf
Anordnung des Landgerichts Trier erstellt worden und könne nicht dazu dienen, die
Sanierungsanordnung des Beklagten in Frage zu stellen bzw. ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu
rechtfertigen. Er hätte die Sanierungsanordnung aus dem Jahre 2004 längst zum Abschluss gebracht,
wenn er nicht immer wieder durch den Kläger hieran gehindert worden wäre.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten
gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift, die zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemachten Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten sowie auf die ebenfalls
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Gerichtsakten des Landgerichts Trier zum
Aktenzeichen 4 OH 9/06 und des Verwaltungsgerichts Trier zum Aktenzeichen 5 K 328/07.TR Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 29. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des
Beklagten vom 30. September 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, denn
er hat keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Erlass zusätzlicher Sanierungsanordnungen.
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt allein § 51 Abs. 1
Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 1 Bundesbodenschutzgesetz - BodSchG - in
Betracht. Mit der Unanfechtbarkeit des Sanierungsbescheides vom 16. November 2004 ist für die
Beteiligten das Sanierungskonzept dem Grunde nach festgelegt worden (OVG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 14. November 2007 - 8 A 10842/07.OVG -). Das Gericht geht daher in Übereinstimmung
mit dem Beklagten zunächst davon aus, dass es sich bei dem Schreiben des Klägers vom 9. Juni 2009 um
einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens und um die Bitte nach einer Abänderung
des Sanierungskonzeptes handelt.
Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG liegen indessen
nach Überzeugung der Kammer nicht vor. Nach § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des
Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden,
wenn
1. sich die dem Verwaltungsakt zu Grunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zu Gunsten des
Betroffenen geändert hat;
2. neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben
würden;
3. Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung - ZPO - gegeben sind.
Im vorliegenden Fall hat sich die Sach- oder Rechtslage nicht nachträglich zu Gunsten des Klägers
verändert. Bereits bei Erlass des Sanierungsbescheides am 16. November 2004 war bekannt, dass die
Deponieoberfläche der ehemaligen Zentraldeponie D*** schadhaft ist und Setzungsrisse enthält. Auch ist
bekannt gewesen, dass die Abdeckungsschicht eine geringere Mächtigkeit als 0,5 m aufweist. Eine
Änderung der Sachlage ist nicht eingetreten - die Deponie wurde bisher noch nicht saniert. Auch die
Rechtslage hat sich nicht zu Gunsten des Klägers verändert. Der Beklagte hat in seinem
Sanierungskonzept vom 16. November 2004 das Gesetz zum Schutz vor schädlichen
Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten vom 17. März 1998 sowie die Bundes-
Bodenschutz- und Altlastenverordnung - BBodSchV - vom 12. Juli 1999 zur Anwendung gebracht. Es ist
nicht ersichtlich und wird auch von dem Kläger nicht vorgetragen, dass sich die insoweit maßgeblichen
Rechtsgrundlagen seit 2004 geändert hätten.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass mit dem Sachverständigengutachten des
Sachverständigen S*** ein neues Beweismittel vorliege, das eine für ihn günstigere Entscheidung
herbeigeführt haben würde. Neu im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind nur solche Beweismittel, die
während der Anhängigkeit des ersten Verwaltungsverfahrens noch nicht vorhanden waren, als auch
solche, die ohne Verschulden des Betroffenen nicht oder nicht rechtzeitig beigebracht werden konnten.
Beweismittel sind solche Erkenntnismittel, die die Überzeugung von der Existenz oder Nichtexistenz von
Tatsachen bekunden können. Sachverständigengutachten im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind nur
dann neue Beweismittel, wenn sie nach Abschluss des Verwaltungs(streit)verfahrens erstellt und neue,
seinerzeit nicht bekannte Tatsachen verwerten, wenn sie also selbst auf neuen Beweismitteln beruhen
(BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 - BVerwG 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86, 90). Anderenfalls müsste
jedes neue Sachverständigengutachten regelmäßig zum Wiederaufgreifen eines abgeschlossenen
Verwaltungsverfahrens führen, und es käme durch beliebig wiederholbares Vorliegen neuer
Sachverständigengutachten zur "ständigen Neuauflage des Verwaltungsverfahrens" (BVerwG, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass der
Sachverständige S*** neue Tatsachen verwertet hat, die im Jahre 2004 noch nicht bekannt waren. Zur
Begründung seines alternativen Sanierungskonzeptes beruft sich der Sachverständige auf Erfahrungen
zur Rekultivierung von bergbaulichen Altstandorten (Bl. 61 des Gutachtens). Dass es sich hierbei um neue
Erkenntnisse handelt, ist nicht anzunehmen. Zur Begründung seiner Empfehlung einer mächtigeren
Abdeckschicht stützt sich der Sachverständige ferner auf eine Reihe von technischen Richtlinien und
Empfehlungen (Bl. 34 des Gutachtens). Ausweislich des Quellenverzeichnisses des Gutachtens (Bl. 10
des Gutachtens) handelt es sich hierbei um eine Abhandlung aus dem Bundesgesundheitsblatt aus dem
Jahre 1969, ein Mitteilungsblatt der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall aus dem Jahre 1979 sowie eine
Vollzugshilfe der Länderarbeitsgemeinschaft Boden aus dem Jahre 2002. Es handelt sich somit um
Empfehlungen sachverständiger Stellen, die bereits zum Zeitpunkt des bestandskräftigen
Sanierungskonzeptes im Jahre 2004 bekannt waren. Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass
die vorgenannten Richtlinien teilweise auch eine Abdeckschicht mit einer Mächtigkeit von 50 cm erlauben.
So legt die Länderarbeitsgemeinschaft Bodenschutz die Regelmächtigkeit für eine spätere
landwirtschaftliche Ackernutzung von 50 - 200 cm und für eine Grünlandnutzung von 50 - 150 cm fest,
wobei letztere Werte für gut durchwurzelte Substrate gelten sollen (Bl. 34 des Gutachtens). Nach alledem
handelt es sich bei dem Sachverständigengutachten von S*** um eine abweichende fachliche Bewertung,
die nicht auf neuen Tatsachen gründet. Das Gutachten kann daher nicht als neues Beweismittel im Sinne
von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG gelten. Wiederaufnahmegründe nach Maßgabe von § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG
liegen ebenfalls nicht vor, sodass der Beklagte eine Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens und
eine Neubewertung seines Sanierungskonzeptes zu Recht abgelehnt hat.
Unabhängig davon hat der Kläger nach Überzeugung der Kammer keinen Anspruch auf Anordnung eines
alternativen Sanierungskonzeptes gegenüber dem Beigeladenen. Als Rechtsgrundlage für den Erlass
eines abweichenden Sanierungskonzeptes kommen allein §§ 10 Abs. 1, 15 Abs. 2 BBodSchG in Betracht.
Entgegen der Auffassung des Klägers finden die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes
- KrW-/AbfG - auf die Sanierung der ehemaligen Zentraldeponie D*** keine Anwendung. § 36 Abs. 2 S. 2
KrW-/AbfG bestimmt, dass für die Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung die Vorschriften
des Bundesbodenschutzgesetzes Anwendung finden, wenn der Verdacht besteht, dass von einer
stillgelegten Deponie nach Absatz 1 schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den
Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei
der Zentraldeponie D*** um eine stillgelegte Deponie. Stillgelegte Deponien im Sinne des § 36 Abs. 2 S.
1, Abs. 1 KrW-/AbfG sind Deponien, auf denen dauerhaft und nicht nur vorübergehend keine Abfälle mehr
abgelagert werden (Beckmann/Hagmann, ZUR 2005, S.13). Es ist ausreichend, wenn die Deponie
faktisch stillgelegt worden ist (Bayerischer VGH, Urteil vom 5. April 2006 - 23 BV 05.1433 -, JURIS). Im
vorliegenden Fall ist die Deponie D*** im November 1984 geschlossen worden. Mit einer
Wiederaufnahme ist in keinem Fall zu rechnen, da die Deponie nicht mehr dem heutigen Stand der
Technik entspricht. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass es sich um eine stillgelegte Deponie
handelt. Damit finden aber für die vorliegenden Fragen der Sanierung die Vorschriften des
Bundesbodenschutzgesetzes Anwendung.
Den Anspruch eines Dritten auf Anordnung eines bestimmten Sanierungskonzeptes kennt das
Bodenschutzrecht nicht. Der Erlass bestimmter Sanierungsanordnungen steht vielmehr nach Maßgabe
von § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG im Ermessen der zuständigen Behörde. Mangels Spruchreife vermag der
Antrag des Klägers somit keinesfalls zum Erfolg zu führen.
Der Beklagte hat im Übrigen in seinem Widerspruchsbescheid vom 30. September 2009 ausgeführt, bei
der Ausübung des der Behörde eingeräumten Ermessens ergebe die Interessenabwägung der
Beteiligten, dass das Interesse an der durch die eingetretene Bestandskraft bewirkte Rechtssicherheit
höher wiege als das Interesse des Klägers auf eine erneute Entscheidung in dieser Sache. Nachdem die
Sanierungsanordnung auch bereits einer gerichtlichen Überprüfung unterlegen habe, sei das Interesse
der Allgemeinheit, dass die Sanierung nunmehr durchgeführt werde sowie das Interesse des Landkreises
Vulkaneifel, die Sanierung auf dieser geprüften Planungsgrundlage auszuführen und dazu die
notwendigen Maßnahmen u.a. auch organisatorischer Art ergreifen zu können, als vorrangig zu bewerten.
Nach Überzeugung der Kammer sind die vorgenannten Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
Auch ist in diesem Zusammenhang zu sehen, dass die Sanierung des Geländes in den Jahren 2003 und
2004 im Einzelnen mit dem Kläger abgestimmt worden ist, wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen
Verhandlung näher erläutert hat. Insbesondere ist der Gutachter seinerzeit nach den Vorgaben des
Klägers ausgewählt worden. Das bestandskräftige Sanierungskonzept setzt folgerichtig die Vorgaben um,
die aus dem Gutachten von Prof. R*** resultieren. Nach alledem ist die Entscheidung des Beklagten,
zunächst das bestandskräftige Sanierungskonzept umzusetzen, nicht zu beanstanden.
Unabhängig davon sieht sich das Gericht zu dem Hinweis veranlasst, dass der Kläger auch aus
abfallrechtlichen Bestimmungen keinen Anspruch auf eine bestimmte Sanierungsanordnung herleiten
könnte, soweit man die Bestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes neben den
Bestimmungen des Bundesbodenschutzgesetzes für Fragen der Rekultivierung für anwendbar hielte (vgl.
hierzu Beckmann/Hagmann a.a.O., S. 15; Appel, in: Giesberts/Reinhardt, Umweltrecht, Beck'scher
Onlinekommentar, § 36 KrW-/AbfG, Rdnr. 13). Das Abfallrecht kennt keinen Anspruch eines Dritten auf
Durchführung bestimmter Rekultivierungsmaßnahmen. Zwar hat die zuständige Behörde den Inhaber
einer Deponie zu verpflichten, auf seine Kosten das Gelände, das für eine Deponie verwandt worden ist,
zu rekultivieren (§ 36 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Rekultivierung
einer stillgelegten Deponie in erster Linie dem Natur- und Landschaftsschutz dient und zwar zumeist und
vor allem dem Ausgleich eines mit der Errichtung und dem Betrieb der Deponie in aller Regel
verbundenen erheblichen Eingriffs in das Landschaftsbild (Beckmann/Hagmann ZUR 2005, S. 12).
Bestimmte Anordnungen zur Rekultivierung können daher von Einzelnen nicht verlangt werden, da sie
nur dem Schutz der Allgemeinheit dienen (Appel, a.a.O., Rdnr. 27). Die Vorschrift des § 36 Abs. 2 S. 1 Nr.
1 KrW-/AbfG ist somit nicht drittschützend.
Dieselben Erwägungen gelten auch, soweit der Kläger Rechte aus dem Planfeststellungsbeschluss der
Bezirksregierung Trier vom 20. März 1974 i.V.m. dem Rekultivierungsplan herleiten will. Die Maßgaben
zur Rekultivierung im Planfeststellungsbeschluss verleihen dem Kläger keine Rechte, zumal dieser erst im
Jahre 1981 Eigentümer der umstrittenen Deponieflächen geworden ist.
Der Kläger hat somit unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten einen Anspruch auf zusätzliche
Sanierungs- oder Rekultivierungsanordnungen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit, die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen, da der Beigeladene in der
mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt hat und sich somit nicht am Kostenrisiko beteiligt hat (§
162 Abs. 3 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 2.2.2
des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde
angefochten werden.