Urteil des VG Trier vom 10.01.2008

VG Trier: aufschiebende wirkung, vorläufiger rechtsschutz, abschiebung, armenien, bundesamt, ärztliche behandlung, gefahr, androhung, versorgung, verfügung

Asylrecht
Aufenthaltsrecht
Ausländerrecht
Flüchtlingsrecht
VG
Trier
10.01.2008
1 L 1092/07.TR
In der Abschiebungsandrohung ist nach § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch der Staat zu bezeichnen, in
den der Ausländer gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht abgeschoben werden soll.
Vorläufiger Rechtsschutz ist insoweit durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5
VwGO zu gewähren.
Verwaltungsgericht Trier
1 L 1092/07.TR
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Flüchtlingsrechts (Armenien)
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier am 10. Januar 2008 durch den Richter am
Verwaltungsgericht *** als Einzelrichter beschlossen:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2007
wird insoweit angeordnet, als die Abschiebungsandrohung nicht dahingehend eingeschränkt ist, dass von
einer Abschiebung nach Armenien abgesehen werden soll.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Gründe:
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.
Dezember 2007 enthaltene Aufforderung, das Bundesgebietes binnen einer Frist von einer Woche nach
Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, und die für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise
angedrohte Abschiebung nach Armenien oder in einen anderen Staat, in den der Antragsteller einreisen
darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, anzuordnen, ist zulässig und hat teilweise Erfolg.
Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, denn der Klage gegen die auf §§ 34 und 36 des
Asylverfahrensgesetzes in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 - AsylVfG - (BGBl.
I. S. 1950, 1989 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2007 (BGBl. I. S. 1566 ff.), gestützte
Verfügung kommt kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu. Der Antrag ist auch im Übrigen
zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG zu beachtenden
Wochenfrist gestellt.
Der Antrag hat jedoch in der Sache nur zum Teil Erfolg. Gemäß § 34 AsylVfG erlässt das Bundesamt die
Abschiebungsandrohung nach den §§ 59 und 60 des Aufenthaltsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I. S.
1950), wenn der Asyl beantragende Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt, ihm die
Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird und er keinen Aufenthaltstitel besitzt, wobei bei offensichtlich
unbegründeten Asylanträgen die zu setzende Ausreisefrist eine Woche beträgt. Gemäß Art. 16 a Abs. 4
des Grundgesetzes - GG - in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juni 1993 (BGBl. I S. 1002) in
Verbindung mit § 36 Abs. 4 AsylVfG darf in Fällen der vorliegenden Art eine Aussetzung der Abschiebung
nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen
Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Bestimmungen liegen vor, wenn
erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme einer rechtlichen Prüfung
wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, NVwZ 1996 S.
678/679), wenn also der Erfolg einer Klage gegen sie zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie deren
Misserfolg (vgl. hierzu bereits BVerwG, Beschluss vom 03. Juli 1981 - 8 C 83/81 -).
Es bestehen zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der
Antragsgegnerin hinsichtlich der Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als offensichtlich
unbegründet. Insoweit wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die Begründung des angefochtenen
Bescheides Bezug genommen. Weder bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt noch im Rahmen des
vorliegenden Verfahrens lässt das Vorbringen des Antragstellers erkennen, dass er sein Heimatland aus
begründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung verlassen hat bzw. solche Maßnahmen im Falle seiner
Rückkehr zu befürchten hätte. Anhaltspunkte für eine solche Annahme ergeben sich insbesondere nicht
aus dem jüngsten Berichts des auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Republik Armenien vom 20. März 2007. Darin wird insbesondere ausgeführt, dass Fälle, in denen
Rückkehrer festgenommen oder misshandelt worden seien, nicht bekannt seien.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen jedoch insoweit, als die
Antragsgegnerin in ihrem Bescheid aufgrund § 59 Abs. 2 AufenthG Armenien ohne Einschränkungen als
Zielstaat der angedrohten Abschiebung bezeichnet hat, da durchaus gewichtige Anhaltspunkte für die
Annahme bestehen, dass eines der in § 60 AufenthG normierten Abschiebungsverbote vorliegt. Allerdings
liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG offensichtlich nicht vor. Auch
dies hat das Bundesamt in seinem Bescheid mit zutreffender Begründung, auf die das Gericht Bezug
nimmt, ausgeführt.
Es sprechen jedoch gewichtige Gründe für das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7
Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift soll ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in
dem für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, wobei die Gefahr, dass
sich eine Erkrankung des Ausländers auf Grund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in
der Regel als individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustufen ist (vgl. BVerwG,
Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18/05 -, NVwZ 2007, S. 712 ff.). Ob eine erhebliche konkrete Gefahr
besteht, muss anhand des gleichen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs wie im Asylrecht, nämlich demjenigen
der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit", beurteilt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 -
BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, S. 324/ 330). Insoweit ist eine umfassende Bewertung der gesamten
Gefährdungslage im Einzelfall vorzunehmen, ohne dabei in eine "mathematische" oder "statistische"
Betrachtungsweise zu verfallen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2003 - 1 B 273/02 -, Buchholz
402.240 § 53 AuslG Nr. 68). Eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7
AufenthG kann sich im Einzelfall auch daraus ergeben, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im
Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich nicht erlangen kann. Dies kann zum einen der
Fall sein, wenn im Herkunftsstaat des Ausländers eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation
für die betreffende Krankheit wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist.
Zum anderen kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis darüber hinaus trotz an sich
verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat
ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht
erlangen kann, z.B. wenn eine notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung
steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht
zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1/02 -, DVBl 2003, S. 463).
Nach den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen leidet er - wovon auch die Antragsgegnerin ausgeht -
an dem sogenannten Mittelmeerfieber, also einer Erkrankung, die bei unzureichender Behandlung
durchaus ernsthafte Folgen haben kann (vgl. z. B.
http://www.medicoconsult.de/wiki/Famili%C3%A4res_Mittelmeerfieber). Welches Ausmaß die Erkrankung
beim Antragsteller hat, ob in absehbarer Zeit mit schwerwiegenden Folgen zu rechnen ist und welche
Therapie in seinem Fall zur Vermeidung solcher Folgen erforderlich ist, ist vom Bundesamt nicht
hinreichend aufgeklärt worden und lässt sich aufgrund der derzeit vorhandenen Erkenntnisse nicht
hinreichend zuverlässig beurteilen. Der Antragsteller befand sich ausweislich der von ihm vorgelegten
Unterlagen vom ***. bis zum *** in stationärer Behandlung. Zwar wurde bei der Entlassung lediglich die
Einnahme von Colchicum dispert, Ibuprofen und Avalox bis einschließlich *** verordnet, daraus kann
jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit geschlossen werden, dass diese Medikamente ausreichen,
um den Antragsteller vor schwerwiegenden Folgen seiner Erkrankung zu schützen. Immerhin heißt es in
dem betreffenden Schreiben der Klinik vom *** ausdrücklich, der Antragsteller solle bei Fieber oder
anderen Komplikationen anrufen und sich zum nächstmöglichern Zeitpunkt bei seinem behandelnden
Arzt melden. Da die unzureichende Sachaufklärung durch das Bundesamt nicht zu Lasten des
Antragstellers gehen kann, ist für die vorliegende Entscheidung davon auszugehen, dass ihm im Falle
einer unzureichenden ärztlichen Behandlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erhebliche
Gesundheitsgefahren drohen.
Ohne weitere, im vorliegenden Verfahren jedoch nicht zu leistende Sachverhaltsaufklärung kann auch
nicht davon ausgegangen werden, dass die für den Antragsteller erforderliche ärztliche Versorgung im
Falle seiner Rückkehr nach Armenien sichergestellt wäre. Zwar haben der Antragsteller bzw. seine Mutter
gegenüber dem Bundesamt angegeben, dass der Antragsteller in Armenien ärztlich behandelt wurde, und
zwar insbesondere mit Colchizin. Allein daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass der Antragsteller
in Armenien Zugang zu der zur Vermeidung möglicher alsbaldiger schwerwiegender
Gesundheitsschäden erforderlichen medizinischen Versorgung hätte.
Das Bundesamt stützt seine Auffassung, dass die Krankheit des Antragstellers in Armenien behandelt
werden könne und die Behandlung nach Registrierung und Antragstellung an das Sozial- und
Gesundheitsministerium kostenfrei sei, lediglich auf zwei Berichte der Deutschen Botschaft vom 10. März
und 10. April 2003 (letztere veröffentlicht in juris). Wie jedoch aus dem Botschaftsbericht vom 10. April
2003 und dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (vgl. o.) hervorgeht, werden die Einzelheiten der
kostenlosen medizinischen Behandlung jedes Jahr per Gesetz festgelegt, so dass ohne weitere
Sachverhaltsaufklärung nicht beurteilt werden kann, ob und in welchem Umfang der Antragsteller derzeit
bzw. in naher Zukunft eine kostenlose Behandlung in Anspruch nehmen könnte.
Darüber heißt es in dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes auch, dass zwar die medizinische
Versorgung im Staatshaushalt für Mittel vorhanden seien, die auch kontinuierlich aufgestockt würden,
dass die Beträge, die den Kliniken zur Verfügung gestellt würden, jedoch gleichwohl nicht ausreichten, so
dass sie gezwungen seien, von den Patienten Geld zu nehmen. Somit kann nicht ausgeschlossen
werden, dass der Antragsteller die für ihn erforderliche medizinische Behandlung nur gegen Bezahlung
erlangen kann.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller in der Lage wäre, die für eine
Behandlung gegebenenfalls erforderlichen finanziellen Mittel aufzubringen. Gegenüber dem Bundesamt
hat er insoweit angegeben, dass er und seine Mutter erhebliche Schulden gemacht hätten, um seine
Behandlung bezahlen zu können und zu überleben. Er habe das Haus verkauft, seine Schulden bezahlt,
und von dem Rest seien sie nach Deutschland gekommen. Diese Angaben können im vorliegenden
Verfahren nicht widerlegt werden, so dass davon auszugehen ist, dass der Antragsteller im Falle seiner
Rückkehr nach Armenien nicht auf Vermögenswerte zurückgreifen könnte, um erforderliche
Behandlungskosten zu tragen. Ob er in der Lage wäre, die möglicherweise anfallenden Kosten durch
eigene Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit zu decken, kann ebenfalls nicht hinreichend sicher
bejaht werden, da er und seine Mutter nach den von ihnen gemachten Angaben als Händler bzw. Näherin
tätig waren und sich dennoch zur Finanzierung der Behandlung des Antragstellers verschuldet hatten.
Da das Bundesamt es unterlassen hat, in dem erforderlichen Umfang aufzuklären, ob der Antragsteller bei
seiner Rückkehr nach Armenien eine erforderliche medizinische Behandlung erhalten könnte, geht auch
die insoweit bestehende Unsicherheit der Prognose zu Lasten der Antragstellerin, so dass für die
vorliegende Entscheidung davon auszugehen ist, dass dem Antragsteller bei seiner Abschiebung nach
Armenien möglicherweise eine konkrete erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands droht,
so dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen würde (zum Umfang der
Sachaufklärung vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2006 - 1 B 118/05 -, NVwZ 2007, 345).
Ein solches Abschiebungsverbot würde sich auch auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung
auswirken. Nach § 59 Abs. 3 AufenthG steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten dem Erlass der
Androhung zwar nicht entgegen (Satz 1), jedoch ist in der Androhung der Staat zu bezeichnen, in den der
Ausländer nicht abgeschoben werden darf (Satz 2). Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines
Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt (Satz 3).
Diese Regelung nimmt umfassend auf § 60 AufenthG Bezug und umfasst somit auch § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG. Die Regelung weicht somit von der Vorgängerregelung des § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG ab,
wonach in der Androhung ist der Staat zu bezeichnen war, in den der Ausländer nach den §§ 51 und 53
Abs. 1 bis 4 nicht abgeschoben werden durfte, so dass nach dieser Regelung davon auszugehen war,
dass die Bejahung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, der Vorgängerregelung des § 60
Abs. 7 Satz 1 AuslG, nicht dazu führte, dass eine Abschiebung in den betreffenden Staat in der
Abschiebungsandrohung auszuschließen war.
Dem entspricht es auch, dass nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG die Abschiebung beim Vorliegen der
Voraussetzungen dieser Vorschrift in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt war. Wenn
demgegenüber nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG von der Abschiebung in diesen Fällen abgesehen werden
soll, so wird die Abschiebung nur noch in Ausnahmefällen in das Ermessen der Ausländerbehörde
gestellt und für den Regelfall ein Abschiebungsverbot ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund erscheint
es konsequent, § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG so zu verstehen, dass auch die Staaten in der
Abschiebungsandrohung zu benennen sind, in die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG eine Abschiebung
nicht erfolgen soll.
Dies steht auch im Einklang mit der vom Gesetzgeber offenkundig verfolgten Absicht, die
Entscheidungsbefugnis über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im
Rahmen von Asylverfahren allein in die Zuständigkeit des Bundesamtes zu verlagern. So sah der durch
das Zuwanderungsgesetz aufgehobene § 41 AsylVfG in seiner bis zum 31. Dezember 2004 geltenden
Fassung (im Folgenden: a. F.) noch vor, dass die Abschiebung in den betreffenden Staat für die Dauer von
drei Monaten ausgesetzt war, die Ausländerbehörde die Aussetzung der Abschiebung widerrufen konnte
und über die Erteilung einer Duldung nach Ablauf von drei Monaten zu entscheiden hatte. Nach § 42
AsylVfG ist die Ausländerbehörde nunmehr an die Entscheidung des Bundesamtes oder des
Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gebunden
(Satz 1) und entscheidet lediglich über den späteren Eintritt und Wegfall der Voraussetzungen des § 60
Abs. 4 AufenthG, ohne daß es einer Aufhebung der Entscheidung des Bundesamtes bedarf.
Das dargelegte Verständnis des § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erweist sich auch im Hinblick auf die
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als sachgerecht. Wenn der Staat, in den nach § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG nicht abgeschoben werden soll, in der Abschiebungsandrohung zu benennen ist, so ist die
Abschiebungsandrohung, die hiergegen verstößt, insoweit rechtswidrig. Dies führt dazu, dass vorläufiger
Rechtsschutz auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu
gewähren ist (im Ergebnis ebenso: VG Ansbach, Beschluss vom 30. August 2007 - AN 9 S 07.30546 -,
GK-AsylVfG, § 36 AsylVfG, Rn. 20.1; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 Rn. 240). Dies trägt insbesondere
im Hinblick auf die Regelung des § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG, wonach die Abschiebung bei rechtzeitiger
Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig ist, dem Interesse des Asylbewerbers an
einem effektiven Rechtsschutz erheblich besser Rechnung als der vorläufige Rechtsschutz im Wege einer
einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO vor dem Hintergrund der vormaligen gesetzlichen
Regelungen (vgl. hierzu GK-AsylVfG, § 36 AsylVfG, Rn. 20). Sie führt auch zu einer schnelleren
Rechtsklarheit, da alle Beteiligten einschließlich der Ausländerbehörde frühzeitig Klarheit darüber
erhalten, ob bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache eine Abschiebung ohne die
Einschränkungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG erfolgen darf. Sie tangiert auch nicht die nach wie vor der
Ausländerbehörde zustehende (eingeschränkte) Ermessensentscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom
21. Dezember 2005 - 1 B 9/05 -) ob trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1
AuslG ausnahmsweise doch eine Abschiebung erfolgen soll.
Die Berücksichtigung des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entspricht schließlich
auch der Auffassung des Gesetzgebers, die § 41 Abs. 1 AsylVfG a. F. zugrunde lag. Wenn es dort in Satz 2
heißt, dass die dreimonatige Aussetzungsfrist im Falle eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO oder der
Klageerhebung mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung beginnt, so zeigt dies,
dass es der Vorstellung des Gesetzgebers entsprochen hätte, bereits im Hinblick auf § 53 Abs. 6 Satz 1
dass es der Vorstellung des Gesetzgebers entsprochen hätte, bereits im Hinblick auf § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG vorläufigen Rechtsschutz auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren. Dies spricht
ebenfalls für die Annahme, dass die oben dargelegten Änderungen der gesetzlichen Regelungen auch
dazu dienen sollen, vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen des §
60 Abs. 7 Satz 1 VwGO nunmehr auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG
nicht erhoben.
Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.