Urteil des VG Trier vom 04.12.2008

VG Trier: verwaltungsverfahren, kläranlage, anwendungsbereich, zugang, wartung, auskunftsrecht, akteneinsichtsrecht, verfügung, anspruchskonkurrenz, erlass

Umweltinformationsrecht
Umweltrecht
VG
Trier
04.12.2008
5 L 757/08.TR
1. Der Auskunftsanspruch nach § 3 Abs. 1 LUIG kann in einem laufenden Verwaltungsverfahren im Wege
der Anspruchskonkurrenz neben dem Anspruch aus § 29 VwVfG geltend gemacht werden.
2. Das es sich bei dem Auskunftsrecht nach § 3 Abs. 1 LUIG um einmaterielles und
verfahrensunabhängiges Aufkunftsrecht handelt, ist der Anwendungsbereich des § 44a VwGO nicht
eröffnet.
Verwaltungsgericht Trier
5 L 757/08.TR
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Umweltinformation
hier: Antrag nach § 123 VwGO
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der Beratung vom 4. Dezember 2008, an der
teilgenommen haben
beschlossen:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag die Gewährung von Akteneinsicht im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes.
Der Antragsteller ist Einwohner von N. Er ist dort in einem Haus wohnhaft, welches an eine
Abwasserbeseitigungs-, eine Oberflächenwasserentsorgungs- sowie eine Frischwasseranlage
angeschlossen ist. Die Antragsgegnerin betreibt diese Anlagen.
Mit Bescheiden vom 21. November 2007 wurde der Antragsteller durch die Antragsgegnerin zur Zahlung
von Einmalbeträgen für die Herstellung von Abwassersammelleitungen und Wasserversorgungsleitungen
in der Ortsgemeinde N. herangezogen. Gegen diese Bescheide legte er Widerspruch ein. Das Verfahren
ist derzeit beim Kreisrechtsausschuss des Landkreises Bernkastel-Wittlich anhängig.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter Berufung auf
den Umweltinformationsanspruch ihm Akteneinsicht in alle Unterlagen zu gewähren, welche die Planung,
den Bau, Betrieb und die Wartung der Abwasserbeseitigungs-, der Oberflächenwasserentsorgungs- und
der Frischwasseranlage in N. betreffen. Insbesondere forderte er all diejenigen Unterlagen an, welche die
Abwasserbehandlung seit 1994 dokumentierten.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2008 erklärte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller, dass aufgrund
des eingelegten Widerspruchs gegen die ergangenen Bescheide ein laufendes Verfahren gegeben sei,
so dass die einschlägigen Vorschriften der Abgabenordnung, des Verwaltungsverfahrensgesetzes und
gegebenenfalls der Verwaltungsgerichtsordnung dem Landesumweltinformationsgesetz (LUIG) vorgehen
würden. Dem Antragsteller stünde daher kein Akteneinsichtsrecht nach dem LUIG zu. Die
Antragsgegnerin erklärte sich jedoch bereit, dem Antragsteller - gegen eine Kostenübernahme - die
wasserrechtlichen Antragsunterlagen und Erlaubnisbescheide, die Bemessungsgrundlagen für die
Kanalisation, die Versickerungsmulden, das Rückhaltebecken sowie die Kläranlage Scheidweiler
zuzustellen. Ferner könnten auch Untersuchungsergebnisse aus der Überprüfung der Abflusswerte der
Kläranlage Scheidweiler durch die SGD Nord sowie die chemischen und bakteriologischen
Untersuchungen des Trinkwassers aus dem Ortsnetz N. in Kopie zur Verfügung gestellt werden.
Mit Schreiben vom 17. August 2008 erklärte der Antragsteller, er müsse feststellen, dass die
Antragsgegnerin nicht gewillt sei, ihm alle geforderten Informationen zur Einsicht zur Verfügung zustellen.
Er bat daher nochmals ausdrücklich, ihm nach Aufschlüsselung der Kosten Einsicht in die geforderten
Unterlagen zu gewähren.
Am 10. Oktober 2008 wandte sich der Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz aufgrund einer
Eingabe des Antragstellers an den Bürgermeister der Antragsgegnerin mit der Bitte, die Angelegenheit zu
prüfen und zum Anliegen des Antragstellers Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2008
erklärte der Bürgermeister der Antragsgegnerin, der Antragsteller könne selbstverständlich Akteneinsicht
in die Unterlagen bezüglich der Erhebung von Einmalbeiträgen für die Wasserversorgung und
Abwasserbeseitigung nehmen. Soweit der Petent darüber hinaus Einsicht in weitere Unterlagen nach
dem LUIG wünsche, könne dies nach vorheriger Absprache im Hause der Antragsgegnerin erfolgen. Er
müsse dann jedoch die Kostenübernahme für den dadurch entstehenden Aufwand erklären.
Am 10. November 2008 hat der Antragssteller den vorliegenden Antrag gestellt.
Zur Begründung trägt er vor, der vorliegende Antrag sei notwendig, da sein Antrag vom 11. Juli 2008
teilweise abgelehnt worden sei. Die Zusage zu Informationen sei bislang nicht ausgeführt und die
entstehenden Kosten nicht angegeben worden.
Der Antragssteller beantragt sinngemäß,
ihm im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 I VwGO Akteneinsicht in Unterlagen zu
gewähren, die die Planung, den Bau, Betrieb und die Wartung der Abwasserbeseitigungs-, der
Oberflächenwasserentsorgungs- und der Frischwasseranlage in N. betreffen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag des Antragstellers sei bereits nicht notwendig, da dessen Antrag
vom 11. Juli 2008 nicht abgelehnt worden sei. Vielmehr sei dem Antragsteller bereits mit Schreiben vom
28. Juli 2008 die Möglichkeit der Akteneinsicht gewährt worden. Er jedoch habe bis zum heutigen Tage
davon keinen Gebrauch gemacht und sich weder zwecks Terminabsprache zur Akteneinsicht noch zu
einem Erörterungsgespräch gemeldet.
II.
Der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 I
S. 2 VwGO zu verpflichten, ihm Akteneinsicht in die im Schriftsatz vom 10. November 2008 näher
bezeichneten Akten zu gewähren, ist bereits unzulässig. Zwar ist der Antrag statthaft (1.) und der
Antragsteller verfügt auch über die notwendige Antragsbefugnis (2.). Doch fehlt diesem das
Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag (3.), da sich die Antragsgegnerin bereits ausdrücklich
bereit erklärt hat, ihm Einsicht in die geforderten Unterlagen zu gewähren.
1. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO ist statthaft,
da der Antragsteller die Gewährung einer Begünstigung in Gestalt der Einsicht in Akten begehrt. Der
Antrag ist damit auf die Erweiterung seines Rechtskreises gerichtet, so dass es um den Erlass einer
Regelungsanordnung im Sinne des § 123 I S. 2 VwGO geht.
2. Der Antragsteller ist auch antragsbefugt, da ein seinem Begehren entsprechender
Anordnungsanspruch möglicherweise besteht. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann sich
ein solcher Anspruch hier aus § 3 I S. 1 LUIG ergeben, wonach jede Person einen Anspruch auf freien
Zugang zu Umweltinformationen hat, ohne ein rechtliches oder berechtigtes Interesse darlegen zu
müssen. Zwar bleiben gemäß § 3 I S. 2 LUIG andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen daneben
unberührt. Doch ist ein Anspruch auf Akteneinsicht nach § 1 I IFG hier zumindest ausgeschlossen, da
gemäß § 1 III IFG Regelungen in anderen Rechtsvorschriften und damit auch der Anspruch aus § 3 I LUIG
dem Anspruch aus § 1 I IFG vorgehen. Der Anspruch aus § 3 I LUIG muss aber auch nicht gegenüber dem
Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG zurücktreten. Die Ansicht der Antragsgegnerin, die Vorschriften des
LUIG seien aufgrund des hier vorliegenden laufenden Verwaltungsverfahrens subsidiär, sind nicht
zutreffend. Zwar ist insoweit richtig, dass der Anwendungsbereich des Akteneinsichtsrechts nach § 29
VwVfG hier auch eröffnet wäre, da ein laufendes Verfahren zwischen den an diesem Verfahren Beteiligten
gegeben ist. Doch ist insoweit anerkannt, dass § 3 I LUIG auch in einem laufenden Verwaltungsverfahren
im Wege der Anspruchskonkurrenz neben dem Anspruch aus § 29 VwVfG geltend gemacht werden kann.
Hierfür spricht insbesondere die Tatsache, dass in der geltenden Umweltinformationsrichtlinie, auf welche
auch das LUIG zurückzuführen ist, eine generelle Ausnahme vom Anwendungsbereich des
Umweltinformationsrechts für laufende Verwaltungsverfahren nicht vorgesehen ist. Könnten während des
Verwaltungsverfahrens Akteneinsichtsrechte nur nach dem Verwaltungsverfahrensrecht, nach Abschluss
dessen aber auch nach dem LUIG Anwendung finden, stünde dies mit dem Gedanken der
grundsätzlichen Öffentlichkeit von Umweltinformationen letztlich in Widerspruch. Darüber hinaus ist auch
zu berücksichtigen, dass das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen als materielles und
verfahrensunabhängiges Akteneinsichtsrecht auf einer anderen Ebene als derjenigen der konkreten
sachlichen Tätigkeit der Behörde im Rahmen von Verwaltungsverfahren liegt, so dass ein Zurücktreten
des Akteneinsichtsrechts aus § 3 LUIG im laufenden Verwaltungsverfahren nicht gerechtfertigt wäre (vgl.
Näckel/Wasielewski, Das neue Recht auf Zugang zu Umweltinformationen, in: DVBl 2005, 1351, 1357 f.).
3. Dem Antragsteller fehlt jedoch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag.
Zwar scheidet dieses hier nicht schon aufgrund von § 44a VwGO aus, wonach Rechtsbehelfe gegen
behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen
Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Da es sich bei dem Auskunftsrecht nach § 3 I LUIG um
ein materielles und verfahrensunabhängiges Auskunftsrecht handelt, ist der Anwendungsbereich des §
44a VwGO nicht eröffnet. Der Antragsteller wäre damit grundsätzlich befugt, den
Umweltinformationsanspruch nach § 3 LUIG selbständig gerichtlich durchzusetzen (vgl. Guckelberger,
Das Recht zur Durchsetzung des Umweltinformationsanspruchs, in: UPR 2006, 89, 95).
Doch bedarf es eines solchen Antrags hier gar nicht, da sich die Antragsgegnerin bereits vor Stellung des
Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bereit erklärt, dem Antragsteller Einsicht in die geforderten
Unterlagen zu gewähren.
Nicht zutreffend ist in diesem Zusammenhang jedoch die Auffassung der Antragsgegnerin, dem
Antragsteller sei bereits mit Schreiben vom 28. Juli 2008 die geforderte Akteneinsicht gewährt worden. In
diesem Schreiben erklärte sich die Antragsgegnerin nämlich nur bereit, dem Antragsteller die
wasserrechtlichen Antragsunterlagen und Erlaubnisbescheide, die Bemessungsgrundlagen für die
Kanalisation, Versickerungsmulden, das Rückhaltebecken sowie die Kläranlage Scheidweiler zuzustellen
sowie die Untersuchungsergebnisse aus der Überprüfung der Abflusswerte der Kläranlage Scheidweiler
durch die SGD Nord sowie die chemischen und bakteriologischen Untersuchungen des Trinkwassers aus
dem Ortsnetz N. in Kopie zur Verfügung zu stellen. Bei diesen von der Antragsgegnerin aufgezählten
Unterlagen handelt es sich nämlich nicht vollständig um die vom Antragsteller geforderten Unterlagen. So
wurde beispielweise die Einsicht in die Untersuchungsergebnisse aus der Überprüfung der Abflusswerte
der Kläranlage Scheidweiler antragsgemäß bewilligt. Doch hinsichtlich der Einsicht in Unterlagen, die die
Planung, den Betrieb und die Wartung der einzelnen Abwasseranlagen betreffen, erfolgte in diesem
Schreiben keine Zusage.
Eine solche - alle vom Antragsteller genannten Unterlagen - umfassende Akteneinsichtsbewilligung
erfolgte jedoch mit dem Schreiben des Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom 27. Oktober 2008. Dieser
führt darin aus, dass die Einsicht in weitere Unterlagen nach dem LUIG nach vorheriger Absprache im
Hause der Antragsgegnerin gegen eine Kostenübernahme erfolgen könne. Er bezog sich dabei auch auf
Unterlagen für einen zurückliegenden Zeitraum von mehr als 30 Jahren, wodurch deutlich wird, dass er
tatsächlich eine Bewilligung des Akteneinsichtsrechts für alle vom Antragsteller geforderten Unterlagen
aussprechen wollte. Der Antragsteller hätte auf dieses Schreiben, welches ihm als Petenten und damit
Veranlasser bekannt sein muss, reagieren müssen anstatt eine einstweilige Anordnung beim Gericht zu
beantragen. Das Anrufen des Gerichts ist daher in diesem Fall nicht erforderlich. Der Antragsteller kann
sein Ziel vielmehr bereits dadurch erreichen, dass er sich mit der Übernahme der entstehenden Kosten
gegenüber der Antragsgegnerin bereit erklärt.
Der Antrag konnte daher keinen Erfolg haben und war damit mit der Kostenfolge des § 154 I VwGO
abzulehnen.
Die Entscheidung betreffend den Wert des Streitgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 2 i.V.m. 53 Abs. 2 Nr.
1 GKG.