Urteil des VG Trier vom 17.07.2009

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Umweltinformationsrecht
VG
Trier
17.07.2009
5 L 330/09.TR
Zu den Umweltinformationen gehören auch technische Beschreibungen von Anlagen, die nicht mehr in
Betrieb sind.
Will eine Behörde die technische Beschreibung einer Behördenfunkanlage nicht herausgeben, so muss
sie ihre Sicherheitsbedenken konkretisieren.
Verwaltungsgericht Trier
5 L 330/09.TR
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Umweltinformation
hier: Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der Beratung vom 17. Juli 2009, an der
teilgenommen haben
beschlossen:
1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, durch Übersendung der vollständigen und ohne Schwärzung
oder dergleichen versehenen Akten im Original für *** Flur 21, Flur 8 (***) Standortbescheinigungs-Nr.
710665, sowie *** Flur 30, Flurstück 65 mit Standortbescheinigungs-Nr. 711151 und Neidenbach Flur 4
(***) mit Standortbescheinigungs-Nr. 71010069 zu Händen der Bevollmächtigten der Antragsteller die
bewilligte Akteneinsicht unverzüglich durchzuführen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Rechtsgrundlage für die von den Antragstellern begehrte einstweilige Anordnung ist § 123 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung kann das Gericht auf
Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht,
dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der
Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine
einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur
Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen
notwendig erscheint. Lässt allerdings die im Eilverfahren notwendigerweise summarische Überprüfung
bereits erkennen, dass das von den Antragstellern behauptete Recht zu ihren Gunsten nicht besteht, so ist
auch nach der zuletzt genannten Bestimmung eine einstweilige Anordnung nicht möglich, weil dann eine
sicherungsfähige oder sicherungswürdige Rechtsposition fehlt.
Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig weder die
Hauptsache des Rechtsstreits vorwegnehmen noch die Rechtsstellung der Antragsteller erweitern,
sondern lediglich die behaupteten und nach dem Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossenen
Rechtspositionen in einer Weise sichern darf, dass die Antragsteller bei einem Obsiegen in der
Hauptsache ihr Recht noch ausreichend wahrnehmen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
15. März 1978 - 2 B 154/78 -, AS 15, 97 ff. = NJW 1978 S. 2355 f.). Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist
mit Rücksicht auf den in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes gewährleisteten effektiven Rechtsschutz
ausnahmsweise nur dann möglich, wenn die drohenden Nachteile unzumutbar und die geltend
gemachten Ansprüche hinreichend wahrscheinlich (vgl. Kopp/Schenke, Komm. z. VwGO, 11. Aufl. 1998, §
123 Rdnrn. 13 f.) und von den Antragstellern glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 92 Abs.
2 der Zivilprozessordnung). Diese zusätzlichen Voraussetzungen sind dadurch gerechtfertigt, dass die
einstweilige Anordnung - wie oben dargelegt - in der Regel nur einen vorläufigen Inhalt haben kann und
die Vorwegnahme der Hauptsache wegen der fragwürdigen Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen in
derartigen Fällen meist nicht rückgängig zu machen ist.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen muss die Entscheidung hier zugunsten der
Antragsteller ausfallen, da diese sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund
glaubhaft gemacht haben.
Die Antragsteller haben einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihnen die nötigen
Umweltinformationen zur Verfügung stellt. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Zugang zu
Umweltinformationen ist § 3 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz - UIG -. Nach dieser Bestimmung hat jede
Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die
eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen
zu müssen. Bei den technischen Beschreibungen der Funkanlagen handelt es sich auch um
Umweltinformationen im Sinne von §§ 2 Abs. 3 UIG. Danach sind Umweltinformationen unter anderem
unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und
Strahlung, Abfälle aller Art sowie Immissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die
Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nr. 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken.
Es wird von der Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt, dass von den in Betreib befindlichen
Funkanlagen Emissionen ausgehen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin handelt es sich
allerdings auch bei den technischen Beschreibungen, die abgeschaltete Funkanlagen betreffen, um
Umweltinformationen. Nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz, der die Kammer folgt, sind
von der Definition der Umweltinformationen nicht nur solche Informationen betroffen, die sich noch aktuell
auf den Zustand der Umwelt auswirken oder auswirken könnten. Nach § 3 Abs. 1 UIG sind vielmehr alle
bei den Behörden vorhandene Informationen vom Informationsanspruch umfasst. Hierzu gehören auch
solche Informationen zu Geschehnissen, die sich bereits in der Vergangenheit abgespielt haben (OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02. Juni 2006 - Az.: 8 A 10267/06.OVG -, Gewerbearchiv 2006, 491). Die
Antragsgegnerin war daher nicht berechtigt, bei Gewährung der Akteneinsicht die bereits abgeschalteten
TV-Funkanlagen am ***-Standort abzudecken.
Auch die Systemkennung und die Antennenart stellen umweltrelevante technische Beschreibungen dar,
die den Antragstellern zugänglich zu machen sind. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kommt es
nicht darauf an, ob die Antragsteller die vorgenannten Informationen benötigen, um die von den
Funkanlagen ausgehenden Umwelteinwirkungen nach Maßgabe der Verordnung über
elektromagnetische Felder - 26. BImschV - zu berechnen. Wie bereits aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1
UIG deutlich wird, bedarf es keines Nachweises eines rechtlichen Interesses der Antragsteller bei
Geltendmachung des Informationsanspruchs. Unabhängig davon haben die Antragsteller durch
Übersendung einer Stellungnahme des Sachverständigen Dr. *** vom 08. Juni 2009 glaubhaft gemacht,
dass eine Berechnung der zu erwartenden Immissionen nicht erfolgen kann, wenn die
Antennencharakteristik nicht bekannt ist.
Soweit die Antragsgegnerin die technische Beschreibung des Behördenfunks am ***-Standort abgedeckt
hat, kann sie sich hierbei nach Überzeugung der Kammer nicht auf Ablehnungsgründe berufen. Nach § 8
Abs. 1 Nr. 1 UIG ist der Antrag dann abzulehnen, sofern das Bekanntgeben der Informationen nachteilige
Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der
öffentlichen Sicherheit hätte, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Nach
der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz, der die Kammer folgt, darf die Behörde die Herausgabe
der begehrten Informationen nur dann verweigern, wenn die Bekanntgabe zu einer ernsthaften, konkreten
Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Staates oder der Schutzgüter Leben und Gesundheit führt, es sei
denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Zur Beantwortung der Frage, ob die
Bekanntgabe der verlangten Informationen zu der genannten ernsthaften, konkreten Gefährdung führt,
bedarf es einer Prognoseentscheidung über die Auswirkungen des Bekanntgebens auf die Schutzgüter
der öffentlichen Sicherheit. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn im konkreten Fall die hinreichende
Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die Rechtsgüter eintreten wird. Die
diesbezüglich anzustellende Prognose muss auf einer hinreichenden Sachverhaltsermittlung beruhen
sowie inhaltlich nachvollziehbar und vertretbar sein. Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen ohne
greifbaren, auf den Einzelfall bezogenen Anlass reichen nicht aus (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.
Februar 2008 - 1 A 10886/07 -, NVwZ 2008, 1141). Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall ein
Ablehnungsgrund nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin hat im Eilverfahren nicht dargelegt, aus welchen
Gründen die technische Beschreibung einer Funkantenne des Digitalfunkes der Behörden und
Organisationen mit Sicherheitsaufgaben nicht an die Antragsteller herausgegeben werden dürfen, welche
im vorliegenden Verfahren glaubhaft gemacht haben, dass sie diese Daten einem öffentlich bestellten und
vereidigten Sachverständigen zur Berechnung der Umweltauswirkungen vorlegen wollen. Die
Antragsgegnerin verweist vielmehr pauschal auf einen Schriftverkehr mit der Bundesanstalt für Digitalfunk
der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, ohne sich mit der Gefährdung im konkreten
Einzelfall auseinanderzusetzen. Dies ist nach Überzeugung der Kammer nicht ausreichend.
Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, wobei es ihnen zusätzlich
unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sie haben eine Mitteilung des
Ministeriums des Inneren und für Sport Rheinland-Pfalz vom 09. Juli 2009 vorgelegt, nach der sich die
Planung der Funkanlage auf dem *** in der abschließenden Prüfung befindet. Die Antragsteller möchten
die Sicherheitsabstände nach der 26. BImschV sachverständig überprüfen lassen, um sodann auf
kommunaler Ebene mit dem dann vorliegenden Tatsachenmaterial frühzeitig Einfluss auf die politischen
Entscheidungen nehmen zu können. Vor diesem Hintergrund erscheint es im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz
2 VwGO nötig, dass bereits jetzt eine Entscheidung in der Sache ergeht. Ferner erscheint eine
Verweisung der Antragsteller auf ein Hauptsacheverfahren bei Berücksichtigung der mit der
Umweltinformationsrichtline verfolgten Zwecke nicht zumutbar. Der rechtlich möglichst ungehinderte und
uneingeschränkte Zugang zu Umweltinformationen soll zur Kontrolle der Verwaltung, zur Schärfung des
Umweltbewusstseins und zur Effektuierung der von den Mitgliedsstaaten umzusetzenden Umweltpolitik
beitragen. Diese Zwecke legen eine beschleunigte Rechtsdurchsetzung jedenfalls dann nahe, wenn der
Anspruch der Sache nach "einen hohen Evidenzgrad besitzt" und keine schwierigen Rechtsfragen
aufwirft, die noch einer Klärung bedürften (HessVGH, Urteil vom 04. Januar 2006 - 12 Q 2828/05 -, NVwZ
2006, 1081, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 kann der Zugang zu Umweltinformationen durch Auskunftserteilung, Gewährung
von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnet werden. Wird eine bestimmte Art des
Informationszugangs beantragt, so darf dieser nur aus wichtigen Gründen auf andere Art eröffnet werden
(§ 3 Abs. 3 Satz 2 UIG). Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller Informationszugang durch
Akteneinsicht beantragt. Die Antragsgegnerin hat dieser beantragten Form zu entsprechen, da sie im
vorliegenden Eilverfahren entgegenstehende gewichtige Gründe nicht dargelegt hat.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG). Es erscheint im vorliegenden
Fall angemessen, den Streitwert der Hauptsache zugrunde zu legen, da mit der vorliegenden
Eilentscheidung die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird.