Urteil des VG Trier vom 15.04.2010

VG Trier: bebauungsplan, ausnahme, grundstück, gestaltung, genehmigungsverfahren, verkündung, rechtsgrundlage, vollstreckung, öffentlich, bedürfnis

Baurecht
VG
Trier
15.04.2010
5 K 686/09.TR
Zur Frage, ob Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug auf Werbeanlagen bauplanerischer Art
oder bauordnungsrechtlicher Art sind und im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Verwaltungsgericht Trier
5 K 686/09.TR
Urteil
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Baugenehmigung
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. April
2010 durch den Richter am Verwaltungsgericht *** als Einzelrichter
für Recht erkannt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des
Kreisrechtsausschusses des Eifelkreises Bitburg-Prüm vom 14. Dezember 2009 wird aufgehoben. Die
Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die mit Baugenehmigungsantrag vom 15. April 2009 beantragte
Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren unter Beachtung von § 70 Abs. 2 Satz 3 der
Landesbauordnung zu erteilen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die dieser selbst zur Last fallen, zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, sofern
nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin erstrebt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbetafel auf dem im
Eigentum eines Dritten, der sein Einverständnis zur Errichtung der geplanten Anlage erklärt hat,
stehenden Flurstück Nr. ***, Flur ***, Gemarkung *** - ***-Straße *** in *** -. Den Genehmigungsantrag
stellte die Klägerin im April 2009 bei der Beklagten. In den Baugenehmigungsunterlagen ist ausgeführt,
dass auf dem bislang unbebauten Grundstück eine freistehende doppelseitig nutzbare beleuchtete
Werbetafel mit einer Breite von ca. 3,66 m und einer Höhe von 2,6 m für wechselnden Plakatanschlag
rechtwinklig zu der vorbeiführenden Straße, einer Bundesstraße, aufgestellt und auf in den Boden
eingelassenen Kanthölzern befestigt werden soll. Die Gesamthöhe der Anlage soll ca. 3,6 m betragen.
Das zur Bebauung vorgesehene Grundstück liegt im Bereich "MI3" des Bebauungsplans "B*** II" der
Beigeladenen. Dieser Bebauungsplan wurde in seiner ursprünglichen Fassung auf der Planurkunde am
25. November 2006 durch die Stadtbürgermeisterin der Beigeladenen ausgefertigt. Die textlichen
Festsetzungen des Bebauungsplans befinden sich in einer eigenständigen Heftung, bei der die unter der
Überschrift "Ausfertigung" enthaltene Unterschrift der Stadtbürgermeisterin keine Datumsangabe enthält.
In diesen Textfestsetzungen heißt es in Bezug auf das im Bebauungsplan festgesetzte "Mischgebiet 3"
ohne Nennung einer gesetzlichen Grundlage:
"Als Werbeanlagen zugelassen ist jeweils eine Namensbezeichnung des Unternehmens oder Geschäftes
mit einer Höhe von maximal zwei Metern auf jeder Seite des Gebäudes. Diese müssen direkt am
Gebäude angebracht werden.
Werbeanlagen mit bewegtem, laufenden oder blinkenden Licht sind nicht zulässig. Ausnahmen von den
Regelungen zu den Werbeanlagen sind zulässig, wenn die Stadt diesen im Einzelfall zustimmt."
In der Begründung zum Bebauungsplan heißt es in Bezug auf die im Plan festgesetzten Mischgebiete
unter der Überschrift "4.2 Art der Nutzung" auf Seite 4, dass in ihnen eine möglichst große Bandbreite von
Nutzungen zugelassen und von daher die Art der Nutzung nicht eingeschränkt werde.
Unter der Begründungsüberschrift "4.6 Festsetzungen zur Gestaltung" heißt es in der Einleitung, dass die
Nähe des Bebauungsplanbereichs zum Stadtzentrum mit der - vom Bauvorhaben allerdings ca. 400 m
entfernten - Basilika *** besondere gestalterische Festsetzungen erfordere. Im Hinblick auf die textlichen
Festsetzungen zur Gestaltung heißt es dann bezüglich der festgesetzten Mischgebiete, dass auf die
Begründung zu den gleichlautenden Festsetzungen im ebenfalls im Bebauungsplan festgesetzten
Sondergebiet verwiesen werde, wo es allerdings nur heißt:
"Werbung ist in Sondergebieten für den großflächigen Einzelhandel ein unverzichtbares Element. Wegen
der besonderen Lage der Gebiete müssen Werbeanlagen allerdings auf ein städtebaulich vertretbares
Maß begrenzt werden. Hierzu werden ‚Werbetürme' festgesetzt."
Die am 25. April 2008 ausgefertigte erste Änderung des Bebauungsplans übernimmt in Bezug auf den
vorstehend betroffenen Bereich die bisherigen Festsetzungen, wobei sich nunmehr die textlichen
Festsetzungen auf 9 einzelnen, nicht miteinander verbundenen Blättern und dazu gehörenden Anlagen
befinden und diese Loseblattsammlung auf Seite 9 unter der Überschrift "Ausfertigung" die
Datumsangabe "25.04.2008" und die Unterschrift der Stadtbürgermeisterin sowie das Stadtsiegel enthält.
Die zum Genehmigungsantrag gehörte Beigeladene versagte aufgrund eines Beschlusses ihres Bau- und
Planungsausschusses vom 28. April 2009 ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben und verwies darauf, dass
der genannte Bebauungsplan die Anbringung von Werbeanlagen nur an Gebäuden vorsehe; eine
Ausnahme von dieser Festsetzung werde nicht zugelassen, weil frei stehende Werbeanlagen im
fraglichen Bereich städtebaulich nicht erwünscht seien, da sie den freien Blick auf die Gebäudefluchten
verhinderten und das Straßenbild nachhaltig beeinträchtigten.
Die mit Anschreiben der Beklagten vom 7. Mai 2009 hierzu gehörte Klägerin vertrat mit am 28. Mai 2009
bei der Beklagten eingegangenem Schriftsatz die Auffassung, dass die genannte Regelung nichtig sei,
denn in einem Mischgebiet, wie es für den fraglichen Bereich festgesetzt sei, sei es mangels
städtebaulicher Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO nicht zulässig, Fremdwerbeanlagen generell
auszuschließen. Insoweit werde auf ein Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 16. April 2008 - 3 S
3005/06 - verwiesen.
Mit Bescheid vom 9. Juli 2009, der am 13. Juli 2009 zugestellt wurde, versagte die Beklagte die
beantragte Baugenehmigung und verwies auf die Festsetzungen des genannten Bebauungsplans, von
denen eine Ausnahme nicht zugelassen werden könne; das von der Klägerin genannte Urteil sei auf den
vorliegend maßgebenden Bebauungsplan nicht anwendbar, weil dieser andere Planungsziele verfolge.
Mit ihrem am 13. Juli 2009 eingelegten Widerspruch wiederholte die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Eifelkreises Bitburg-
Prüm vom 14. Dezember 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung des Widerspruchsbescheids ist
ausgeführt, dass das Bauvorhaben dem vereinfachten Genehmigungsverfahren im Sinne des § 66 Abs. 1
Nr. 9 LBauO unterfalle, in dem seine Vereinbarkeit mit bauplanungsrechtlichen Bestimmungen zu prüfen
sei. Vorliegend verstoße die Errichtung der geplanten freistehenden Werbeanlage gegen die
Textfestsetzungen des Bebauungsplans, wobei die Beigeladene im Rahmen des ihr eröffneten
Ermessens der Erteilung einer Ausnahme nicht zugestimmt habe. Diese Entscheidung habe der
Kreisrechtsausschuss inhaltlich nicht zu überprüfen. Das Urteil des VGH Baden- Württemberg sei auf den
vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, da der Bebauungsplan der Beigeladenen nicht zwischen
Eigen- und Fremdwerbung unterscheide.
Am 18. Dezember 2009 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie unter Hinweis auf ihr bisheriges
Vorbringen die Auffassung vertritt, dass es nicht zulässig sei, im fraglichen Bereich Fremdwerbung
generell auszuschließen. Im Übrigen müsse gesehen werden, dass in der Umgebung des Bauvorhabens
- wie durch die bei den Akten befindlichen Fotos belegt - zahlreiche Werbeanlagen vorhanden seien, die
mit den Textfestsetzungen des Bebauungsplans nicht in Einklang stünden, nämlich frei stehende und auf
andere Firmen hinweisende Werbeanlagen. Schließlich sei dem Bebauungsplan nicht zu entnehmen, ob
es sich um eine städtebauliche Festsetzung handele, zumal die Erteilung von Ausnahmen vorgesehen
sei, die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht ersichtlich seien. Für den Ausschluss von
Fremdwerbeanlagen in einem Mischgebiet, die als nicht störende eigenständige Gewerbeausübung zu
qualifizieren seien, fehle eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Eine evtl. erforderliche
sanierungsrechtliche Genehmigung sei im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des
Kreisrechtsausschusses des Eifelkreises Bitburg-Prüm vom 14. Dezember 2009 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, ihr die mit Baugenehmigungsantrag vom 15. April 2009 beantragte
Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren unter Beachtung von § 70 Abs. 2 Satz 3 der
Landesbauordnung zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist auf die ergangenen Bescheide. Ergänzend betont sie, dass der Erteilung der
Baugenehmigung die Textfestsetzungen des Bebauungsplans entgegenstünden. Diese
Textfestsetzungen seien verbindlich, denn gestalterische Überlegungen rechtfertigten städtebauliche
Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 der Baunutzungsverordnung - BauNVO -.
Die Beigeladene hat sich zum Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze
der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge und den Bebauungsplan "B*** II -
erste Änderung" der Beigeladenen. Diese Unterlagen lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und sachlich begründet; der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung der
beantragten Baugenehmigung zur Seite.
Gemäß § 70 der Landesbauordnung - LBauO - vom 24. November 1998 (GVBl. S. 365), zuletzt geändert
durch Gesetz vom 27. Oktober 2009 (GVBl. S. 358), ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn einem
Bauvorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden
öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Dabei findet auf das Bauvorhaben der Klägerin gemäß
§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 LBauO das vereinfachte Genehmigungsverfahren Anwendung, denn die von ihr
geplante Werbeanlage ist aufgrund ihrer Größe nicht nach § 62 Abs. 1 Nr. 8 LBauO genehmigungsfrei und
fällt auch nicht unter den Freistellungstatbestand des § 67 LBauO.
Demnach ist gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO lediglich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des
Vorhabens und dessen Vereinbarkeit mit sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, nicht aber die
Vereinbarkeit mit bauordnungsrechtlichen Bestimmungen zu prüfen, denn die Bauaufsichtsbehörde ist
nicht befugt, das ihr gesetzlich vorgegebene Prüfungsprogramm und damit die gesetzlichen
Anspruchsvoraussetzungen für im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu erteilende
Baugenehmigungen zu erweitern (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 8 A
10942/08.OVG -, ESOVGRP).
Allerdings können auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren bauordnungsrechtliche Bestimmungen
Berücksichtigung finden, wenn das Vorhaben offensichtlich gegen sie verstößt und der Bauherr von daher
kein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung einer Baugenehmigung für ein Bauvorhaben haben kann.
Dies kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn bereits ohne eine ins Einzelne gehende
Prüfung erkennbar ist, dass das nach § 66 LBauO zu genehmigende Vorhaben wegen
entgegenstehender sonstiger Vorschriften offensichtlich nicht legal verwirklicht werden kann (vgl. zu
alledem ausführlich: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Oktober 2008, a.a.O. und Urteil vom 25. Juni
2009 - 1 A 10050/09.OVG -).
Ausgehend von diesem gesetzlich vorgegebenen Prüfungsrahmen steht der Klägerin ein Rechtsanspruch
auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung zur Seite.
Bauplanungsrechtliche Vorschriften, insbesondere bauplanungsrechtliche Festsetzungen des genannten
Bebauungsplans, stehen dem Bauvorhaben der Klägerin nicht entgegen.
Zwar handelt es sich bei der von der Klägerin geplanten Werbeanlage um eine grundsätzlich
bauplanungsrechtlich relevante bauliche Anlage im Sinne des § 29 Baugesetzbuch - BauGB - in der
Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 22414) mit nachfolgenden
Änderungen, weil sie städtebauliche Relevanz besitzt. Angesichts ihrer Größe ist sie nämlich geeignet, ein
Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen (vgl. hierzu
BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 - 4 C 27/91 - juris).
Dabei kann eine Werbeanlage, wenn sie in einem Funktionszusammenhang zu einem im Baugebiet
gelegenen Grundstück steht, eine Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO darstellen. Fehlt es allerdings
- wie vorliegend - an einem derartigen Funktionszusammenhang, so stellt eine so genannte
Fremdwerbung eine eigenständige "Hauptnutzung" gewerblicher Art dar, so dass sich die
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Werbeanlage danach richtet, ob im fraglichen Bereich von der Art
der Nutzung her eine gewerbliche Nutzung zulässig ist, wobei den Gemeinden im Hinblick auf die
Zulassung gewerblicher Nutzungen die Steuerungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 5 bis 10 BauNVO zur
Verfügung stehen (vgl. auch hierzu BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, a.a.O.).
Vorliegend soll das Bauvorhaben in einem Bereich errichtet werden, der jedenfalls - wie aus den
vorgelegten Unterlagen zweifelsfrei erkennbar und zwischen den Beteiligten auch unstreitig - tatsächlich
einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO entspricht, in dem solche gewerblichen Nutzungen zulässig
sind, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Da die vorliegend geplante Werbeanlage das Wohnen
nicht wesentlich stört, ist sie von der Art der Nutzung im fraglichen Bereich bauplanungsrechtlich zulässig
(vgl. hierzu auch VG Koblenz, Urteil vom 28. Juli 2009 - 7 K 13/09.KO -, ESOVGRP, mit weiteren
Nachweisen), ohne dass es darauf ankommt, ob der genannte Bebauungsplan wirksam ist oder nicht,
denn von den Steuerungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 5 bis 10 BauNVO hat die Beigeladene im Hinblick
auf Nutzungseinschränkungen in Bezug auf die Art der Nutzung keinen Gebrauch gemacht. Die im
Bebauungsplan der Beigeladenen enthaltenen Ausführungen zur Zulässigkeit von Werbeanlagen stellen
nämlich keine bauplanungsrechtlichen Festsetzungen im Sinne der zuletzt genannten Bestimmungen dar.
Zwar nennt der Bebauungsplan in Bezug auf die die Werbeanlagen betreffenden Textfestsetzungen keine
Zwar nennt der Bebauungsplan in Bezug auf die die Werbeanlagen betreffenden Textfestsetzungen keine
Rechtsgrundlage. Indessen kann es dahingestellt bleiben, ob dies zur Unwirksamkeit derartiger
Festsetzungen führt (vgl. hierzu ausführlich verneinend mit der Begründung, dass das in Art. 80 Abs. 1
Satz 3 GG verankerte Zitiergebot auf Bebauungspläne keine Anwendung finde: OVG Rheinland-Pfalz,
Urteile vom 20. Januar 2010 - 8 C 10725/09.OVG - vom 1. Oktober 2008 - 1 A 10362/08.OVG -, beide in
ESOVGRP; kritisch hierzu: VG Koblenz, Urteil vom 28. Juli 2009 - 7 K 13/09.KO - und Jeromin,
Gestaltungsfestsetzungen in Bebauungsplänen, LKRZ 2010, 87), denn aus der Begründung des
Bebauungsplans, die diesem gemäß § 9 Abs. 8 BauGB zwingend beizufügen ist (vgl. hierzu auch OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. Juni 2009 - 8 C 11307/08.OVG -), ergibt sich jedenfalls eindeutig, dass die
beigelade Gemeinde bei der Aufstellung des Bebauungsplans von den die Art der zulässigen Nutzung
einschränkenden Möglichkeiten des § 1 Abs. 5 bis 10 BauNVO keinen Gebrauch machen wollte. Die
Textfestsetzungen zu Werbeanlagen werden in der Begründung des Bebauungsplans zur Art der
baulichen Nutzung nämlich nicht erwähnt. Vielmehr heißt es dort zur Begründung der im Bebauungsplan
festgesetzten Mischgebiete, dass dort eine möglichst große Bandbreite von Nutzungen zugelassen und
von daher die Art der Nutzung nicht eingeschränkt werde. Ausführungen zur Begründung der
Werbeanlagen betreffenden Textfestsetzungen des Bebauungsplans befinden sich vielmehr unter der
Überschrift "Festsetzungen zur Gestaltung".
Von daher ist die geplante Werbeanlage bei Wirksamkeit des Bebauungsplans nach §§ 29, 30 Abs. 1
BauGB, 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BauNVO und bei dessen Unwirksamkeit nach §§ 29, 34 Abs. 2 BauGB in
Verbindung mit den genannten Bestimmungen der BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig, denn die im
Bebauungsplan enthaltenen Festsetzungen zur Zulässigkeit von Werbeanlagen stellen dem
Bauordnungsrecht zuzuordnende gestalterische Festsetzungen dar, die nach § 9 Abs. 4 BauGB in
Verbindung mit § 88 Abs. 6 Satz 1 LBauO in Bebauungspläne aufgenommen werden können und
inhaltlich an § 88 Abs. 1 LBauO zu messen (vgl. hierzu: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. Oktober 2008
- 1 A 10362/08.OVG -, ESOVGRP) und grundsätzlich im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht
zu prüfen sind.
Anhaltspunkte dafür, dass die Textfestsetzungen des Bebauungsplans zu Werbeanlagen einer
Verwirklichung des Bauvorhabens im Sinne der vorstehend dargestellten obergerichtlichen
Rechtsprechung evident entgegenstehend könnten und es von daher der Klägerin an dem erforderlichen
Sachbescheidungsinteresse fehle, vermag die Kammer nicht zu erkennen.
Zum einen bestehen nämlich bereits formale Zweifel an der Wirksamkeit des Bebauungsplans, weil viel
dafür spricht, dass er nicht ordnungsgemäß ausgefertigt wurde. Insoweit wird auf die Ausführungen des
OVG Rheinland-Pfalz in dessen Urteil vom 23.10.1997 - 1 A 12163/96.OVG -, ESOVGRP, zu einem
ähnlich gelagerten Sachverhalt verwiesen. Dort heißt es:
"Die oben wiedergegebene Gestaltungsvorschrift steht der vom Kläger ausgeführten Dacheindeckung
nicht entgegen, da sowohl der Änderungsbebauungsplan als auch der ursprüngliche Bebauungsplan
nicht ordnungsgemäß ausgefertigt worden sind (zum Erfordernis der Ausfertigung von Bebauungsplänen
vgl. z. B. das Urteil des Senats vom 11. Mai 1994 - 1 C 10272/93.OVG - sowie das Urteil des früheren
Normenkontrollsenats des erkennenden Gerichts vom 27. Februar 1991 - 10 C 56/89 -, m.w.N.). Zwar
befinden sich auf den jeweiligen Planurkunden Ausfertigungsvermerke, nicht jedoch auf den textlichen
Festsetzungen. Erforderlich ist jedoch die Ausfertigung der Rechtsnorm insgesamt, also der Planurkunde
und der textlichen Festsetzungen, sofern beide nicht untrennbar zu einer einheitlichen Urkunde
verbunden sind (vgl. z. B. das Urteil des Senats vom 10. Dezember 1992 - 1 A 11771/91.OVG -). Eine
solche untrennbare Verbindung besteht im vorliegenden Fall jedoch nicht, vielmehr befinden sich die
textlichen Festsetzungen bei den Verwaltungsvorgängen der Beigeladenen. Daher genügt die
Ausfertigung der Planurkunde nicht, um die Übereinstimmung auch der textlichen Festsetzungen mit dem
Willen des Satzungsgebers ("Authentizität") zu bezeugen.
Eine ordnungsgemäße Ausfertigung der textlichen Festsetzungen kann im vorliegenden Fall nicht darin
gesehen werden, daß diese vom Bürgermeister der Beigeladenen unterschrieben worden sind. Zwar
genügt zur Ausfertigung einer Satzung grundsätzlich die datierte Unterschrift des Oberbürgermeisters,
wenn sie nach Abschluß aller für die Verkündung erforderlichen Verfahrensschritte unmittelbar vor der
Verkündung erfolgt ist (vgl. Urteil des Senats vom 07. November 1996 - 1 A 13500/95.OVG m.w.N.). Im
vorliegenden Fall sind die textlichen Festsetzungen (in der ursprünglichen und der Änderungsfassung)
jedoch ohne Angabe eines Datums unterschrieben worden. Dies genügt den an eine Ausfertigung zu
stellenden Anforderungen nicht, da in einem solchen Fall nicht hinreichend klar erkennbar ist, daß diese
Unterschrift zu dem oben angegebenen Zeitpunkt hinzugefügt wurde und damit eine Ausfertigung
beabsichtigt war (vgl. Urteil vom 17. Juli 1997 - 1 C 12642/96.OVG -)."
Da vorliegend die Textfestsetzungen des Bebauungsplans in der ursprünglichen Fassung von der
Stadtbürgermeisterin undatiert unterzeichnet wurden und die Textfestsetzungen der
Bebauungsplanänderung aus einer nicht untrennbar miteinander verbundenen Loseblattsammlung
bestehen, ist es jedenfalls nicht evident, dass der Bebauungsplan wirksam ausgefertigt wurde.
Hinzu kommt, dass es außerdem einer eingehenden Prüfung bedürfte, ob die die Werbeanlagen
betreffenden Textfestsetzungen den Anforderungen des § 88 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 LBauO (vgl. hierzu
ausführlich OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 20. Januar 2010 - 8 C 10725/09.OVG - vom 1. Oktober 2008
- 1 A 10362/08.OVG -, beide in ESOVGRP, und Jeromin, Gestaltungsfestsetzungen in Bebauungsplänen,
LKRZ 2010, 87) entsprechen bzw. mit sonstigem Bauordnungsrecht (vgl. hierzu VG Koblenz, Urteil vom
28. Juli 2009 - 7 K 13/09.KO -) zu vereinbaren sind.
Von daher stehen die gestalterischen Festsetzungen des fraglichen Bebauungsplans der Erteilung der
beantragten Baugenehmigung nicht entgegen.
Des Weiteren kommt es für die Erteilung einer Baugenehmigung nicht darauf an, ob für das Vorhaben
auch eine sanierungsrechtliche Genehmigung im Sinne der §§ 144, 145 BauGB erforderlich ist (vgl.
hierzu auch BVerwG, Urteil vom 20. November 1995 - 4 C 10/95 - und Beschluss vom 25. Oktober 1995 -
4 B 216/95 -), denn jedenfalls ist nicht evident erkennbar, dass sanierungsrechtliche Gesichtspunkte einer
Verwirklichung des Bauvorhabens evident entgegenstehen könnten.
Demnach kann der Klage der Erfolg nicht versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Dabei sieht die Kammer keine Veranlassung, die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Gründen der Billigkeit der
unterliegenden Partei oder der Staatskasse aufzuerlegen, denn die Beigeladene hat sich nicht durch
Stellung eines eigenen Antrags dem Risiko ausgesetzt, im Falle des Unterliegens gemäß § 154 Abs. 3
VwGO mit Verfahrenskosten belastet zu werden (vgl. hierzu auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
16. März 1995 - 8 A 12977/94.OVG -).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre
Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
Gründe, nach § 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben, denn die Rechtssache
hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung
im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird, ausgehend davon, dass eine beidseitig nutzbare Werbeanlage
betroffen ist, die letztlich mit zwei getrennten Werbeanlagen vergleichbar ist, auf 10.000,00 € festgesetzt
(§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 9.1.6 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit
erarbeiteten Streitwertkatalogs, DVBl. 2004, S. 1525).
Dabei sieht die Kammer keine Veranlassung, die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nach
Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzulassen, denn die Streitwertfestsetzung hat keine grundsätzliche
Bedeutung.
Die Festsetzung des Streitwertes kann allerdings nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde angefochten werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt.