Urteil des VG Trier vom 23.04.2009

VG Trier: in verkehr bringen, geographische bezeichnung, deklaratorische wirkung, ursprungsbezeichnung, geographische angabe, etikettierung, begriff, trips, feststellungsklage, einheit

Weinrecht
VG
Trier
23.04.2009
5 K 826/08.TR
Wird in Deutschland aus italienischem Tafelwein mit der geografischen Bezeichnung IGT (Indicacione
Geografica Tipica) Perlwein hergestellt, so ist es nicht zu beanstanden, wenn auf der Etikettierung des
Perlweins zur Bezeichnung des zu seiner Herstellung verwandten Weins die Abkürzung IGT erwähnt
wird.
Verwaltungsgericht Trier
5 K 826/08.TR
Urteil
In dem Verwaltungsrechtsstreit
wegen Weinrechts
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. April
2009, an der teilgenommen haben
für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, gegenüber der Klägerin das In-Verkehr-
Bringen eines in Deutschland aus italienischem Tafelwein hergestellten Perlweins unter der Bezeichnung
"Vino frizzante IGT" zu untersagen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht
die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte berechtigt ist, der Klägerin zu untersagen, Perlwein, den
sie in Deutschland aus italienischem IGT-Wein herstellt, als "Vino frizzante IGT" in Verkehr zu bringen.
Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin bezieht aus Italien Tafelwein mit der Angabe "Indicazione Geografica Tipica" = IGT, dem sie
Die Klägerin bezieht aus Italien Tafelwein mit der Angabe "Indicazione Geografica Tipica" = IGT, dem sie
in Deutschland Kohlensäure zusetzt. Das Produkt wird sodann in Flaschen abgefüllt und - seit 2001 - als
Perlwein mit der Angabe "Vino frizzante IGT" und der Rebsorte in Verkehr gebracht.
Im November 2008 informierte der zuständige Weinkontrolleur die Klägerin, dass diese Verfahrensweise
nicht zulässig sei, nachdem das italienische Landwirtschaftsministerium gegenüber den zuständigen
deutschen Stellen ausgeführt habe, dass der Begriff "IGT" eine geographische Ursprungsbezeichnung
darstelle und nur verwandt werden dürfe, wenn das entsprechende Produkt unter Beachtung der
entsprechenden Normen hergestellt worden sei. Von daher dürften italienische Weinbauerzeugnisse mit
geographischer Ursprungsbezeichnung nicht außerhalb des italienischen Staatsgebiets hergestellt
werden.
Hierzu vertrat die Klägerin die Ansicht, dass sie nach Art. 38 Abs. 3 Unterabsatz 1 Satz 1 der Verordnung
(EG) Nr. 753/2002 berechtigt sei, in Deutschland IGT-Perlwein herzustellen. Im Übrigen müsse gesehen
werden, dass italienische Genossenschaften seit Jahrzehnten die Grundweine für entsprechende
Produkte legal ins Ausland lieferten.
Mit Schriftsatz vom 10. November 2008 forderte das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft
und Weinbau des Beklagten die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier zur Veranlassung
geeigneter Vollzugsmaßnahmen auf und teilte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz
vom 27. November 2008 mit, dass es die Herstellung von IGT-Perlwein in Deutschland als nicht zulässig
ansehe. Für nähere Einzelheiten sei die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier zuständig.
Am 18. Dezember 2008 hat die Klägerin sodann Klage erhoben. Sie trägt vor, dass zwischen den
Beteiligten Einvernehmen bestehe, die fragliche Rechtsfrage in einer Feststellungsklage klären zu lassen.
Die von ihr gewählte Bezeichnung des von ihr hergestellten Perlweins sei zulässig. Sie entspreche Art. 38
Abs. 3 b und c der Verordnung (EG) Nr. 753/2002, weil "Perlwein-Vino frizzante" die
Verkehrsbezeichnung, "del Veneto" den Hinweis auf die Herkunft des Grundweins und "IGT" den Hinweis
auf die verwendete Weinart darstelle. IGT-Wein sei Tafelwein aus Italien im Sinne des Anhangs I Nr. 13
Verordnung (EG) Nr. 1493/1999, der unabhängig von seiner Herkunft in jedem Mitgliedstaat der EU
hergestellt werden dürfe. Gleiches gelte für Perlwein, der gemäß Anhang I Nr. 17 Verordnung (EG) Nr.
1493/1999 aus Tafelwein hergestellt werde. Da weder Art. 51 Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 noch Art.
28 EG(VO) Nr. 753/2002 Sonderregelungen beinhalteten, dürfe ein Tafelwein und gemäß Art. 38 Abs. 3
Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 753/2002 auch Perlwein mit der Zusatzangabe "Ursprung in Italien"
bezeichnet werden, wenn die Trauben in Italien gewachsen seien. Besondere Anordnungen im Sinne des
Art. 38 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 seien seitens Italiens nicht getroffen
worden, so dass es an verbindlichen Regelungen hinsichtlich des Herstellungsorts von IGT-Perlweinen
fehle. Wenn infolge der zum 1. August 2009 in Kraft tretenden neuen Weinmarktordnung, der Verordnung
(EG) Nr. 479/2009, ein Perlwein ohne geographische Angabe mit der Rebsortenangabe Prosecco
vermarktet werden dürfe, so müsse daraus im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Herstellung von
IGT-Perlwein bislang auch außerhalb Italiens zulässig sei. Im Übrigen müsse gesehen werden, dass
Perlwein der Rebsorte Prosecco nicht nur in der Region Veneto, in der die entsprechenden Trauben
angebaut würden, sondern in ganz Italien produziert werde. Ferner verstießen regionale
Produktionsbeschränkungen gegen das Prinzip des freien Warenverkehrs, wie es sich aus Art. 23 ff. des
EG-Vertrags ergebe. Soweit in Italien Bestrebungen bestünden, auf der Grundlage der ab 1. August 2009
geltenden Verordnung (EG) Nr. 479/2008 weitergehende Beschränkungen vorzusehen, zeige dies, dass
es derzeit jedenfalls keine Verbotsbestimmungen gebe. Wenn der Beklagte auf die Verordnung (EWG) Nr.
2081/92 abstelle, müsse gesehen werden, dass diese Verordnung außer Kraft getreten und durch die
Verordnung (EG) Nr. 510/2006 ersetzt worden sei, die in ihrem Art. 2 deutlich zum Ausdruck bringe, dass
eine Ursprungsbezeichnung nicht an den Herstellungsort gekoppelt sei.
Eine Irreführung der Verbraucher sei durch die eindeutige Kennzeichnung des Produkts als Perlwein und
die Angabe des Herstellers auszuschließen. Rein vorsorglich werde beantragt, den Rechtsstreit dem
Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, gegenüber der Klägerin das In-Verkehr-Bringen eines
in Deutschland aus italienischem Tafelwein hergestellten Perlweins unter der Bezeichnung "Vino frizzante
IGT" zu untersagen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass das In-Verkehr-Bringen des von der Klägerin hergestellten Perlweins unter der
Bezeichnung "Vino frizzante IGT" deshalb unzulässig sei, weil die Abkürzung "IGT" auf der Etikettierung
von in Deutschland hergestelltem Perlwein nicht angebracht werden dürfe. "IGT" stelle gemäß Art. 28
Verordnung (EG) Nr. 753/2002 eine geographische Bezeichnung für Tafelwein mit Ursprung in Italien dar.
Werde dieser Begriff bei in Deutschland hergestelltem Perlwein verwandt, liege darin eine unzulässige
Herkunftsbezeichnung, weil sich der Herstellungsbegriff nicht nur auf den landwirtschaftlichen Anbau,
sondern auch auf die abschließende Erzeugung des Endprodukts erstrecke. Insoweit müsse gewährleistet
sein, dass das Endprodukt den für es geltenden italienischen Bestimmungen entspreche, was jedoch von
deutschen Behörden nicht kontrolliert werden könne. Darauf, dass Italien keine Mitteilung nach Art 38 der
Verordnung (EG) Nr. 753/2002 gemacht habe, komme es nicht an, denn eine derartige Mitteilung habe
nur deklaratorische Wirkung. Soweit die ab August 2009 geltende VO (EG) Nr. 479/2008 in Art. 33, 34
Anforderungen hinsichtlich des Begriffs der "Ursprungsbezeichnung" stelle, werde lediglich die bisherige
Verbrauchererwartung ausdrücklich kodifiziert. Im Übrigen müsse gesehen werden, dass in Italien derzeit
darum gestritten werde, ob die Herstellung von Prosecco auf die Regionen Venetien, Friuli und Venezia
Giulia beschränkt werden dürfe, da derzeit 25 % des Prosecco im Piemont hergestellt würden.
Die Beschränkung der Herkunftsangabe "IGT" auf italienische Erzeugnisse ergebe sich auch aus der
Aufführung "Indicazione Geografica Tipica" - IGT in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 unter der
Rubrik der für Italien geltenden traditionellen Begriffe gemäß Art 28 der Verordnung.
Ferner müsse gesehen werden, dass gemäß Art. 22 des Übereinkommens über handelsbezogene
Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) geographische Angaben besonders geschützt
würden, so dass sich die Frage stelle, ob eine Ursprungsbezeichnung an die Herkunft einer Zutat
anknüpfen dürfe, wenn das Endprodukt woanders hergestellt werde. Insoweit sei auch auf Art. 2 Abs. 2a
VO(EWG) Nr. 2081/92 hinzuweisen, der für seinen - allerdings vorliegend nicht einschlägigen -
Anwendungsbereich als Ursprungsbezeichnung den Namen einer Gegend, eines bestimmten Ortes und
in Ausnahmefällen eines Landes definiere, aus dem das Erzeugnis stamme und das seine Güte oder
Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen Verhältnissen einschließlich der
natürlichen und menschlichen Einflüsse verdanke und das in dem begrenzten geographischen Gebiet
erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde. Dies entspreche dem Ursprungsbegriff im allgemeinen
Sprachgebrauch und sei auf den Bereich der Weinerzeugnisse übertragbar. Von daher habe ein Perlwein
seinen Ursprung in Italien, wenn er dort erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde, was nur dann der Fall
sei, wenn er dort seinen füllfertigen Zustand erreicht habe. Daran fehle es indessen bei dem von der
Klägerin hergestellten Perlwein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze
der Beteiligten sowie die Verwaltungsvorgänge, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage, über die die Kammer nach § 52 Nr. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - als örtlich
zuständiges Gericht zu entscheiden hat, ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig und in der
Sache begründet.
Die Klage bezieht sich auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO.
Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne dieser Norm sind die rechtlichen
Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-
rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer
Person zu einer Sache ergeben und verlangen, dass eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun
muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 - BVerwGE 100,
S. 262 ff. m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom
30. September 1999 - 3 C 39/98 -, DVBl. 2000, S. 636 m.w.N.) haben sich rechtliche Beziehungen dann zu
einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer
bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist. Das
bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist. Das
Erfordernis einer Verdichtung der Rechtsbeziehungen zu einem "konkreten" Rechtsverhältnis rechtfertigt
sich aus dem Anliegen, den Verwaltungsgerichten nicht die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen
aufzubürden. Die Beantwortung solcher abstrakter Rechtsfragen, von denen unsicher ist, ob und wann sie
für die Rechtsstellung des Betroffenen relevant werden, ist nicht Teil des den Gerichten vom Grundgesetz
erteilten Rechtsschutzauftrages.
Bei Anwendung dieser Kriterien steht in tatsächlicher Hinsicht außer Frage, dass die Klägerin mit der
Feststellungsklage einen konkreten Sachverhalt zur Beurteilung unterbreitet hat. Die begehrte
Feststellung bezieht sich auch auf die Anwendung bestimmter Normen, nämlich der Art. 48 ff. der
Verordnung (EG) Nr. 1493/99 und der Normen der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 auf den von der
Klägerin hergestellten und vertriebenen Perlwein.
Ferner steht der Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des streitigen
Rechtsverhältnisses zur Seite. Mit der Feststellungsklage erstrebt sie zwar letztlich vorbeugenden
Rechtsschutz, der als Zulässigkeitserfordernis das Vorhandensein qualifizierter
Rechtsschutzvoraussetzungen verlangt. Es muss ein spezielles auf die Inanspruchnahme vorbeugenden
Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse bestehen, das heißt, es muss eine begründete
Besorgnis bestehen, bei der Vornahme der beabsichtigten Handlung nicht zumutbaren Rechtsfolgen
ausgesetzt zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1999 a.a.O.). Vorliegend ist ein derartiges
besonderes Feststellungsinteresse zu bejahen, weil sich die gesetzlichen Vertreter der Klägerin im Falle
der Verwendung einer unzulässigen Angabe auf den Etiketten des von ihr vertriebenen Perlweins
möglicherweise nach §§ 48, 49 WeinG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2001 (BGBl. I S.
985), zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 57 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), strafbar
machen oder eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 50 WeinG begehen könnten (vgl. zum
Feststellungsinteresse auch BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1969 - I C 86.64 -, BVerwGE 31, S. 177).
Des Weiteren steht der Zulässigkeit der Klage die Bestimmung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht
entgegen, der zufolge eine Feststellung nicht begehrt werden kann, wenn die Klägerin ihre Rechte durch
Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Vorliegend stand der
Klägerin indessen die Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage, die allein in Betracht kommen
könnte, bislang nicht offen, denn in den gegenüber der Klägerin ergangenen schriftlichen Stellungnahme
des Beklagten kann noch kein anfechtbarer Verwaltungsakt im Sinne des gemäß § 1
Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG - anwendbaren § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetz
des Bundes - VwVfG - gesehen werden; insbesondere können die ergangenen Schriftsätze des Beklagten
aufgrund der in ihnen enthaltenen Formulierungen nicht als feststellender Verwaltungsakt qualifiziert
werden.
Schließlich ist das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten der Aufsichts- und
Dienstleistungsdirektion Trier, richtiger Anspruchsgegner für das Begehren der Klägerin, denn diese
Behörde wäre für den Erlass einer eventuellen Untersagungsverfügung, die ihre Rechtsgrundlage in § 9
Abs. 1 Satz 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes finden würde, zuständig (vgl. OVG Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 4. November 2003 - 7 A 10959/03.OVG -, ESOVGRP m.w.N.).
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Gemäß Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 und § 27 Abs. 1 WeinG dürfen Erzeugnisse,
die den Rechtsakten der EG, dem Weingesetz oder den aufgrund des Weingesetzes erlassenen
Rechtsverordnungen nicht entsprechen, nicht in Verkehr gebracht werden, sofern nicht eine durch
Rechtsverordnung im Sinne des § 27 Abs. 2 WeinG zugelassene Ausnahme vorliegt. Vorliegend verstößt
die Angabe der Abkürzung "IGT" auf der Etikettierung des von der Klägerin hergestellten Perlweins
indessen nicht gegen derartige Bestimmungen, so dass der Beklagte nicht berechtigt ist, das In-Verkehr-
Bringen zu untersagen.
Perlwein unterliegt gemäß Art. 1 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang I Nr. 17 der Verordnung (EG) Nr.
1493/1999 dem Anwendungsbereich dieser Verordnung, die unter A.4 ihres Anhangs VII bestimmt, dass
hinsichtlich der Etikettierung von Perlwein mit geographischer Angabe noch ergänzende Bestimmungen
ergehen.
Die zur Ausführung dieser Verordnung ergangen Bestimmungen enthält sodann die Verordnung (EG) Nr.
753/2002. Diese führt in ihrem Art. 38 aus, dass für Perlwein Art. 28 der Verordnung entsprechend gilt.
Dort ist im Zusammenhang mit den Ausführungen in Anhang III, der eine Liste der traditionellen Begriffe im
Sinne des Art. 24 der Verordnung enthält, geregelt, dass "indicatione geographica tipica" oder "IGT" einen
traditionellen geographischen Begriff für Weine aus Italien im Sinne des Art. 28 der Verordnung darstellt
und dass hinsichtlich der Tafelweine, die als IGT-Weinewein mit Ursprung in Italien bezeichnet werden,
der Erzeugerstaat strengere einzelstaatliche Regeln für die Verwendung dieser traditionellen Begriffe
festlegen und der Kommission mitteilen kann. Ferner sehen die Absätze 3-5 des Art. 38 der Verordnung
(EG) Nr. 753/2002 ebenfalls ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten Regelungen in Bezug auf die
Verwendung geographischer Begriffe treffen dürfen. Von dieser Möglichkeit hat Italien indessen keinen
Gebrauch gemacht. Wenn es aber in Art. 38 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 753/2002 heißt, dass in
Anwendung von Anhang VII Abschnitt A Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 in der
Gemeinschaft (Hervorhebung durch die Kammer) hergestellte Perlweine mit einer geographischen
Angabe bezeichnet werden können und in diesem Fall die Verkehrsbezeichnung eines Perlweins besteht
aus a) dem Begriff "Perlwein", b) dem Namen der geographischen Einheit und c) einem traditionellen
spezifischen Begriff, so kann hieraus zur Überzeugung der Kammer nur die Schlussfolgerung gezogen
werden, dass die Nennung der Abkürzung IGT für eine geographische Einheit nicht nur solchen
Perlweinen vorbehalten ist, die auch in der geographischen Einheit hergestellt worden sind. Da der
europäische Gesetzgeber in Art. 38 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 ausdrücklich auf in der
Gemeinschaft hergestellte Perlweine abstellt und dem zur Herstellung von Perlwein verwandten
Grundwein für die Qualität eines Perlweins erhebliche Bedeutung zukommt, kann diese Norm nach
Auffassung der Kammer nur dahingehend verstanden werden, dass sich die Frage, ob ein Perlwein mit
geographischer Angabe vorliegt, danach richtet, welcher Wein zu seiner Herstellung verwandt wurde. Da
indessen zur Herstellung des Perlweins der Klägerin nach Aktenlage ausschließlich italienischer IGT-
Tafelwein verwandt wird, ist gegen die Angabe "IGT" auf seiner Etikettierung nichts zu erinnern.
Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, einer fehlenden Mitteilung durch italienische Stellen komme
nur deklaratorische Bedeutung zu, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Von einer lediglich
deklaratorischen Angabe könnte nämlich nur dann ausgegangen werden, wenn sich das Verbot, die
vorliegend streitige geographische Bezeichnung bei dem von der Klägerin hergestellten Perlwein zu
verwenden, bereits unmittelbar aus europarechtlichen Bestimmungen ergeben würde. Dies ist indessen -
wie ausgeführt - nicht der Fall.
Schließlich vermag die Kammer auch die Bedenken des Beklagten nicht zu teilen, dass bei einer
Verwendung des Begriffs "IGT" bei der Herstellung des Perlweins nationales italienisches Recht beachtet
werden müsse. Insoweit kommt es vorliegend nämlich nur darauf an, ob der bei der Herstellung des
Perlweins verwandte IGT-Grundwein ordnungsgemäß hergestellt wurde, was aber durch die
entsprechenden Einfuhrpapiere dokumentiert wird. Die anschließende Herstellung des Endprodukts in
Deutschland muss sich indessen nach den hier geltenden Bestimmungen richten.
Außerdem kann sich die Kammer den Ausführungen des Beklagten zu dem Übereinkommen über
handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums und zur Verordnung (EWG) Nr. 2081/92
nicht anzuschließen. Letztere ist, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, zum 30. März 2006 außer Kraft
getreten und durch die Verordnung (EG) Nr. 510/2006 abgelöst worden. Die Bestimmungen in Art. 2 Abs.
1a, Abs. 1b und Abs. 2 dieser Verordnung (EG) Nr. 510/2006 machen jedoch deutlich, dass eine
Ursprungsbezeichnung als der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen
eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient, nicht
identisch ist mit einer
geographischen Angabe. Hinzu kommt, dass die Verordnung (EG) Nr. 753/2002 zwar den Begriff der
"Ursprungsbezeichnung" kennt, ihn aber gerade nicht im Zusammenhang mit den Bestimmungen über die
Verwendung der geographischen Angaben erwähnt.
Schließlich muss gesehen werden, dass die Etikettierung des von der Klägerin vertriebenen Perlweins
auch nicht gegen Art. 22 und 23 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des
geistigen Eigentums vom 15. April 1994 (BGBl. II S. 1730), zuletzt geändert am 6. Dezember 2005 (ABl.
2007 Nr. L 311 S. 37), die geographische Angaben schützen, verstößt. Art. 22 Abs. 1 definiert die
geographischen Angaben im Sinne des TRIPS-Abkommens als "Angaben, die eine Ware als aus dem
Hoheitsgebiet eines Mitglieds oder aus einer Gegend oder aus einem Ort in diesem Gebiet stammend
kennzeichnen, wenn eine bestimmte Qualität, der Ruf oder eine sonstige Eigenschaft der Ware im
wesentlichen auf ihrer geographischen Herkunft beruht". Art. 22 des Abkommens enthält indessen kein
allgemeines Verbot der Benutzung geographischer Angaben. Die Normen des TRIPS-Abkommens
schützen vielmehr geographische Angaben nur durch das allgemeine Verbot der Irreführung über die
geographische Herkunft und durch das Verbot des Hervorrufens von Verwechslungsgefahr oder das
allgemeine Irreführungsverbot erfassen (vgl. Knaak, Der Schutz geographischer Angaben nach dem
TRIPS-Abkommen, GRUR Int 1995, S. 642/647, beck-online). Verwechslungs- und Irreführungsgefahren
bestehen indessen nicht, denn der von der Klägerin vertriebene Perlwein hat ungeachtet dessen, dass er
in Deutschland hergestellt wird, seinen Ursprung im Sinne dieser Normen in Italien, denn der Herkunft, Art
und Qualität des bei der Herstellung verwandten Weins kommt für die Beurteilung des endgültigen
Produkts herausragende Bedeutung zu, so dass die Erwähnung seiner geographischen Herkunft in der
Etikettierung keine falsche Angabe über den Ursprung des Perlweins darstellt. Außerdem wird - wie die
Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor Gericht besonders hervorgehoben hat - sowohl die
Herstellung durch sie - die Klägerin - als auch die deutsche Bezeichnung "Perlwein" in der Etikettierung
deutlich zum Ausdruck gebracht, so dass ein Irrtum über den Herstellungsort des Produkts
ausgeschlossen erscheint.
Von daher kann der Klage der Erfolg nicht versagt bleiben, wobei die Kammer keine Veranlassung sieht,
gemäß Art. 234 Abs. 1 und 2 EGV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften einzuholen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre
Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO, denn der Frage, ob bei einem in Deutschland aus italienischen IGT-Wein hergestellten Perlwein
die Nennung des traditionellen italienischen Begriffs IGT zulässig ist, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG, vgl. auch OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Dezember 2003 - 7 E 11665/03.OVG -).
Dabei sieht die Kammer keine Veranlassung, die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nach
Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzulassen, denn die Streitwertfestsetzung hat keine grundsätzliche
Bedeutung.