Urteil des VG Stuttgart vom 16.11.2016

berechnung der steuer, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, gerät, verrechnung

VG Stuttgart Urteil vom 16.11.2016, 8 K 3523/15
Leitsätze
Führt der Austausch der auf einem Glückspielgerät aufgespielten Software dazu, dass sich die Bezeichnung des
Gerätes, dessen Zulassungsnummer und dessen Gerätenummer ändern, kommt dies dem Abbau eines Altgeräts
bei gleichzeitiger Aufstellung eines neuen Geräts gleich.
Sieht die Vergnügungssteuersatzung bei der Berechnung der Steuer einen Abzug des vom Automatenaufsteller
zur Erstbefüllung in das Gerät eingebrachten Eigenkapitals vor, so ist dieses in voller Höhe steuermindernd zu
berücksichtigen.
Dies gilt auch dann, wenn diese Berücksichtigung zu einem negativen Einspielergebnis führt. Die
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur sog. "Minuskasse" (vgl. VGH Baden-
Württemberg, Beschl. v. 09.07.2012 - 2 S 740/12 -) ist in diesem Fall nicht anwendbar. Vielmehr ist das sich
ergebende negative Einspielergebnis im Folgemonat anzurechnen oder im Erhebungszeitraum mit dem Ergebnis
anderer Geräte zu verrechnen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2014 in Gestalt deren Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2015
wird aufgehoben, soweit die darin festgesetzte Vergnügungssteuer einen Betrag von 391,82 EUR übersteigt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
1 Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der festgesetzten Vergnügungssteuer.
2 Die Klägerin betreibt in einer Tankstelle im Gemeindegebiet der Beklagten zwei Spielgeräte. Hierbei handelt
es sich zum einen um das Gerät „Super Multi VI“ mit der Zulassungsnummer ...803. Weiterhin war zunächst
das Gerät „Merkur Multi 4“ mit der Zulassungsnummer ...526 aufgestellt, bevor es durch das Gerät „Merkur
Multi VI“ mit der Zulassungsnummer ...029 ersetzt wurde, indem der Hersteller eine neue Spielsoftware
installierte.
3 Die Beklagte erhebt gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 4 Abs. 1 ihrer Vergnügungssteuersatzung in der Fassung vom
16.05.2013 (VStS) Vergnügungssteuer auf Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nach dem Einspielergebnis.
Einspielergebnis ist dabei die elektronisch gezählte Kasse zuzüglich Röhrenentnahmen (sog. Fehlbetrag),
abzüglich Röhrenauffüllungen, Falschgeld, Fehlgeld, Prüftestgeld und gesetzlicher Umsatzsteuer. Gemäß § 5
Abs. 1 lit. a) VStS beträgt die Steuer auf Spielgeräte und/oder Spieleinrichtungen für jeden angefangenen
Kalendermonat je technisch selbständiger Spieleinrichtung für Geräte mit Gewinnmöglichkeit 20 v.H. des
Einspielergebnisses.
4 Auf Grundlage dieser Satzung hat die Beklagte gegenüber der Klägerin mit
Vergnügungssteuerbescheid vom 25.08.2014
Vergnügungssteuer in Höhe von 521,38 EUR
festgesetzt. Dem legte sie auf Grund der eingereichten Zählwerksausdrucke folgende Einspielergebnisse der
einzelnen Automaten zugrunde:
5 Gerät Super Multi VI (Zulassungsnr.: ...803) - Ausdruck Nr. 0009
6 Gerät Merkur Multi 4 (Zulassungsnr.: ...526) - Ausdruck Nr. 0022
Abbau am 27. Juni 2014
7 Gerät Merkur Multi VI (Zulassungsnr.: ...029) - Ausdruck Nr. 0001 und Ausdruck Nr. 0002
Aufbau am 27. Juni 2014
8 Im Fall des Geräts „Merkur Multi VI“ ging die Beklagte davon aus, dass das rechnerisch erzielte Netto-
Einspielergebnis von -647,82 EUR mit 0,00 EUR anzusetzen sei. Dies begründete sie mit der
Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 09.07.2012 (Az.: 2 S 740/12), nach
der es eine negative Vergnügungssteuer nicht gebe und eine „Minuskasse“ sich nicht steuermindernd
auswirken dürfe. Der Aufsteller habe weder einen Anspruch auf Erstattung noch auf Verrechnung. Die
Beklagte legte daher ein Gesamt-Einspielergebnis in Höhe von 2.606,89 EUR zugrunde, aus dem sich bei
Anwendung des genannten Steuersatzes der im Bescheid festgesetzte Betrag ergibt.
9 Hiergegen erhob die Klägerin am 26.08.2014 Widerspruch, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass
das Gesamt-Einspielergebnis falsch errechnet sei und lediglich 1.959,08 EUR betrage. Daher habe sie
lediglich Vergnügungssteuer in Höhe von 391,82 EUR statt der festgesetzten 521,38 EUR zu bezahlen. Die
Beklagte sei unzutreffend davon ausgegangen, dass bei der Umstellung des Geräts „Merkur Multi 4“ auf das
Gerät „Merkur Multi VI“ ein Gerätewechsel stattgefunden habe. Tatsächlich sei lediglich die Software
ausgetauscht worden. Eine Röhrenentnahme im alten und eine Röhrenauffüllung im neuen Gerät habe es
nie gegeben. Sollte es dennoch zu einer Berücksichtigung der Röhrenauffüllung kommen, müsse zumindest
der gesamte Auffüllungsbetrag angerechnet werden. Gegebenenfalls könne eine solche Berücksichtigung
daher erst erfolgen, wenn der Saldo (2) hierfür ausreiche oder der Betrag müsse auf mehrere Monate
aufgeteilt werden. Eine nur teilweise Berücksichtigung sei hingegen nicht hinnehmbar. Der Verweis auf die
Entscheidung des VGH Baden-Württemberg gehe insoweit fehl, da dieser eine tatsächlich erspielte
Minuskasse zugrunde gelegen habe, während eine solche im vorliegenden Fall nicht gegeben sei. Ohne den
Austausch der Software hätte es kein negatives Einspielergebnis gegeben. Außerdem hätte es ihr auch
freigestanden, die Röhren weitgehend zu entleeren, ohne dass die Automaten mehr oder weniger
eingespielt hätten. Der Aufwand der Kunden wäre identisch gewesen.
10 Mit
Widerspruchsbescheid vom 16.06.2015
wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur
Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Es sei von einem Gerätetausch auszugehen. Der Spielgeräte-
Zulassungsdatenbank der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt könne entnommen werden, dass
innerhalb der Bauart-Zulassung verschiedene Softwareversionen existierten, bei deren Aktualisierung sich
weder die Bauart-Zulassung noch die Gerätenummer ändere. Bei dem von der Klägerin vorgenommen
Tausch der Software habe sich aber sowohl der Name des Geräts als auch die Gerätenummer geändert,
weshalb hierbei nicht von einer reinen Aktualisierung der Software ausgegangen werden könne. Die
Berücksichtigung eines negativen Einspielergebnisses komme nicht in Betracht. Der VGH Baden-
Württemberg habe in seinem zitierten Beschluss ausdrücklich festgestellt, dass der Charakter der
Spielgerätesteuer eine Berücksichtigung von Minuskassen nicht zulasse. Die Vergnügungssteuer solle als
örtliche Aufwandsteuer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Spielers, die in der
Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck komme, besteuern. Maßgeblich
sei daher in erster Linie der Betrag, den der Spieler in das Gerät einwerfe. Dieser Vergnügungsaufwand
könne nicht negativ sein, selbst wenn der Gewinn den Spieleinsatz übersteige. Zudem sei eine negative
Kasse stets auf die Röhrenauffüllungen durch den Aufsteller zurückzuführen, denn erst sie ermögliche, dass
die Auszahlung den Spieleinsatz übersteige. Auch eine Verrechnung der Minuskasse mit anderen Geräten
sei nicht möglich, da nach der Vergnügungssteuersatzung die Steuer je Spielgerät und/oder Spieleinrichtung
berechnet werde.
11 Am 16.07.2015 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen im
Widerspruchsverfahren verwiesen.
12 Die Klägerin beantragt,
13 den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2014 in Gestalt deren Widerspruchsbescheids vom 16.06.2015
insoweit aufzuheben, als die festgesetzte Vergnügungssteuer einen Betrag von 391,82 EUR übersteigt,
14 sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
15 Die Beklagte beantragt,
16 die Klage abzuweisen.
17 Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
18 Am 14.10.2016 hat die Kammer eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Beklagtenvertreterin
Ausführungen dahingehend gemacht hat, dass die im streitgegenständlichen Bescheid nicht berücksichtigte
Röhrenauffüllung im Folgemonat berücksichtigt worden sei. Den Beteiligten wurde daher Schriftsatzrecht
gewährt, um zu klären, ob eine solche Berücksichtigung tatsächlich erfolgt ist. Auf die Durchführung einer
weiteren mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten verzichtet. Mit Beschluss vom 07.11.2016 hat die
Kammer die mündliche Verhandlung wiedereröffnet.
19 Mit Schriftsatz vom 27.10.2016 legte die Beklagte unter anderem die Steuerberechnung für das Gerät
„Merkur Multi VI“ in den Monaten August und September 2014 vor. Sie führte ergänzend aus, dass die
Berechnung korrekt erfolgt sei. Eigenkapital des Aufstellers sei nicht besteuert worden. Für die Berechnung
sei jeweils der Saldo (2) zugrunde gelegt worden, der sich aus dem Einwurf, abzüglich Auswurf und
korrigiert um Veränderungen im Auszahlvorrat ergebe. Im konkreten Fall sei die Erstbefüllung durch die
Klägerin auf dem Zählwerksausdruck Nr. 0001 vermerkt und im Monat der Aufstellung steuermindernd
berücksichtigt worden. Im zweiten Auslesestreifen werde die Auffüllung nicht mehr gesondert verzeichnet,
sondern sei im „Altbestand“ des Auszahlvorrats enthalten. Die Verringerung des Auszahlvorrats um 129,80
EUR sei bei der Besteuerung im Folgemonat berücksichtigt worden. Da stets nur die Differenz zwischen dem
alten und dem neuen Auszahlvorrat berücksichtigt werde, komme es nicht zu einer Besteuerung des
Eigenkapitals des Aufstellers.
20 Die Klägerin erwiderte hierauf am 09.11.2016, eine vollständige Berücksichtigung der Erstbefüllung habe
weder im Monat der Aufstellung noch durch Verrechnung im Folgemonat stattgefunden. Ob die
Veränderungen im Auszahlungsvorrat als Grundlage für die Besteuerung herangezogen worden sei, sei
demgegenüber unerheblich.
21 Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die
beigezogene Verwaltungsakte und die Widerspruchsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
22 Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom
25.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.06.2015 ist, soweit die darin festgesetzte
Vergnügungssteuer einen Betrag von 391,82 EUR übersteigt, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 Der angefochtene Bescheid vom 25.08.2014 findet seine Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung
der Vergnügungssteuer der Stadt ... vom 21. Juni 2007 mit Änderungen vom 22. November 2007 und 16.
Mai 2013 (Vergnügungssteuersatzung - VStS). Nach deren § 1 Abs. 2 Nr. 1 unterliegen der
Vergnügungssteuer das gewerbliche Halten von Spielgeräten (Spiel-, Geschicklichkeits- und
Unterhaltungsautomaten und -apparaten) in Gaststätten, Spielhallen, Nachtlokalen, Bars, Vereins- und
ähnlichen Räumen sowie an anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Orten.
24 Gemäß § 4 Abs. 1 VStS wird die Steuer auf Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nach dem Einspielergebnis
erhoben. Einspielergebnis ist dabei die elektronisch gezählte Kasse zuzüglich Röhrenentnahmen (sog.
Fehlbetrag), abzüglich Röhrenauffüllungen, Falschgeld, Fehlgeld, Prüftestgeld und gesetzlicher Umsatzsteuer.
Ausgehend hiervon hat die Beklagte zutreffend ein Einspielergebnis des Geräts „Merkur Multi VI“ für den
Monat Juli 2014 in Höhe von -647,82 EUR netto bei der Berechnung der Steuer zugrunde gelegt.
Auszugehen war insoweit nach dem Zählwerksausdruck Nr. 0002 A 002 vom 16.07.2014 ( /2 der
Verwaltungsakte) von einer elektronisch gezählten Kasse in Höhe von 912,30 EUR und einem zu
addierenden Fehlbetrag in Höhe von 2,00 EUR, sowie einer manuellen Korrektur in Höhe von 0,20 EUR. Von
dem sich hieraus ergebenden Betrag von 914,50 EUR war nach den Vorgaben der
Vergnügungssteuersatzung die Röhrenauffüllung in Höhe von 1.685,40 EUR abzuziehen, die sich aus dem
Zählwerksausdruck Nr. 0001 A 001 vom 27.06.2014 ( /2 der Verwaltungsakte) ergibt. Der somit errechnete
Betrag von -770,90 brutto war um die Umsatzsteuer zu bereinigen, so dass sich ein nach § 4 Abs. 1 VStS für
die Besteuerung zugrunde zu legendes Einspielergebnis von -647,82 EUR netto ergibt.
25 Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Austausch der Software im vorliegenden Fall wie
ein vollständiger Austausch des Spielgerätes zu werten ist und somit bei dem zuvor genutzten Gerät eine
(fiktive) Röhrenentnahme und bei dem Gerät „Merkur Multi VI“ eine (fiktive) Erstbefüllung des
Auszahlvorrats zu berücksichtigen war. Denn obwohl die Röhren tatsächlich während der Umrüstung
unberührt geblieben sind und somit keine reale Röhrenentnahme bzw. -befüllung erfolgt ist, hat sich durch
die neue Software nicht nur der Gerätename von „Merkur Multi 4“ zu „Merkur Multi VI“ geändert. Das
Gerät hat vielmehr eine neuen Zulassungsnummer und eine neue Gerätenummer erhalten. Somit ist,
obwohl die Hardware des Geräts unverändert geblieben ist, von einem Gerätetausch auszugehen. Letztlich
ist es zudem bloßer Zufall, dass die Hardware wiederverwendet werden konnte und dadurch der
Röhreninhalt tatsächlich unberührt geblieben ist.
26 Unzutreffend ist die Beklagte hingegen von einem Gesamt-Einspielergebnis von 2.606,89 EUR ausgegangen.
Aus den einzelnen Einspielergebnissen der Automaten in Höhe von 818,74 EUR, 1.788,15 EUR und -647,82
EUR ergibt sich vielmehr ein Gesamt-Einspielergebnis von 1.959,07 EUR. Für die von der Beklagten
vorgenommene Festsetzung des negativen Einspielergebnisses des Geräts „Merkur Multi VI“ auf 0,00 EUR
fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten kann eine solche
zumindest nicht entnommen werden. Die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg im Beschluss vom
09.07.2012 (Az.: 2 S 740/12) zu der sogenannten „Minuskasse“ kann nicht herangezogen werden. Zwar
wurde dort ausgeführt, der Charakter der Spielgerätesteuer lasse die Berücksichtigung von Minuskassen
nicht zu und der Steuerschuldner habe auch keinen Anspruch auf eine Verrechnung mit den Ergebnissen des
Folgemonats. Dieser Entscheidung lag aber eine andere Sachlage zugrunde. Im vom VGH zu entscheidenden
Fall hatte das Spielgerät tatsächlich einen negativen Kasseninhalt erspielt. Die Gewinne der Spieler hatten
deren Einsätze überstiegen. In diesem - und nur in diesem - Fall ist nach der Ansicht des VGH das
Einspielergebnis zur Berechnung der Steuerhöhe auf 0,00 EUR festzusetzen, da es kein negatives
Vergnügen gebe und allein der Umstand, dass die Spieler mehr gewonnen als eingesetzt hätten, nicht dazu
führen könne, dass der Automatenaufsteller eine Steuererstattung erhalte. Im vorliegenden Fall aber hat
das Gerät keine Minuskasse in diesem Sinne erspielt. Denn ausweislich des bereits zitierten
Zählwerksausdrucks Nr. 0002 A 002 vom 27.06.2014 stand im Berechnungszeitraum einem Einwurf von
2127,30 EUR ein Auswurf von lediglich 1083,20 EUR gegenüber, so dass der Automat ohne
Berücksichtigung der fiktiven Röhrenauffüllung tatsächlich einen positiven Saldo (1) von 1044,10 EUR
erspielt hat. Auch nach Berücksichtigung der Differenzen im Auszahlvorrat, die nach der Erstbefüllung
eingetreten sind und dem Fehlbetrag in Höhe von 2,00 EUR ergibt sich eine positive elektronisch gezählte
Kasse von 914,50 EUR. Erst durch den Umstand, dass die Klägerin den Automaten (fiktiv) mit 1.685,40 EUR
und damit mehr als dem Ergebnis der elektronisch gezählten Kasse aufgefüllt hat, ergibt sich der negative
Betrag. Mit dem Spielverhalten der Kunden hat dies nichts zu tun. Daher ist der hier vorliegende Fall mit
dem vom VGH zur Minuskasse entschiedenen Fall nicht vergleichbar.
27 Eine Nichtberücksichtigung der Erstbefüllung des Automaten über den Betrag der elektronisch gezählten
Kasse hinaus ist zudem deshalb rechtswidrig, weil dies einer Besteuerung des Eigenkapitals des
Automatenaufstellers - hier der Kläger - gleichkommt, für die der Beklagten die Regelungskompetenz fehlt.
Gemäß Art. 105 Abs. 2a GG i.V.m. § 9 Abs. 4 KAG ist die Beklagte berechtigt, eine örtliche Aufwandsteuer
zu erheben. Diese knüpft an die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum
Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit an (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR
1275/79 -, juris; BVerwG, Urteil vom 11.07.2012 - 9 CN 1.11 -, juris). Danach kann die Erstbefüllung der
Röhre und des Dispensers durch die Klägerin - unstreitig - nicht als Aufwand angesehen werden und darf
daher - ebenso unstreitig - nicht besteuert werden. Dies wäre vorliegend jedoch der Fall, wenn die
Erstbefüllung nicht in voller Höhe steuermindernd berücksichtigt wird. Denn nach § 4 Abs. 1 VStS wird jede
Röhrenentnahme in voller Höhe für die Besteuerung herangezogen, unabhängig davon, ob dieser Betrag
ganz oder teilweise aus Auffüllungen durch den Aufsteller oder aus Spielereinsätzen herrührt. Um
sicherzustellen, dass im Ergebnis das Eigenkapital des Aufstellers unversteuert bleibt, hat sich die Beklagte
daher in nicht zu beanstandender Weise dafür entschieden, jede Befüllung durch den Aufsteller in dem
Monat ihrer Durchführung steuermindernd zu berücksichtigen. Wirkt die Befüllung damit zunächst
steuermindernd und zu einem späteren Zeitpunkt in gleicher Weise steuererhöhend, bleibt sie im Ergebnis
unberücksichtigt und damit steuerlich neutral. Wird wie vorliegend die Erstbefüllung hingegen nicht in voller
Höhe berücksichtigt, so führt dies letztlich zu einer Besteuerung des Eigenkapitals des
Automatenaufstellers. Dies gilt zumindest für den Betrag, der auf seine Einfüllung folgend nicht
steuermindernd berücksichtigt wurde, hier somit 770,90 EUR.
28 Nach dem Vorstehenden bleibt festzuhalten, dass die Erstbefüllung in voller Höhe steuermindernd zu
berücksichtigen ist. Dies ist grundsätzlich auf verschiedene Arten durchführbar. Zum einen könnte eine
Verrechnung mit anderen Geräten erfolgen. Zum anderen wäre auch die Berücksichtigung des die
elektronisch gezählte Kasse übersteigenden Betrags im Folgemonat bzw. in den Folgemonaten denkbar.
Ungeachtet der Tatsache, dass eine Anrechnung in den Folgemonaten in der Satzung der Beklagte keine
Grundlage finden würde, ist eine solche hier auch nicht erfolgt. Die Beklagte hat schriftsätzlich am
27.10.2016 entgegen ihrer Ausführungen in der mündlichen Verhandlung selbst angeführt, die Erstbefüllung
im Folgemonat August nur noch als Altbestand angesehen und nicht berücksichtigt zu haben. Dies lässt sich
zudem dem Zählwerksausdrucks Nr. 0003 A 003 vom 19.08.2014 in der Anlage 4 zum genannten
Schriftsatz entnehmen. Berücksichtigt wurde lediglich die Veränderung des Auszahlvorrats. Dieser hat sich
bezüglich des Röhreninhalts (Münzen) von 315,20 EUR auf 304,40 EUR und bezüglich des Disperserinhalts
(Scheine) von 1.500,00 auf 1.280,00 EUR und mithin insgesamt um 230,80 EUR verringert. Dieser Betrag
wurde entsprechend der Vorschriften der Satzung dem zu besteuernden Saldo (2) hinzugerechnet.
Unbeachtet blieb hierbei, dass dieses Geld zum Teil aus der Erstbefüllung stammte. Denn ursprünglich waren
315,40 EUR in die Röhren und 1.370,00 EUR in den Dispenser gefüllt worden. Da die neuen Bestände
hierunter liegen, ist das Eigenkapital damit „angegriffen“. Genau hieran wird aber deutlich, dass die
Erstbefüllung zwingend in voller Höhe anzurechnen ist. Denn nur dann ist für die Besteuerung unerheblich,
woher das Geld im Auszahlvorrat stammt, da das vom Aufsteller eingefüllte Geld steuerlich bereits
„gutgeschrieben“ wurde. Wird dieser Betrag - wie vorliegend - hingegen nicht voll berücksichtigt, so kommt
es spätestens bei dem Abbau des Geräts und der vollständigen Röhrenentnahme oder schon dann, wenn der
Auszahlvorrat hier unter 770,90 EUR fällt, zwangsläufig zu einer unzulässigen Besteuerung des
Eigenkapitals des Aufstellers. Da die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten für den Fall der
Röhrenentnahmen keinerlei Vorgaben darüber enthält, dass nur Geld angerechnet werden darf, welches aus
Spielereinsätzen kommt, hat sie sich damit verbindlich festgelegt, das Eigenkapital insoweit in voller Höhe
bei Einfüllung zu berücksichtigen. Hiergegen hat die Beklagte vorliegend verstoßen.
29 Nachdem eine Berücksichtigung im Folgemonat weder erfolgt noch in der Satzung überhaupt vorgesehen
ist, bleibt allein die Verrechnung des negativen Einspielergebnisses mit den positiven Ergebnissen der
anderen Automaten. Dem steht auch nicht § 5 Abs. 1 lit. a) VStS entgegen. Nach dieser Vorschrift beträgt
die Steuer auf Spielgeräte und/oder Spieleinrichtungen für jeden angefangenen Kalendermonat und je
technisch selbständiger Spieleinrichtung für Geräte mit Gewinnmöglichkeit 20 v. H. vom Einspielergebnis.
Sofern man davon ausginge, dass sich aus der Formulierung „je Spielgerät und/oder Spieleinrichtung“ bzw.
„je technisch selbständiger Spieleinrichtung“ ein Verbot der Verrechnung ergeben sollte, ist die Vorschrift in
verfassungskonformer Weise dahingehend auszulegen, dass hiermit allein die Fälle der Verrechnung einer
echten Minuskasse ausgeschlossen werden sollten. Denn nachdem die Satzung eine Berücksichtigung im
Folgemonat nicht vorsieht, würde eine andere Auslegung zu einer im Ergebnis unterbleibende vollständigen
Berücksichtigung des von der Beklagten nicht besteuerbaren Eigenkapitals führen. Insoweit wäre die
Satzung verfassungswidrig und damit unwirksam. Dies war vom Satzungsgeber sicherlich nicht gewollt. § 5
Abs. 1 lit a) VStS enthält auch kein ausdrückliches Verbot der Verrechnung, so dass diese aus
verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Auslegung möglich ist.
30 Nach alledem ergibt sich nach Anwendung der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten im vorliegenden
Fall bei einem Einspielergebnis von insgesamt 1.959,07 EUR und einem Steuersatz von 20 Prozent eine zu
zahlende Vergnügungssteuer für den Monat Juli 2014 in Höhe von 391,82 EUR. Soweit die Beklagte eine
höhere Steuer festgesetzt hat, war der Bescheid daher aufzuheben.
31 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im
Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, nachdem von der Klägerin
aufgrund der rechtlichen Schwierigkeiten des Falls nicht verlangt werden konnte, ihre Interesse ohne die
Hilfe eines Rechtsanwalts durchzusetzen.
32 Die Berufung war nicht zuzulassen, da die in § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO
aufgeführten Gründe nicht vorliegen.