Urteil des VG Stuttgart vom 10.09.2007

VG Stuttgart: Einbürgerung angolanischer Staatsangehöriger in den deutschen Staatsverband, Verlust der angolanischen Staatsangehörigkeit, anspruch auf einbürgerung, gesetzlicher vertreter, auskunft

VG Stuttgart Urteil vom 10.9.2007, 11 K 2187/06
Einbürgerung angolanischer Staatsangehöriger in den deutschen Staatsverband - Verlust der angolanischen Staatsangehörigkeit -
Zumutbarkeit einer Arbeitsaufnahme bei der Betreuung von Kindern
Leitsätze
1. Bei der Betreuung von drei und mehr Kindern ist eine Arbeitsaufnahme unzumutbar und die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten
oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht zu vertreten (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG).
2. Eine in Deutschland erfolgte Einbürgerung hat kraft angolanischem Recht den automatischen Verlust der bisherigen angolanischen
Staatsangehörigkeit zur Folge, sofern der Einbürgerungsbewerber erklärt, nicht (mehr) Angolaner sein zu wollen. Diese Erklärung kann nach dem
angolanischen Staatsangehörigkeitsgesetz vom 01.07.2005 in jeglicher formlosen Art und Weise abgegeben werden.
3. Die 2. Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG setzt die Stellung eines Entlassungsantrages nicht voraus; sie erfasst vornehmlich die Fälle
erkennbar aussichtsloser Anträge.
4. Die Forderung der Einbürgerungsbehörde, der Ausländer solle zunächst seine pass- und personenstandsrechtlichen Angelegenheiten ordnen, ist
eine unzumutbare Bedingung i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. StAG, wenn für die geforderte Ordnung der pass- und personenstandsrechtlichen
Angelegenheiten längere, unter Umständen mehrjährige Verfahrenszeiten zu erwarten sind.
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, die Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Kläger erstreben die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
2
Die Kläger sind angolanische Staatsangehörige. Der am ... 1964 geborene Kläger zu 1 reiste im Dezember 1992 in das Bundesgebiet ein. Der
am ... 2000 geborene Kläger zu 2 und der am ... 1999 geborene Kläger zu 3 sind die nichtehelichen Kinder des Klägers zu 1 und der am
25.06.2006 verstorbenen .... Ein weiteres minderjähriges Kind des Klägers zu 1 ist bereits im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. Die
Kläger wurden mit Bescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20.06.1995, vom 20.12.1999 und vom
11.06.2001 als Asylberechtigte anerkannt. Diese Anerkennungsbescheide hat das Bundesamt mit Bescheide vom 20.07.2004 widerrufen. Der
Kläger zu 1 ist seit dem 06.07.1995 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Die den Klägern zu 2 und zu 3 am 23.07.2001/03.02.2000
erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse wurden durch Bescheide der Stadt Backnang vom 20.10.2006 widerrufen. Entsprechend der am
20.10.2006 gestellten Anträge auf Erteilung befristeter Aufenthaltserlaubnisse erteilte die Stadt Backnang den Klägern zu 2 und zu 3 am
06.09.2007 bis zum 05.09.2008 befristete Aufenthaltserlaubnisse. Seit dem 14.04.2003 befindet sich der Kläger zu 1 in einem unbefristeten
Arbeitsverhältnis bei der Firma ... in Waiblingen.
3
Am 21.05.2003 beantragten die Kläger ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Am 25.08.2003 gab der Kläger zu 1 gegenüber dem
Landratsamt Rems-Murr-Kreis eine Loyalitätserklärung ab. Nach einer Auskunft aus dem Zentralregister vom 09.03.2006 ist der Kläger zu 1 nicht
vorbestraft.
4
Mit Bescheid vom 27.08.2003 erteilte das Landratsamt Rems-Murr-Kreis den Klägern eine bis zum 26.08.2005 gültige
Einbürgerungszusicherung. Mit weiterem Bescheid vom 07.04.2005 erteilte das Landratsamt Rems-Murr-Kreis den Klägern eine bis zum
06.04.2007 gültige Einbürgerungszusicherung.
5
Mit Schriftsatz vom 09.08.2005 legte der Kläger zu 1 eine „Erklärung“ der Botschaft der Republik Angola in der Bundesrepublik Deutschland vom
04.08.2005 vor. Darin heißt es: „Hiermit erklärt die Botschaft der Republik Angola, Konsularabteilung, dass Herr ... am heutigen Tag
vorgesprochen hat, um seine Entlassung aus der angolanischen Staatsangehörigkeit zu beantragen. Herr ... hat alle hierzu notwendigen
Dokumente angegeben und ist damit ab sofort kein angolanischer Staatsbürger mehr“.
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Am 19.01.2006 teilte der Kläger zu 1 dem Landratsamt Rems-Murr-Kreis gegenüber mit, bei seiner persönlichen Vorsprache bei der
angolanischen Botschaft habe er keinerlei Papiere dabei gehabt. Nur auf Befragen, wo er geboren sei und wo seine Angehörigen wohnten und
auf Grund seiner Sprache sei ihm die Erklärung der angolanischen Botschaft ausgestellt worden.
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Mit Schriftsatz vom 02.03.2006 brachte der Kläger zu 1 vor, anlässlich seiner vierstündigen Botschaftsvorsprache am 04.08.2005 habe er
unzweideutig gegenüber dem Botschafter bekundet, nicht mehr angolanischer Staatsangehöriger sein zu wollen; deshalb habe die
angolanische Botschaft ihn aus der angolanischen Staatsangehörigkeit entlassen.
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Am 06.06.2006 haben die Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, seiner Heimatvertretung in Berlin habe der Kläger zu 1 die in
portugiesischer Sprache übersetzte Einbürgerungszusicherung des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 07.04.2005 übersandt. Weiter habe er
ein Anschreiben vom 02.05.2005 an die Botschaft der Republik Angola in Berlin gesandt, in dem der Kläger zu 1 nicht nur auf die ihm erteilte
Einbürgerungszusicherung, sondern auch auf seinen Willen hingewiesen habe, deutscher Staatsbürger werden zu wollen. Zudem habe er mit
einer Selbsterklärung „Auto de declaracao“ vom 27.05.2006 seiner Heimatvertretung unmissverständlich klar gemacht, dass er nicht länger
angolanischer Staatsbürger sein wolle, sondern auf Grund der ihm und seinen beiden Kindern erteilten Einbürgerungszusicherung eine
Einbürgerung in den deutschen Staatsverband anstrebe. Schließlich habe er sich im Beisein von zwei Zeugen zu seiner Heimatvertretung
begeben und dort persönlich seine Entlassung aus der angolanischen Staatsbürgerschaft beantragt. Daraufhin sei ihm die Erklärung der
angolanischen Botschaft vom 04.08.2005 ausgehändigt worden, dass er kein angolanischer Staatsbürger mehr sei. Nach rechtskräftigem
Abschluss der Asylwiderrufsverfahren hätten sie die ihnen erteilten internationalen Reisepässe bei der Ausländerbehörde abgegeben. Seitdem
seien sie nicht mehr im Besitz von Identitätspapieren. Auf Grund ihrer Staatenlosigkeit und der fehlenden Identitätspapiere müssten sie bei
Polizeikontrollen mit Ingewahrsamnahme rechnen und könnten ihren geplanten Jahresurlaub im Ausland nicht antreten. Die Ausbürgerung des
Klägers zu 1 beinhalte gleichzeitig auch die Mitausbürgerung der minderjährigen Kläger zu 2 und 3. Zum Zeitpunkt der persönlichen Vorsprache
des Klägers zu 1 bei der angolanischen Botschaft in Berlin am 04.08.2005 sei das Asylwiderrufsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen
gewesen. Der Kläger zu 1 habe deshalb keine Papiere seines Heimatstaats vorlegen können. Die „Erklärung“ der angolanischen Botschaft vom
04.08.2005 sei dem Kläger zu 1 vor Zeugen erstellt und ausgehändigt worden. Es sei unverständlich, dass die eindeutige Erklärung der
angolanischen Botschaft vom Beklagten nicht anerkannt werde. Der Beklagte halte ihnen auch zu Unrecht vor, sie müssten zunächst ihre pass-
und personenstandsrechtlichen Angelegenheiten ordnen, um danach eine wirksame Verzichtserklärung abgeben zu können. Denn sie seien
keine angolanischen Staatsangehörige mehr und könnten deshalb von der angolanischen Botschaft auch keine personenstandsrechtlichen
Unterlagen mehr erhalten. Der Kläger zu 1 sei vielmehr auf Grund der Einbürgerungsurkunde der angolanischen Botschaft vom 04.08.2005
rechtswirksam ausgebürgert worden. Dies gelte selbst für den Fall, dass die angolanische Botschaft für den Erlass dieses Hoheitsaktes nicht
zuständig gewesen sein sollte. Zum Zwecke der Urlaubsvorbereitung habe der Kläger zu 1 bei der angolanischen Botschaft angerufen und um
Ausstellung eines zumindest vorläufigen Reisepasses gebeten. Dort sei ihm unmissverständlich mitgeteilt worden, dass er kein Bürger Angolas
mehr sei und deshalb einen Reisepass nicht erhalten könne. Diese Auskunft der angolanischen Botschaft spreche für die Rechtskraft der
Ausbürgerungsurkunde vom 04.08.2005. Die Kläger zu 2 und 3 könnten keine Geburtsurkunden erhalten, da sie sich seit ihrer Geburt in
Deutschland aufhielten. Die Ausbürgerung des Klägers zu 1 beinhalte auch die Mitausbürgerung der Kläger zu 2 und 3.
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Die Kläger beantragen,
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den Beklagten zu verpflichten, sie in den deutschen Staatsverband einzubürgern;
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hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über ihre Einbürgerungsanträge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu
entscheiden.
12 Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14 Er trägt vor, eine Verzichtserklärung auf die angolanische Staatsangehörigkeit könne über die Auslandsvertretung oder direkt schriftlich beim
angolanischen Justizministerium abgegeben werden. Hierzu würden neben Personalpapieren und der Einbürgerungszusicherung auch eine
Geburtsurkunde benötigt. Da der Kläger zu 1 diese Dokumente bei seiner Vorsprache bei der angolanischen Botschaft nicht mit sich geführt
habe, habe er eine rechtsgültige Verzichtserklärung nicht abgeben können. Die Botschaft habe folglich auch keine Verzichtserklärung an das
zuständige angolanische Justizministerium weiterleiten können. Der Kläger zu 1 habe bisher nichts unternommen, um den Verlust der
angolanischen Staatsangehörigkeit herbeizuführen. Es sei ihm zumutbar, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen
Angelegenheiten zu ordnen, um danach eine wirksame Verzichtserklärung abgeben zu können. Da über einen Entlassungsantrag allein das
angolanische Justizministerium nach Vorlage einer Geburtsurkunde zu entscheiden habe, sei das Schreiben der angolanischen Botschaft vom
04.08.2005 wertlos.
15 Das Gericht hat mit Beschluss vom 06.11.2006 Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes. Das
Auswärtige Amt hat sich mit Schreiben vom 06.07.2007 zu den Beweisfragen geäußert.
16 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte des Beklagten und die Ausländerakten der
Stadt Backnang verwiesen.
Entscheidungsgründe
17 Die Klagen sind als Untätigkeitsklagen gemäß § 75 VwGO zulässig. Der Beklagte hat über die Anträge der Kläger vom 21.05.2003 in
angemessener Frist sachlich nicht entschieden.
18 Die Klagen sind auch begründet. Die Kläger haben Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Einbürgerung in den deutschen
Staatsverband.
19 Die Frage, ob den Klägern der von ihnen geltend gemachte Anspruch zukommt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. vom 19.08.1996, InfAuslR 1996, 399). § 40c StAG i.d.F. des am 28.08.2007 in Kraft
getretenen Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970)
bestimmt jedoch, dass auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8-14 und 40 c in der vor dem 28.08.2007
geltenden Fassung anzuwenden sind, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Dementsprechend ist vorliegend auf das
Staatsangehörigkeitsgesetz vom 15.07.1999 (BGBl. I S. 1618), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2005 (BGBl. I S. 721), abzustellen, da
das Staatsangehörigkeitsgesetz 1999 für die Kläger günstigere Bestimmungen enthält.
20 Grundlage des Anspruchs der Kläger auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist § 10 StAG 1999. Die dort normierten
Voraussetzungen, unter denen ein Ausländer auf seinen Antrag einzubürgern ist, liegen vor.
21 Der Kläger zu 1 hat seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis (vgl. §
101 Abs. 1 AufenthG), ist nicht wegen einer Straftat verurteilt und hat die erforderliche Loyalitätserklärung abgegeben. Zwar nimmt der Kläger zu
1 seit dem Jahr 2005 Arbeitslosengeld II in Anspruch. Von dem Erfordernis der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 10 Abs.
1 Satz 1 Nr. 3 StAG 1999 ist jedoch nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StAG 1999 abzusehen. Nach dieser Bestimmung ist von der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr.
3 StAG 1999 bezeichneten Voraussetzung abzusehen, wenn der Ausländer aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund den Lebensunterhalt
nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem zweiten oder zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann. Diese Voraussetzung
liegt hier vor. Es würde dem Wohl der minderjährigen Kinder des Klägers zu 1 widersprechen, wenn der Kläger zu 1 derzeit einer (Teilzeit)arbeit
nachgehen würde. Bei der Betreuung von drei (und mehr) Kindern ist eine Arbeitsaufnahme unzumutbar (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom
18.05.1998 - 7 S 933/98 - juris -). Diese zum früheren Sozialhilferecht ergangene Rechtsprechung ist auch im vorliegenden Fall von Bedeutung,
in dem die Nachfolgevorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II einbürgerungsrechtlich grundsätzlich Geltung beansprucht (vgl. VGH Bad.-Württ.,
Beschl. vom 06.08.2007 - 13 S 2838/06 -). Unter Berücksichtigung seiner Sorgerechtspflichten und der ihm obliegenden familienrechtlichen
Pflichten ist dem Kläger zu 1 damit zumindest gegenwärtig eine Arbeitsaufnahme nicht zumutbar (vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 29.12.2005,
NJW 2006, 2317 = FamRZ 2006, 469 und Beschl. vom 14.12.2006, FamRZ 2007, 273).
22 Entgegen der Ansicht des Beklagten steht § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG 1999 der Einbürgerung des Klägers zu 1 nicht entgegen. Das Erfordernis
der Aufgabe oder des Verlustes der bisherigen Staatsangehörigkeit greift im Falle des Klägers zu 1 nicht (mehr), da er nach Überzeugung des
Gerichtes mittlerweile staatenlos ist. Der Kläger hat mit der Erklärung der angolanischen Botschaft in Berlin vom 04.08.2005 seine angolanische
Staatsbürgerschaft verloren. Ob diese Entlassung aus der angolanischen Staatsbürgerschaft durch die angolanische Botschaft in Berlin unter
Verstoß gegen angolanische Verfahrensbestimmungen erfolgte, kann dahingestellt bleiben. Anhaltspunkte dafür, dass ein eventueller
Verfahrensverstoß zur Nichtigkeit der Erklärung vom 04.08.2005 führt, hat der Beklagte nicht aufgezeigt und solche sind auch nicht erkennbar.
23 Darüber hinaus erfüllt der Kläger zu 1 aber auch die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG 1999 genannte Voraussetzung, sofern er noch
angolanischer Staatsangehöriger sein sollte. Denn der Kläger zu 1 verliert mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband automatisch
seine bisherige angolanische Staatsangehörigkeit. Nach Art. 15 Abs. 1 a des angolanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 01.07.2005
verliert die angolanische Staatsangehörigkeit, wer freiwillig eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt und erklärt, nicht Angolaner sein zu wollen.
Damit hat eine in Deutschland erfolgte Einbürgerung kraft angolanischem Recht den automatischen Verlust der bisherigen angolanischen
Staatsangehörigkeit zur Folge, sofern der Einbürgerungsbewerber erklärt, nicht Angolaner sein zu wollen.
24 Im Gegensatz zu Art. 34 des früheren angolanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 13/91 vom 11.05.1991 sieht das
Staatsangehörigkeitsgesetz vom 01.07.2005 eine Ausführungsverordnung nicht vor (vgl. aber Art. 13 Abs. 4 StAG Angola 2005, wo im Hinblick
auf die Verleihung der angolanischen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung auf eine noch nicht erlassene Durchführungsverordnung
verwiesen wird). Das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 01.07.2005 enthält auch keine Regelung, wonach die Normen der durch das Dekret 1/86
vom 11.01.1986 gebilligten Ausführungsverordnung angewandt werden können (so aber noch Art. 36 Abs. 2 des angolanischen
Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 11.05.1991). Nähere Bestimmungen, wie die Erklärung, nicht Angolaner sein zu wollen, abzugeben ist, gibt
es nicht. Art. 34 des angolanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 01.07.2005 sieht lediglich vor, dass Fragen, die sich bei der Auslegung
und Anwendung dieses Gesetzes ergeben, von der Nationalversammlung geklärt werden; nach Art 8 StAG Angola 2005 obliegt die
Begutachtung und Entscheidung aller Fragen, die den Erwerb, den Wiedererwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit betreffen, dem
Ministerrat, sofern nicht die Nationalversammlung dafür zuständig ist. Da das angolanische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 01.07.2005 aber
gerade eine Anwendung der Normen der durch das Dekret 1/86 vom 11.01.1986 gebilligten Ausführungsverordnung nicht mehr vorsieht, muss
im Umkehrschluss davon ausgegangen werden, dass die Erklärung, nicht mehr Angolaner sein zu wollen, in jeglicher (formlosen) Art und Weise
abgegeben werden kann. Etwas anderes folgt auch nicht aus der in diesem Verfahren eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom
06.07.2007. Darin nimmt das Auswärtige Amt fälschlicherweise zu den Anforderungen an die Entlassung aus der angolanischen
Staatsangehörigkeit Stellung, obwohl der Beweisbeschluss nur Fragen zum Verlust der angolanischen Staatsangehörigkeit enthielt. Die Auskunft
des Auswärtigen Amtes vom 06.07.2007 ist vorliegend somit unbrauchbar. Der Kläger zu 1 hat am 04.08.2005 - mittlerweile wohl unstreitig - in
der Botschaft der Republik Angola in Berlin unzweideutig erklärt, nicht mehr Angolaner sein zu wollen. Damit liegt die Voraussetzung für einen
automatischen Verlust der bisherigen angolanischen Staatsangehörigkeit im Falle einer in Deutschland erfolgten Einbürgerung vor. Die in Art. 19
Abs. 1, Art. 21 und Art. 25 des angolanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 01.07.2005 enthaltenen Bestimmungen regeln lediglich den
Nachweis des erfolgten Verlustes der Staatsangehörigkeit und setzen damit den eingetretenen Verlust der Staatsangehörigkeit voraus.
25 Unabhängig von der Erfüllung der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG 1999 kann sich der Kläger zu 1 auf die in § 12 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 2. Alternative StAG 1999 genannte Fallgruppe berufen. Danach ist die Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorzunehmen,
wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht. Die 2. Alternative
des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG 1999 setzt die Stellung eines Entlassungsantrages nicht voraus; sie erfasst vornehmlich die Fälle erkennbar
aussichtsloser Anträge (vgl. BVerwG, Urt. vom 03.05.2007 - 5 C 3/06 - juris -). Dass der Beklagte den Kläger zu 1 aufgefordert hat, zunächst seine
pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, ist an sich nicht zu beanstanden. Dieses Verlangen setzt jedoch voraus,
dass der Einbürgerungsbewerber eine realistische Chance hat, die ihm angesonnene Entlassungsvoraussetzung unter zumutbaren
Bedingungen erfüllen zu können (vgl. BVerwG, Urt. vom 03.05.2007 aaO.). Sind längere, unter Umständen mehrjährige Verfahrenszeiten für die
Ordnung der pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu erwarten, so begründet dies für sich allein schon die Unzumutbarkeit
(vgl. BVerwG, Urt. vom 03.05.2007 aaO.). So aber liegt der Fall hier. Der Kläger zu 1 ist weder im Besitz eines angolanischen Passes noch einer
Geburtsurkunde. Er hat im Klageverfahren substantiiert und in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er bei der angolanischen
Botschaft in Berlin um die Ausstellung eines Reisepasses nachgesucht hat, ihm jedoch mitgeteilt worden sei, dass er kein Bürger Angolas (mehr)
sei und keine Möglichkeit bestehe, ihm einen Pass zu erteilen. Selbst wenn der Kläger zu 1 - entsprechend der Aufforderung des Beklagten -
beim zentralen Standesamt eine neue Geburtsurkunde beantragen und einen Antrag beim angolanischen Justizministerium auf Entlassung aus
der angolanischen Staatsangehörigkeit stellen würde, wären die Erfolgsaussichten dieser Anträge nach der eingeholten Auskunft des
Auswärtigen Amtes offen. Angesichts der zu erwartenden mehrjährigen Verfahrenszeiten und der völlig offenen Erfolgsaussichten ist jedenfalls
im vorliegenden Fall die Forderung des Beklagten, der Kläger zu 1 solle zunächst seine pass- und personenstandsrechtlichen Angelegenheiten
ordnen, eine unzumutbare Bedingung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Alternative StAG 1999.
26 Auch die Kläger zu 2 und 3 haben Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 10 StAG 1999. Da die Kläger zu 2 und 3
das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, müssen sie ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht ablegen (§ 10
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 StAG 1999). Weiter ist nicht erforderlich, dass sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr.
3 sowie Satz 3 StAG 1999). Der Kläger zu 3 hat auch seit mehr als acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt rechtmäßig im Bundesgebiet.
Der am 11.07.2000 im Bundesgebiet geborene Kläger zu 2 erfüllt das in § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG 1999 normierte Aufenthaltsdauererfordernis
(noch) nicht. Von diesem Erfordernis kann aber im Falle einer hier möglichen Einbürgerung nach § 10 Abs. 2 StAG 1999 abgesehen werden. Der
Widerruf der ihnen am 23.07.2001/03.02.2000 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis durch die Stadt Backnang mit Bescheid vom
20.10.2006 hatte keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet, da durch die am 20.10.2006 bei der Stadt
Backnang gestellten Anträge auf Erteilung befristeter Aufenthaltserlaubnisse ihr bisheriger Aufenthaltstitel bis zur Entscheidung der
Ausländerbehörde als fortbestehend gilt (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Die Kläger zu 2 und 3 sind im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung auch im Besitz der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG 1999 erforderlichen Aufenthaltserlaubnis.
27 Die Kläger zu 2 und 3 erfüllen auch die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG 1999 normierte Voraussetzung, da sie mit der Einbürgerung in den
deutschen Staatsverband automatisch ihre bisherige angolanische Staatsangehörigkeit verlieren und erklärt haben, nicht Angolaner sein zu
wollen. Diese Erklärung, nicht Angolaner sein zu wollen, hat der Kläger zu 1 als gesetzlicher Vertreter der Kläger zu 2 und 3 bei seiner
Vorsprache in der angolanischen Botschaft am 04.08.2005 abgegeben. Dies reicht nach den obigen Darlegungen, auf die zur Vermeidung von
Wiederholungen verwiesen wird, aus, um mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband automatisch die angolanische
Staatsangehörigkeit zu verlieren. Im Übrigen können sich auch die Kläger zu 2 und 3 auf die Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
2. Alternative StAG 1999 berufen; auf die obigen Ausführungen kann verwiesen werden.
28 Anhaltspunkte für die Annahme eines Ausschlussgrundes nach § 11 StAG sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Auf Grund des
erfolgreichen Schulbesuchs hat das Gericht keine Zweifel daran, dass die Kläger zu 2 und 3 über die erforderlichen schriftlichen Kenntnisse der
deutschen Sprache verfügen.
29 Zwar steht die Einbürgerung des Klägers zu 2 nach § 10 Abs. 2 StAG 1999 im Ermessen der Behörde. Private oder öffentliche Gesichtspunkte,
die gegen eine Miteinbürgerung des Klägers zu 2 sprechen könnten (vgl. zur Ermessensbetätigung Berlit in GK-StAR § 10 RdNr. 31 ff.) sind
weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Damit kommt dem Prinzip der Einheit der Staatsangehörigkeit in der Familie entscheidende
Bedeutung zu, so dass das Ermessen des Beklagten nach § 10 Abs. 2 StAG 1999 auf Null reduziert ist.
30 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.