Urteil des VG Stuttgart vom 16.10.2012

VG Stuttgart: bebauungsplan, konzept, ausschluss, erhaltung, gebot der erforderlichkeit, vereinfachtes verfahren, öffentliche urkunde, gemeinderat, satzung, gewerbe

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 16.10.2012, 3 S 1191/10
Leitsätze
Mit dem Ziel der Innenentwicklung können in einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB
keine Festsetzungen jenseits des Zwecks der Erhaltung oder Entwicklung zentraler
Versorgungsbereiche gerechtfertigt werden.
Tenor
Der Bebauungsplan "Gewerbepark Stuttgarter Straße/nördlich Bahnhof Bietigheim“ in der
Fassung vom 30. Juni 2009 und in der Fassung vom 25. September 2012 wird für unwirksam
erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan „Gewerbepark Stuttgarter
Straße / nördlich Bahnhof Bietigheim“ der Antragsgegnerin.
2 Der Bebauungsplan umfasst eine überwiegend bebaute Fläche von ca. 13,8 ha zwischen
der Stuttgarter Straße (B 27) im Westen und Süden und der Bahnlinie, die das Plangebiet
im Norden und Osten begrenzt. Das gesamte Gelände zählte früher zum Werksgelände
der Firma ...... (...- ... ...-...); teilweise wird es von dieser heute noch als Verwaltungs- und
untergeordneter Produktionsstandort genutzt. Im Plangebiet liegen auch die Grundstücke
Flst.-Nrn. ..., ..., ..., ... und ... mit einer Gesamtfläche von ca. 4,8 ha, die im Eigentum der
Antragstellerin stehen und großflächig mit Gewerbehallen bebaut sind.
3 Der Bebauungsplan enthält für das Plangebiet allein die Festsetzung:
4
„Einzelhandelsbetriebe jeder Art sind ausgeschlossen. Die zulässige Nutzung bestimmt
sich im Übrigen nach § 34 BauGB“.
5 Das Planungsverfahren, das die Antragsgegnerin aus Anlass mehrerer Bauvoranfragen
der Antragstellerin über die planungsrechtliche Zulässigkeit unterschiedlicher
Einzelhandelsbetriebe auf ihren Grundstücken einleitete, verlief wie folgt: Am 17.02.2009
beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin, für das jetzige Plangebiet einen
Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB im vereinfachten Verfahren aufzustellen, sowie
einen Entwurf, dessen Festsetzungen dem jetzigen Plan entsprachen, öffentlich
auszulegen. In der Begründung wurde als Planziel die Sicherung und Entwicklung der
Innenstadt Bietigheim als eines regionalbedeutsamen Einzelhandelsschwerpunkts sowie
definierter zentraler stadtteilbezogener Versorgungsbereiche (Buch und Bissingen) auf der
Basis des Einzelhandelskonzepts der Antragsgegnerin genannt. Zu dessen Realisierung
solle die zu überplanende Fläche von jeglichem Einzelhandel freigehalten werden,
unabhängig von dessen Groß- oder Nichtgroßflächigkeit, Innenstadt- oder
Nichtinnenstadtrelevanz. Denn nach dem „...-Gutachten“ würde Einzelhandel im
Plangebiet zu einer Schwächung der genannten Zentren durch einen Kaufkraftabzug
führen. Dies gelte auch für die Zulassung von nicht innenstadtrelevanten Sortimenten, weil
stets innenstadtrelevante Randsortimente mit zuzulassen seien.
6 Davor hatte die Antragsgegnerin ihr im Jahre 1993 erstelltes und im Jahr 2007
fortgeschriebenes Einzelhandelskonzept auf Grundlage einer Markt- und
Standortuntersuchung der ... überarbeitet; der Gemeinderat hatte die aktualisierte Fassung
vom Januar 2009 am 27.01.2009 gebilligt.
7 Die öffentliche Auslegung des Planentwurfs einschließlich Begründung erfolgte nach
öffentlicher Bekanntmachung am 21.02.2009 in der Zeit vom 02.03.2009 bis 02.04.2009.
Die Antragstellerin erhob mit Schreiben vom 31.03.2009 Einwendungen und machte im
Wesentlichen geltend, Einzelhandel auf ihren Grundstücken stehe der Erhaltung und
Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Innenstadt von Bietigheim sowie in den
Ortskernen von Bissingen und Buch nicht entgegen. Er stelle vielmehr eine sinnvolle
Ergänzung der stadtnahen zentralen Versorgungsbereiche dar, da es sich um einen
geografisch städtebaulich integrierten Standort handele. In den stadtnahen zentralen
Versorgungsbereichen gebe es keine Entwicklungsflächen für dort wünschenswerte
Einzelhandelsnutzungen. Das ...-Gutachten habe nicht untersucht, ob eine
Einzelhandelsentwicklung auf den Grundstücken der Antragstellerin eine konkrete
Beeinträchtigung der Zentren zur Folge habe. Der Bebauungsplanentwurf schließe zudem
jegliche Einzelhandelsnutzung aus, ohne zwischen zentrenrelevanten und nicht
zentrenrelevanten Sortimenten zu unterscheiden. Auf den Grundstücken der
Antragstellerin sei damit selbst der Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen nicht mehr möglich,
obwohl er keinerlei Auswirkungen auf die Zentren habe. Unzutreffend sei auch die
Erwägung, dass Einzelhandelsbetriebe mit nicht innenstadtrelevanten Sortimenten immer
innenstadtrelevante Randsortimente anböten.
8 Am 30.06.2009 wies der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Einwendungen der
Antragstellerin zurück und beschloss den Planentwurf als Satzung. Der Plan wurde
ausgefertigt und am 08.07.2009 öffentlich bekanntgemacht.
9 Die Antragstellerin hat am 28.05.2010 das Normenkontrollverfahren eingeleitet und
beantragt, den Bebauungsplan vom 30.06.2009 für unwirksam zu erklären. Mit Schreiben
vom 06.07.2010 hat sie gegenüber der Antragsgegnerin die Fehlerhaftigkeit des Plans
gerügt und im Einzelnen ausgeführt, dass der Ausschluss jeglichen Einzelhandels im
Plangebiet - in dem sich bereits ein Sportartikelladen mit einer Verkaufsfläche von 111,6
m² befinde - auf der Grundlage von § 9 Abs. 2a BauGB durch das Einzelhandelskonzept
der Antragsgegnerin insbesondere mit Blick auf den Ausschluss nicht zentrenrelevanter
Sortimente und handwerksbezogenen Einzelhandels nicht getragen werde. Entsprechend
hat sie ihren Normenkontrollantrag begründet.
10 Am 26.06.2012 hat der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschlossen, zum Plan ein
ergänzendes vereinfachtes Verfahren durchzuführen, um die bisherige Zielsetzung,
insbesondere im Hinblick auf den Ausschluss jeglichen Einzelhandels, zu untermauern
und deutlicher herauszuarbeiten, und das Planverfahren mit der öffentlichen Auslegung
wieder aufzunehmen. Diese Auslegung ist nach öffentlicher Bekanntmachung vom
05.07.2012 in der Zeit vom 16.07.2012 bis 16.08.2012 erfolgt. Die Antragstellerin hat in
dieser Zeit erneut Einwendungen gegen den Plan erhoben. Diese hat der Gemeinderat
der Antragsgegnerin am 25.09.2012 zurückgewiesen und dann den Bebauungsplan mit
neuer Begründung als Satzung beschlossen. Die neue Begründung des Plans wiederholt
die frühere und ergänzt, allgemeines Ziel und Zweck der Planung sei auch die Sicherung
der immer knapper werdenden Flächen für gewerbliche Nutzungen und Dienstleistungen.
Würde Einzelhandel zugelassen, würde das heute schon hohe Verkehrsaufkommen
kräftig gesteigert und die Verkehrsfunktion der B27 als Hauptverkehrsstraße in Frage
gestellt. Nach dem Einzelhandelskonzept bestehe nur ein geringer Entwicklungsbedarf im
nicht zentrenrelevanten Sortimentsbereich, der vollständig in den bestehenden, für
Einzelhandel geeigneten Gewerbegebieten realisiert werden könne. Zusätzliche
Entwicklungsflächen außerhalb dieser Gewerbegebiete seien städtebaulich weder
sinnvoll noch notwendig. Von den Flächen im Plangebiet gehe ein erhebliches
Gefährdungspotential für die Innenstadt und die Stadtteilzentren, vor allem in Buch, aus,
weshalb die ... einen vollständigen Einzelhandelsausschluss empfohlen habe. Auf die
Stellungnahme der ... vom 10.05.2012, die der Begründung als Anlage beigefügt sei,
werde verwiesen.
11 Der Oberbürgermeister hat die Begründung samt anliegender Stellungnahme am
01.10.2012 mit dem Vermerk versehen:
12 „Es wird hiermit bestätigt, das die anliegende Begründung samt Anlage dem
Satzungsbeschluss des Gemeinderats der Stadt Bietigheim-Bissingen vom 25.09.2012
zu Grunde lag. Sie wird hiermit ausgefertigt. […]“
13 Die ortsübliche Bekanntmachung des Bebauungsplans ist am 04.10.2012 unter
Bezugnahme auf den Plan mit Textteil vom Februar 2009 und die Begründung vom Juni
2012 erfolgt.
14 Die Antragstellerin hält auch nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens den
vollständigen Einzelhandelsausschluss für rechtswidrig und rügt darüber hinaus, im
ergänzenden Verfahren sei entgegen § 3 Abs. 2 BauGB kein Entwurf einer Satzung,
sondern nur der Abgrenzungsplan für den räumlichen Geltungsbereich mit der ergänzten
Planbegründung und der Stellungnahme der ... ausgelegt worden. Auch der
Satzungsbeschluss vom 25.09.2012 beziehe sich nicht auf die textlichen Festsetzungen
des Plans, wie sich aus der Gemeinderatsvorlage ergebe. Dementsprechend fehle es
auch an einer Ausfertigung der Satzung, was der Inhalt des Ausfertigungsvermerks vom
01.10.2012 belege.
15 Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
16 den Bebauungsplan der Antragsgegnerin „Gewerbepark Stuttgarter Straße / nördlich
Bahnhof Bietigheim, Planbereich 2.2“ in der Fassung vom 30.06.2009 und in der
Fassung vom 25.09.2012 für unwirksam zu erklären.
17 Die Antragsgegnerin beantragt,
18 den Antrag abzuweisen.
19 Sie vertritt die Auffassung, der Antrag sei unbegründet. Dem Bebauungsplan liege ihr
Einzelhandelskonzept zu Grunde, das sie über die letzten Jahrzehnte hinweg
widerspruchsfrei und konsequent angewendet und weiterentwickelt habe. Der Plan diene
sowohl der Einzelhandelssteuerung zur Sicherung und Entwicklung der zentralen
Versorgungsbereiche als auch der Entwicklung und Zurverfügungstellung von
gewerblichen und Dienstleistungsflächen. Sie differenziere konzeptionell nicht nur
zwischen zentren- und nicht zentrenrelevanten Sortimenten, sondern zwischen drei
Gebietskategorien, nämlich den zentralen Versorgungsbereichen, in denen der gesamte
Einzelhandel zugelassen sei, Gewerbe- und Mischgebieten, in denen der nicht
innenstadtrelevante Einzelhandel zugelassen sei, und Baugebieten, in denen jeglicher
Einzelhandel ausgeschlossen sei, um diese Bereiche der sonstigen gewerblichen und
dienstleistenden Nutzung vorzubehalten. Alle drei Kategorien dienten der Stärkung und
Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche. Die Antragsgegnerin habe seit Beginn
ihrer Einzelhandelskonzeption darauf geachtet, dass die Flächen für den nicht
innenstadtrelevanten Einzelhandel die prognostisch erforderliche Größe, wie sie auch
durch den Regionalplan vorgegeben werde, nicht überschritten. In der Praxis des heutigen
nicht innenstadtrelevanten Einzelhandels gebe es keinen Betrieb, der ohne
innenstadtrelevante Randsortimente auskomme. Selbst der Handel mit
Mineralölerzeugnissen finde auch in Tankstellen statt, die je nach Größe durchaus der
lebensmittelmäßigen Grundversorgung dienen könnten. Das im Rahmen der
Einzelhandelskonzeption mit verfolgte Ziel, bisher einzelhandelsfreie Flächen weiterhin
einzelhandelsfrei zu lassen, diene auch der in § 9 Abs. 2a BauGB ebenfalls genannten
Innenentwicklung brachfallender Gewerbe- und Industriegebietsflächen. Diese würden
hier einer den zentralen Versorgungsbereichen nicht entgegenwirkenden Nachnutzung
zugeführt.
20 Im Übrigen verweist die Antragsgegnerin auf die Unterlagen des ergänzenden Verfahrens.
21 Dem Senat liegen die Verfahrensakten zum Bebauungsplan einschließlich des
Einzelhandelskonzepts und der Unterlagen über das ergänzende Verfahren der
Antragsgegnerin vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser
Unterlagen und der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
22 Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
23 1. Die Antragstellerin hat ihren zunächst gegen den Bebauungsplan in der Fassung vom
30.06.2009 gerichteten Antrag nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens (§ 214
Abs. 4 BauGB) durch die Antragsgegnerin auf den Bebauungsplan in der Gestalt erstreckt,
die er durch das ergänzende Verfahren gefunden hat. Das ist nach § 173 VwGO in
Verbindung mit § 264 Nr. 2 ZPO ohne weiteres zulässig. Verfahrensgegenstand ist damit
der ursprüngliche Bebauungsplan zusammen mit dem im ergänzenden Verfahren - in der
Begründung - geänderten Bebauungsplan, der als ein Bebauungsplan Wirksamkeit
erlangt und sich lediglich aus zwei Teilnormgebungsakten zusammensetzt (BVerwG,
Urteil vom 24.03.2010 - 4 CN 3.09 -, NVwZ 2010, 782).
24 2. Der Antrag ist auch sonst zulässig. Die Antragstellerin, die als Eigentümerin von
Grundstücken im Plangebiet antragsbefugt ist, hat den Normenkontrollantrag innerhalb der
Jahresfrist nach Bekanntmachung des Plans gestellt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Sie hat
sowohl im Rahmen der ersten öffentlichen Auslegung als auch im Rahmen der
öffentlichen Auslegung im ergänzenden Verfahren Einwendungen gegen die Planung
erhoben, so dass § 47 Abs. 2a VwGO der Zulässigkeit ihres Antrags nicht entgegensteht.
II.
25 Der Antrag ist auch begründet. Der Plan ist sowohl in der Gestalt, die er durch das
ergänzende Verfahren gefunden hat, als auch in seiner ursprünglichen Gestalt unwirksam.
26 Es kann dahinstehen, ob der Plan in der Gestalt nach dem ergänzenden Verfahren
verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Dies betrifft zum einen den von der
Antragstellerin gerügten und von der Antragsgegnerin verneinten Verstoß gegen § 3 Abs.
2 Satz 1 BauGB (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 08.03.2010 - 4 BN 42.09 -, BauR
2010, 1554). Zum anderen gilt dies für die Frage, ob die im ergänzenden Verfahren nicht
entbehrliche (vgl. dazu Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Aufl., 2010, Rn.
1100) Ausfertigung der Satzung erfolgt ist. Der als Ausfertigung bezeichnete Vermerk des
Oberbürgermeisters vom 01.10.2012, der sich eindeutig nur auf die Planbegründung
bezieht, erfüllt die Anforderungen an eine Ausfertigung nicht. Der Oberbürgermeister der
Antragsgegnerin hat aber das Gemeinderatsprotokoll vom 25.09.2012 unterzeichnet, das
als öffentliche Urkunde (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.1988 - 8 S 2404/87 -,
juris (Leitsatz)) vollen Beweis dafür erbringt, dass der Gemeinderat den Bebauungsplan
nach Maßgabe des „Plans des Stadtentwicklungsamts Bietigheim-Bissingen vom
10.02.2009 einschließlich der Begründung vom 14.06.2012“ beschlossen hat. Bedenken
gegen die Einstufung dieser Unterzeichnung des Protokolls als Ausfertigung (vgl. dazu
VGH Bad.-Württ., Urteil vom 09.02.2009 - 3 S 2290/07 -, VBlBW 2009, 466) ergeben sich
hier allerdings insofern, als das Protokoll auf einen Plan Bezug nimmt, der bereits mit
einem Ausfertigungsvermerk hinsichtlich des Satzungsbeschlusses vom 30.06.2009
versehen ist und dem Normanwender keinerlei Hinweis darauf gibt, dass der nunmehr
maßgebliche Satzungsbeschluss erst am 25.09.2012 erfolgt ist. Ob eine solche
Ausfertigung noch dem Rechtsstaatsgebot entspricht, das die Identität der
anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen verlangt
(BVerwG, Urteil vom 01.07.2010 - 4 C 4.08 -, BVerwGE 137, 247), kann aber offen bleiben.
Denn der Bebauungsplan ist in jedem Fall materiell fehlerhaft.
27 Der Bebauungsplan ist sowohl in der Gestalt, die er durch das ergänzende Verfahren
gefunden hat, als auch in seiner ursprünglichen Gestalt materiell rechtswidrig. Der
festgesetzte Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben jeder Art ist nicht durch § 9 Abs. 2a
BauGB gedeckt. Der isolierte Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben ohne Festsetzung
eines Baugebiets kann, wovon die Antragsgegnerin auch zutreffend ausgegangen ist, nur
im Wege eines Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2a BauGB erfolgen (vgl. dazu Gaentzsch,
in: Berliner Kommentar BauGB, Stand: Juni 2012, § 9 Rn. 73f; Söfker in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 01.06.2012, § 9 Rn. 242). Die
Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen jedoch nicht vor.
28 Nach § 9 Abs. 2a BauGB kann für im Zusammenhang bebaute Ortsteile, wie hier für das
Plangebiet, zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im
Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung
der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten der
nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB zulässigen baulichen Nutzungen nicht zulässig sind.
Danach besteht zwar grundsätzlich auch die Möglichkeit eines vollständigen
Ausschlusses von Einzelhandelsbetrieben. Diese wären ohne planerischen Ausschluss
im betroffenen Gebiet mit allen Sortimenten zulässig - wohl schon im Rahmen von § 34
Abs. 1 BauGB, jedenfalls aber nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO
bzw. § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO -, solange für sie keine tatsächlich hinreichend gesicherte
Prognose schädlicher Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche vorläge (§ 34 Abs.
3 BauGB; vgl. dazu BVerwG Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2.08 -, BVerwGE 136, 18).
Voraussetzung für den Ausschluss jeglichen Einzelhandels über § 9 Abs. 2a BauGB ist
jedoch, dass er zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche erfolgt.
Das ist hier nicht der Fall. Es genügt nicht, dass die Antragsgegnerin sich auf diesen
Zweck als Planungsziel beruft (dazu 1.). Vielmehr bedarf es zusätzlich einer
substantiierten und nachvollziehbaren Begründung für die behauptete Zweckbindung, die
hier jedoch fehlt (dazu 2.). Auch der in § 9 Abs. 2a BauGB genannte Gesichtspunkt der
Innenentwicklung vermag den Ausschluss nicht zu rechtfertigen (dazu 3.).
29 1. Die Antragsgegnerin bezeichnet in der Begründung des Bebauungsplans vom
25.09.2012 wie auch in derjenigen vom 30.06.2009 (im Folgenden: Begründung 2012 und
2009) ebenso wie in ihrem nach § 9 Abs. 2a Satz 2 BauGB besonders zu
berücksichtigenden städtebaulichen Entwicklungskonzept, dem im Januar 2009
beschlossenen Einzelhandelskonzept (im Folgenden: Konzept 2009), drei zentrale
Versorgungsbereiche (§ 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB), deren „Sicherung und Entwicklung“ der
Bebauungsplan dienen soll: Die Innenstadt Bietigheim als regional bedeutsamer
Einzelhandelsschwerpunkt sowie die stadtteilbezogenen Versorgungsbereiche Buch und
Bissingen (ebenso die ergänzende Stellungnahme der ... vom 10.05.2012, im Folgenden:
Stellungnahme 2012). Diese Zentren möchte sie „sichern und stärken“; sie geht davon
aus, dass Einzelhandel im Plangebiet zu einer Schwächung dieser Zentren durch einen
Kaufkraftabzug führen würde, und verweist dazu auf das ihrem Einzelhandelskonzept
zugrunde liegende ...-Gutachten von 2009 (Begründung 2012 Nr. 5.1 wie auch
Begründung 2009 Nr. 5.1).
30 Damit benennt die Antragsgegnerin zwar den nach § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB
vorgesehenen Zweck als Ziel ihrer Planung und beruft sich auch auf ein städtebauliches
Entwicklungskonzept im Sinne von § 9 Abs. 2a Satz 2 BauGB und § 1 Abs. 6 Nr. 11
BauGB, das den vollständigen Einzelhandelsausschluss im Plangebiet empfiehlt
(Einzelhandelskonzept 2009, S. 77). Das allein genügt jedoch noch nicht, um die
Voraussetzungen des § 9 Abs. 2a BauGB zu erfüllen. Vielmehr müssen Begründung und
Konzept die behauptete Zweckbindung der getroffenen Festsetzung auch in
nachvollziehbarer Weise rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.03.2009 - 4 C
21.07 -, BVerwGE 133, 310 zu einem Einzelhandelsausschluss nach § 1 Abs. 5, Abs. 9
BauNVO). Entscheidet sich eine Gemeinde im Rahmen ihrer planerischen
Gestaltungsfreiheit, keinen allgemeinen Bebauungsplan, sondern einen Plan nach der
Spezialregelung des § 9 Abs. 2a BauGB aufzustellen, hat sie sich damit auf das dort
vorgegebene städtebauliche Ziel der Erhaltung oder Entwicklung der zentralen
Versorgungsbereiche festgelegt und müssen ihre Festsetzungen dadurch gerechtfertigt
sein. Aus der Zweckbindung des Plans nach § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB ergibt sich
zugleich, dass seine Festsetzungen zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich sein
müssen. Denn Festsetzungen eines Bebauungsplans dürfen als Inhalts- und
Schrankenbestimmungen des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht weitergehen, als
der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient (BVerfG, Beschluss vom 15.09.2011 - 1
BvR 2232/10 -, BauR 2012, 63; Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100,
226). Die Spezialregelung in § 9 Abs. 2a BauGB entspricht insoweit dem allgemeinen
Gebot der Erforderlichkeit nach der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, die bei
allgemeinen Bebauungsplänen mit von der Gemeinde selbst entwickelten städtebaulichen
Zielen gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.09.2003 - 4 C 14.01 -, BVerwGE 119, 25).
31 2. An einer ausreichend substantiierten und nachvollziehbaren Begründung, dass der
Ausschluss sämtlichen Einzelhandels im Plangebiet, insbesondere desjenigen mit nicht
zentrenrelevanten Sortimenten, der Erhaltung oder der Entwicklung der drei genannten
zentralen Versorgungsbereiche der Antragsgegnerin dient, fehlt es hier. Sie ist weder der
Begründung des Plans noch dem Einzelhandelskonzept der Antragsgegnerin zu
entnehmen.
32 a) Die Aussage in der Begründung des Bebauungsplans - Begründung 2012 wie 2009 -,
Einzelhandel im Plangebiet würde nach dem dem Einzelhandelskonzept
zugrundeliegenden ...-Gutachten von 2009 zu einer Schwächung der Zentren durch einen
Kaufkraftabzug führen, findet sich in diesem Gutachten nicht. Das Gutachten befasst sich
zwar mit dem Kaufkraftpotenzial in der Stadt Bietigheim-Bissingen und stellt auch eine
Kaufkraftprognose auf, bricht diese Erkenntnisse aber nicht herunter auf einzelne
Standorte oder Gebiete in der Stadt (vgl. Konzept 2009 S. 27 ff. und 31 ff.). Es enthält nur
die allgemeine Feststellung, von den Flächen im Plangebiet gehe ein erhebliches
Gefährdungspotenzial für die Innenstadt und die Stadtteilzentren, vor allem in Buch, aus;
aufgrund des erheblichen Flächenumfangs, der unter Umständen zur Disposition stehe,
sowie der guten betriebswirtschaftlichen Eignung für Einzelhandel sei ein hoher
Ansiedlungsdruck in Bezug auf Einzelhandel zu erwarten (Konzept 2009 S. 77; ebenso
Begründung 2012). Dieses angebliche Gefährdungspotenzial wird jedoch nicht näher
spezifiziert; inwiefern es gerade auch bei der Ansiedlung von Betrieben mit nicht
zentrenrelevanten Sortimenten, die in dem Konzept ausdrücklich von den
zentrenrelevanten abgegrenzt werden (Konzept 2009 S. 43; s. dazu auch unten c)),
bestehen könnte, erschließt sich nicht. Allerdings bedarf es dann, wenn eine Gemeinde
als Ziel nicht nur den Schutz, sondern auch die Stärkung und Entwicklung ihrer Zentren
verfolgt wie die Antragsgegnerin, keiner Ermittlung der konkret zentrenschädlichen
Sortimente. Die Gemeinde ist dann nicht darauf beschränkt, nur solche
Einzelhandelsnutzungen in dezentralen Lagen zu unterbinden, die in den Zentren bereits
in nennenswertem Umfang ausgeübt werden; sie kann auch zentrumsbildende
Nutzungsarten, die in den Zentren bisher nicht oder nur in geringem Umfang vertreten
sind, in anderen Gemeindegebieten ausschließen, um eventuelle Neuansiedlungen den
Zentren zur Steigerung ihrer Attraktivität zuzuführen. Auch ein mit dem Ziel der Stärkung
und Entwicklung der Zentren begründeter Einzelhandelsausschluss kann indessen nicht
weitergehen, als eine Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben in den Zentren überhaupt in
Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 4 C 21.07 -, a.a.O.). Daher kann ein
vollständiger Einzelhandelsausschluss zur Stärkung der Zentren im Einzelfall dann
gerechtfertigt sein, wenn der gesamte Einzelhandel auf diese Zentren konzentriert werden
soll (so der dem Urteil des BVerwG vom 20.03.2009 zugrundeliegende Fall). Das ist aber
gerade nicht Inhalt der Einzelhandelskonzeption der Antragsgegnerin; vielmehr sieht sie
neben den zentralen Versorgungsbereichen auch verschiedene dezentrale
Gewerbegebietslagen für Einzelhandel mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten vor
(Büttenwiesen West/Weierlen, Gustav-Rau-Straße, Laiern, Pfädle/Marbacher Weg, vgl.
Konzept 2009 S. 66 und Stellungnahme 2012 S. 2).
33 b) Auch die Erwägung in der Begründung des Bebauungsplans, dass die Zulassung von
nicht innenstadtrelevanten Sortimenten die Zentren schwäche, weil stets
innenstadtrelevante Randsortimente mit zuzulassen seien, trägt den vollständigen
Einzelhandelsausschluss nicht. Denn zentrenrelevante Sortimente und damit auch
Randsortimente können durch entsprechende planerische Festsetzung ausgeschlossen
werden, wenn die Differenzierung marktüblichen Gegebenheiten entspricht und die
unterschiedlichen Branchen in der sozialen und ökonomischen Realität existieren (§ 1
Abs. 5, Abs. 9 BauNVO, vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 04.10.2001 - 4 BN 45.01 -,
juris; Beschluss vom 23.10.2006 - 4 BN 1.06 -, juris). Davon, dass einem Ausschluss
zentrenrelevanter Randsortimente marktübliche Gegebenheiten entgegenstünden, geht
das Einzelhandelskonzept der Antragsgegnerin nicht aus. Vielmehr verweist es darauf,
dass seine schon im Jahr 1993 erstmals aufgestellte Konzeption durch „spezifische
Einzelhandelsausschlüsse im zentrenrelevanten Bereich“ in der Mehrheit der
Gewerbegebiete umgesetzt worden sei, und zwar gerade auch durch die Zulassung nicht
zentrenrelevanter Sortimente in Verbindung mit dem ausdrücklichen Ausschluss
zentrenrelevanter Randsortimente (Konzept 2009, S. 66 ff.; s. Bebauungspläne
Büttenwiesen Ost - GE2 und GI2 - von 1994, Büttenwiesen West - GE2 - von 1994,
Gustav-Rau-Straße/Röte - 1. Änderung - GE1 und GE2 - von 1993, Seewiesen - 3.
Änderung - GEe und GE2 - von 2005, hinter dem Bruchwald - 1. Änderung - GI - von
2006). Daher findet die Auffassung, wie die Antragsgegnerin sie in der Antragserwiderung
und in der Beschlussvorlage für die Abwägung im ergänzenden Verfahren (Anlage zur
Drucksache GR Nr. 64/2012 S. 4) vertreten hat, nämlich dass der Ausschluss von
zentrenrelevanten Randsortimenten realitätsfern erscheine, in ihrem eigenen
Einzelhandelskonzept keine Stütze. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der
Stellungnahme 2012; dort heißt es nur vage, in der Regel würden bei
Einzelhandelsangeboten im nicht zentrenrelevanten Sortimentsbereich zentrenrelevante
Sortimente als Randsortimente geführt (S. 12), ohne dass näher auf die
Marktgepflogenheiten eingegangen wird.
34 Selbst wenn man aber in Rechnung stellt, dass das Angebot zentrenrelevanter
Randsortimente beim Einzelhandel mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten zunehmend
marktüblicher wird - die Beschlussvorlage im ergänzenden Verfahren verweist insoweit
beispielhaft auf Möbelhäuser, Gartenmärkte und Baumärkte (a.a.O. S. 5), die
Antragserwiderung auf Tankstellen mit Lebensmittelverkauf -, bedeutet dies weder, dass
solcher Einzelhandel ohne zentrenrelevante Randsortimente in der sozialen und
ökonomischen Realität nicht mehr existiert, noch dass diese Entwicklung alle Branchen im
nicht zentrenrelevanten Bereich erfasst, etwa auch den Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen
und Motorrädern, Sportgroßgeräten, Einrichtung für Küche und Bad, Brennstoffen oder
Baustoffen.
35 Die von der Antragsgegnerin angeführten Schwierigkeiten bei der Kontrolle, ob ein
festgesetzter Ausschluss von Randsortimenten tatsächlich eingehalten wird
(Beschlussvorlage für die Abwägung im ergänzenden Verfahren , a.a.O., S. 6), vermögen
für sich gesehen keine unverhältnismäßigen Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse
durch einen Einzelhandelsausschluss jenseits der gesetzlichen Zweckbindung zu
rechtfertigen.
36 c) Das Sortimentskonzept der Antragsgegnerin, das in ihrem Einzelhandelskonzept
enthalten ist, spricht gegen Auswirkungen der Ansiedlung nicht zentrenrelevanter
Branchen im Plangebiet auf die zentralen Versorgungsbereiche. Denn es definiert all
solche Sortimente als zentrenrelevant, die hinsichtlich des Angebotscharakters, der
Attraktivität sowie der Betriebsstruktur in Bietigheim-Bissingen den zentralen Lagen
zugeordnet werden können (S. 41), wobei zu beachten sei, dass sich die Abgrenzung
nicht am derzeitigen Bestand orientiere, sondern auch an den zukünftigen
Entwicklungsmöglichkeiten in Bietigheim-Bissingen (S. 42). Das Konzept geht also davon
aus, dass die tabellarisch aufgeführten nicht zentrenrelevanten Sortimente - weiße Ware,
Elektroinstallation, Computer, Büromaschinen, Möbel/Küchen/Büro-
möbel/Gartenmöbel/Sanitär- und Badeinrichtung, Bettwaren, Matratzen, Baustoffe,
Bauelemente, Heimwerkerbedarf, Fliesen, Pflanzen und Zubehör, Gartenwerkzeuge,
Gartenbaustoffe, Pflege- und Düngemittel, Torf und Erde, Pflanzengefäße, Zäune,
Gartenhäuser, Gewächshäuser, Naturhölzer, Teppiche, Bodenbeläge, Tapeten,
Kfz/Motorräder/Fahrräder und Zubehör, Sportgroßgeräte (z. B. Surfboards, Boote),
Brennstoffe/Mineralölerzeugnisse (S. 43) - ohne Bedeutung für die Entwicklung der
zentralen Versorgungsbereiche sind. Dementsprechend heißt es im Konzept auch
ausdrücklich, das Angebot nicht zentrenrelevanter Sortimente stelle auch an städtebaulich
nicht integrierten Standorten keine wesentliche Gefährdung für die zentralen Lagen dar;
nicht zentrenrelevante Sortimente seien an solchen Standorten aus planerischer Sicht
aufgrund ihres großen Platzbedarfs und der durch sie hervorgerufenen Verkehrsfrequenz
unter Umständen sogar erwünscht (S. 42). Diese Aussage und das Sortimentskonzept
deuten darauf hin, dass der Ausschluss nicht zentrenrelevanten Einzelhandels im
Plangebiet nicht der Entwicklung der drei zentralen Versorgungsbereiche, sondern
vielmehr der städtebaulichen Ordnung der dezentralen Gewerbelagen dient. In diese
Richtung weist auch die Stellungnahme 2012 im ergänzenden Verfahren, in der es heißt,
im nicht zentrenrelevanten Bereich könne die Entwicklung auch außerhalb der zentralen
Versorgungsbereiche erfolgen; die Lenkung auf bestehende dezentrale
„Ergänzungsstandorte“ gewährleiste, dass Ansiedlungen im nicht zentrenrelevanten
Sortimentsbereich städtebaulich gebündelt würden und damit einem “Wildwuchs“ und
ungeordnetem Verkehrsaufkommen entgegengewirkt werde (S. 13). Diese Aspekte
werden auch von der Begründung 2012 aufgegriffen, die betont, dass der nur geringe
Entwicklungsbedarf im nicht zentrenrelevanten Sortimentsbereich in den bestehenden, für
Einzelhandel geeigneten Gewerbelagen realisiert werden könne, zusätzliche
Entwicklungsflächen städtebaulich weder sinnvoll noch notwendig seien und außerdem
Flächen für „klassische“ gewerbliche Nutzung und Dienstleistung vorgehalten werden
sollten (Begründung 2012 Nr. 5.1). Diese Ziele der Ordnung des Verkehrsaufkommens,
der Stärkung dezentraler Einzelhandelslagen und der Sicherung von Flächen für
Handwerk und produzierendes Gewerbe sind zwar städtebaulich anerkennenswert, liegen
aber jenseits des von § 9 Abs. 2a BauGB vorgegebenen Planungszwecks (s. dazu auch
unten 3.).
37 d) Auch die Aussage in der Stellungnahme 2012, dass im zentralen Versorgungsbereich
die Entwicklung von zentren- und nicht zentrenrelevanten Sortimenten laut Sortimentsliste
möglich sei - dies zielt wohl vorrangig auf die Innenstadt Bietigheim und weniger auf die
Stadtteilzentren Buch und Bissingen, in denen es in erster Linie um Bestandssicherung
und Modernisierung geht (vgl. Konzept 2009, S. 55 ff.) -, liefert keine nachvollziehbare
Begründung für den Ausschluss jeglichen Einzelhandels im Plangebiet. Diese Aussage
widerspricht dem Sortimentskonzept, das bei der Differenzierung zwischen
zentrenrelevanten und nicht zentrenrelevanten Sortimenten gerade an die Bedeutung für
die zentralen Lagen einschließlich ihrer Entwicklung anknüpft. Bestünde, wie es die
Stellungnahme 2012 nahelegt, Entwicklungspotenzial für die Ansiedlung sämtlicher
Sortimente in der Innenstadt samt Erweiterungsflächen, wäre die Differenzierung des
Sortimentskonzepts überholt und gäbe es keine nicht zentrenrelevanten Sortimente mehr.
Auch mit den detaillierten Ausführungen im Konzept 2009 zum Entwicklungspotenzial der
zentralen Versorgungsbereiche lässt sich die Aussage, dort sei die Entwicklung von
Einzelhandel mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten möglich, kaum in Einklang bringen.
In der Innenstadt von Bietigheim stellt das Konzept 2009 weitere
Entwicklungsmöglichkeiten sowohl im kleinteiligen, hochwertigen Segment als auch im
Ausbau des Betriebstypenspektrums hinsichtlich größer strukturierter Fachmarktkonzepte
fest, und zwar konkret in den Bereichen Lebensmittel, Elektrofachartikel, Bekleidung und
Drogerieartikel (Altstadtbereich und Talstraße, S. 46 ff.). Nicht zentrenrelevant können
daher, die Sortimentsliste (S. 43) zugrundegelegt, allenfalls Elektrofachartikel sein, wenn
darunter nicht nur Unterhaltungselektronik - laut Liste zentrenrelevant -, sondern auch die
den nicht zentrenrelevanten Sortimenten zugeordneten Computer fallen. Bei den
möglichen Innenstadterweiterungsflächen ist nach dem Konzept 2009 hingegen eindeutig
nur von Entwicklungspotenzial im zentrenrelevanten Sortimentsbereich auszugehen; so
werden im Gebiet Südtangente/Forsthaus- straße „langfristige Potenzialflächen für
Branchendefizite im zentrenrelevanten Bereich ausgemacht, die nicht in der abgegrenzten
Innenstadt und im Bereich Mühlwiesen realisiert werden können“, und im Gebiet
Mühlwiesen „Flächen für modernen, hochwertigen Lebensmittelvollsortimenter“ (S. 50).
38 Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass in der Innenstadt ein gewisses Potenzial für
Einzelhandel mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten besteht und deshalb auch die
Ansiedlung entsprechenden Einzelhandels im Plangebiet die Entwicklung der Innenstadt
beeinträchtigen könnte, fehlt es jedoch an Anhaltspunkten und einer nachvollziehbaren
Begründung dafür, dass sich dieses Potenzial nicht nur auf bestimmte, sondern auf
sämtliche nicht zentrenrelevanten Sortimente beziehen könnte.
39 e) Auch sonst ist dem Einzelhandelskonzept nicht zu entnehmen, dass der Ausschluss
sämtlichen nicht zentrenrelevanten Einzelhandels im Plangebiet zur Stärkung der
zentralen Versorgungsbereiche geeignet wäre.
40 Die Antragsgegnerin beruft sich darauf, dass ihre konzeptionelle Differenzierung zwischen
drei Gebietskategorien, nämlich den zentralen Versorgungsbereichen, Gewerbe- und
Mischgebieten mit nicht zentrenrelevantem Einzelhandel und Baugebieten ohne jeglichen
Einzelhandel für sonstige gewerbliche und dienstleistende Nutzungen, insgesamt der
Stärkung und Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche diene. Für die
Unterscheidung zwischen dezentralen Gebieten, in denen der nicht zentrenrelevante
Einzelhandel zugelassen ist, und Baugebieten ohne jeglichen Einzelhandel erschließt
sich diese Zielrichtung aber nicht. Auch dem Einzelhandelskonzept ist dafür nichts
hinreichend Nachvollziehbares zu entnehmen. Soweit das Konzept 2009 „als flankierende
Maßnahme im Rahmen der Stärkung des innerstädtischen Versorgungsbereichs und der
Nahversorgungslagen auch zukünftig eine zielgerichtete Steuerung von
Einzelhandelsneuansiedlungen in Verbindung mit einer restriktiven Ansiedlungspolitik im
Hinblick auf zentrenrelevante Sortimente in Gewerbegebietslagen“ empfiehlt (S. 66), stellt
es gerade keinen Bezug zwischen Restriktionen hinsichtlich nicht zentrenrelevanter
Sortimente in Gewerbegebietslagen und Stärkung der zentralen Versorgungsbereiche her.
Auch die allgemeine Erläuterung in der Stellungnahme 2012, Ziel der standörtlichen
Fokussierung der Einzelhandelsentwicklung sei die Stärkung bestehender
Einzelhandelslagen (S. 11), zeigt einen funktionellen Zusammenhang zwischen dem
Ausschluss auch nicht zentrenrelevanter Branchen im Plangebiet und der Entwicklung
gerade der zentralen Versorgungsbereiche nicht auf.
41 Schließlich verweisen sowohl das Konzept 2009 als auch die Stellungnahme 2012 darauf,
dass Einzelhandelsnutzungen im Plangebiet den dezentralen Einzelhandelsstandort rund
um das Möbelhaus H... stärken würden. Dies erscheine aus städtebaulicher Sicht nicht
wünschenswert (Konzept 2009 S. 84); durch eine Steigerung der Attraktivität dieses
Standorts, ggf. durch weitere Fachmarktangebote, „könnte - vor allem auch durch ein in der
Summe umfassenderes Angebot an zentrenrelevanten Randsortimenten - ein
Konkurrenzstandort für die Innenstadt entstehen und das derzeit bestehende
Gleichgewicht gefährden“ (Stellungnahme 2012 S. 5). Schon die in dieser Aussage
enthaltene Annahme, die Zulassung von Einzelhandel im nicht zentrenrelevanten
Sortimentsbereich habe notwendig ein umfassenderes Angebot an zentrenrelevanten
Randsortimenten zur Folge, trägt jedoch nicht (s. o. b)). Eine andere Begründung, weshalb
um das Möbelhaus ein Konkurrenzstandort für die Innenstadt entstehen könnte, wenn im
Plangebiet Einzelhandel nicht zentrenrelevanter Branchen zugelassen wird, ist dem
Konzept samt Stellungnahme nicht zu entnehmen. Das Möbelhaus liegt im
Geltungsbereich des Bebauungsplans „Büttenwiesen West“, an den sich das Gebiet des
Bebauungsplans „Weierlen“ anschließt. Dieser Standort, an dem sich neben dem
Möbelhaus ein Baumarkt, ein weiteres Möbelgeschäft, ein Getränkemarkt und zwei
Autohäuser befinden (Konzept 2009 S. 64), ist im Regionalplan als Ergänzungsstandort
für nicht zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte festgelegt (vgl. Raumnutzungskarte
des Regionalplans der Region Stuttgart vom 22.07.2009 und PS 2.4.3.2.5 (G)).
Dementsprechend lassen die Bebauungspläne dort nur Einzelhandel mit nicht
zentrenrelevanten Sortimenten zu; Randsortimente aus dem zentrenrelevanten Bereich
sind ausgeschlossen oder zumindest nach der Verkaufsfläche und auf bestimmte
Warengruppen beschränkt. So ist im Bebauungsplan „Büttenwiesen West“ im
Gewerbegebiet Einzelhandel zum Teil ganz und zum Teil mit zentrenrelevanten
Sortimenten ausgeschlossen, Randsortimente sind nicht zulässig; im Sondergebiet für das
Möbelhaus H... sind die Randsortimente begrenzt auf maximal 10 % der Verkaufsfläche
und auf Warengruppen, die in Beziehung zum Kernsortiment Einrichtungsbedarf stehen;
unzulässig sind Nahrungs- und Genussmittel, Bekleidung, Schuhe, Drogeriewaren,
„braune Ware“, Musikalien/Musikinstrumente, Schmuck/Optik, integrierte Fachmärkte,
ausgenommen für Gardinen, Tapeten, Bodenbeläge, Farben (vgl. Konzept 2009 S. 67). Im
Bebauungsplan „Weierlen“ ist im Gewerbegebiet Einzelhandel zum Teil ganz, zum Teil
mit innenstadtrelevanten Sortimenten ausgeschlossen; im dortigen Sondergebiet für
Einzelhandel mit Bau-, Garten- und Heimwerkerbedarf sind die Sortimente ebenso wie die
Randsortimente im Wege einer Positivliste begrenzt und Randsortimente auf maximal 10
% der Gesamtverkaufsfläche zulässig (vgl. Konzept 2009 S. 69). Weshalb sich bei dieser
Sachlage der Standort um Möbel H... durch die Zulassung nicht zentrenrelevanten
Einzelhandels im Plangebiet zu einem Konkurrenzstandort für die Innenstadt entwickeln
könnte, ist nicht zu erkennen. Hinzu kommt, dass auch die Behauptung, Einzelhandel im
Plangebiet stärke den Standort um das Möbelhaus, nicht ohne weiteres nachvollziehbar
erscheint, nachdem das Plangebiet von diesem Standort durch die Bahnlinie getrennt ist.
42 f) Schließlich fehlt es auch an einer nachvollziehbaren Begründung dafür, weshalb der
vom festgesetzten Einzelhandelsausschluss auch erfasste handwerksbezogene
Einzelhandel (Verkaufsflächen als Nebenflächen in Verbindung mit einem
Handwerksbetrieb/produzierenden Gewerbe) bei Ansiedlung im Plangebiet die Erhaltung
oder Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche beeinträchtigen könnte. Im Konzept
2009 wird sogar empfohlen, diesen Handel in dezentralen Lagen auf untergeordneter
Fläche zuzulassen (Konzept 2009 S. 44; Bezug nehmend darauf Stellungnahme 2012 S.
10).
43 3. Der komplette Einzelhandelsausschluss im Plangebiet kann auch nicht damit
gerechtfertigt werden, dass die Konzeption der Antragsgegnerin die Flächen für
gewerbliche Nutzungen und Dienstleistungen (Begründung 2012 Nr. 5.1) bzw. für
„hochwertige gewerbliche Nutzungen“ (Begründung 2009 Nr. 5.1) im innerstädtischen
Bereich vorsieht und damit der Innenentwicklung im Wege der Nachnutzung
brachfallender Flächen dienen soll. Der Gesichtspunkt der Innenentwicklung i.S.d.
Wiedernutzbarmachung von Flächen, der Nachverdichtung oder ähnlicher Maßnahmen
(vgl. § 1a Abs. 2 Satz 1 und § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB) kann jenseits des Zwecks der
Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche keine Festsetzungen in einem
Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB rechtfertigen. Schon der Wortlaut der Norm
belegt, dass die Innenentwicklung kein eigenständiges Ziel zur Begründung einer
Planung nach § 9 Abs. 2a BauGB darstellt. Der Begriff befindet sich in dem Einschub, der
auf „Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche“ folgt; die Einleitung
dieses Einschubs mit „auch im Interesse“ zeigt, dass hier das Ziel der Erhaltung oder
Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche näher erläutert wird. Auch nach seiner
Entstehungsgeschichte bezweckt § 9 Abs. 2a BauGB allein den Schutz zentraler
Versorgungsbereiche. Anlass für die Einführung dieser Ermächtigungsnorm war die
Erkenntnis, dass die Regelung des § 34 Abs. 3 BauGB, der Vorhaben im unbeplanten
Innenbereich mit schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche verhindern
sollte, wegen des Begründungsbedarfs im Einzelgenehmigungsverfahren nur
eingeschränkt praktikabel ist; ermöglicht werden sollte daher „ein Bebauungsplan, mit dem
in den nicht beplanten Innenbereichen zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche gezielt
Bestimmungen über die Zulässigkeit bestimmter Arten von Nutzungen und damit
insbesondere von Einzelhandelsbetrieben getroffen werden können“ (BT-Drucks. 16/2496
S. 10). Die Regelung in § 9 Abs. 2a Satz 3 BauGB belegt ebenfalls die Beschränkung des
Normzwecks auf den Schutz zentraler Versorgungsbereiche. Denn sie verlangt für einen
Plan nach § 9 Abs. 2a BauGB grundsätzlich die planungsrechtliche Absicherung für
Vorhaben, die den zentralen Versorgungsbereichen dienen; auch hier wird wiederum die
Erhaltung und Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche verfolgt, ohne die sich die
Beschränkung oder der Ausschluss von Nutzungsarten nach § 9 Abs. 2a BauGB in
anderen Gebieten in einer unzulässigen Negativplanung erschöpfen würde (vgl.
Gaentzsch, in: Berliner Kommentar BauGB, Stand: Juni 2012, § 9 Rn. 73s).
44 Mit ihrer Unterordnung unter den Schutzzweck der Erhaltung oder Entwicklung zentraler
Versorgungsbereiche verlieren die Gesichtspunkte der Innenentwicklung und der
verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung auch nicht jegliche Bedeutung. Mit ihnen
wird nicht nur gesetzlich zum Ausdruck gebracht, dass die Sicherung der zentralen
Versorgungsbereiche im Interesse der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung
und der Innenentwicklung der Gemeinden liegt (vgl. Söfker, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Juni 2012, § 9 Rn. 242b), und
damit die Verbindung zwischen den städtebaulichen Belangen nach § 1 Abs. 6 Nr. 4 und
Nr. 8a) BauGB sowie § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB hergestellt. Die genannten Interessen
geben auch dem Merkmal der Zentralität der Versorgungsbereiche eine eindeutige
Richtung in dem Sinne, dass es nicht um die Erhaltung und Entwicklung von Zentren an
verbraucherfernen Standorten, sondern von solchen in zentralen Lagen geht (Gaentzsch,
in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: Juni 2012, § 9, Rn. 73j). Das Interesse der
Innenentwicklung betont zudem die Erweiterung des Schutzes zentraler
Versorgungsbereiche, die mit § 9 Abs. 2a BauGB gegenüber dem insoweit als
unzureichend erkannten § 34 Abs. 3 BauGB erreicht werden soll, indem der Gemeinde ein
zusätzliches Instrument gerade zur Entwicklung und Förderung der Attraktivität ihrer
zentralen Versorgungsbereiche an die Hand gegeben wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom
21.02.2011 - 4 BN 7.11 -, BauR 2011, 1127). Innenentwicklung jenseits dieses Ziels soll
ihr dagegen im Wege des § 9 Abs. 2a BauGB nicht ermöglicht werden.
III.
45 In den Tenor des Urteils ist mit Blick auf die Möglichkeit der Weitergeltung des
ursprünglichen Plans bei Fehlern des ergänzenden Verfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom
29.01.2009 - 4 C 16.07 -, BVerwGE 133, 98), auf die der Vertreter der Antragsgegnerin zu
Recht hingewiesen hat, zur Klarstellung aufgenommen worden, dass der Bebauungsplan
nicht nur in der Fassung des geänderten Verfahrens, sondern auch in seiner
ursprünglichen Fassung unwirksam ist.
46 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
47 Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO vorliegt.
48
Beschluss vom 10. Oktober 2012
49 Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004,
1327) endgültig auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
50 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.