Urteil des VG Stuttgart vom 22.05.2013

VG Stuttgart: berufsschule, treu und glauben, schüler, venire contra factum proprium, wohl des kindes, jugend und sport, unterbringung, jugendhilfe, eltern, freiwillige leistung

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 22.5.2013, 9 S 1367/12
Leitsätze
1. In Wahrnehmung des staatlichen Erziehungsauftrags nach Art. 7 Abs. 4 GG weist der
Landesgesetzgeber in § 79 Abs. 3 SchG zur Wahrung der dort genannten öffentlichen Interessen
die Befugnis, die Berufsschulpflicht abweichend vom gesetzlichen Regelfall auf eine andere als
die örtlich zuständige Berufsschule zu beziehen, der staatlichen Schulaufsicht zu.
2. Bei der gemäß § 79 Abs. 3 SchG ausgesprochenen Zuweisung der Berufsschüler eines
bestimmten Ausbildungsberufs aus einem Regierungsbezirk an eine in einem anderen
Regierungsbezirk eingerichtete überörtliche Fachklasse handelt es sich grundsätzlich um eine
personenbezogene Allgemeinverfügung (vgl. § 35 Satz 2 Alt. 1 LVwVfG).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. April
2012 - 4 K 2235/11 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten seiner auswärtigen
Berufsschulunterbringung.
2 Der am xx.xx.1994 geborene Kläger wohnt in xxx, Landkreis Reutlingen, bei seinen Eltern.
Er absolvierte vom 01.09.2009 bis zum 31.08.2012 eine Berufsausbildung im
Ausbildungsberuf Gärtner/Garten- und Landschaftsbau. Ausbildungsbetrieb war die Firma
K. in xxx, Landkreis Reutlingen. Im Berufsausbildungsvertrag vom 16.03.2009 wird als Ort
der zuständigen Berufsschule Göppingen angegeben.
3 Da eine Fachschulklasse für den Ausbildungsberuf Gärtner/Garten- und Landschaftsbau
im Landkreis Reutlingen nicht besteht, besuchte der Kläger seit dem Berufsschuljahr
2009/2010 die Landwirtschaftliche Berufsschule xxx-xxx in Göppingen. Der auswärtige
Berufsschulbesuch erfolgte in Blockunterrichtseinheiten. Zur Wahrnehmung der ca. 63
Blockschultage im Jahr musste der Kläger vor Ort untergebracht werden, da die
Berufsschule in Göppingen von seinem Wohnort nicht schultäglich erreicht werden konnte.
Die Unterbringung erfolgte im Jugendwohnheim XX xxx, das der xxx-xxx zugeordnet ist,
aber von einem freien Träger betrieben wird. Der Tagessatz des Jugendwohnheims
beträgt ab 01.04.2012 29,-- EUR bei voller Verpflegung und Betreuung. Bis 31.03.2010
betrug der Tagessatz 26,-- EUR. Nach Nummer III. 1 der Verwaltungsvorschrift für den
Blockunterricht an den Berufsschulen in Baden-Württemberg und Zuwendungen an
Schülerinnen und Schüler vom 08.12.2003 (K.u.U. 2004 S. 21) in der Fassung vom
01.12.2005 (K.u.U. 2006 S.2) erhielt der Kläger einen Zuschuss zu den Kosten für die
auswärtige Unterkunft in Höhe von 6,-- EUR pro Blockschultag. Bis März 2010 bezahlte
der Kläger danach für seine Unterbringung pro Blockschultag 20,-- EUR, für die Zeit
danach pro Blockschultag 23,-- EUR. Nach einer Bescheinigung des Jugendwohnheims
XX xxx vom 20.09.2010 musste er für seine Unterbringung im ersten Ausbildungsjahr
2009/2010 insgesamt 1.329,-- EUR aufbringen.
4 Unter dem 03.11.2010 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers schriftlich an
das Kreisschulamt und das Kreisjugendamt im Landratsamt Reutlingen und beantragte die
Übernahme der Unterbringungskosten durch den Landkreis. Ein entsprechender Anspruch
ergebe sich aus der Unentgeltlichkeit des Unterrichts nach Art. 14 Abs. 2 der
Landesverfassung (LV) und aus dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 LV. Es sei kein sachlicher oder rechtlicher Grund erkennbar,
warum er anders als Berufsschüler, die ihrer Schulpflicht im Kreis Reutlingen
nachkommen könnten, in empfindlicher Weise mit Mehrkosten belastet werde. Wenn das
Land seiner Pflicht zur Einrichtung einer geeigneten Berufsschule im Landkreis
Reutlingen nicht nachkomme, müsse über einen entsprechenden individuellen
Leistungsanspruch des betroffenen Schülers gegenüber dem Schulträger ein Ausgleich
hergestellt werden. Dies gebiete auch das Rechtsstaatsprinzip und die Lehre vom
öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch.
5 Mit Schreiben vom 07.02.2011 erwiderte das Landratsamt Reutlingen - Rechts- und
Ordnungsamt -, Kosten, die im Zusammenhang mit der schulischen Berufsausbildung
entstünden, habe der Auszubildende grundsätzlich selbst zu tragen. Dies gelte auch für
die erforderliche auswärtige Unterbringung.
6 Mit Bescheid vom 30.05.2011 lehnte das Landratsamt Reutlingen - Kreisjugendamt - den
Antrag des Klägers auf Erstattung seiner Kosten im Rahmen der Jugendhilfe ab. Die §§
27, 13 bzw. 10 SGB VIII böten hierfür keine Grundlage. Hiergegen erhob der Kläger
Widerspruch, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde.
7 Mit weiterem Bescheid vom 03.06.2011 teilte das Landratsamt Reutlingen - Kreisschul-
und Kulturamt - dem Kläger mit, dass der Beklagte weder örtlich noch sachlich zuständig
sei. Der Kläger besuche die Berufsschule in Göppingen und werde dort untergebracht. Der
Beklagte habe keinen Einfluss darauf, für welche Berufsausbildungen Blockunterricht
eingeführt werde. Es bestehe kein Anspruch darauf, dass der Landkreis als Schulträger für
jede Ausbildung einen entsprechenden Ausbildungsgang einrichte. Da der Blockunterricht
für die Gärtnerausbildung in Göppingen eingerichtet sei, sei der Beklagte örtlich nicht
zuständig. Eine Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Erstattung bestehe
nicht.
8 Am 06.07.2011 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu
verpflichten, über seinen Antrag auf Erstattung der durch die Erfüllung seiner
Berufsschulpflicht im Rahmen des auswärtigen Besuchs des Blockunterrichts in der xxx-
Berufsschule in Göppingen entstandenen und noch entstehenden Betreuungs-,
Unterbringungs- und Verpflegungskosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts zu entscheiden; hilfsweise hat er die Feststellung einer entsprechenden
Verpflichtung des beklagten Landkreises verlangt. Mit Telefax vom 27.07.2011 hat er
klargestellt, dass die Klage gegen den Beklagten als Schulträger gerichtet sei. Auf
Anregung des Klägers ist mit Beschluss vom 27.07.2011 das Land Baden-Württemberg,
vertreten durch das Regierungspräsidium Tübingen, zu dem Verfahren beigeladen
worden. Zur Begründung der Klage wiederholt und vertieft er die Ausführungen im
Verwaltungsverfahren.
9 Mit Urteil vom 17.04.2012 - 4 K 2235/11 - hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die
Klage abgewiesen. Die Leistungsklage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen
Erstattungsanspruch gegenüber dem beklagten Landkreis. Die erhöhten
Ausbildungskosten des Klägers seien auf die Einrichtung der zentralen Fachklasse für
Gärtner an der xxx-Schule in Göppingen zurückzuführen und auf die Zuweisung der
Berufsschüler aus dem Landkreis Reutlingen an diese Berufsschule. Die Zuweisung der
Berufsschüler an die zentrale Fachklasse werde nicht vom beklagten Landkreis, sondern
vom Land Baden-Württemberg vorgenommen. Damit trage das Land Baden-Württemberg
die Verantwortung für die Einrichtung der zentralen Fachklasse und für die Zuweisung der
Berufsschüler.
10 Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass der Kläger durch den Besuch der
Berufsschule in Göppingen mit erhöhten Kosten belastet werde. Nach den hierzu
getroffenen Feststellungen erhöhten sich die Ausbildungskosten des Klägers durch
Zuweisung an die Fachklasse für Gärtner an der xxx-xxx-xxx-Schule in Göppingen und
durch seine auswärtige Unterbringung und Betreuung um etwa 3.000,-- EUR. Hinzu
kämen Eigenanteile für die durch den Besuch der auswärtigen Berufsschule entstehenden
Fahrtkosten in Höhe von ca. 1.000,-- EUR in drei Ausbildungsjahren. Damit sei der Kläger
mit erhöhten Ausbildungskosten von etwa 4.000,-- EUR belastet, die ihm bei
wohnortnaher Berufsschulausbildung ganz oder zum größten Teil erspart bleiben würden.
Die erhöhten Ausbildungskosten seien auch nicht durch anderweitige Ansprüche
abgedeckt.
11 Ein Anspruch gegen den beklagten Landkreis auf Erstattung der festgestellten
Unterbringungskosten bestehe indes nicht. Zwischen dem Kläger und dem beklagten
Landkreis bestünden keine schul- oder förderungsrechtlichen Beziehungen, die einen
Erstattungsanspruch rechtfertigen könnten. Der Beklagte sei zwar Träger der im Kreis
Reutlingen betriebenen Berufsschulen, als solcher sei er jedoch nicht für die
Berufsschulausbildung des Klägers zuständig. Denn die zentrale Fachklasse für die
Berufsschulausbildung im Gärtnerberuf sei vom Landkreis Göppingen mit Zustimmung des
Landes Baden-Württemberg, Regierungspräsidium Stuttgart, bei der xxx-Schule in
Göppingen eingerichtet worden. Weiter seien vom Land Baden-Württemberg die
Berufsschüler aus dem Bereich des Regierungsbezirks Tübingen (ohne Überlingen) zur
Berufsschulausbildung für den Gärtnerberuf der xxx-Schule in Göppingen zugewiesen
worden. Mit diesen Maßnahmen sei die Zuständigkeit zur Ausbildung des Klägers zum
Gärtner auf die xxx-Schule in Göppingen und auf deren Träger, den Landkreis Göppingen,
übergegangen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einrichtung der zentralen Fachklasse
und der Zuweisungsentscheidung änderten am Wegfall der Zuständigkeit des beklagten
Landkreises nichts. Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Zuweisung fehlten, so dass
jedenfalls von der Wirksamkeit dieser Maßnahme ausgegangen werden könne. Hinzu
komme, dass eine Ausbildungsmöglichkeit für den Beruf des Gärtners an den
Berufsschulen des Beklagten tatsächlich fehle, so dass eine Übernahme der Ausbildung
des Klägers durch eine Berufsschule des Beklagten faktisch ausscheide. Schließlich
bestehe für den Beklagten auch keine Möglichkeit zur Einrichtung einer dem
Ausbildungswunsch des Klägers entsprechenden Fachklasse. Das hierfür gemäß § 27
Abs. 2 SchG erforderliche öffentliche Bedürfnis werde vom Beigeladenen mit Hinweis auf
die zentrale Fachklasse in Göppingen zurecht bestritten. Ob die vom beigeladenen Land
in der mündlichen Verhandlung dargestellte Verfahrensweise bei der Schaffung zentraler
Berufsschulfachklassen den gesetzlichen Anforderungen entspreche, sei zweifelhaft, aber
für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich. Dies gelte auch für die Frage,
ob § 79 Abs. 3 SchG noch eine hinreichende Rechtsgrundlage für die systematische
Zuweisung an zentrale Berufsschulfachklassen darstelle und Zuweisungsentscheidungen
ohne hinreichende Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Berufsschüler und
ihrer Eltern und ohne angemessene finanzielle Kompensation für die Erhöhung der
Ausbildungskosten einer rechtlichen Prüfung standhalte (wird ausgeführt, S. 14 f. des
Entscheidungsabdrucks). Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung der
Unterbringungskosten seien unabhängig davon nicht erfüllt. Der geltend gemachte
Erstattungsanspruch setze zumindest voraus, dass der beklagte Landkreis die erhöhten
Ausbildungskosten verursacht und zu vertreten habe. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der
beklagte Landkreis sei für die Berufsschulausbildung des Klägers bereits nicht zuständig
und schon deswegen nicht zur Erstattung erhöhter Ausbildungskosten verpflichtet. Der
beklagte Landkreis sei wegen des nach der Einrichtung der zentralen Fachklasse in
Göppingen fehlenden öffentlichen Bedürfnisses auch nicht dazu berechtigt, in einer seiner
Berufsschulen eine eigene Fachklasse einzurichten (vgl. § 27 Abs. 2 SchG). Damit sei
dem Beklagten weder ein für den Wegfall der wohnortnahen
Berufsschulausbildungsmöglichkeit ursächliches Handeln noch ein insofern ursächliches
Unterlassen vorzuwerfen. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei deshalb
ebenfalls unbegründet.
12 Gegen das am 22.05.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.06.2012 die vom
Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt
und diese am 19.07.2012 begründet. Er vertieft sein bisheriges Vorbringen und führt weiter
aus: Er habe einen Anspruch auf Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines Tuns oder
Unterlassens der vollziehenden Gewalt, wobei diese Restitution durch Geldzahlung zu
erfolgen habe, wenn die rechtswidrigen Folgen in einem Geldverlust bestünden. Dies sei
hier mit Blick auf die rechtswidrige finanzielle Belastung gegeben, die durch die vom
Beklagten als Schulträger zu verantwortende Verletzung seiner Pflicht zur unentgeltlichen
Bereitstellung des Berufsschulunterrichts zu zumutbaren Bedingungen wie auch durch die
Verletzung des Gleichheitsprinzips verursacht worden sei. Der Beklagte hätte diese Pflicht
auch nach § 31 SchG durch die Bildung eines Schulverbands oder durch den Abschluss
öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen erfüllen können. Die nach § 30 Abs. 1 SchG offenbar
erfolgte Zustimmung zur Einrichtung einer entsprechenden Fachklasse im Landkreis
Göppingen bedeute nicht, dass eine Zustimmung zur Einrichtung einer entsprechenden
Klasse beim Landkreis Reutlingen ausgeschlossen sei. Umso weniger liege in dieser
Zustimmung zugleich eine Zuweisungsentscheidung für sämtliche Berufsschüler aus den
umliegenden Landkreisen durch die Schulaufsichtsbehörde im Sinne von § 79 Abs. 3
SchG. Das Verfahren bei der Einrichtung einer zentralen Fachklasse, wie es vom Vertreter
des beigeladenen Landes geschildert worden sei, könne der Pflicht zu einer förmlichen
rechtsverbindlichen Entscheidung zur Abänderung der gesetzlich vorgesehenen genuinen
Schulbezirke bzw. der Verlagerung der Zuständigkeit zur Erfüllung der Berufsschulpflicht
im Sinne des § 79 Abs. 3 SchG sowohl bezüglich der örtlichen Schulbezirke wie auch der
betroffenen Berufsschüler nicht genügen. Deshalb könne schon verwaltungsintern nicht
von einer verbindlichen Zuweisung sämtlicher Berufsschüler im Bereich Gärtner/Garten-
und Landschaftsbau aus dem Schulbezirk Reutlingen in den Schulbezirk Göppingen die
Rede sein. Eine bloße informelle Unterrichtung der anderen Schulträger könne nicht
genügen. Nichts anderes gelte mit Blick auf die offenbar 1980 vom Oberschulamt
ausgefertigte und offenbar lediglich bei der xxx-Schule vorhandene Standortkarte. Eine
verbindliche Zuweisungsentscheidung nach § 79 Abs. 3 SchG setze eine rechtsförmige
Entscheidung mit Außenwirkung voraus. Für deren Vorliegen ergäben sich aus den Akten
keine Anhaltspunkte. Er, der Kläger, habe lediglich informell über den Ausbildungsbetrieb
erfahren, dass er die Berufsschule nur in Form der Blockschulunterrichts in Göppingen
besuchen könne. Da es an einer verbindlichen Zuweisungsentscheidung fehle, verbleibe
es jedenfalls im Verhältnis zu ihm, dem Kläger, bei der gesetzlichen Zuständigkeit und der
Verantwortung des Beklagten. Nachdem keine Zuweisungsentscheidung nach § 79 SchG
vorliege, könne sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass er selbst für die
Einrichtung einer entsprechenden Fachklasse wegen fehlenden öffentlichen Bedürfnisses
keine Zustimmung bei der Schulaufsichtsbehörde gemäß § 30 Abs. 1 SchG erhalten
könne. Denn derzeit müssten aus dem Schulbezirk des Landkreises Reutlingen 50
Schüler, verteilt auf drei Berufsschuljahrgänge, die Berufsschule in Göppingen besuchen.
Die Auffassung des Beigeladenen, dass ein öffentliches Bedürfnis für die Einrichtung
einer Berufsschulfachklasse im örtlichen Schulbezirk ein Aufkommen von 24
Berufsschülern pro Ausbildungsjahr voraussetze, sei willkürlich. Außerdem seien hier die
bei auswärtiger Unterbringung betroffenen Interessen der Schüler und der Eltern zu
berücksichtigen. Vor allem müsse aber ein öffentliches Interesse an der örtlichen
Berufsschulbeschulung jedenfalls in einem gängigen Ausbildungsberuf so lange
angenommen werden, als die Verlagerung der Berufsschulpflicht in einen auswärtigen
Bezirk nach § 79 Abs. 3 SchG nicht zugleich verbunden sei mit einem System, das eine
Pflicht zum vollen bzw. angemessenen finanziellen Ausgleich bindend vorsehe. Selbst
wenn angenommen werde, dass der Beklagte intern beim Regierungspräsidium für die
Einrichtung einer entsprechenden Fachklasse keine Zustimmung mehr erhielte, bliebe
dieser im Außenverhältnis gegenüber ihm, dem Kläger, zuständig und für die eintretenden
Folgen verantwortlich bzw. neben dem Land Baden-Württemberg mitverantwortlich. Die
Auferlegung unverhältnismäßiger Mehrkosten als Folge der auswärtigen Beschulung
stelle auch im Verhältnis zu den Berufsschülern, die immer noch im Bereich des örtlichen
Schulbezirks ihrer Berufsschulpflicht nachkommen könnten, eine rechtswidrige
Ungleichbehandlung dar. Die nunmehr entwickelte Praxis der regelmäßigen auswärtigen
Pflichtbeschulung von Berufsschülern verstoße auch gegen die Schulgeld- und
Lernmittelfreiheit nach § 93 SchG. Mit Blick auf die Praxis des beim Blockschulunterricht
praktizierten Ganztagesunterrichts müsse auch die Unterbringung und Betreuung als
integrierter Bestandteil eines ganzheitlichen Blockschulunterrichts angesehen werden.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts habe zu Unrecht Ansprüche gegenüber dem
Beklagten nach SGB VIII unberücksichtigt gelassen. Der Beklagte sei hier sowohl als
Schulträger wie als Träger der örtlichen Jugendhilfe zuständig. Jedenfalls soweit er
minderjährig gewesen sei, habe er wegen der mehrtägigen auswärtigen
Blockschulbeschulung der Betreuung und Beaufsichtigung bedurft. Diese Leistungen
seien von dem Jugendwohnheim, in dem er untergebracht gewesen sei, erbracht worden.
13 Der Kläger beantragt,
14 das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17.04.2012 - 4 K 2235/11 - zu
ändern und den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 30.05.2011 und
03.06.2011 zu verpflichten, über seinen Antrag vom 08.11.2010 auf Erstattung sämtlicher
durch die Erfüllung seiner Berufsschulpflicht im Rahmen des auswärtigen Besuchs des
Blockunterrichts in der xxx-xxx-Berufsschule in Göppingen entstandener Betreuungs-,
Unterbringungs- und Verpflegungskosten, die ihm vom Jugendwohnheim XX xxx,
Göppingen, in Rechnung gestellt worden sind, unter Abzug eines angemessenen
Eigenanteils an den Verpflegungskosten in Höhe der häuslichen Ersparnis für Frühstück-
, Mittag- und Abendessen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu
entscheiden.
15 Der Beklagte beantragt,
16 die Berufung zurückzuweisen.
17 Zur Begründung führt er aus: Ein Antrag auf Genehmigung einer Fachklasse nach § 30
Abs. 1 SchG habe keine Aussicht auf Erfolg. Nach Angaben des Ministeriums für
Ländlichen Raum und Verbraucherschutz böten im Landkreis Reutlingen ca. 18 Betriebe
eine Ausbildung zum Gärtner an, davon 10 Betriebe in der Fachrichtung Garten- und
Landschaftsbau. Aus der Zahl der Ausbildungsbetriebe erkläre sich, dass etwa 50
Schüler, verteilt auf 3 Jahrgänge, aus dem Landkreis Reutlingen die Berufsschule in
Göppingen besuchten. Der Beruf Gärtner werde in 7 Fachrichtungen ausgebildet, an der
Berufsschule erfolge die Aufteilung in Fachrichtungen im dritten Schuljahr. An der xxx-xxx-
Schule würden davon 3 Fachrichtungen unterrichtet. Bei der Zahl der
Ausbildungsbetriebe, den vorliegenden Schülerzahlen, den möglichen Fachrichtungen im
dritten Schuljahr und unter Berücksichtigung der zukünftig zurückgehenden Schülerzahlen
aufgrund der demographischen Entwicklung werde weder derzeit noch in der Zukunft die
kritische Grenze der Schülerzahl zur Einrichtung einer Berufsschule für Gärtner im
Landkreis Reutlingen erreicht. Deshalb bestehe für den Beklagten gar keine Möglichkeit,
die vom Kläger verlangte Berufsschulausbildung anzubieten. An einem öffentlichen
Interesse fehle es bereits deshalb, weil die Fachklasse in der xxx-xxx-Schule in
Göppingen bereits eingerichtet sei. Der Landkreis habe keinen Anlass gehabt, im Hinblick
auf die Einrichtung einer Fachklasse initiativ zu werden, insbesondere habe es an einer
Initiative der Ausbildungsbetriebe oder der entsprechenden Dachorganisation gefehlt. Mit
der Entscheidung des Regierungspräsidiums, eine zentrale Fachklasse für den Landkreis
Reutlingen in einem anderen Landkreis einzurichten, entfalle zugleich auch die
Zuständigkeit des beklagten Landkreises für den Kläger. Der Hinweis auf den Grundsatz
der wohnortnahen Berufsschulausbildung sei vor dem Hintergrund der demographischen
Entwicklung und der zunehmenden Spezialisierung theoretischer Natur. Es liege auf der
Hand, dass bei 340 Ausbildungsberufen eine qualifizierte wohnortnahe Berufsausbildung
nicht möglich sei. Daher sei es auch fachlich geboten, dass für Berufsschüler aus dem
Landkreis Reutlingen in 252 Berufen einen Berufsschulausbildung nur durch Zuweisung
an zentrale Fachklassen möglich sei. Auch werde das öffentliche Bedürfnis für das
Berufsschulangebot nicht durch den Landkreis sondern von der Wirtschaft als dualem
Partner im Sinne der angebotenen Ausbildungsverhältnisse erzeugt. Die Zuweisung des
Klägers nach Göppingen beruhe auf dem bereits erläuterten Verfahren zur Errichtung der
Schulbezirke und nicht auf Einzelverfügung gegenüber dem Kläger. Die Einrichtung von
zentralisierten Fachklassen ermögliche in erster Linie eine qualitativ höhere Ausstattung
an den jeweiligen Standorten im Interesse der Auszubildenden und der
Ausbildungsbetriebe; erhebliche Einsparungen bei den jeweiligen Schulträgern
resultierten hieraus nicht.
18 Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er meint, die Schulpflicht des Klägers beziehe sich
nicht nach § 79 Abs. 3, sondern nach § 79 Abs. 1 SchG auf die Schule in Göppingen. Die
Bestimmung des Schulbezirks erfolge bei Einbeziehung von Gebieten außerhalb des
Trägerlandkreises durch Abstimmung mit den einbezogenen Landkreisen und mit anderen
Schulträgern, die denselben Bildungsgang anböten. Diese Abstimmung erfolge einerseits
über die Handwerkskammern, andererseits über die Schulaufsichtsbehörden im Rahmen
des Zustimmungsverfahrens nach § 30 Abs. 1 Satz 1 SchG. Der Schulbezirk sei
ordnungsgemäß errichtet und bekanntgegeben worden. Die Festlegung des Schulbezirks
sei eine Widmung einer öffentlichen Sache, die keiner förmlichen Bekanntgabe bedürfe.
Es sei eine Mitteilung gegenüber den Kammern erfolgt, die diese Festsetzung über den
Ausbildungsbetrieb dem Kläger bekanntgegeben habe. Die von dem Schulbezirk
umfassten anderen Landkreise hätten durch Unterlassen der Einrichtung eines
gleichartigen Schulbezirks diesem Schulbezirk zugestimmt. Die Festlegung derartiger
Schulbezirke erfolge dabei stets auf Anregung oder wenigstens unter Einbeziehung der
entsprechenden Kammer, die zunehmend Spezialisierungen und höhere
Ausbildungsqualitäten verlange. Der Beklagte als Schulträger sei weder verpflichtet noch
gar berechtigt, den vom Kläger zu besuchenden Bildungsgang anzubieten (vgl. § 27 Abs.
2 SchG). Hierfür fehle es an einem öffentlichen Bedürfnis, nachdem durch die
Berufsschule in Göppingen auch der Bedarf im Landkreis Reutlingen mit gedeckt werde
und infolge der zu geringen Schülerzahlen in Reutlingen kein eigenständiger öffentlicher
Bedarf bestehe. Aus Art. 14 Abs. 2 Satz 1 LV ergebe sich kein Anspruch auf
Kostenerstattung. § 85 Abs. 1 Satz 2 SchG sowie die Regelungen über die
Schülerbeförderungskostenerstattung zeigten, dass es keine vollständige Kostenfreiheit
des Schulbesuchs gebe.
19 Mit Bescheid vom 26.09.2012 hat das Regierungspräsidium Stuttgart einen gegen das
Land Baden-Württemberg gerichteten Antrag des Klägers auf Kostenerstattung abgelehnt.
Hiergegen hat der Kläger unter dem 27.10.2012 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage
erhoben (12 K 3576/12)
20 Mit Verfügung vom 30.04.2013 sind das Regierungspräsidium Stuttgart, die xxx-Schule
Göppingen, der Landkreis Göppingen und der Beigeladene (Regierungspräsidium
Tübingen) gebeten worden, ggf. dort vorhandene Unterlagen zu übersenden, die im
Zusammenhang mit der Einrichtung einer überörtlichen Fachklasse für die
Berufsschulausbildung im Gärtnerberuf bei der xxx-Schule Göppingen stehen. Die hierauf
vorgelegten Unterlagen waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die
dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten, auf die wegen der weiteren
Einzelheiten des Sachverhalts verwiesen wird.
Entscheidungsgründe
21 Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und
mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist
nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
22 I. Das als Verpflichtungsklage in der Gestalt der Bescheidungsklage zu qualifizierende
Begehren ist statthaft und auch sonst zulässig. Das Rechtschutzbedürfnis ist nicht
zweifelhaft. Abgesehen davon, dass der Kläger sich (auch) auf Rechtsgrundlagen beruft,
die der Behörde Ermessen einräumen, dürfte dem Beklagten bei der Bestimmung des -
von dem geltend gemachten Erstattungsbetrag abzuziehenden - angemessenen
Eigenanteils an den Verpflegungskosten in Höhe der häuslichen Ersparnis für Frühstück-,
Mittag- und Abendessen ein Entscheidungsspielraum zustehen.
23 II. Die Klage ist indes unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute
Entscheidung des Beklagten über seinen Erstattungsantrag unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senats. Er kann von dem Beklagten nicht die Erstattung der
erhöhten Betreuungs-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten verlangen, die durch die
Erfüllung seiner Berufsschulpflicht im Rahmen des auswärtigen Besuchs des
Blockunterrichts in der xxx-Berufsschule in Göppingen entstanden sind. Die Bescheide
des Beklagten vom 30.05.2011 und vom 03.06.2011 sind rechtmäßig und verletzen den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
24 Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der Kläger von dem beklagten Landkreis die
Erstattung der geltend gemachten Kosten verlangen kann. Dies gilt zunächst, soweit der
Anspruch gegen den Beklagten in seiner Zuständigkeit als Berufsschulträger gerichtet
wird (1.). Diesem fehlt insoweit bereits die Passivlegitimation (a). Dem geltend gemachten
Anspruch stehen indes weitere Gründe entgegen (b). Auch als örtlicher Träger der
Jugendhilfe ist der Beklagte dem Kläger nicht zur Kostenerstattung verpflichtet (2.).
25 1. a) Aufgabe und Struktur der Berufsschule werden durch § 10 SchG (in der Fassung vom
01.08.1983, GBl. S. 397, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.04.2012, GBl. S. 209)
geregelt. Die Berufsschulpflicht beginnt mit dem Ablauf der Pflicht zum Besuch einer
aufbauenden Schule nach § 73 Abs. 2 SchG (§§ 77 und 72 Abs. 2 Nr. 2 SchG), dauert drei
Jahre und endet mit dem Ablauf des Schuljahres, in dem der Berufsschulpflichtige das 18.
Lebensjahr vollendet (§ 78 Abs. 1 Satz 1 und 2 SchG). Auszubildende, die vor
Beendigung der Berufsschulpflicht ein Berufsausbildungsverhältnis beginnen, sind bis
zum Abschluss der Ausbildung berufsschulpflichtig (§ 78 Abs. 2 Satz 1 SchG). Die
Berufsschulpflicht ist gemäß § 79 Abs. 1 SchG grundsätzlich durch den Besuch der
Berufsschule zu erfüllen, in deren Schulbezirk der Ausbildungs- oder Beschäftigungsort
liegt. Träger der Berufsschulen sind nach § 28 Abs. 3 SchG die Landkreise. Schulbezirk ist
nach § 25 Abs. 2 Satz 1 SchG das Gebiet des jeweiligen Schulträgers.
26 Von diesem Grundsatz hat das Schulgesetz Abweichungen vorgesehen. So kann nach §
25 Abs. 3 SchG der jeweilige Schulträger bei Berufsschulen für einzelne Typen,
Berufsfelder und Fachklassen besondere Schulbezirke festlegen. Diese spezielle
Regelung für Berufsschulen war in dem ab 01.04.1965 geltenden Gesetz zur
Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens (SchVOG, GBl. 1964 S. 235) noch nicht
enthalten, es galt vielmehr die allgemeine Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SchVOG,
wonach der Schulträger die Schulbezirke bestimmt, wenn im Gebiet des Schulträgers
mehrere Schularten derselben Schulart bestehen (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 SchG).
27 Außerdem kann die Schulaufsichtsbehörde gemäß § 79 Abs. 3 SchG aus Gründen einer
im öffentlichen Interesse liegenden Verbesserung der inneren oder äußeren
Schulverhältnisse, zur fachgerechten Ausbildung der Berufsschüler oder aus anderen
wichtigen Gründen die Schüler eines Berufsfeldes, einer Berufsgruppe oder eines
Einzelberufs einer anderen als der örtlich zuständigen Berufsschule zuweisen (Satz 1).
Wenn sich die Maßnahme auf die Bezirke von mehreren oberen Schulaufsichtsbehörden
erstreckt, ist für die Zuweisung die Schulaufsichtsbehörde zuständig, in deren Bezirk die
zunächst zuständige Berufsschule liegt (Satz 2). Die Schulaufsichtsbehörde hat sich vor
der Zuweisung mit den beteiligten Schulträgern und nach dem Berufsbildungsgesetz für
die Berufsbildung der Auszubildenden zuständigen Stellen ins Benehmen zu setzen (Satz
3).
28 Mit diesem Inhalt galt § 79 Abs. 3 SchG seit 01.05.2005. Auch in den Vorgängerfassungen
des Schulgesetzes hatte die Bestimmung im Wesentlichen den gleichen Wortlaut (vgl. §
79 Abs. 3 SchG in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung des Gesetzes vom 15.12.1997,
GBl. S. 535, und in der ab 01.08.1976 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.03.1976,
GBl. S. 410). Das davor ab dem 01.04.1965 geltende Gesetz zur Vereinheitlichung und
Ordnung des Schulwesens enthielt in § 48 Abs. 4 Satz 1 eine § 79 Abs. 3 Satz 1 SchG
entsprechende Vorschrift. § 48 Abs. 4 Satz 2 und 3 SchVOG lauteten: „Wenn sich die
Maßnahme auf mehrere Regierungsbezirke erstreckt, ist die oberste
Schulaufsichtsbehörde zuständig. Vor der Zuweisung sind die beteiligten Schulträger zu
hören“.
29 Auf der Grundlage dieser Vorschriften wurden und werden im Land in Berufen mit geringer
Zahl von Auszubildenden oder sog. Splitterberufen sog. Landes-, Landesbezirks- bzw.
Bezirksfachklassen eingerichtet. Durch die Zuweisung in diese überörtlichen Fachklassen
wird - in Abweichung von der gesetzlichen Schulbezirksregelung des § 9 Abs. 2 Satz 1
SchVOG/§ 25 Abs. 2 Satz 1 SchG - die Berufsschule bestimmt, durch deren Besuch die
Schüler ihre Berufsschulpflicht erfüllen. Damit wird im Hinblick auf die
Berufsschulausbildung in dem betreffenden Ausbildungsberuf sowohl die Zuständigkeit
der „aufnehmenden“ Berufsschule wie die des Schulträgers der „aufnehmenden“
Berufsschule begründet. Gleichzeitig verlieren die „abgebenden“ Berufsschulen und deren
Träger ihre Zuständigkeit. Das Verfahren bei der Einrichtung von Fachklassen an
Berufsschulen richtet sich nach der Verordnung des Kultusministeriums über die
Zuständigkeiten für schulorganisatorische Maßnahmen vom 18.10.2000 (GBl. S. 731, in
der Fassung der Verordnung vom 24.09.2012, GBl. S. 550) und dem Erlass des
Kultusministeriums vom 09.02.2001 zur Delegation von Zuständigkeiten für
schulorganisatorische Maßnahmen auf die Oberschulämter (Az: 32-6437/14). Danach sind
die Oberschulämter bzw. jetzt die Regierungspräsidien für die Zustimmung zur Einrichtung
von Fachklassen zuständig. Sofern für den betreffenden Ausbildungsberuf eine
„oberschulamtsübergreifende“ Fachklasse besteht, ist eine vorherige Abstimmung unter
den betreffenden Oberschulämtern bzw. nunmehr den Regierungspräsidien
herbeizuführen.
30 Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SchG wird der Berufsschulunterricht als Teilzeitunterricht, auch
als Blockunterricht, erteilt. Die Gestaltung des Blockunterrichts ist in der
Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport für den
Blockunterricht an den Berufsschulen und Zuwendungen an Schüler vom 08.12.2003 in
der Fassung vom 01.12.2005 (VwV BBS) geregelt. Nach Nummer II. 3 VwV BBS dauert
ein Unterrichtsblock in der Regel vier Wochen. Die Unterrichtsblöcke sollen in jedem Fall
ganze Wochen umfassen. Nach Nummer III. 1 VwV BBS können Berufsschüler, die den
Unterricht in einer Landes-, Landesbezirks- oder Bezirksfachklasse besuchen und
während der Zeit vorübergehend am Schulort wohnen müssen, als „freiwillige Leistung"
des Landes einen Zuschuss zu den Kosten für die auswärtige Unterkunft einschließlich
Verpflegung im Rahmen der nach dem Haushaltsplan verfügbaren Mittel nach Maßgabe
dieser Verwaltungsvorschrift und den Verwaltungsvorschriften zu §§ 44, 44a LHO
erhalten. Nach Nummer III. 1 Satz 2 VwV BBS besteht kein Rechtsanspruch auf
Förderung. Der Zuschuss beträgt nach Nummer III. 4.1 bei Unterbringung in einer
bereitgestellten Unterkunft 6,00 EUR pro Tag.
31 Danach fehlt dem Beklagten die Passivlegitimation.
32 Zwar ist der Beklagte grundsätzlich der für die Berufsbeschulung des Klägers zuständige
Schulträger, da in seinem Gebiet und Berufsschulbezirk der Sitz des
Ausbildungsbetriebes des Klägers liegt (vgl. § 79 Abs. 1, § 28 Abs. 3 und § 25 Abs. 2 Satz
1 SchG). Indes ist unstreitig, dass der Landkreis Göppingen in den 1970er Jahren gemäß
§ 11 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SchVOG (vgl. §§ 27 Abs. 2, 30 Abs. 1 Satz 1
und Abs. 4 SchG) die Fachklasse für die Berufsschulausbildung im Gärtnerberuf mit
Zustimmung des Ministeriums für Kultus und Sport bei der xxx-Schule in Göppingen
eingerichtet hatte. Darüber hinaus geht der Senat auf der Grundlage der ihm vorliegenden
Akten davon aus, dass die damals zuständige Schulaufsichtsbehörde die Berufsschüler
aus dem Bereich des Oberschulamts-/Regierungsbezirks Tübingen (ohne Überlingen), zur
Berufsschulausbildung für den Gärtnerberuf der xxx-Schule in Göppingen (Oberschulamts-
/Regierungsbezirk Stuttgart) im Sinne des § 48 Abs. 4 Satz 1 und 2 SchVOG bzw. § 79
Abs. 3 SchG zugewiesen hat.
33 Hierfür sprechen zunächst die vom beigeladenen Land in der mündlichen Verhandlung
vorgelegten Unterlagen aus den Beständen des Staatsarchivs Sigmaringen. Danach hat
das - mit Blick auf die Erstreckung der Maßnahme auf zwei Regierungsbezirke gemäß §
48 Abs. 4 Satz 2 SchVOG zuständige - Kultusministerium Baden-Württemberg bereits
unter dem 01.06.1971 „aufgrund § 48 Abs. 4 SchVOG“ angeordnet, dass die
Auszubildenden des Gärtnerhandwerks, die bisher in der ersten und zweiten Fachstufe an
der Gewerblichen Berufsschule Tübingen unterrichtet wurden, ab dem Schuljahr
1971/1972 die entsprechenden Fachklassen für Auszubildende des Gärtnerhandwerks an
der Landwirtschaftlichen Berufsschule in Göppingen zu besuchen haben. Damit sei „die
Berufsschulpflicht an der örtlichen Berufsschule abgegolten“. Der Landkreis Tübingen als
Träger der abgebenden Schule und der Landkreis Göppingen als Träger der
aufnehmenden Schule seien von den betreffenden Oberschulämtern gehört worden und
mit der Regelung einverstanden. Der weiteren Formulierung der Anordnung („rechtzeitig
zu Beginn jedes Schuljahres“) lässt sich eindeutig entnehmen, dass die Zuweisung für
zukünftige Fälle gelten sollte.
34 Ob für den Bezirk des beklagten Landkreises eine entsprechende Zuweisung vorlag, lässt
sich den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. Viel spricht dafür, dass es dort nie
eine Berufsschule für Gärtner gegeben hat. Jedenfalls geht der Senat davon aus, dass
entsprechend der dargestellten Vorgehensweise aufgrund von § 48 Abs. 4 SchVOG bzw.
§ 79 Abs. 3 SchG in der Folgezeit alle Berufsschüler aus dem Bereich des gesamten
Regierungsbezirks Tübingen (ohne Überlingen) zur Absolvierung der vollständigen
Berufsschulausbildung für den Gärtnerberuf der xxx-Schule in Göppingen zugewiesen
wurden. Dies wird belegt durch die - nach Schließung der mündlichen Verhandlung des
Verwaltungsgerichts - vorgelegte Standortkarte, die offenbar den Stand im Jahre 1980
wiedergibt und nach der die eingerichteten Fachklassen sowohl die Grundstufe wie die
Fachstufen I und II umfassten. Der darauf angebrachte Vermerk „OSA Bereich Tübingen
außer Überlingen“, der mit einer Verbindungslinie zum Schulort „Gp“ (Göppingen)
versehen ist, nimmt ersichtlich Bezug auf das Vorliegen einer entsprechenden
Zuweisungsentscheidung (vgl. auch die weitere Standortkarte hinsichtlich der
Fachklassen für den Gärtnerberuf mit der ausdrücklichen Bemerkung einer Zuweisung
bezogen auf den „Bezirk Tübingen, außer Überlingen“ in den vom Regierungspräsidium
Stuttgart übersandten Unterlagen, AS 141). Aus den die Einrichtung anderer Fachklassen
an der xxx-Schule betreffenden Unterlagen lässt sich darüber hinaus exemplarisch auch
der in den 1980 und 1990er Jahren übliche Verfahrensablauf nachvollziehen (vgl. die
Verwaltungsvorgänge anlässlich der Einrichtung einer Landesbezirksfachklasse in der
Fachstufe II für den Ausbildungsberuf Gärtner - Fachsparte Baumschule - an der xxx-
Schule in Göppingen, insbesondere die Zustimmungserklärung des Ministeriums für
Kultus und Sport nach § 30 SchG vom 29.07.1992 sowie die vom Oberschulamt Tübingen
ausgesprochene Zuweisung der Schüler des genannten Ausbildungsberufs aus seinem
Bezirk an die genannte Fachklasse nach § 79 Abs. 3 SchG mit an die Haus- und
Landwirtschaftlichen Schulen gerichtetem Schreiben vom 26.03.1993).
35 Dass sich die Abläufe im Zusammenhang mit der Zuweisung nicht mehr lückenlos
belegen lassen, ist ersichtlich der Tatsache geschuldet, das die Vorgänge zeitlich weit
zurückliegen und deshalb ein erheblicher Teil der Akten nicht mehr zur Verfügung steht.
Der Senat hat jedoch bei einer Gesamtschau der ihm vorgelegten Unterlagen keine
ernstlichen Zweifel daran, dass in den 1970er Jahren durch Entscheidung der damals
zuständigen Schulaufsichtsbehörde die Berufsschüler des Ausbildungsberufs Gärtner der
entsprechenden Fachklasse der xxx-Schule zugewiesen worden sind.
36 Was die Rechtsform der Maßnahme anbelangt, hat die Zuweisung im Sinne des § 48 Abs.
4 Satz 1 und 2 SchVOG bzw. § 79 Abs. 3 SchG nicht lediglich den Charakter einer
verwaltungsinternen Anweisung. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass es sich dabei
grundsätzlich um eine personenbezogene Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2
1. Alt. LVwVfG handelt. Danach ist Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt, der sich an
einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet.
Die Zuweisung erfüllt ohne Weiteres die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts nach §
35 Satz 1 LVwVfG. Dies gilt insbesondere für die Merkmale der Regelung und der
Außenwirkung. § 48 Abs. 4 Satz 1 und 2 SchVOG bzw. § 79 Abs. 3 SchG, die
systematisch in beiden Gesetzen dem die „Schüler“ betreffenden 7. Teil des Gesetzes
zugeordnet sind, räumen der zuständigen Schulaufsichtsbehörde ausdrücklich die
Befugnis ein, die Berufsschulpflicht für bestimmte Schüler oder Schülergruppen
abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 48 Abs. 1 SchVOG bzw. § 79 Abs. 1
SchG festzulegen. Mit der Zuweisung wird die Pflicht zum Besuch der Berufsschule, die
sich nach dem gesetzlichen Regelfall auf eine Schule im wohn- bzw. ausbildungsortnahen
Schulbezirk bezieht, abgeändert und eine Verpflichtung zum Besuch einer wohn- bzw.
ausbildungsortfernen Berufsschule begründet. Damit ist die Maßnahme unmittelbar auf die
Herbeiführung einer Rechtsfolge, die Entlassung aus der Pflicht des Schülers zum Besuch
der örtlichen und die Begründung der Pflicht zum Besuch der auswärtigen Berufsschule,
gerichtet. Demgemäß heißt es auch in der zitierten Anordnung vom 01.06.1971, „damit“,
also mit der Anordnung des Kultusministeriums, sei die Berufsschulpflicht in der örtlichen
Berufsschule „abgegolten“.
37 Dass diese Maßnahme mit einem nicht unerheblichen Eingriff in die Rechte des Schülers
und seiner Eltern aus Art. 11 Abs. 1 LV, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 1 GG
verbunden ist und damit das schulische Grundverhältnis berührt, bedarf keiner näheren
Darlegung (vgl. bereits VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.12.1971 - IV 862/70 -
, abgedruckt in Bosse/Burk, Schulrecht Baden-Württemberg, Rechtsprechung, Band 2, §
76 E 1, zur Zuweisung nach § 45 Abs. 2 SchVOG = § 76 Abs. 2 SchG;
Holfelder/Bosse/Reip, a.a.O., § 76 Anm. 3).
38 Diese Feststellungen zeigen, dass der Landesgesetzgeber der Schulaufsichtsbehörde in
§ 79 Abs. 3 SchG ausdrücklich die Befugnis zur Bestimmung der Berufsschulpflicht mit
unmittelbarer Rechtswirkung gegenüber den betroffenen Schülern eingeräumt hat.
Entgegen der Annahme des beigeladenen Landes bestimmt sich die Berufsschulpflicht
des Klägers nicht nach § 79 Abs. 1 SchG. Danach bezieht sich die Berufsschulpflicht kraft
Gesetzes grundsätzlich auf den Schulbezirk des Ausbildungs- bzw. Beschäftigungsorts.
Von dieser gesetzlichen Regelung wird im vorliegenden Fall indes gerade abgewichen.
Die abweichende Bestimmung der gesetzlich festgelegten Berufsschulpflicht ist hier nicht
Folge einer den Schulbezirk modifizierenden Festlegung durch den Schulträger, hier des
Landkreises Göppingen. Denn nach § 25 Abs. 2 Satz 1 SchG ist Schulbezirk das Gebiet
des Schulträgers. Dieser kann zwar nach § 25 Abs. 3 Satz 1 SchG bei Berufsschulen auch
für einzelne Typen, Berufsfelder und Fachklassen besondere Schulbezirke festlegen.
Diese Befugnis des Schulträgers ist aber naturgemäß auf sein Kreisgebiet beschränkt,
andernfalls würde sich die Festlegung der Schulbezirke als Handeln ultra vires darstellen
(vgl. Senatsurteil vom 08.08.1989 - 9 S 3042/88 - zu der für die Schulen nach § 72 Abs. 2
Nr. 1 SchG geltenden Parallelbestimmung des § 76 Abs. 2 SchG, abgedruckt bei
Bosse/Burk, a.a.O., § 76 E 8; zur früheren Rechtslage nach dem ab 01.04.1965 geltenden
Gesetz zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens vgl. § 9 Abs. 2 SchVOG mit
der eindeutigen Beschränkung auf das Gebiet des Schulträgers).
39 Da sich die Zuweisung sowohl an die gegenwärtigen wie auch an alle zukünftigen
Berufsschüler aus dem Oberschulamts- bzw. Regierungsbezirk Tübingen im
Ausbildungsberuf Gärtner richtete, war und ist Adressat damit ein nach allgemeinen
Merkmalen bestimmbarer Personenkreis (vgl. hierzu etwa OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 21.09.2012 - OVG 3 S 76.12 u.a. -, Juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12.Aufl.
2011, § 35 Rn. 161 ff.; vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 9
Rn. 30). Der Umstand, dass der Adressatenkreis zur Zeit des Erlasses der Regelung
objektiv nicht feststand, steht dabei der Annahme der Rechtsform der Allgemeinverfügung
nicht entgegen (vgl. Maurer, a.a.O.). Dies gilt auch im Hinblick auf die vor Erlass des am
01.01.1976 in Kraft getretenen Landesverwaltungsverfahrensgesetzes erlassene
Anordnung vom 01.06.1971. Denn auch nach der damals bestehenden Rechtslage war
nach zutreffender Ansicht für die Annahme des - die Abgrenzung zur Rechtsnorm
gewährleistenden - Einzelfalls die Konkretheit der Regelung ausreichend, d.h. ihre
Bezogenheit auf einen oder mehrere bestimmte Sachverhalte. Die Konkretheit auch des
Adressatenkreises war für die Bestimmung der Rechtsform nicht entscheidend (vgl. nur
Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 1973, § 11 1., S. 201;
Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl.1974, § 46 VI.a, 1. und 3. - jeweils mit
Nachweisen auch zur Gegenmeinung; zur Bildung von Schulbezirken in Form einer
Allgemeinverfügung Lambert/Müller/Sutor, Schulrecht Baden-Württemberg, § 25 Anm. 2).
40 Der Annahme der Wirksamkeit der Zuweisung steht auch nicht entgegen, dass dem
Kläger gegenüber eine förmliche Zuweisungsentscheidung nicht bekanntgegeben worden
ist.
41 Eine bestimmte Form ist für den Erlass der Zuweisung bzw. deren Bekanntgabe im Gesetz
nicht vorgesehen. Von der für Allgemeinverfügungen bestehenden Möglichkeit der
öffentlichen Bekanntmachung (vgl. § 41 Abs. 3 Satz 2 LVwVfG), die zur Ausräumung von
Zweifelsfragen geeignet wäre, ist nicht Gebrauch gemacht worden. Nach der aus den
vorgelegten Unterlagen ersichtlichen Praxis und den Darlegungen des Beigeladenen ist
die Information der (potentiellen) Schüler über die überörtliche Zuständigkeit der xxx-xxx in
Göppingen gezielt und mit Willen der für die Zuweisung zuständigen
Schulaufsichtsbehörde unter Einschaltung weiterer Stellen erfolgt, etwa der zuständigen
Berufsschulen, der einschlägigen Handwerks- oder Industrie- und Handelskammern bzw.
der Ausbildungsbetriebe im Regierungsbezirk. Diese dürften damit gleichsam als Boten
zur Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts der Zuweisung, der Begründung der
Zuständigkeit der xxx-xxx in Göppingen für die Berufsschüler im Ausbildungsberuf
Gärtner, veranlasst worden sein. Auch erscheint es nicht ausgeschlossen, die von der
zuständigen Schulaufsichtshörde vorgenommene Übersendung der
Standortverzeichnisse, aus denen die übergreifende Zuständigkeit bestimmter
Fachklassen für einen bestimmten Ausbildungsberuf abzulesen ist, an die für die
Weiterleitung der Zuweisung an die Schüler maßgeblichen Stellen als konkludente
Bekanntgabe der Zuweisungsentscheidung anzusehen. Dagegen ist jedenfalls im
Grundsatz nichts zu erinnern. Auf diese Weise erhielt jeder Berufsschüler letztlich auf
Veranlassung der zuständigen Behörde die Möglichkeit, über seine Berufsschule bzw.
über seinen Ausbildungsbetrieb von der Zuweisung Kenntnis zu nehmen. Auch der Kläger
hat auf diese Weise von der Zuweisung Kenntnis erhalten.
42 Die Frage, ob die hier gegenständliche Zuweisung dem Kläger gegenüber
ordnungsgemäß bekanntgegeben worden ist, kann indes dahinstehen. Denn dieser hat
jedenfalls sein Recht, Rechtsmittel gegen die Zuweisung einzulegen und Mängel der
Bekanntgabe der Zuweisung zu rügen, verwirkt.
43 Nach allgemeiner Meinung setzt die Verwirkung von Verfahrensrechten zweierlei voraus:
Zum einen muss das Recht über längere Zeit nicht geltend gemacht worden sein,
nachdem dies dem Rechtsinhaber möglich war (Zeitmoment); zum andern müssen
besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen
Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment; vgl. Sachs, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, a.a.O., § 53 Rn. 23 m.w.N.; Kopp/Ramsauer,
a.a.O., § 53 Rn. 45; zur Verwirkung des Rechts des Nachbarn zur Einlegung eines
Rechtsbehelfs gegen die Erteilung einer Baugenehmigung vgl. BVerwG, Urteil vom
25.01.1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294, 298; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 53 Rn. 49).
Danach kann es dem Betroffenen trotz fehlender oder fehlerhafter Bekanntgabe des
Verwaltungsakts nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf die an sich gegebene
Unwirksamkeit des Verwaltungsakts zu berufen. Der Verwaltungsakt ist dann als wirksam
zu behandeln. Eine solche Lage kann sich ergeben, wenn ein Betroffener von dem
Ergehen und dem Inhalt eines Verwaltungsakts auf andere Weise zuverlässig Kenntnis
erlangt hat und er gleichwohl gegenüber der Behörde den Anschein erweckt, dass er
gegen den Verwaltungsakt nicht vorgehen wolle (vgl. VGH Baden-Württemberg,
Beschluss vom 10.06.1996 - 4 S 2427/95 -, NVwZ-RR 1997, 582, 583). Entsprechendes
wird angenommen, wenn der Betroffene den Verwaltungsakt gegenüber der Behörde
erkennbar als gültig behandelt (vgl. Stelkens, a.a.O., § 41 Rn. 230 m.w.N.).
44 Danach ist dem Kläger die Berufung auf eine Unwirksamkeit der Zuweisung versagt. Die
überörtliche Fachklasse in Göppingen besteht nach Aktenlage seit den 1970er Jahren. Es
ist nicht ersichtlich, dass hiergegen oder gegen die Zuweisung der Berufsschüler aus dem
Regierungsbezirk Tübingen dorthin jemals Einwendungen erhoben worden wären. Dies
hat auch der Kläger nicht getan. Ausweislich des Berufsausbildungsvertrags vom
16.03.2009, in dem als zuständige Berufsschule Göppingen angegeben war, war dem
Kläger die Zuweisung jedenfalls seit diesem Zeitpunkt bekannt. Gleichwohl hat er sich zu
keinem Zeitpunkt mittels Einlegung von Rechtsbehelfen dagegen gewandt. Vielmehr ist er
von Anfang an der Pflicht zum auswärtigen Berufsschulbesuch in Göppingen
nachgekommen, ohne hiergegen etwas zu erinnern. So hat er die xxx in Göppingen seit
dem Berufsschuljahr 2009/2010 besucht und war dort während des Blockunterrichts im
Jugendwohnheim untergebracht. Erstmals mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten
vom 03.11.2010 hat er dem Beklagten gegenüber Ansprüche auf Erstattung der „durch die
Erfüllung der Berufsschulpflicht im Rahmen des Besuchs des Blockunterrichts in der xxx
entstandenen und noch entstehenden Unterbringungs- und Verpflegungskosten“ geltend
gemacht. Die Pflicht zum auswärtigen Berufsschulbesuch als solche hat er aber gerade
nicht in Frage gestellt. So wird in dem Schreiben ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger
„nach § 79 Abs. 3 Schulgesetz verpflichtet“ sei, „seine Berufsschulpflicht …an der Haus-
und Landwirtschaftlichen Schule der xxx-xxx-Schule in Göppingen zu erfüllen“. Dies zeigt,
dass der Kläger sich sowohl der Gesetzeslage wie der darauf gestützten Entscheidung der
staatlichen Schulaufsichtsbehörde bewusst war. Auch seine rechtliche Argumentation im
vorliegenden Verfahren baut auf der Zuweisungsentscheidung auf, da die Entstehung der
allein geltend gemachten Betreuungs-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten
notwendigerweise auf der von der Schulaufsichtsbehörde verfügten Zuweisung an die
xxx-Schule in Göppingen beruht. Mit der gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten
Klage (12 K 3576/12) wendet sich der Kläger ebenfalls nicht gegen die Begründung der
auswärtigen Berufsschulpflicht, sondern verlangt - wie im vorliegenden Verfahren -
(lediglich) die Erstattung der hierdurch entstandenen Mehrkosten. Mithin hat der Kläger in
seinem gesamten Verhalten gegenüber dem Beklagten wie auch gegenüber dem Land
Baden-Württemberg als Träger der Schulaufsichtsbehörde die Zuweisung erkennbar als
wirksam und verbindlich behandelt. Deshalb muss die - in späteren Schriftsätzen während
des gerichtlichen Verfahrens und damit lange Zeit nach Ablauf der Jahresfrist des § 58
Abs. 2 VwGO erfolgte - Berufung darauf, die Zuweisung sei ihm persönlich nicht
bekanntgegeben worden und erfülle auch sonst nicht die Voraussetzungen einer
ordnungsgemäßen rechtsförmigen Verwaltungsentscheidung, als unbeachtliches venire
contra factum proprium gewertet werden.
45 Etwaige Zweifel an der formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit der Zuweisung lassen
die hier allein maßgebliche Wirksamkeit der Zuweisung unberührt.
46 Danach hat der Beklagte durch die Zuweisung nach § 48 Abs. 4 SchOVG/§ 79 Abs. 3
SchG seine Zuständigkeit als Schulträger hinsichtlich der Berufsschulausbildung des
Klägers verloren. In diesem Zusammenhang geltend gemachte Ansprüche können daher
nicht gegen den Beklagten gerichtet werden.
47 b) Auch unabhängig von der fehlenden Passivlegitimation kann der Kläger aus den von
ihm benannten Bestimmungen nichts für sein Begehren herleiten.
48 aa) Vom Grundsatz der Schulgeld- und Lernmittelfreiheit sind die geltend gemachten
Kosten nicht erfasst.
49 Nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 LV sind Unterricht und Lernmittel an den öffentlichen Schulen
unentgeltlich. Zwar kommt diesem in Ausführung des Auftrags in Art. 14 Abs. 2 Satz 5 LV
durch die §§ 93 und 94 SchG konkretisierten Grundsatz subjektiv-rechtlicher Charakter zu
(vgl. Senatsurteil vom 11.04.2013 - 9 S 233/12 -; Lambert/Müller/Sutor, a.a.O., Art. 14 Anm.
2.1 und 2.2). Indes wird der Schutzbereich des Grundrechts hier nicht berührt. Denn die
durch die auswärtige Unterbringung verursachten Kosten für Unterkunft, Verpflegung und
Betreuung beziehen sich weder auf Lernmittel noch auf den Unterricht.
50 Lernmittel sind Gegenstände, die für den Unterricht nach Anordnung der
Unterrichtsverwaltung notwendig und zur Nutzung durch den einzelnen Schüler bestimmt
sind (vgl. Senatsurteil vom 23.01.2001- 9 S 331/00 -, VBlBW 2001, 217; vgl. hierzu die
Lernmittelverordnung vom 19.04.2004, GBl. S. 368, mit der näheren Bestimmung der
notwendigen Lernmittel). Hierauf beziehen sich die hier geltend gemachten Kosten
ersichtlich nicht.
51 Die Kostenfreiheit des Unterrichts wird gemeinhin als Synonym für Schulgeldfreiheit
verstanden (Verfassunggebende Landesversammlung von Baden-Württemberg, Beilage
1103, S. 22; Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984,
Art. 14 Rn. 17; Feuchte, in: ders. , Verfassung des Landes Baden-Württemberg,
1987, Art. 14 Rn. 3; Lambert/Müller/Sutor, a.a.O., § 93 Anm. 1; vgl. auch Senatsurteil vom
11.04.2013, a.a.O.). Das Schulgeld stellt aber weiter nichts als eine öffentlich-rechtliche
Gegenleistung für die Benutzung einer Schule als öffentliche Anstalt dar (vgl. VG Stuttgart,
Urteil vom 05.01.1978 - VRS III 102/77 -). Mithin erschöpft sich die Bedeutung der
Vorschrift in der Freistellung von dieser Gegenleistungspflicht, darüber hinausgehende
Leistungspflichten, etwa zur Tragung von mit dem Schulbesuch verbundenen allgemeinen
Lebenshaltungskosten werden hierdurch nicht begründet (vgl. bereits VG Karlsruhe, Urteil
vom 24.08.1977 - VI 95/77 -; VG Stuttgart, Urteil vom 05.01.1978, a.a.O.).
52 bb) Auch auf Art. 11 Abs. 1 LV kann der Kläger sein Begehren nicht stützen.
53 Nach dieser Vorschrift hat jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf Herkunft oder
wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und
Ausbildung. Dabei handelt es sich nicht um einen bloßen Programmsatz, sondern um ein
klares Verfassungsgebot in erster Linie für die Legislative, aber auch für die Exekutive, wie
sich aus Abs. 2, wonach das öffentliche Schulwesen nach diesem Grundsatz zu gestalten
ist, und aus Abs. 4 ergibt, wonach das Nähere ein Gesetz regelt (vgl. Staatsgerichtshof für
das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 02.08.1969 - Gesch. Reg. Nr. 3/1969 -, ESVGH
20, 1, 3). Darüber hinaus kann aus Art. 11 Abs. 1 LV ein subjektives Teilhaberecht auf
Bildung abgeleitet werden. Allerdings bedarf dies im Einzelnen der staatlichen
Ausgestaltung (vgl. Senatsurteil vom 23.01.2013 - 9 S 2180/12 -; Senatsbeschluss vom
10.06.1991 - 9 S 2111/90 -, Juris Rn. 43; Feuchte, a.a.O., Art. 11 Rn. 4, 10; Braun, a.a.O.,
Art. 11 Rn. 7).
54 Im Übrigen ist diesem Verfassungsgebot nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom
12.11.1975 - IX 1269/72 - m.N.) bereits Genüge getan, wenn der junge Mensch die seiner
Begabung entsprechende Ausbildung ohne unzumutbare wirtschaftliche
Inanspruchnahme tatsächlich erhält. Der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass die
Schulausbildung dem Schüler oder seinen Erziehungsberechtigten keinerlei Kosten
verursachen darf. Auch aus dem systematischen Zusammenhang, in dem die Vorschrift zu
Art. 14 Abs. 2 LV steht, folgt, dass der Landesverfassung der Gedanke einer Freistellung
von sämtlichen mit der Ausbildung verbundenen Kosten fremd ist (vgl. § 85 Abs. 1 Satz 2
SchG).
55 cc) Aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vermag der Kläger nichts
herzuleiten, weil der geltend gemachte Gleichheitsverstoß dem Beklagten nicht
zugerechnet werden kann.
56 Der nach Ansicht des Klägers gleichheitswidrige Zustand, die von ihm unter dem
Gesichtspunkt der Kostenmehrbelastung gerügte Ungleichbehandlung gegenüber
Berufsschülern, deren Berufsschulpflicht sich dem gesetzlichen Regelfall des § 79 Abs. 1
SchG entsprechend auf eine ausbildungs- bzw. beschäftigungsortnahe Berufsschule
bezieht, beruht nicht auf einem dem Beklagten zuzurechnenden kausalen Handeln oder
Unterlassen. Denn die Pflicht des Klägers zum Besuch der auswärtigen Berufsschule ist
ausschließlich durch die Regelung des Landesgesetzgebers in § 48 Abs. 4 SchVOG/§ 79
Abs. 3 SchG und durch die darauf beruhende Zuweisungsentscheidung der zuständigen
Schulaufsichtsbehörde begründet worden.
57 Art. 7 Abs. 1 GG unterstellt das gesamte Schulwesen der Aufsicht des Staates. Damit
statuiert er auch die Befugnis zur Planung und Organisation des Schulwesens mit dem
Ziel, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen jungen Bürgern gemäß ihren
Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden
Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Zu diesem staatlichen Gestaltungsbereich gehört nicht nur
die organisatorische Gliederung der Schule, sondern auch die inhaltliche Festlegung der
Ausbildungsgänge und der Unterrichtsziele (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom
06.12.1972 - 1 BvR 230/70 und 95/71 -, BVerfGE 34, 165, 182; Beschluss des Ersten
Senats vom 21.12.1977 - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 -, BVerfGE 47, 46, 71 f.;
Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, § 7 Rn. 4, 6 ). Demgemäß umfasst der staatliche
Erziehungsauftrag auch die Regelungsbefugnis hinsichtlich der allgemeinen Schulpflicht
sowie deren Modalitäten (vgl. Senatsurteil vom 08.08.1989, a.a.O.; BVerwG, Beschluss
vom 15.10.2009 - 6 B 27/09 -, NVwZ 2010, 525-526; Niehues/Rux, Schulrecht, 4. Aufl.
2006, a.a.O., Rn. 129 ff.).
58 In Wahrnehmung des staatlichen Erziehungsauftrags weist der Landesgesetzgeber in § 48
Abs. 4 SchVOG/§ 79 Abs. 3 SchG zur Wahrung der dort genannten öffentlichen Interessen
die Befugnis, die Berufsschulpflicht abweichend vom gesetzlichen Regelfall auf eine
andere als die örtlich zuständige Berufsschule zu beziehen, der staatlichen Schulaufsicht
bzw. deren Behörden zu (vgl. bereits Senatsurteil vom 08.08.1989, a.a.O.). Die dort
geregelte Zuweisung ist Sache der Schulaufsicht, sie ist vom Selbstverwaltungsrecht des
Schulträgers nicht umfasst, zumal es hier ohnehin um eine schul- und sogar
regierungsbezirksübergreifende Maßnahme geht und die dem Beklagten eingeräumte
Kompetenz sich nur auf sein eigenes Kreisgebiet erstreckt (zur Zuweisung nach § 76 Abs.
2 Nr. 1 und 2 SchG bereits Senatsurteil vom 08.08.1989, a.a.O.; Holfelder/Bosse/Reip,
a.a.O., § 76 Anm. 3).
59 Mithin kann die vom Kläger beanstandete Ungleichbehandlung nicht auf ein dem
Beklagten zurechenbares Handeln oder Unterlassen zurückgeführt werden. Dem steht
auch nicht entgegen, dass der Beklagte als Träger der Berufsschulen in seinem Bereich (§
28 Abs. 3 SchG) jedenfalls grundsätzlich die Möglichkeit hätte, eine entsprechende
Fachklasse in einer seiner Berufsschulen einzurichten (vgl. § 30 Abs. 4, Abs. 1 SchG).
Denn im vorliegenden Fall besteht diese Möglichkeit nicht. Die schulorganisatorische
Maßnahme bedürfte der Zustimmung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde, des
Regierungspräsidiums Tübingen (vgl. § 30 Abs. 1 und 4 SchG, § 1 Abs. 1 der Verordnung
des Kultusministeriums über die Zuständigkeiten für schulorganisatorische Maßnahmen,
a.a.O., sowie Nummer II. Buchstabe a des Erlasses des Kultusministeriums vom
09.02.2001, Az: 32-6437/14). Das Regierungspräsidium Tübingen hat indes bereits erklärt,
einer derartigen Maßnahme nicht zuzustimmen.
60 Außerdem stünde einer solchen Maßnahme § 27 Abs. 2 SchG entgegen. Danach sind die
Schulträger berechtigt und verpflichtet, öffentliche Schulen einzurichten und fortzuführen,
wenn ein öffentliches Bedürfnis hierfür besteht. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Schon
mit Blick auf die wirksame Zuweisung der Berufsschüler des einschlägigen
Ausbildungsberufs aus dem Bereich des Beklagten an die Fachklasse in Göppingen kann
das Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses für die Einrichtung einer Fachklasse für die
Gärtnerausbildung im Gebiet des Beklagten nicht angenommen werden.
61 Unabhängig davon räumen weder Art. 11 Abs. 1 LV noch die Bestimmungen des
Schulgesetzes dem Kläger einen Anspruch auf Einrichtung einer Fachklasse ein (vgl.
Lambert/Müller/Sutor, a.a.O., Art. 11 LV Anm. 1). Bei der Einrichtung einer Fachklasse der
Berufsschule handelt es sich um eine das Schulwesen betreffende Planungs- und
Organisationsentscheidung. Zur Gewährleistung der planerischen Gestaltungsfreiheit des
Schulträgers ist die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung einer etwaigen Verletzung des
Gebots gerechter Abwägung beschränkt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom
11.12.1979 - XI 1676/79 -, abgedruckt in Bosse/Burk, Schulrecht Baden-Württemberg,
Rechtsprechung, Band 1, § 30 E 10, und vom 09.08.1990 - 9 S 1716/90 -; vgl. auch OVG
Lüneburg, Beschluss vom 17.06.2011 - 2 MN 31/11 -, Juris, Rn. 18 m.w.N.; Niehues/Rux,
a.a.O., Rn. 1213 ff.). Gerichtlich kann nur überprüft werden, ob der Schulträger die
öffentlichen und privaten Belange zutreffend und vollständig ermittelt, sie gegeneinander
und untereinander abgewogen und hierbei die Belange der Eltern und Schüler nicht in
unverhältnismäßiger und damit in unzumutbarer Weise zurückgesetzt hat (vgl. VGH
Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.12.1979, a.a.O.; Theurbacher, NVwZ 1988, 886,
889). Dabei dürfte es unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Bedürfnisses nicht zu
beanstanden sein, wenn im beruflichen Schulwesen bestimmte Bildungs- und
Ausbildungsinhalte nur bei einer Mindestnachfrage vorgehalten werden (vgl.
Lambert/Müller/Sutor, a.a.O., § 27 Anm. 3.2 ).
62 Nach den Darlegungen des Beklagten erklärt sich aus der Zahl der Ausbildungsbetriebe
im Landkreis, dass derzeit etwa 50 Schüler, verteilt auf 3 Jahrgänge, aus dem Landkreis
Reutlingen die Berufsschule in Göppingen besuchen. Der Beruf Gärtner werde in 7
Fachrichtungen ausgebildet, an der Berufsschule erfolge die Aufteilung in Fachrichtungen
im dritten Schuljahr. An der xxx-Schule würden davon 3 Fachrichtungen unterrichtet. Bei
der Zahl der Ausbildungsbetriebe, den vorliegenden Schülerzahlen, den möglichen
Fachrichtungen im dritten Schuljahr und unter Berücksichtigung der zukünftig
zurückgehenden Schülerzahlen aufgrund der demographischen Entwicklung werde weder
derzeit noch in der Zukunft die kritische Grenze der Schülerzahl zur Einrichtung einer
Berufsschule für Gärtner im Landkreis Reutlingen erreicht. Der Vertreter des Beigeladenen
hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass das öffentliche Bedürfnis für die
erstmalige Einrichtung einer Berufsschulfachklasse in der schulaufsichtsrechtlichen Praxis
von einem Aufkommen von mindestens 20 Berufsschülern pro Ausbildungsjahr abhängig
gemacht werde. Auf der Grundlage dieser Darlegungen, die vom Kläger nicht substantiiert
in Frage gestellt worden sind, vermag der Senat die Einschätzung der Beklagten und der
zuständigen Schulaufsichtsbehörde, dass ein für die Einrichtung einer eigenen
Fachklasse erforderliches öffentliches Bedürfnis fehlt, nicht zu beanstanden.
63 Nach alledem scheidet eine dem Beklagten zurechenbare Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG
aus. Der Rüge der gleichheitswidrigen Kostenmehrbelastung ist deshalb in dem gegen
das Land Baden-Württemberg gerichteten Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht
Stuttgart nachzugehen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 15.04.1987 - Vf. 1-VII-85 -,
Juris).
64 dd) Auch der vom Kläger geltend gemachte Folgenbeseitigungsanspruch greift nicht
durch.
65 Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch ist auf die Wiederherstellung des
durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten rechtmäßigen Zustands
gerichtet, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestand; zu einem darüber hinausgehenden Erfolg
kann er nicht führen. Er ermöglicht deshalb keinen Ausgleich für Schäden, die durch
rechtswidriges Verwaltungshandeln verursacht worden sind (vgl. BVerwG, Urteile vom
21.12.2000 - 2 C 39/99 -, BVerwGE 112, 308, und vom 28.05.2003 - 2 C 35/02 -, ZBR
2003, 385; vgl. auch Senatsurteile vom 21.10.2008 - 9 S 1507/06 -, VBlBW 2009, 69, und
vom 29.01.1982 - 9 S 549/80 -, Juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844; Maurer, a.a.O., § 30 Rn. 7 ff.; Hess
VGH, Beschl. v. 01.11.2010, Juris Rn. 32).
66 Das Vorliegen eines rechtswidrigen Eingriffs kann hier offen bleiben. Denn der
Folgenbeseitigungsanspruch ist bereits keine geeignete Rechtsgrundlage für das
Begehren des Klägers. Dieser erstrebt die Beseitigung der „rechtswidrigen finanziellen
Belastung, verursacht durch die vom Schulträger zu verantwortende Verletzung seiner
Pflicht zur unentgeltlichen Bereitstellung des Berufsschulunterrichts zu zumutbaren
Bedingungen wie auch durch die Verletzung des Gleichheitsprinzips“. Der Sache nach
führt er die Belastung mit den Mehrkosten aufgrund des auswärtigen Berufsschulbesuchs
auf ein rechtswidriges Unterlassen des Beklagten zurück. Dieses kann indes nicht
Gegenstand des Folgenbeseitigungsanspruchs sein. Denn der angeblich rechtswidrige
Zustand muss durch ein rechtswidriges Handeln der Verwaltung, durch positives Tun
herbeigeführt worden sein, ein Unterlassen genügt schon deshalb nicht, weil es in diesem
Fall nichts gibt, was wiederherzustellen wäre (vgl. Maurer, a.a.O., § 30 Rn. 9; OVG M.-V.,
Urteil vom 28.10.2009 - 2 L 209/06 -, Juris, Rn. 76). Mit dem hier verfolgten Anspruch soll
nicht der frühere status quo wiederhergestellt, sondern eine Veränderung herbeigeführt
werden.
67 Im Übrigen erfasst der Folgenbeseitigungsanspruch die (rechtswidrigen) Folgen einer
Amtshandlung, auf die sie nicht unmittelbar gerichtet war, jedenfalls dann nicht, wenn die
Folgen durch ein auf der eigenen Entschließung des Betroffenen beruhendes Verhalten
(mit)verursacht worden sind (BVerwG, Urteile vom 21.12.2000, a.a.O., und vom
19.07.1984 - 3 C 81.82 -, BVerwGE 69, 366). Auch dies steht dem Anspruch entgegen.
Denn die Kosten der auswärtigen Unterbringung sind jedenfalls auch darauf
zurückzuführen, dass der Kläger die Fachklasse in Göppingen besucht und die Eltern des
Klägers für diesen mit der Stiftung xxx xxx Göppingen unter dem 03.10.2009 eine
„Kostenvereinbarung“ u.a über die Überlassung eines Unterkunftsplatzes im
Jugendwohnheim xxx xxx abgeschlossen haben. Letztlich verfolgt der Kläger einen
Schadensersatzanspruch, den er indes nur im Wege der Amtshaftungsklage vor den
Zivilgerichten geltend machen kann.
68 2. Der Beklagte ist auch als örtlicher Träger der Jugendhilfe (vgl. § 85 SGB VIII, §§ 1 und 5
LKJHG) dem Kläger nicht zur Kostenerstattung verpflichtet.
69 a) Dies gilt zunächst, soweit der Kläger eine Erstattung unter dem Gesichtspunkt der Hilfe
zur Erziehung geltend macht. Dieser Anspruch setzt voraus, dass eine dem Wohl des
Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die
Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist (§ 27 Abs. 1 SGB VIII). Die
Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt einen erzieherischen Bedarf voraus, der seine
Ursache in einer erzieherischen Mangelsituation hat (Fischer, in:
Schellhorn/Fischer/Mann/Kern , SGB VIII, 4. Aufl. 2012, § 27 Rn. 25 m.w.N.;
Kunkel, in: ders. , LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 27 Rn. 2). Ferner ist erforderlich,
dass der Erziehungsmangel in absehbarer Zeit eine Gefährdung des Kindeswohls
herbeiführen würde (vgl. Kunkel, LPK-SGB VIII, § 27 Rn. 7).
70 Im vorliegenden Fall besteht die Mangelsituation ausschließlich darin, dass der Kläger
während der Zeiten seines Blockunterrichts unter der Woche ohne unmittelbare elterliche
Betreuung im Jugendwohnheim untergebracht war. Eine verantwortliche Ausübung der
Personensorge durch die Eltern setzt indes keine ständige häusliche Gemeinschaft
voraus. Die Eltern können in einer solchen Situation ihren erzieherischen Einfluss auch
auf andere Weise geltend machen. Dafür, dass die Eltern des Klägers hierzu nicht willens
oder in der Lage waren, fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt. Erziehungsprobleme sind nie
behauptet worden. Mithin vermag der Senat eine erzieherische Mangelsituation oder gar
Erziehungsmängel, die in absehbarer Zeit eine Gefährdung des Kindeswohls ausgelöst
hätten, nicht festzustellen.
71 b) Entsprechendes gilt, soweit der Kläger sich auf § 41 SGB VIII beruft. Danach soll einem
jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer verantwortlichen
Lebensführung gewährt werden, wenn und solange Hilfe aufgrund der individuellen
Situation des jungen Menschen notwendig ist. Die individuelle Situation des jungen
Volljährigen muss dabei durch Einschränkungen in der Persönlichkeitsentwicklung sowie
in der Fähigkeit, ein eigenständiges Leben zu führen, gekennzeichnet sein (vgl. Fischer,
a.a.O., § 41 Rn. 6; vgl. Kindle, LPK-SGB VIII, § 41 Rn. 4: „erkennbarer Leidensdruck“).
Hierfür fehlt jeder Anhaltspunkt.
72 c) Soweit sich der Klägervertreter darauf beruft, dass der Beklagte, solange die dem
Kläger in Rechnung gestellten Kosten nicht durch dritte zuständige Träger, insbesondere
einen Schulträger, übernommen werden, als Träger der Jugendhilfe nach § 10 SGB VIII
„Ausfallbürge“ sei, verkennt er den Regelungsgehalt der Bestimmung. Diese bestimmt -
ihrer systematischen Stellung im Rahmen des Ersten Kapitels „Allgemeine Vorschriften“
entsprechend - lediglich das Rangverhältnis der Jugendhilfemaßnahmen zu
Verpflichtungen und Leistungen anderer. Anders als etwa die Vorschriften des Zweiten
Kapitels („Leistungen der Jugendhilfe“) begründet sie keinen eigenständigen Anspruch
des Klägers.
73 d) Schließlich kann sich der Kläger auch auf § 13 Abs. 3 SGB VIII nicht mit Erfolg berufen.
74 Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann jungen Menschen während der Teilnahme an
schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung
Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden. Danach
liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des örtlichen träges, eine derartige Leistung
anzubieten. Da das Angebot nicht der Behebung einer Krisensituation dient, verleiht die
Regelung dem jungen Menschen kein subjektives Recht (vgl. Fischer, a.a.O., § 13 Rn. 21).
Ein Rechtsanspruch auf fehlerfreie Ausübung dieses Ermessens besteht bezüglich der
Teilhabe (erst) dann, wenn der öffentliche Träger eine derartige Leistung überhaupt
anbietet (vgl. Nonninger, in: LPK-SGB VIII, § 13 Rn. 36; Fischer, a.a.O., § 13 Rn. 21).
75 Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einem Angebot des öffentlichen Trägers im Sinne
des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII. Der Umstand, dass der freie Träger, der das
Jugendwohnheim xxx xxx betreibt, eine § 13 Abs. 3 SGB VIII entsprechende Leistung
anbietet (zur Einstufung der Unterbringung und Betreuung von Berufsschülern in einem
Jugendgästehaus durch einen freien Träger der Jugendhilfe als Leistung der
Jugendsozialarbeit nach § 13 Abs. 3 SGB VIII vgl. das Senatsurteil vom 22.05.2013 - 9 S
889/11 -), ist insoweit unerheblich. Angebote der freien Träger können für sich genommen
keine subjektiven Berechtigungen auslösen, weil sich die korrespondierende
Leistungsverpflichtung ausschließlich auf den Träger der öffentlichen Jugendhilfe bezieht
(vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII; vgl. Fischer, a.a.O., § 13 Rn. 21, mit der Verweisung auf §
11 Rn.16 ff.).
76 Unabhängig davon ist im Falle von Leistungen für Betreuung und Unterkunft in einer
sozialpädagogisch begleiteten Wohnform nach § 13 Abs. 3 SGB VIII gemäß §§ 78a ff.
SGB VIII der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur dann zur Übernahme des Entgelts
verpflichtet ist, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband
Vereinbarungen nach § 78b SGB VIII geschlossen wurden (§ 78b Abs. 1 SGB VIII; vgl.
auch Gottlieb, in: LPK-SGB VIII, a.a.O., § 78b Rn. 1). An einer Vereinbarung mit dem freien
Träger des Jugendwohnheims fehlt es.
77 II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2. Die außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen, der keinen Sachantrag gestellt hat, sind nicht erstattungsfähig (§ 154 Abs.
3, § 162 Abs. 3 VwGO).
78 Das Verfahren ist nicht gemäß § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtkostenfrei. Seinem
Schwerpunkt nach ist das Klagebegehren nicht dem Sachgebiet der Jugendhilfe im Sinne
des § 188 Satz 1 VwGO, sondern dem Schulrecht zuzurechnen. Der Kläger stützt seinen
Anspruch auf Kostenerstattung ganz überwiegend auf Rechtsgrundlagen, die in einem
engen Zusammenhang mit schulrechtlichen Bestimmungen stehen. Dass er sich daneben
in untergeordnetem Umfang auch auf Regelungen des SGB VIII beruft, eröffnet den
Anwendungsbereich des § 188 Satz 2 VwGO nicht.
79 Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2
VwGO vorliegt.
80
B e s c h l u s s
vom 22. Mai 2013
81 Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 3.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und
§ 52 Abs. 1 GKG).