Urteil des VG Stuttgart vom 02.07.2013

VG Stuttgart: bebauungsplan, sportanlage, juristische person, konzept, öffentliche bekanntmachung, arzneimittel, heilmittel, ausschluss, beschränkung, gemeinderat

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 2.7.2013, 8 S 1784/11
Leitsätze
1. a) Zur Verhinderung der Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO ist es erforderlich, dass die
Äußerung während der öffentlichen Auslegung hinreichend klar ergibt, dass Einwendungen im
eigenen Namen durch den Antragsteller geltend gemacht werden und welcher
abwägungserhebliche Belang als betroffen angesehen wird.
b) Die Zielrichtung einer Erklärung im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung ist, sofern sie
ihrem Wortlaut nach nicht völlig eindeutig als Einwendung zu verstehen ist, ausgehend von dem
durch Auslegung zu ermittelnden wirklichen Willen der erklärenden Person zu ermitteln, wobei
kein zu enger Maßstab angelegt werden darf.
2. Bei einem Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan erfordert die Geltendmachung
einer Verletzung des Rechts auf gerechte Abwägung eigener Belange (§ 1 Abs. 7 BauGB) nach
§ 47 Abs. 2 VwGO nicht, dass im einzelnen Tatsachen vorgetragen werden, die konkret eine
fehlerhafte Behandlung eines abwägungsbeachtlichen eigenen Belangs des Antragstellers
durch die Gemeinde als möglich erscheinen lassen. Es genügt die Darlegung eines
abwägungserheblichen privaten Belangs des Antragstellers (im Anschluss an BVerwG, Urteil
vom 30.04.2004 - 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 und Beschluss vom 17.12.2012
- 4 BN 19.12 - BauR 2013, 753 Rn. 3).
3. Einzelfall einer unzulässigen Feinstrukturierung eines Gewerbegebiets nach § 1 Abs. 9
BauNVO
Tenor
Der Bebauungsplan „Thermalbadgrundstücke“ der Gemeinde B... vom 15. April 2010 wird für
unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan „Thermalbadgrundstücke“ der
Antragsgegnerin vom 24.06.2010.
2 Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der Flst. Nr. 2696 ... Dieses
befindet sich in einem durch den Bebauungsplan „Westliche Ortsmitte/Erlengarten - 1.
Änderung und Erweiterung“ der Antragsgegnerin vom 13.10.1988 festgesetzten
allgemeinen Wohngebiet. Westlich schließt sich das unbebaute Grundstück Flst. Nr. 2698
an, das wiederum westlich an den Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans
angrenzt.
3 Der Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans, der sich auf ungefähr 25 ha
erstreckt, ist wie folgt begrenzt: im Nordwesten durch den Verlauf der L 1214, im Westen
und Süden durch die ..., einem Verbindungsweg zwischen ... und ... sowie dem ... im
Südosten, dem Weg östlich des Schulzentrums unter Einschluss des Kindergartens ... im
Osten sowie anschließend dem ... im Osten bis zur ..., die im Norden dann wieder an die ...
anschließt.
4 Hinsichtlich der Art der zulässigen baulichen Nutzung wird in dem Bebauungsplan für die
Grundstücke mit den Flst. Nr. 1684/2 im westlichen Teil sowie für die Grundstücke mit den
Flst-Nr. 1971/3, 1971/4 und 1971/5 und 1685 die Festsetzung „Mischgebiet“ getroffen.
Gartenbaubetriebe, Tankstellen sowie Vergnügungsstätten sind nach Nr. A. 1.1 der
textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ausgeschlossen. Für den bislang
unbebauten Bereich östlich der Straße ..., in westlicher Richtung bis auf Höhe des mit dem
Vereinsheim des TSV ... e.V. bebauten Grundstücks, weist der Bebauungsplan ein
eingeschränktes Gewerbegebiet aus. Zulässig sind dort nach den textlichen
Festsetzungen nur nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe der Heilmittel-,
Arzneimittel- sowie der Kosmetikherstellung mit deren Geschäfts-, Büro- und
Verwaltungsgebäuden. Ausnahmsweise sind als zulässig festgesetzt eine Verkaufsstelle
bis 300 qm Verkaufsfläche zum Verkauf von betriebseigenen Produkten und Wohnungen
für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm in
Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind. Das festgesetzte Gewerbegebiet wird
südlich durch die Badallee begrenzt. Diese setzt sich westlich der K ... außerhalb des
Plangebiets fort und führt zum Kurhaus.
5 Im südöstlichen Teil des Gewerbegebiets grenzt das Gelände des bereits errichteten
Schulzentrums ... an. Der Bebauungsplan setzt hier eine Fläche für den Gemeinbedarf
(Schulzentrum) fest. Weiter nördlich werden Gemeinbedarfsflächen für kulturellen
Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen - Kleintierzüchterverein und Kindergarten
- entsprechend der bereits realisierten Bebauung ausgewiesen. Der ebenfalls bereits
errichte Sportplatz, der westlich an die Gemeinbedarfsflächen angrenzt, wird als
„öffentliche Grünfläche - Sportplatz“ ausgewiesen. In den textlichen Festsetzungen heißt
es, dass innerhalb der öffentlichen Grünfläche ein Vereinsheim zulässig sei.
6 Im Bereich nördlich der Straße ... ist für die Grundstücke mit den Flst. Nr. 1691, 1692 und
1831 bis 1835 eine öffentliche Grünfläche - Sportanlage (Anlage einer Kampfbahn Typ C)
festgesetzt. Für die weiteren Grundstücke nördlich des Erlengarten innerhalb des
Plangebiets sind Flächen zum Schutz und Pflege einer Streuobstwiese festgesetzt.
7 In der Begründung des Bebauungsplans heißt es unter der Überschrift „4.2
Städtebauliches Konzept“:
8
„Das städtebauliche Konzept zum Bebauungsplan zeigt primär die langfristige bauliche
Entwicklung des Wala-Areals im zentralen Bereich.
9
Idee/Konzept
10 Der neue Wala Standort ist Teil eines neu geformten Landschaftsparks und steht
sinnbildlich für einen ganzheitlichen Entwurfsansatz, in dem der Einklang zwischen
Mensch und Natur sowie der respektvolle Umfang mit den Qualitäten und Rhythmen der
Landschaft eine entwurfsprägende Rolle spielen. Mit diesem Ansatz entsteht eine
attraktive und innovative Arbeitswelt bei der es gelingt, die Firmenideologie bereits in
seinem äußeren Erscheinungsbild zu vermitteln.
,…“
11 Zur Begründung der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung heißt es unter Nr. 5.1 u.a.:
12 „Der Großteil des Plangebiets ist als eingeschränktes Gewerbegebiet (GEe) im Sinne
des § 8 BauNVO ausgewiesen. Das eingeschränkte Gewerbegebiet grenzt unmittelbar
ab das Schulzentrum sowie an das Kurgebiet an, so dass nur nicht wesentlich störende
Gewerbebetriebe zulässig sind. Entsprechend den Zielvorgaben, die Flächen einem
ortsansässigen Betrieb für dessen weitere Entwicklung zur Verfügung zu stellen, werden
nur Gewerbebetriebe der Heilmittel-, Arzneimittel- sowie der Kosmetikherstellung. mit
deren Nebengebäuden zugelassen. Gemäß § 8 (3) BauNVO sind die in den Textlichen
Festsetzungen getroffenen Ausnahmen zulässig.“
13 Der Gemeinderat der Antragsgegnerin fasste am 26.03.2009 den Beschluss zur
Aufstellung des Bebauungsplans „Thermalbadgrundstücke“. Ausweislich der Begründung
dieses Beschlusses soll die Planung den besonderen Entwicklungsbedarf eines
ortsansässigen Betriebes für die Herstellung von Heilmitteln und Kosmetika befriedigen.
Der bislang für die südlichen Flächen des beabsichtigten Plangebiets bestehende
Bebauungsplan „Kur- Schul- und Sportzentrum“ mit Stand vom 07.11.2002, der für die
nunmehr als Gewerbegebiet festgesetzten Flächen ein Sondergebiet „Kurgebiet“
festsetzte, sei hinsichtlich der Kureinrichtungen nicht realisiert. Der Plan solle unter
anderem die Ziele der Sicherung der Einrichtungen des Gemeinbedarfs sowie der
Schaffung von Erweiterungsmöglichkeiten für Bildungs- und Sporteinrichtungen sowie die
Ermöglichung einer gewerblichen Entwicklung für Anlagen der Arzneimittel- und
Kosmetikherstellung verfolgen.
14 Der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloss am 11.02.2010 die öffentliche
Auslegung des Bebauungsplanentwurfs - der im Wesentlichen dem später beschlossenen
und hier angegriffenen Bebauungsplan entsprach. Die öffentliche Auslegung vom
25.02.2010 bis zum 25.03.2010 wurde im Amtlichen Mitteilungsblatt vom 18.02.2010
öffentlich bekanntgemacht. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass ein
Antrag nach § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung unzulässig ist, soweit mit ihm
Einwendungen geltend gemacht werden, die vom Antragsteller im Rahmen der Auslegung
nicht oder verspätet geltend gemacht wurden, aber hätten geltend gemacht werden
können.
15 In einem Schreiben vom 12.03.2010, bei der Antragsgegnerin eingegangen am
25.03.2010, das im Briefkopf Frau ..., Eigentümerin des in der nördlichen, weiteren
Nachbarschaft des Grundstücks der Antragsgegnerin liegenden Grundstücks ...,
bezeichnet, heißt es unter dem Betreff „Stellungnahme Bebauungsplan“ ‚Thermalbad-
Grundstücke‘ u.a.:
16 „… im Zuge der Bebauung der „Thermalbad-Grundstücke“ soll mittelfristig auch der
untere Trainingsplatz des TSV überbaut werden. Als Ersatz soll eine neue Sportanlage m
Dreieck zwischen ...), Erlengarten und ... entstehen. Hierzu möchten wir Ihnen unsere
Bedenken mitteilen.
17 Wir sehen durchaus die Notwendigkeit, den entfallenden Platz in unmittelbarer
räumlicher Nähe zu ersetzen, solange es sich bei dem Ersatz tatsächlich ebenfalls um
einen Behelfssportplatz handelt. Im Gespräch sind allerdings auch wesentlich größere
Anlagen (u.a. eine Kampfbahn Typ C).
18 Jede Aufwertung des verlegten Platzes würde jedoch eine Nutzungsintensivierung nach
sich ziehen.
19 Dies hätte zwangsläufig auch eine höhere Lärmbelastung [Hier möchte ich noch
hinzufügen, dass bereits jetzt die „musikalische Pausenbeschallung“ bei den Fußball-
Ligaspielen an den Wochenenden von vielen Anwohnern als sehr störend empfunden
wird] der angrenzenden Wohngebiete zur Folge (von anderen Negativwirkungen wie
Parksuchverkehr oder Wertverlust der Grundstücke ganz zu schweigen).
20 Die Gemeinde sollte im Sinne ihres Leitbilds „Wohn- und Lebensqualität für alle Bürger
und Bürgerinnen“ bei den betreffenden Planungen in diesem sensiblen Gebiet beim
Lärmschutz nicht von Minimalforderungen ausgehen.
…“
21 Das Schreiben ist von der Absenderin sowie acht weiteren Eigentümern von
Grundstücken in der Heimbachstraße unterschrieben. Weiterer Platz für Unterschriften
befindet sich auf der Vorderseite des Briefes nicht. Dem Brief lag eine zweite Seite bei.
Dort heißt es:
22 „Ich unterstütze das im Schreiben Stellungnahme Bebauungsplan ‚Thermalbad-
Grundstück“ vom 12. März 2010 geäußerte Anliegen Frau ...“.
23 Die zweite Seite des Schreibens ist von der Antragstellerin sowie 16 weiteren Anwohnern
des ... unterzeichnet.
24 In der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 15.04.2010 wurden die Einwendungen
in der „Stellungnahme Frau ... + Unterschriftensammlung“ behandelt, auf eingeholte
Geräuschimmissionsprognosen verwiesen und der Bebauungsplan
„Thermalbadgrundstücke“ vom 15.04.2010 sowie die zusammen mit ihm aufgestellten
örtlichen Bauvorschriften vom 15.04.2010 jeweils als Satzung beschlossen. Nach der
Genehmigung des beschlossenen Bebauungsplans und der örtlichen Bauvorschriften
erfolgte am 24.06.2010 im Amtlichen Mitteilungsblatt die öffentliche Bekanntmachung.
25 Die Antragstellerin hat am 16.06.2011 das Normenkontrollverfahren eingeleitet. Am
21.06.2011 hat die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin den Inhalt der
Antragbegründung vom 23.08.2011 zu den geltend gemachten Abwägungsmängeln
übersandt. Zur Begründung des Normenkontrollantrags trägt sie vor, dass sie nicht nach §
47 Abs. 2a VwGO präkludiert sei. Es gebe keinen Grund dafür, dass jeder Einwender
jeglichen Einwand in einem eigenen Schreiben geltend machen müsse. Dafür gebe der
Gesetzestext keinen Anhalt. Es genüge, dass man durch seine Unterschrift zeige, dass
man sich den jeweiligen Text zu eigen machen wolle.
26 Ihr Grundstück befinde sich in der dem Planbereich und der geplanten Sportanlage
nächstgelegenen Häuserreihe. Weitere Bebauung gebe es dazwischen nicht. Dass sie
damit dem Kreis der Betroffenen zuzurechnen und somit antragsbefugt sei, werde dadurch
belegt, dass sie im Rahmen der Anhörung potentiell betroffener Anlieger angeschrieben
worden sei. Die im Falle einer Realisierung der Festsetzungen zu erwartenden
erheblichen Beeinträchtigungen resultierten nicht nur aus der Nutzung der Sportanlage
selbst, sondern auch aus dem von dieser Nutzung ausgelösten Verkehr. Die Planung der
Sportanlagen eröffne für deren Nutzung Möglichkeiten, die mit dem Ruhebedürfnis
derjenigen, die im angrenzenden Wohngebiet lebten, nicht zu vereinbaren seien. Bereits
die Grundentscheidung der Planung für eine geräuschintensiven Nutzung der
Sportanlagen und eine angrenzende Wohnbebauung sei zu kritisieren, auch wenn vieles
in dem sich anschließenden Baugenehmigungsverfahren geregelt werden könne. Lese
man als jemand, der den Planungsprozess nicht miterlebt habe, die Begründung des
Bebauungsplans, so überlese man beinahe, dass außer dem Gewerbegebiet für die Firma
... auch die Überplanung der Gemeinbedarfsflächen mit ausdrücklich vorgesehener
Erweiterung erfolge. Die Belange potentiell Betroffener seien hier insbesondere
hinsichtlich der Geräuschimmissionen, des vom Standort der Fa. ... ausgelösten Verkehrs
aber auch hinsichtlich der Lichtimmissionen durch Flutlichtanlagen nicht hinreichend in
die Abwägung eingestellt worden.
27 Das städtebauliche Konzept, wie es in der Begründung zum Bebauungsplan zum
Ausdruck komme und das sich an der Planung der Fa. ... orientiere, könne mit den
Festsetzungsmöglichkeiten einer Angebotsplanung nicht erreicht werden. Die Ziele wie
etwa die „Aufweichung“ der „Trennung von Gebäude und Landschaft durch eine
architektonische Gestaltungsweise“ erforderten einen vorhabenbezogenen
Bebauungsplan. Es komme bei der Beurteilung der Planung darauf an, ob die
Festsetzungen des Bebauungsplans im Falle ihrer Einhaltung das Erreichen des mit ihnen
verfolgten Ziels mit Sicherheit oder einem hohen Maß an Sicherheit gewährleisten
könnten. Dies sei zweifellos nicht der Fall. Die Bauherrin könne sich vollständig an die
Festsetzungen halten, ohne dass die Bebauung so aussehen müsse, wie sie im
städtebaulichen Konzept geschildert werde. Es liege darüber hinaus ein wesentlicher
Widerspruch zwischen den ins Einzelne gehenden Zielen und den Festsetzungen zur
Bauweise vor, die eine hohe Flexibilität bei der Ausformulierung der Gebäude sichern
solle. Ein Bebauungsplan, mit dem nicht das erreicht werde, was erklärtes Ziel der
Planung sei, sei nicht erforderlich. Primär störten sie die sich nordwestlich an das
Gewerbegebiet und die Schule anschließenden Flächen mit den dort vorgesehenen
Nutzungen. Die vermeintliche Notwendigkeit, Flächen für die Firma ... zur Verfügung zu
stellen, führe gerade dazu, dass die Flächen für die Sportanlagen ausgeweitet werden
müssten.
28 Die Antragstellerin beantragt,
29 den Bebauungsplan „Thermalbadgrundstücke“ der Gemeinde B... vom 15. April 2010 für
unwirksam zu erklären.
30 Die Antragsgegnerin beantragt,
31 den Antrag abzuweisen.
32 Zur Begründung trägt sie vor, dass die Antragstellerin nach § 47 Abs. 2a VwGO präkludiert
sei, da sie sich lediglich einmal an einer Unterschriftenaktion beteiligt und keine
Stellungnahme im Bebauungsplanverfahren abgegeben habe. Im Übrigen sei der Antrag
auch unbegründet. Eine zentrale Zielsetzung des Bebauungsplanes sei der
Gemeinbedarfssektor. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin davon
ausgehe, hier werde alles dem Interesse der Firma ... untergeordnet. Der Bebauungsplan
sei im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich. Die Planung sei von wichtigen
städtebaulichen Belangen im Bereich des Gemeinbedarfs geprägt und ermögliche die
Erweiterung bereits vorhandener gewerblicher Nutzungen. Der ortsansässige Betrieb sei
mit den von ihm hergestellten Produkten ein wesentlicher Bestandteil der Gemeinde.
33 Das Abwägungsgebot sei hier nicht verletzt worden. Aus der Lärmimmissionsprognose
ergebe sich, dass alle Immissionsrichtwerte unterschritten würden. Der Gemeinderat habe
sich mit den Schallschutzgutachten sorgfältig auseinandergesetzt Die Prognose vom
14.05.2008 habe zu einer intensiven Beschäftigung mit der Immissionslast in der
Abwägung geführt. Der Bebauungsplan sei auch mit dem rechtswirksamen
Flächennutzungsplan zu vereinbaren. Der Gemeinderat habe sich auch mit
Beeinträchtigungen durch Flutlicht auseinandergesetzt und erkannt, dass ein direkter
Blickkontakt zwischen Wohngebäude und Lichtquelle ausgeschlossen werden müsse. Die
Kritik an der Begründung des Bebauungsplans mit Blick auf dessen Festsetzungen sei
nicht verständlich. Wesentliche Funktion der Begründung sei es, die im Plan getroffenen
Entscheidungen zu rechtfertigen. Sie diene insoweit der Nachprüfung der städtebaulichen
Ziele. Der Vorwurf einer einseitigen gewerblichen Entwicklung treffe nicht zu, was sich aus
den Erläuterungen zu den Gemeinbedarfsflächen ergebe. Der Bebauungsplan verstoße
auch nicht gegen das Gebot planerischer Konfliktbewältigung. Insbesondere dürften
Fragen der Feinsteuerung dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben. Mit den
getroffenen Festsetzungen ließen sich die Ziele der Bauleitplanung durchaus
verwirklichen. Die Begrenzung der Geschossfläche, die differenzierte Festsetzung der
Höhenlage der Anlagen und die Festlegungen der maximalen Trauf- und Firsthöhe führten
dazu, dass eine Monotonie der baulichen Anlagen verhindert werde und stelle sicher,
dass ein vielfältig gestaltetes Gebäudeensemble entstehen könne. Die Gebäudelänge
werde beschränkt, die Festsetzung der Stellung baulicher Anlagen sichere Freiraum durch
nicht überbaubare Flächen.
34 Der Antragsgegnerin ist am 12.09.2011 durch das Landratsamt ... eine Baugenehmigung
für den Neubau einer Sportanlage mit Flutlicht, Ballfang- und Zaunanlage erteilt worden.
Der Klägerin ist die Baugenehmigung am 16.09.2011 zugestellt worden. Sie hat nichts
gegen die Baugenehmigung unternommen. Den Widerspruch einer anderen Nachbarin
hat das Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheid vom 31.10.2012 zurückgewiesen.
Diese hat keine Klage erhoben.
35 In der mündlichen Verhandlung hat die Antragsgegnerin ergänzend vorgetragen, dass die
Nähe des Plangebiets zum Kurhaus mit der Sichtachse über die Badallee die bisherige,
nicht realisierte Planung des Sondergebiets für Kurzwecke und dass der Übergang vom
Kurhaus und dem Kurbetrieb in den eigentlichen Ortskern die städtebaulichen Gründe
seien, die die Nutzungsausschlüsse nach § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO für das
Gewerbegebiet rechtfertigten.
36 Der Senat hat das Plangebiet von der ... aus in Augenschein genommen.
37 Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Antragsgegnerin und die
Baugenehmigungsakten für die Sportanlage nördlich des Erlengarten vor. Auf deren Inhalt
wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der
Beweisaufnahme ebenso Bezug genommen wie auf die Gerichtsverfahrensakten.
Entscheidungsgründe
38 Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).
I.
39 Der form- und fristgerecht erhobene Antrag ist auch ansonsten zulässig. Entgegen der
Auffassung der Antragsgegnerin ist der Antrag nicht nach § 47 Abs. 2a VwGO unzulässig
(1.). Die Antragstellerin ist antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (2.). Ihr fehlt das
erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht (3.).
40 1. Der Normenkontrollantrag ist nicht nach § 47 Abs. 2a VwGO unzulässig. Nach dieser
Vorschrift ist u.a. der Normenkontrollantrag einer natürlichen oder juristischen Person, der
einen Bebauungsplan zum Gegenstand hat, unzulässig, wenn die den Antrag stellende
Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung
(§ 3 Abs. 2 des Baugesetzbuchs) oder im Rahmen der Beteiligung der betroffenen
Öffentlichkeit (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 und § 13a Abs. 2 Nr. 1 des Baugesetzbuchs) nicht oder
verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese
Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist.
41 a) Die Vorschrift zielt mit der in ihr angeordneten formellen Präklusion darauf, die
Beteiligungsrechte der Bürger im Verwaltungsverfahren zu betonen und zugleich den
Rechtsschutz im Interesse der Investitions- und Rechtssicherheit unter Wahrung seiner
Effizienz auf ein sachgerechtes Maß zu orientieren (BT-Drs. 16/2496, S. 11). Sie stellt eine
Konkretisierung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses dar und berücksichtigt, dass
bereits im Aufstellungsverfahren Mitwirkungsbefugnisse bestehen, die dem Ziel dienen,
die jeweiligen Interessen rechtzeitig dem Abwägungsmaterial zuzufügen. Dem und der
grundsätzlichen Aufgabenverteilung zwischen Plangeber und Verwaltungsgerichten
widerspräche es, wenn sachliche Einwendungen ohne Not erst im gerichtlichen Verfahren
geltend gemacht würden (BT-Drs. 16/2496, S. 18). Zur Verhinderung der Präklusion nach
§ 47 Abs. 2a VwGO ist es demnach erforderlich, dass die Äußerung während der
öffentlichen Auslegung hinreichend klar ergibt, dass Einwendungen im eigenen Namen
geltend gemacht werden und welcher abwägungserhebliche Belang als betroffen
angesehen wird (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 07.04.2011 - 15 N 09.2684 - juris Rn.
17). Nicht zwingend notwendig ist es nach dem klaren Wortlaut des § 47 Abs. 2a VwGO,
dass die im Auslegungsverfahren geltend gemachten Einwendungen etwas für eine
Betroffenheit im eigenen Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) hergeben
(Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 47 Rn. 257e). Die Zielrichtung einer
Erklärung im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung ist, sofern sie nicht völlig eindeutig
dem Wortlaut nach als Einwendung zu verstehen ist, ausgehend von dem durch
Auslegung zu ermittelnden wirklichen Willen der erklärenden Person zu ermitteln, vgl. §
133 BGB. Dabei darf aufgrund der erheblichen Grundrechtsrelevanz der
Präklusionsvorschrift, die sich jedenfalls aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt und im Falle einer
Eigentumsbetroffenheit materiell aus Art. 14 Abs. 1 GG folgt, kein zu enger Maßstab
angelegt werden.
42 b) Gemessen am Sinn dieser Anforderungen genügt die Erhebung von Einwendungen
durch die Antragstellerin im Rahmen der öffentlichen Auslegung den Vorgaben des § 47
Abs. 2a VwGO. Da sie die Einwendungen im gerichtlichen Verfahren weiter verfolgt, steht
die Präklusionsvorschrift der Zulässigkeit ihres Antrags nicht entgegen.
43 Dem Schreiben von Frau ... vom 12.03.2010 mit den verschiedenen Unterschriften auf der
ersten Seite des Briefs selbst und der auf der zweiten Seite beigefügten Unterschriftenliste
ist bei verständiger Würdigung aus der Sicht eines objektiven Empfängers hinreichend
deutlich zu entnehmen, dass die jeweiligen Unterzeichner die auf der ersten Seite
ausgeführten Einwendungen jeweils als ihre eigenen geltend machen und nicht bloß
andere Einwendungen unterstützen. Dies ergibt sich für die Unterzeichner der ersten Seite
des Briefs aus den Formulierungen, die in der ersten Person Plural gehalten sind, zumal
die Unterzeichner Bewohner des Gebiets sind, in dem auch Frau ... wohnt. Bei einer
verständigen Würdigung der Erklärung auf der zweiten Seite zur Unterstützung des
Anliegens von Frau ... machen die Unterzeichner, die alle im ... und damit in der Nähe des
Plangebiets wohnen, „das Anliegen“ als eigene Einwendung geltend. Abgesehen von der
erkennbaren Berührung in eigenen Interessen aller Unterzeichner aufgrund der
räumlichen Nähe, was das Schreiben von einer bloßen Unterschriftenliste zur Bekundung
der Unterstützung des Vorbringens eines Dritten abzugrenzen vermag, erschließt sich hier
bei der Gesamtschau der beiden in einem Brief übersandten zwei Seiten der
Zusammenhang dadurch, dass auf der ersten Seite schlicht kein weiterer Raum für
Unterschriften übrig geblieben ist. Der Einleitungssatz bildet damit die gedanklichen
Brücke zur ersten Seite, auf der die Einwendungen formuliert sind. Darin unterscheidet
sich das Vorbringen auch von demjenigen, das einer Entscheidung des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs zugrunde lag, in dem dieser die Unterschrift im Rahmen einer
Unterschriftensammlung nicht als ausreichend bewertet hat, um die Präklusion nach § 47
Abs. 2a VwGO zu verneinen. Dort war schon nicht klar, ob die Unterzeichner selbst
Einwendungen geltend machen wollten oder eine Aktionsgemeinschaft unterstützen
wollten, die selbst Einwendungen geltend machte. Zum Zeitpunkt der Eintragung in die
Liste war es für die Unterzeichner insbesondere offen, in welcher Form die im
unterzeichneten Schreiben ausgesprochene Unterstützung der Aktionsgemeinschaft
stattfinden sollte (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 07.04.2011 - 15 N 09.2684 - juris Rn.
18). Derartige Zweifel bestehen hier nicht.
44 2. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
45 a) Nach dieser Vorschrift ist jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die
geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt
zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Erforderlich, aber auch ausreichend für
die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen
vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen
des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird (BVerwG, Urteil vom
30.04.2004 - 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165; stRspr). An die
Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keine höheren
Anforderungen zu stellen, wenn es - wie hier - um das Recht auf gerechte Abwägung
eigener Belange (§ 1 Abs. 7 BauGB) geht. Auch insoweit reicht es aus, dass der
Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der
Abwägung als möglich erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 -
BVerwGE 107, 215 (218f.)). Antragsbefugt ist hiernach, wer sich auf einen
abwägungserheblichen privaten Belang, d.h. ein mehr als nur geringfügig schutzwürdiges
Interesse des Betroffenen (BVerwG, Beschluss vom 17.12.2012 - 4 BN 19.12 - BauR
2013, 753 Rn. 3 m.w.N.), berufen kann; denn wenn es einen solchen Belang gibt, besteht
grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass die Gemeinde ihn bei ihrer Abwägung nicht
korrekt berücksichtigt hat (BVerwG, Urteil vom 30.04.2004 - 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47
VwGO Nr. 165 und Beschluss vom 17.12.2012 - 4 BN 19.12 - BauR 2013, 753 Rn. 3). Die
bloße verbale Behauptung einer theoretischen Rechtsverletzung mag allerdings im
Einzelfall dann nicht zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs.
2 Satz 1 VwGO genügen, wenn diese Behauptung nur vorgeschoben erscheint, das
tatsächliche Vorliegen einer Rechtsverletzung aber offensichtlich ausscheidet. Hingegen
ist es für die Geltendmachung der Verletzung des Rechts auf gerechte Abwägung aus § 1
Abs. 7 BauGB nicht erforderlich, dass im einzelnen Tatsachen vorgetragen werden, die
konkret eine fehlerhafte Behandlung der abwägungserheblichen Belange durch den
Satzungsgeber als möglich erscheinen lassen (a.A. Bayerischer VGH, Beschluss vom
14.02.2012 - 15 NE 11.2879 - juris Rn. 10).
46 b) Gemessen hieran ist die Antragstellerin antragsbefugt. Denn sie beruft sich auf
mögliche Lärmimmissionen durch die geplante Sportanlage. Damit benennt sie einen
eigenen abwägungserheblichen Belang. Dass dieser Belang abwägungserheblich ist,
ergibt sich bereits daraus, dass sich die Antragsgegnerin - zu Recht - zur Erstellung einer
Schallimmissionsprognose veranlasst gesehen hat und diese ergeben hat, dass eine
vollständige Ausnutzung der Anlage nur unter Berücksichtigung seltener Ereignisse im
Sinne von Nr. 1.5 der 18. BImschV immissionsschutzrechtlich unbedenklich erscheint und
- anders gewendet - eine weitergehende Auslastung der Anlage über die seltenen
Ereignisse hinaus Beschränkungen unterworfen sein muss, um Rechte der Antragstellerin
nicht zu verletzen. Insbesondere sind zukünftige Lärmbelästigungen nicht erst dann im
Sinne von § 1 Abs. 7 BauGB abwägungsbeachtlich, wenn sie die Schwelle zur
Gesundheitsgefährdung überschreiten (BVerwG, Beschluss vom 17.02.2010 - 4 BN 59.09
- BauR 2010, 1180 Rn. 4).
47 3. Der Antragstellerin kommt auch mit Blick auf die - bestandskräftige - Baugenehmigung
für die Sportanlage nördlich der Straße ... das erforderliche Rechtsschutzinteresse zu.
Dieses könnte nur dann fehlen, wenn die Antragstellerin Festsetzungen bekämpfte, auf
deren Grundlage bereits Vorhaben genehmigt und verwirklicht worden sind (BVerwG,
Urteil vom 28.04.1999 - 4 CN 5.99 - ZfBR 2000, 53), und weitere Vorhaben aufgrund des
Bebauungsplans nicht mehr verwirklicht werden können. Daran fehlt es bereits deshalb,
weil mit der Verwirklichung der Sportanlage noch nicht einmal begonnen worden ist.
II.
48 Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die vorgenommene Feindifferenzierung der
zulässigen Nutzungsarten im festgesetzten (eingeschränkten) Gewerbegebiet ist nicht -
was erforderlich wäre - von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Es fehlt insoweit an
der erforderlichen Rechtfertigung der Planung (§ 1 Abs. 3 BauGB) durch besondere
städtebauliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO für die Beschränkung der
zulässigen Gewerbebetriebe auf solche wesentlich störende Gewerbebetriebe der
Heilmittel-, Arzneimittel-sowie der Kosmetikherstellung. Ebenso ist die Festsetzung zu den
Geschäfts-Büro- und Verwaltungsgebäuden nicht von einer Ermächtigungsgrundlage
gedeckt.
49 1. a) Nach § 1 Abs. 5 BauNVO kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass
bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein
zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können,
sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Für eine solche
einschränkende Festsetzung bedarf es städtebaulicher Gründe (BVerwG, Beschluss vom
22.05.1987 - 4 N 4.86 - BVerwGE 77, 308 (311 f.)). § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO bestimmt,
dass in einem Bebauungsplan festgesetzt werden kann, dass alle oder einzelne
Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 BauNVO vorgesehen sind, nicht
Bestandteil des Bebauungsplans werden. § 1 Abs. 9 BauNVO regelt sodann
weitergehend, dass im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt
werden kann, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder
ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht
zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, wenn besondere
städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Mit „besonderen“ städtebaulichen Gründen ist in
§ 1 Abs. 9 BauNVO gemeint, dass es aus der konkreten Planungssituation oder örtlichen
Gegebenheiten folgende spezielle Gründe für die gegenüber den vorstehenden Absätzen
des § 1 BauNVO feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen geben muss
(BVerwG, Urteil vom 22.05.1987 - 4 C 77.84 - BVerwGE 77, 317 (320 f.) und Beschluss
vom 10.11.2004 - 4 BN 33.04 - ZfBR 2005, 187; Senatsurteil vom 26.02.2008 - 8 S 518/06
-; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB Stand: Juni 2009, § 1 Rn. 98 m.w.N.).
Darüber hinaus müssen diese Gründe die feiner strukturierte Festsetzung auch
„rechtfertigen“, was nur dann der Fall ist, wenn sie ein schlüssiges Konzept in dem Sinne
erkennen lassen, dass die ausgeschlossenen Anlagearten städtebaulich beachtliche
Merkmale aufweisen, die sie von den zugelassenen Arten unterscheiden (Senatsurteil
vom 23.08.2001 - 8 S 1119/01 - VBlBW 2002, 74). Rechtlich unerheblich ist es, ob die
Gemeinde die Betriebe, die sie aus einem Baugebiet ausschließen will, umschreibt und
abschließend aufzählt oder ob sie den Weg wählt, die Vorhaben, die von einem Baugebiet
ferngehalten werden sollen, durch eine abschließende Aufzählung der Betriebe bestimmt,
die sie ausdrücklich für zulässig erklärt (BVerwG, Beschluss vom 18.02.2009 - 4 B 54.08 -
ZfBR 2009, 364 (365)).
50 b) Diesen Anforderungen wird die Festsetzung des eingeschränkten Gewerbegebiets (Nr.
A.1.2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans) nicht gerecht, so dass sie sich
als rechtswidrig und daher unwirksam erweist.
51 aa) Keinen Bedenken begegnet allerdings der Ausschluss von Lagerhäusern,
Lagerplätzen, öffentlichen Betrieben (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), Tankstellen (§ 8 Abs. 2
Nr. 3 BauNVO), Anlagen für sportliche Zwecke (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO), Wohnungen für
Betriebsinhaber und Betriebsleiter (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO), Anlagen für kirchliche,
kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) sowie
Vergnügungsstätten (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO). Die Beschränkung der allgemein
zulässigen Nutzungsarten (§ 8 Abs. 2 BauNVO) über § 1 Abs. 5 BauNVO sowie die
Begrenzung der ausnahmsweise zulässigen Nutzungen über § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO ist
mit den Erwägungen aus der Begründung zum Bebauungsplan (Nr. 5.1), wonach die
Beschränkung auf nur nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe zugelassen werden,
weil das Gebiet unmittelbar an das Schulzentrum sowie an das Kurgebiet angrenze,
erkennbar städtebaulich gerechtfertigt. Insoweit beruhen die Regelungen auf einem
hinreichend schlüssigen Konzept. Das eingeschränkte Gewerbegebiet entspricht auch
noch der in § 8 Abs. 1 BauNVO niedergelegten allgemeinen Zweckbestimmung eines
Gewerbegebiets (vgl. § 1 Abs. 5 BauNVO a.E.), da es von Gewerbebetrieben geprägt sein
soll.
52 bb) Offen bleiben kann, ob die mit der Festsetzung der Zulässigkeit der Geschäfts- Büro-
und Verwaltungsgebäude als Nebengebäude zugelassenen Gewerbebetriebe eine
Beschränkung der nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO im Grundsatz allgemein zulässigen
Geschäfts- Büro- und Verwaltungsgebäude vorgenommen worden ist (§ 1 Abs. 5 und Abs.
9 BauNVO) oder ob die allgemein zulässigen Geschäfts- Büro und Verwaltungsgebäude
vollständig ausgeschlossen worden sind (§ 1 Abs. 5 BauNVO). Für letzteres könnte
sprechen, dass in der Begründung zum Bebauungsplan die Gewerbebetriebe mit ihren
„Nebengebäuden“ Erwähnung finden. Denn immer dann, wenn die Büro-und
Verwaltungsnutzung lediglich in zur Betriebsnutzung untergeordneter Funktion auftritt,
handelt es sich in den Kategorien der Baunutzungsverordnung nicht um eine
eigenständige Nutzungsart, sondern um einen Bestandteil der Hauptnutzung (vgl. Roeser,
in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, § 6 Rn. 9).
53 cc) Weder die Begrenzung der zulässigen nicht wesentlich störenden Gewerbebetriebe
auf solche der Heilmittel,- Arzneimittel- sowie der Kosmetikherstellung, noch die
Beschränkung oder gar der vollständige Ausschluss (siehe dazu oben bb)) der
Zulässigkeit von Geschäfts- Büro- und Verwaltungsgebäuden sind hinreichend durch
einen städtebaulichen Grund gerechtfertigt.
54 (1) Es fehlen die nach § 1 Abs. 9 BauNVO erforderlichen, sich aus der konkreten
Planungssituation oder örtlichen Gegebenheiten ergebenden speziellen Gründe für die
gegenüber § 1 Abs. 5 und 6 BauNVO feinere Ausdifferenzierung der zulässigen
Nutzungen hinsichtlich der Zulassung von Gewerbebetrieben. In der Begründung wird
insoweit allein auf das Ziel, die Flächen einem ortsansässigen Betrieb für dessen weitere
Entwicklung zur Verfügung zu stellen, verwiesen (Nr. 5.1). Dies vermag die erheblichen
Beschränkungen der Grundstücksnutzung ebenso wenig zu rechtfertigen wie das unter Nr.
4.2 der Begründung dargestellte „städtebauliche Konzept“, das mit seinen Hinweisen auf
den „ganzheitlichen Entwurfsansatz, in dem der Einklang zwischen Mensch und Natur
sowie der respektvolle Umgang mit den Qualitäten und Rhythmen der Landschaft“ eine
entwurfsprägende Rolle spielen sollen, sich in abstrakter Weise mit Anforderungen an das
Nutzungsmaß sowie die Gebäudegestaltung beschäftigen mag, aber keine Aussagen zur
Art der zuzulassenden baulichen Nutzung enthält.
55 Auch die Erläuterungen und Erwägungen der Antragsgegnerin in der mündlichen
Verhandlung zur Rechtfertigung der Anwendung des § 1 Abs. 9 BauNVO führen nicht auf
die erforderlichen „besonderen“ städtebaulichen Gründe. Die nie realisierte Planung von
Kureinrichtungen auf dem nun für die gewerbliche Nutzung vorgesehenen Gelände ist
erkennbar kein städtebaulicher Grund. Auch die Sichtachse zum Kurhaus und die Lage
des Plangebiets zwischen Kurgebiet und (eigentlichem) Stadtgebiet der Antragsgegnerin
vermögen die vorgenommenen Einschränkungen nicht zu rechtfertigen. Denn diese von
der Antragsgegnerin vorgebrachten städtebaulichen Gesichtspunkte lassen ebenfalls
keine Unterscheidung verschiedener Arten der an sich allgemein zulässigen
Gewerbebetriebe als notwendig erscheinen. Die Nähe zur Kureinrichtungen rechtfertigt es
nicht, an sich zulässige, nicht wesentlich störende Gewerbenutzungen auszuschließen.
Die vorgebrachten Gesichtspunkte und Planungsziele könnten allein Regelungen zum
„Störgrad“ - und insbesondere zum Maß der baulichen Nutzung und zur Gestaltung der
baulichen Anlagen -rechtfertigen. Das gemeindliche Ziel, gerade die Erweiterung eines
ortsansässigen Betriebs der Heilmittel-, Arzneimittel- sowie der Kosmetikherstellung zu
fördern, ist ebenfalls kein städtebaulicher Grund für die einschränkenden Festsetzungen.
Ein Grund für die Konzentration gerade dieser Arten von Gewerbebetrieben in einem
Gebiet unter Ausschluss anderer - nicht wesentlich störender - Gewerbebetriebe ist auch
sonst nicht ersichtlich. Insbesondere sind diese Betriebe nicht in einer Weise zwingend
gegenüber Störungen durch jedwede andere Gewerbebetriebe, die aufgrund von § 8 Abs.
1 BauNVO selbst nicht erheblich belästigend sein dürfen, anfällig, was den generellen
Ausschluss jeder anderer Gewerbebetriebe rechtfertigen könnte. Dies wäre nur dann
denkbar, wenn sich die zugelassenen Anlagen in ihren Auswirkungen und ihrer aus
Gründen der Nutzungsart zwingenden äußeren Gestaltung so deutlich von anderen nicht
wesentlich störenden Betrieben unterschieden, dass gerade mit ihnen eine Brücke im
Ortsbild zwischen Kurgebiet und Innenstadtgebiet der Antragsgegnerin geschlagen
werden könnte. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich.
56 (2) Aus den vorstehenden Gründen ist auch ein vollständiger Ausschluss von Geschäfts-
Büro- und Verwaltungsgebäuden - nach § 1 Abs. 5 BauNVO - nicht zu rechtfertigen. Es ist
nicht begründbar, weshalb produzierendes, nicht wesentlich störendes Gewerbe
zugelassen, eigenständige Verwaltungsgebäude ausgeschlossen aber sein sollen. Sofern
der Ausschluss sich nur auf eigenständige Geschäfts- Büro- und Verwaltungsgebäude
beziehen sollte, die nicht dem Heilmittel-, Arzneimittel oder Kosmetikgewerbe zugeordnet
werden können, fehlt es ebenso an den erforderlichen besonderen städtebaulichen
Gründen im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO. Selbst vom - unzutreffenden -Standpunkt der
Antragsgegnerin aus lässt sich nicht begründen, welche städtebaulich beachtlichen
Merkmale etwa das Verwaltungsgebäude einer Krankenversicherung aufweisen könnte,
die es von den zugelassenen Verwaltungsgebäuden unterscheiden könnte.
57 dd) Die Festsetzung der ausnahmsweisen Zulässigkeit einer Verkaufsstelle bis 300 qm
Verkaufsfläche zum Verkauf von betriebseigenen Produkten ist ebenfalls nicht von § 1
Abs. 5 und Abs. 9 BauNVO gedeckt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beschränkung der -
entgegen der Regel des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO - hier nur ausnahmsweise zulässigen
Gewerbebetriebe des Einzelhandels allein auf einen Werksverkauf gerechtfertigt ist.
Jedenfalls bietet die Baunutzungsverordnung kein Instrumentarium dafür, die
Höchstanzahl der - ausnahmsweise - zulässigen Anlagen einer bestimmten Nutzungsart
verbindlich vorzuschreiben. Ihr ist eine vorhabensunabhängige Kontingentierung von
Nutzungsoptionen - um eine solche handelt es sich bei der abstrakten Festsetzung trotz
des gewollten engen Bezugs zur Erweiterung der Fa. ... -grundsätzlich fremd. Eine
Kontingentierung auf ein Gebiet bezogen eröffnete die Möglichkeit eines
„Windhundrennens“ potentieller Bauantragsteller und schließt die Möglichkeit ein, dass
Grundeigentümer im Fall der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten
Nutzung ausgeschlossen sind. Dieses Ergebnis widerspricht dem der
Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrunde liegenden Regelungsansatz,
demzufolge im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück
für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen zulässige Nutzung in Betracht kommen
können soll (BVerwG, Urteil vom 03.04.2008 - 4 CN 3.07 - BVerwG 131, 86 Rn. 17).
58 ee) Die Umdeutung der getroffenen Gebietsfestsetzung in die eines Sondergebiets nach §
11 BauNVO kommt nicht in Betracht. Ob Bebauungspläne, die als Satzungen (§ 10 Abs. 1
BauGB) Rechtsnormen sind, überhaupt der Umdeutung zugänglich sind, ist fraglich, kann
aber offenbleiben (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.10.2011 - 4 CN 7.10 - NVwZ 2012,
318 Rn. 20). Denn jedenfalls müsste sich die städtebauliche Rechtfertigung (§ 1 Abs. 3
BauGB) für die Festsetzung eines Sondergebiets der Begründung zum Bebauungsplan
entnehmen lassen, was hier nicht der Fall ist. Darüber hinaus kann jedenfalls hier die
eigene planerische Entscheidung des Gemeinderats nicht ersetzt werden. Denn es lässt
sich dem Bebauungsplan und den dazugehörigen Verfahrensakten nicht entnehmen, dass
der Gemeinderat, hätte er die Unwirksamkeit seiner Festsetzungen erkannt, tatsächlich ein
entsprechendes Sondergebiet festgesetzt und sich nicht für eine weniger extensive
Anwendung von § 1 Abs. 9 BauNVO entschieden hätte. Letzteres liegt schon deswegen
nicht außerhalb des Möglichen, weil die Antragsgegnerin Eigentümerin der überplanten
Grundstücke im festgesetzten Gewerbegebiet ist und somit auch über deren Verkauf
sicherstellen kann, dass die Grundstücke für die Erweiterung der Fa. ... genutzt werden.
59 2. Der Verstoß der Festsetzungen gegen § 1 Abs. 3 BauGB, § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO
führt zur Unwirksamkeit des gesamten Plans. Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines
Bebauungsplans anhaften, führen nämlich nur dann nicht zu dessen
Gesamtunwirksamkeit, wenn - erstens - die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder
Festsetzungen, für sich betrachtet, noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne
des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und wenn - zweitens - die Gemeinde nach ihrem
im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung
dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG, Urteil vom 19.09.2002 - 4 CN
1.02 - BVerwGE 117, 58 (61)). Die Teilunwirksamkeit stellt dabei zur
Gesamtunwirksamkeit eine von besonderen Umständen abhängende Ausnahme dar
(BVerwG, Beschluss vom 24.04.2013 - 4 BN 22.13 - juris Rn. 3). Da hier ohne die
Festsetzung des Gewerbegebiets für die Planung der Sportanlage nördlich des
„Erlengarten“ kein Bedarf bestanden hätte und auch die weiteren Festsetzungen an die mit
der Planung beabsichtigten Erweiterungsmöglichkeiten für den ortsansässigen Betrieb
gekoppelt sind, ist für die Annahme einer bloßen Teilunwirksamkeit kein Raum.
60 3. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die vom Senat in der mündlichen Verhandlung
weiter erörterten Punkte ebenfalls zum Erfolg des Antrags führen, insbesondere, ob die
Festsetzung des Mischgebiets 1 städtebaulich nicht erforderlich ist, weil das
gleichberechtigte Miteinander von Wohnen und Gewerbe dort gar nicht angestrebt wird
(vgl. zuletzt Senatsurteil vom 15.05.2013 - 8 S 313/11 - juris), und ob die Festsetzung zur
Zulässigkeit eines Vereinsheims innerhalb der öffentlichen Grünfläche „Sportplatz“ ohne
nähere räumliche Zuweisung von § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB gedeckt sein kann (kritisch zur
Planung baulicher Anlagen aufgrund dieser Vorschrift: Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr,
BauGB, 11. Aufl. 2009, § 9 Rn. 57). Ebenfalls kommt es auf die Rügen der Antragstellerin
zu behaupteten Abwägungsfehlern hinsichtlich der zukünftigen Schallimmissionen
ausgehend von der Sportanlagennutzung und zur behaupteten Ungeeignetheit der
Festsetzungen im zur Erreichung der städtebaulichen Ziele nicht an.
III.
61 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
62 Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
63
Beschluss vom 2. Juli 2013
64 Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG endgültig auf 10.000,--EUR
festgesetzt.
65 Der Beschluss ist unanfechtbar.