Urteil des VG Stuttgart vom 16.09.2008
VG Stuttgart (verfügung, betrieb, nebenleistung, aug, vollziehung, anordnung, antrag, unternehmen, württemberg, baden)
VG Stuttgart Beschluß vom 16.9.2008, 4 K 2997/08
Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Untersagung des Aufstellens von Geldspielgeräten
Leitsätze
Ein Sportwettbüro, in dem alkoholfreie Getränke als Nebenleistung über die Theke verabreicht werden, ist keine
Schank- und Speisewirtschaft, in der die Aufstellung eines Geldspielgeräts zulässig wäre.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruch gegen die Verfügung
der Antragsgegnerin vom 24.07.2008 gerichtete Antrag ist nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und Abs. 2 S. 2
VwGO i.V.m. § 12 LVwVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Mit dieser Verfügung hat die
Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung angeordnet, dass die zwei Geldspielgeräte „N.“,
die die Antragstellerin in den Betriebsräumen L.-Str. 1 aufgestellt hat und betreibt, ab sofort außer Betrieb zu
setzen und bis spätestens 31.07.2008 ebenso wie alle anderen im Sinne der Spielverordnung zugelassenen
Geldspielgeräte aus dem für das Publikum zugänglichen Raum des Wettbüros „A.“ zu entfernen sind, und für
den Fall der Nichterfüllung die behördliche Versiegelung der fraglichen Geldspielgeräte angedroht.
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Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht
eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung der angegriffenen
Verfügung und dem privaten Interesse der Antragstellerin, während des Rechtsbehelfsverfahrens von dieser
Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben, vorzunehmen. Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche
Vollzugsinteresse, da sich der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin bei der im Eilverfahren gebotenen,
summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist.
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Die Anordnung des Sofortvollzugs hat die Antragsgegnerin in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1
VwGO genügenden Weise damit begründet, es könne nicht geduldet werden, dass die Antragstellerin durch
den Betrieb dieser Geräte weiterhin Gewinne erziele, die gesetzestreuen Konkurrenten verwehrt seien.
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Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin als Ortspolizeibehörde auf Basis der §§ 1, 3 PolG die
Außerbetriebsetzung bzw. Entfernung der Spielgeräte angeordnet hat, denn § 15 Abs. 2 GewO als spezielle
Eingriffsgrundlage findet nur Anwendung, soweit es um die teilweise Untersagung des Betriebs einer
(erlaubnispflichtigen) Spielhalle im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 GewO geht. Vorliegend ist für die Untersagung
jedoch die Frage maßgeblich, ob die Antragstellerin die beanstandeten Spielgeräte in zulässiger Form und in
einer den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit
Gewinnmöglichkeit - SpielV - i.d.F. vom 27.01.2006 (BGBl. I, 280) entsprechenden Gaststätte betreibt.
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Nach § 33 c Abs. 3 Satz 1 GewO darf der Gewerbetreibende Spielgeräte im Sinne des Absatzes 1, d.h.
Spielgeräte, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet sind, und
die die Möglichkeit eines Gewinnes bieten, nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde schriftlich
bestätigt hat, dass der Aufstellungsort den auf der Grundlage des § 33 f Abs. 1 Nr. 1 GewO erlassenen
Durchführungsvorschriften entspricht. Die Antragstellerin ist nicht im Besitz einer derartigen Bestätigung. Sie
hat zwar am 14.05.2008 eine Geeignetheitsbestätigung zur Aufstellung von zwei N.-Spielgeräten für das
Stehcafé L.-Str. beantragt. Eine derartige Bestätigung liegt jedoch nicht vor. Ebenso liegen auch die
materiellen Voraussetzungen hierfür nicht vor, wie die Antragsgegnerin in ihrer Verfügung zu Recht ausgeführt
hat.
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Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV darf ein Spielgerät, bei dem der Gewinn in Geld besteht (Geldspielgerät), nur in
Räumen von Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an
Ort und Stelle verabreicht werden, oder in Beherbergungsbetrieben aufgestellt werden. Damit sind jedoch
Räume gemeint, die durch den Schank- oder Speisebetrieb geprägt sind und die nicht überwiegend einem
anderen Zweck dienen, nicht jedoch Gewerberäume, in denen Getränke oder Speisen nur als Nebenleistung
angeboten werden, denn die in § 1 Abs. 1 SpielV normierte Beschränkung der Aufstellungsorte für
Geldspielgeräte würde aufgehoben, wenn schon durch die Nebenleistung eines Getränkeangebots eine
Schankwirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV und damit die Zulässigkeit der Aufstellung von
Geldspielgeräten begründet werden könnte; ein solcher Getränkeausschank ließe sich sonst ohne großen
Aufwand auch in Betrieben einrichten, die der Verordnungsgeber durch Nichtaufnahme in die Liste des § 1 Abs.
1 SpielV von Geldspielgeräten gerade freihalten wollte, beispielsweise in Friseurgeschäften, Lebensmittelläden
oder - wie im vom Bundesverwaltungsgericht konkret zu entscheidenden Fall - in einer Videothek (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 18.03.1991, 1 B 30/91 ).
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Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu wie folgt ausgeführt:
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„Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegt der Zulassung von Geldspielgeräten in den
genannten Gewerbezweigen die Erwägung zugrunde, dass hier entweder - wie bei den Spielhallen und
Wettannahmestellen - das Spielen den Hauptzweck bildet und entsprechende
Zulassungsvoraussetzungen gelten oder aber - in Gaststätten- und Beherbergungsbetrieben - das
Spielen nur Annex der im Vordergrund stehenden Bewirtungs- oder Beherbergungsleistung ist und
Kinder und Jugendliche keinen oder nur eingeschränkten Zugang haben (vgl. dazu Marcks in
Landmann/Rohmer, GewO, Band II, Nr. 220, § 1 SpielV Rdnr. 2; Odenthal, GewArch 1988, 183 <186>;
BR-Drucks. 752/75, Begründung zu § 3 SpielV)...
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Die Auslegung, nach der die bloße Nebenleistung eines Getränkeangebots noch nicht den Tatbestand
des § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV erfüllt, wird auch dadurch gestützt, daß sie mit dem Begriff der Schank-
oder Speisewirtschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV übereinstimmt. Unter diese Vorschrift
fallen, wie sich aus dem Zusammenhang von § 3 Abs. 1 und 4 SpielV ergibt und im Urteil des Senats
vom 4. Oktober 1988 - BVerwG 1 C 59.86 - (Buchholz 451.41 § 4 GastG Nr. 13 = GewArch 1989, 23)
näher ausgeführt ist, Schank- und Speisewirtschaften, bei denen der Gaststättenbetrieb im
Vordergrund steht, nicht aber Gewerbebetriebe, die zwar nebenbei Speisen und Getränke anbieten,
deren Schwerpunkt aber auf dem Bereitstellen von Spielgeräten liegt (§ 33 i Abs. 1 Satz 1 GewO)“.
10 Diese Ausführungen sind auch zum jetzigen Zeitpunkt zutreffend, zumal in § 3 SpielV weiterhin zwischen
Unternehmen mit dem Schwerpunkt Schankwirtschaft mit Spielautomaten auf der einen Seite und auf der
anderen Seite Spielhallen bzw. ähnlichen Unternehmen mit Verabreichung von alkoholischen Getränken
differenziert wird.
11 Wie die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid bereits ausgeführt hat, handelt es sich trotz des Ausschanks von
alkoholfreien Getränken in den Betriebsräumen der Antragstellerin nicht um eine Schank- oder Speisewirtschaft
im Sinne der Spielverordnung. Sie hat in ihrem Schriftsatz vom 19.08.2008 ausführlich dargelegt, dass schon
der optische Eindruck der Betriebsstätte, den der Betrachter von der öffentlichen Verkehrsfläche aus gewinne,
den Eindruck vermittle, dass die Bewirtung von Gästen mit Speisen/Getränken regelmäßig nicht im
Vordergrund stehe und die Veranstaltung von Sportwetten nicht nur gelegentlich stattfinde. Die
Schaufensterwerbung beschränke sich auf die augenfällige Reklame für die Sportwettenvermittlung; hingegen
fehle jeglicher Hinweis auf den Betrieb eines Stehcafés. Auch das Innere der aus einem Raum bestehenden
Betriebsstätte erwecke nicht den Eindruck eines Stehcafés. Zwar befänden sich dort Tische und
Sitzgelegenheiten. Einen Hinweis auf das Getränke- und Speiseangebot suche man jedoch vergeblich. Es
gebe weder einen entsprechenden Aushang, noch lägen Getränke- oder Speisekarten auf den Tischen aus.
Stattdessen befänden sich dort Behältnisse mit Wettscheinen und Schreibzeug. Nicht zu übersehen sei auch
die Präsentation des Wettangebots. Der Schankbetrieb beschränke sich dagegen auf das Bereithalten von
alkoholfreien Getränken in einem Kühlschrank, die auf Wunsch den Kunden des Wettbüros über die Theke
verabreicht würden. Belegt werden diese Ausführungen durch die sich in den Akten der Antragsgegnerin
befindenden Lichtbilder. Hieraus ergibt sich, dass Hauptzweck nicht der Betrieb einer Schank- und
Speisewirtschaft ist und somit die Voraussetzungen für die Aufstellung von Spielgeräten nicht gegeben sind.
Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage der Erforderlichkeit einer Gaststättenerlaubnis ist in diesem
Zusammenhang ohne Relevanz.
12 Ob die von der Antragstellerin betriebene Einrichtung eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen im Sinne
des § 1 Abs. 1 Nr. 2 SpielV darstellt, bedarf keiner Erörterung. Davon abgesehen, dass sie dies nicht einmal
selbst behauptet, ist sie auch nicht im Besitz der hierfür gemäß § 33 i Abs. 1 GewO erforderlichen Erlaubnis.
13 Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten der Antragsgegnerin liegen somit vor. Von dem ihr
eingeräumten Ermessen hat sie in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.
14 Die Androhung der Zwangsmaßnahmen für den Fall der Nichtbefolgung der Verfügung ist nicht zu beanstanden.
Sie beruht auf §§ 20 Abs. 1, 2 und 3, 26 LVwVG i.V.m. § 2 Ziff. 2 LVwVG. Die Abwicklungsfrist, die sich
während des anhängigen Verfahrens außerdem noch faktisch verlängert hat, ist angemessen, da die
Außerbetriebsetzung und Entfernung der beiden Spielautomaten keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft.
15 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Ziffer
2, 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwert, der einer Gewerbeuntersagung entspricht,
und reduziert ihn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Hälfte.