Urteil des VG Stuttgart vom 09.09.2013

VG Stuttgart: öffentlich, gebot der erforderlichkeit, aeuv, recht der europäischen union, europarechtskonforme auslegung, abfallentsorgung, eugh, vergabeverfahren, gefährdung, trennung

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 9.9.2013, 10 S 1116/13
Leitsätze
1. §§ 18 Abs. 5 Satz 2, 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 Sätze 1 bis 3 KrWG sind bei
europarechtskonformer Auslegung und Anwendung durch Art. 106 Abs. 2 AEUV gedeckt.
2. Verfassungsrecht und Europarecht verlangen nicht, dass die für die Untersagung von
Sammlungen nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG zuständige Behörde dergestalt als neutrale Stelle
organisiert ist, dass diese Behörde und der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger
unterschiedlichen Rechtsträgern angehören müssen.
3. Für das Vorliegen einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgers im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG durch eine gewerbliche Sammlung
von Abfällen aus privaten Haushaltungen trägt die für den Erlass einer Untersagungsverfügung
zuständige Behörde die Darlegungslast. Eine Funktionsgefährdung muss auf konkrete,
nachprüfbare Tatsachen im Einzelfall gestützt werden können.
4. Die Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich
ausgewogenen Bedingungen wird im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG nicht schon
dann verhindert, wenn gewerbliche Sammlungen mit dem öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger oder einem von diesem beauftragten Dritten um Abfälle konkurrieren. Eine
systematische Unvereinbarkeit zwischen öffentlich-rechtlicher und privater Abfallentsorgung im
Hausmüllbereich besteht von Gesetzes wegen nicht; ob der öffentlich-rechtliche
Entsorgungsträger oder der beauftragte Dritte durch private Konkurrenz daran gehindert wird, die
Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen zu erfüllen, kann nur auf der
Grundlage konkreter Zahlen und Fakten beurteilt werden.
5. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung
des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers besteht nicht per se beim Nebeneinander von
gewerblicher und kommunaler Sammlung gleicher Abfallarten; § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG
normiert keinen absoluten Konkurrenzschutz zu Gunsten des öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgers.
6. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG schützt das berechtigte Vertrauen des erfolgreichen Bieters in
die Angebotskalkulation des Auftraggebers; eine rechtswidrige Auftragsvergabe wird durch eine
gewerbliche Sammlung nicht im Rechtssinne "unterlaufen". Die diskriminierungsfreie und
transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb wird nur dann "erheblich
erschwert", wenn ein Vergabeverfahren konkret bevorsteht; das Gesetz erlaubt nicht,
gewerbliche Sammler prophylaktisch vom Markt zu verdrängen.
7. Die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen ist im Sinne
des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nur dann "anders nicht zu gewährleisten", wenn im Vergleich zu
einer Untersagungsverfügung weniger belastende Maßnahmen gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG
ausscheiden. Der vom Gesetz angeordneten zweistufigen Prüfung kann sich die zuständige
Behörde nicht dadurch entziehen, dass sie mildere administrative Maßnahmen von vornherein
für aussichtslos erklärt. In dem Gesetzesverstoß liegt mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG zugleich
eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart
vom 13. Mai 2013 - 2 K 936/13 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird unter entsprechender Änderung des erstinstanzlichen Streitwertbeschlusses
für beide Rechtszüge auf jeweils 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
2 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Widerspruch des Antragstellers
gegen die Verfügung vom 11.02.2013, mit der der Antragsgegner die gewerbliche
Altkleidersammlung im Sammelgebiet (Gebiet des Beigeladenen) untersagt hat, nach
summarischer Prüfung wahrscheinlich Erfolg haben wird und deshalb dem
Suspensivinteresse des Antragstellers der Vorrang vor dem entsprechend geringer zu
gewichtenden öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der Verfügung gebührt. Die im
Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die der Senat seine Entscheidung zu
stützen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der angegriffenen
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
A.
3 Das Verwaltungsgericht hat erkannt, dass die Untersagung der vom Antragsteller im
Gebiet des Beigeladenen betriebenen gewerblichen Sammlung von Altkleidern, Textilien
und Schuhen (nachfolgend: Alttextilien) nicht mit einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit
des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG) begründet
werden kann: Selbst wenn durch die Sammeltätigkeit des Antragstellers (im Verbund mit
anderen gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen) dem Beigeladenen jährlich
Verwertungserlöse zwischen 200.000 Euro und 600.000 Euro an erzielbaren
Verwertungserlösen entzogen würden, gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der
Beigeladene im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG an der Erfüllung der nach § 20
KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen
gehindert wäre. Zu der vom Antragsgegner behaupteten wesentlichen Beeinträchtigung
der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG)
auf Grund der gewerblichen Sammlung fehlten verifizierbare Angaben zur Relation
zwischen dem Ausmaß des entzogenen Abfalls und dem insgesamt gesammelten Abfall.
Infolgedessen sei in Bezug auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG nicht erkennbar, inwieweit
der Beigeladene als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger wesentliche Änderungen und
Anpassungen seiner Entsorgungsstruktur vorgenommen habe. Zu einer eventuellen
Erschwerung bzw. zu einem Unterlaufen des durch § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG
geschützten Vergabeverfahrens fehlten valide Erkenntnisse, zumal eine genaue
Vorhersage der zu erwartenden Sammelmengen ohnehin nicht möglich sei.
4 Die Beschwerdebegründung macht in erster Linie geltend, dass das Verwaltungsgericht
durchgehend unzutreffende Prüfungsmaßstäbe angelegt habe: Zu „wirtschaftlich
ausgewogenen Bedingungen“ (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG) könne der öffentlich-
rechtliche Entsorgungsträger die Pflichten nach § 20 KrWG schon dann nicht erfüllen,
wenn möglichst niedrige, sozialverträgliche Gebühren infolge der gewerblichen
Sammlung nicht eingeführt werden könnten; denn durch den dadurch bewirkten Entzug
von Verwertungserlösen sei die - nach Europarecht zulässige - Quersubventionierung
zwischen rentablen und unrentablen Bereichen der Abfallentsorgung nicht möglich. Beim
Untersagungsgrund gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG (wesentliche Beeinträchtigung
der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung) sei entgegen der Auffassung
des Verwaltungsgerichts eine Einzelfallprüfung unzulässig; in Bezug auf § 17 Abs. 3 Satz
3 Nr. 1 KrWG sei die gesetzlich geforderte „wesentliche Beeinträchtigung“ schon immer
dann anzunehmen, wenn eine gewerbliche Sammlung und eine kommunale Sammlung
um die gleichen Abfälle konkurrierten; ein Fall des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG liege
bereits vor, wenn - wie hier - der im Vergabeverfahren unterlegene Bieter eine eigene
gewerbliche Sammlung einrichte oder wenn auf Grund gewerblicher Sammlungen die
Menge der zu verwertenden Abfälle bei künftigen Ausschreibungen nicht belastbar
kalkuliert werden könne.
B.
5 Dieser Vortrag des Beschwerdeführers begründet keine durchgreifenden Bedenken an der
Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Die
Untersagungsverfügung vom 11.02.2013 ist auch nach Auffassung des Senats bei
summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Infolgedessen muss die
nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO getroffene Aussetzungsentscheidung des
Verwaltungsgerichts Bestand haben.
I.
6 Rechtsgrundlage der Untersagungsverfügung ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend
erkannt hat, § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG (vgl. in diesem Sinne ferner NdsOVG, Urt. v.
21.3.2013 - 7 LB 56/11 - NdsVBl 2013, 218, 219; VG Würzburg, Beschl. v. 28.1.2013 - W 4
S 12.1130 - juris RdNr. 28).
7 1. Der Rückgriff auf § 62 KrWG (so VG Hamburg, Urt. v. 9.8.2012 - 4 K 1905/10 - ZUR
2013, 43, 44) ist ausgeschlossen, da es sich bei § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG um eine
eigenständige Befugnisnorm handelt, die bei einer angezeigten gewerblichen Sammlung
als spezielle Ermächtigungsgrundlage gegenüber der abfallrechtlichen Generalklausel
des § 62 KrWG Vorrang genießt (OVG Hamburg, Beschl. v. 20.3.2013 - 5 Bs. 208/12 - juris
RdNr. 12; NdsOVG, Beschl. v. 15.8.2013 - 7 ME 62/13 - BA S. 2; Schwind, in: v.
Lersner/Wendenburg/Versteyl, Recht der Abfallbeseitigung, Stand: EL 3/13 Mai 2013, § 18
KrWG RdNr. 60). Der Rückgriff auf § 62 KrWG kommt in Betracht, wenn eine Sammlung
nicht angezeigt worden ist (VG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2013 - 17 L 260/13 - juris RdNr.
9). Hier hat der Antragsteller die Sammlung formularmäßig am 24.12.2012 angezeigt; die
Anzeige ist am 28.12.2012 beim Antragsgegner eingegangen.
8 § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG normiert, anders als § 62 KrWG, eine gebundene
Verwaltungsentscheidung. Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der
Ermächtigungsgrundlage erfüllt sind, muss die zuständige Behörde eine Untersagung der
gewerblichen Sammlung vornehmen; Ermessen räumt das Gesetz der Behörde nicht ein.
Im Regelungsgefüge des § 18 Abs. 5 KrWG fungiert Satz 2 allerdings als ultima ratio; das
Verbot einer angezeigten Sammlung kommt nur in Betracht, wenn die Einhaltung
bestimmter gesetzlicher Vorgaben „anders nicht zu gewährleisten ist“, d. h. Maßnahmen
nach Satz 1 des § 18 Abs. 5 KrWG insbesondere die Erfüllung der Voraussetzungen nach
§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG nicht sicherzustellen vermögen. Dass dies der Fall ist, hat
der Antragsgegner nicht dargetan (dazu unten III. 2. a aa).
9 2. In der Sache ist die Untersagungsverfügung auf § 18 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 KrWG gestützt. Letztgenannte Bestimmung ist lediglich als
Ausnahmeregelung zu den grundsätzlich bestehenden Überlassungspflichten (§ 17 Abs. 1
KrWG) konzipiert und setzt für die Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung von
Abfällen zudem voraus, dass einer derartigen Sammlung überwiegende öffentliche
Interessen nicht entgegenstehen. An der Rechtmäßigkeit dieser gesetzlichen Regelungen
hat der Senat entgegen den verfassungs- bzw. europarechtlichen Zweifeln des
Antragstellers nach summarischer Prüfung keine Bedenken.
10 a) § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG steht in Einklang mit dem
Grundgesetz. Zur Vorgängerregelung (§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-
/AbfG) wurde höchstrichterlich geklärt, dass der partielle Ausschluss privater
Entsorgungsunternehmen aus der Verwertung von Hausmüllbestandteilen eine
verfassungsrechtlich zulässige Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG
darstellt (BVerwG, Urt. v. 18.6.2009 - 7 C 16/08 - E 134, 154, 163 RdNr. 36). Für das
geltende Recht trifft diese Rechtsprechung uneingeschränkt zu (VG Hamburg, a. a. O.),
zumal sich gewerbliche Entsorgungsunternehmen um Aufträge nach § 22 KrWG bemühen
können. Die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung (§ 20 KrWG)
rechtfertigt die gesetzliche Statuierung von Überlassungspflichten, von denen nur
ausnahmsweise und unter Wahrung öffentlicher Interessen zu Gunsten gewerblicher
Sammlungen abgesehen wird.
11 b) Bei europarechtskonformer Auslegung und Anwendung der §§ 18 Abs. 5 Satz 2, 17
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG hat der Senat auch keine Zweifel an der Vereinbarkeit der
gesetzlichen Bestimmungen mit dem EU-Recht. Zwar stellen gesetzliche
Überlassungspflichten im Abfallrecht Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit (Art. 28
ff. AEUV) und der Wettbewerbsfreiheit (Art. 101 ff. AEUV) dar (so ausdrücklich auch die
Gesetzesbegründung zu § 17 KrWG, BT-Drucks. 17/6052, S. 85), diese sind jedoch
europarechtlich gerechtfertigt. Dabei kann allerdings bei getrennt gesammelten Abfällen
zur Verwertung aus privaten Haushaltungen nicht auf das sekundäre EU-Recht
(Abfallrahmenrichtlinie, Abfallverbringungsverordnung) zurückgegriffen werden, weil
dieses Recht insoweit nicht anwendbar ist (VG Hamburg, a. a. O., S. 44 f.). Die
Rechtfertigung ergibt sich jedoch aus Art. 106 Abs. 2 AEUV. Nach dem eindeutigen
Wortlaut dieser Bestimmung können unter den dort genannten Voraussetzungen
Beschränkungen sowohl der Warenverkehrsfreiheit als auch der Wettbewerbsfreiheit
legitimiert werden.
12 aa) Art. 106 Abs. 2 AEUV ist auf die Entsorgung von Alttextilien anwendbar (ebenso VG
Würzburg, a. a. O., RdNr. 38). Dass die Abfallverwertung Gegenstand einer Dienstleistung
von „allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ sein kann, ist geklärt (EuGH, Urt. v.
23.5.2000 - Rs. C-209/98 - Slg. 2000, I-3743 RdNr. 75). Speziell zum Abholen und zur
Behandlung von Haushaltsabfällen hat der Gerichtshof entschieden, diese Tätigkeiten
seien „unbestreitbar eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe“, die von privaten
Unternehmen möglicherweise nicht in dem notwendigen Maß erfüllt werden könnten, so
dass der Staat die Aufgabe „von Behörden wahrnehmen lassen kann“ (EuGH, Urt. v.
12.11.1998 - Rs. C-360/96 - Slg. 1998, I-6846 RdNr. 52). Danach kann kein vernünftiger
Zweifel daran bestehen, dass die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen
als eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Art. 106
Abs. 2 AEUV zu qualifizieren ist (VG Ansbach, Urt. v. 23.1.2013 - AN 11 K 12.01588 - juris
RdNr. 71). Die mitgliedstaatliche gesetzliche Zuweisung von zur Verwertung bestimmten
Abfallfraktionen aus privaten Haushaltungen an die öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG) ist dem Grunde nach durch Art. 106 Abs. 2
AEUV gedeckt (Dolde/Vetter, VBlBW 2010, 22 f.; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012,
521, 526; Schink, in: ders./Versteyl, KrWG, 2012, § 20 RdNr. 21).
13 Bestätigt wird dieses Verständnis des Art. 106 Abs. 2 AEUV durch das Protokoll Nr. 26
„über Dienste von allgemeinem Interesse“ (ABlEU 2010 C 83/308). Dieses Protokoll ist
gemäß Art. 51 EUV Bestandteil des primären Unionsrechts. In dem Protokoll werden „die
wichtige Rolle und der weite Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen
Behörden“ zu der Frage hervorgehoben, „wie Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse auf eine den Bedürfnissen der Nutzer so gut wie möglich entsprechende Weise
zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind“. Dieses Protokoll
Nr. 26 ist bei der Auslegung des Art. 106 Abs. 2 AEUV zu beachten; inhaltlich weist es den
Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum zu (Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das
Recht der Europäischen Union, Stand: Mai 2013, Art. 51 EUV RdNr. 13). Davon ist mit §
17 KrWG dem Grunde nach europarechtskonform Gebrauch gemacht worden
(Dolde/Vetter, AbfallR 2011, 22, 23; Karpenstein/Schink, AbfallR 2011, 222, 230; Franßen,
in: Hansmann/Sellner, Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, Kap. 14 RdNr. 6).
14 bb) In der Sache ist die Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit und der
Wettbewerbsfreiheit nach Art. 106 Abs. 2 AEUV nur gerechtfertigt, soweit die
Abfallentsorgung ohne monopolartige öffentlich-rechtliche Entsorgungsstrukturen rechtlich
oder tatsächlich „verhindert“ würde. Dafür ist nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs eine Existenzgefährdung des mit der Dienstleistung von allgemeinem
wirtschaftlichem Interesse betrauten Aufgabenträgers nicht notwendig, es genügt vielmehr,
dass ohne die Exklusivrechte die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen Aufgaben
gefährdet wäre oder dass jene Rechte erforderlich sind, um ihrem Inhaber die Erfüllung
seiner Aufgaben zu wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu ermöglichen; bloße
Zweckmäßigkeitserwägungen können dagegen die Schaffung von Monopolstrukturen
nicht rechtfertigen (EuGH, Urt. v. 17.5.2001 - Rs. C-340/99 - Slg. 2001, I-4109 RdNr. 54;
Urt. v. 15.11.2007 - Rs. C-162/06 - Slg. 2007, I-9911 RdNr. 35 und RdNr. 41).
15 Diesen europarechtlichen Anforderungen wird § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG dadurch
gerecht, dass „überwiegende öffentliche Interessen“ nach § 17 Abs. 3 KrWG in Anlehnung
an die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 106 Abs. 2 AEUV konkretisiert werden.
Darauf weist die Gesetzesbegründung ausdrücklich hin und betont, nach der
Kollisionsklausel des § 17 Abs. 3 KrWG, für deren Auslegung „primär die Rechtsprechung
des EuGH zu Artikel 106 Absatz 2 AEUV heranzuziehen“ sei, hätten öffentlich-rechtliche
Entsorgungsträger, Drittbeauftragte und Rücknahmesysteme „zwar Beeinträchtigungen
hinzunehmen, ihre Funktionsfähigkeit muss jedoch gewahrt bleiben“ (BT-Drucks. 17/6052,
S. 87). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass dieses Verständnis des § 17 Abs. 2 Satz
1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG den Vorgaben des Art. 106 Abs. 2 AEUV in der Auslegung des
Europäischen Gerichtshofs gerecht wird (ebenso VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 73). Folglich
steht die Normgeltung auch insoweit außer Frage.
16 cc) Der „soweit“-Satz in Art. 106 Abs. 2 AEUV ist rechtsnormativer Ausdruck des Gebots
der „Erforderlichkeit“ (Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, a. a. O., Art. 106 AEUV RdNr.
63 und RdNr. 72). Seine Anwendung gerade auf dem Gebiet der Abfallentsorgung ist
geklärt (EuGH, Urt. v. 25.6.1998 - Rs. C-203/96 - Slg. 1998, I-4075 RdNr. 67; Rs. C-209/98,
a. a. O., RdNr. 79 ff.). Eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit und der
Wettbewerbsfreiheit ist rechtlich nur zulässig, soweit es dem Inhaber eines
ausschließlichen Rechts ermöglicht werden muss, seine im Allgemeininteresse liegende
Aufgabe unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen zu erfüllen; eingeschlossen ist darin
die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen den rentablen und den weniger rentablen
Tätigkeitsbereichen (EuGH, Urt. v. 19.5.1993 - Rs. C-320/91 - Slg. 1993, 2533 RdNr. 16,
17; Urt. v. 25.10.2001 - Rs. C-475/99 - Slg. 2001, I-8089 RdNr. 57; Rs. C-162/06, a. a. O.,
RdNr. 36). Von Bedeutung ist das Gebot der “Erforderlichkeit” bei trennbaren
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Steht ein milderes Mittel zur
Gewährleistung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsstrukturen zur Verfügung, sind
Monopolstrukturen im Entsorgungsbereich insoweit nicht erforderlich (Petersen, NVwZ
2009, 1063, 1070; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521, 526), etwa wenn und soweit
das mit der Aufgabenerfüllung betraute Unternehmen die Abfallentsorgung auch ohne die
Privilegierung ordnungsgemäß erfüllen kann (EuGH, Rs. C-203/96, a. a. O., RdNr. 67).
Verwiesen ist damit auf die Beurteilung im Einzelfall.
17 Auch vor diesem europarechtlichen Hintergrund hat der Senat keine Zweifel an der
Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG. Die
gesetzliche Regelung nimmt keine europarechtswidrige (vgl. dazu Petersen, NVwZ 2009,
1063, 1070; Suhl, AbfallR 2012, 201, 212 f.) pauschale Zuordnung der getrennt erfassten
Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushaltungen an die öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger vor. Ausdrücklich betont die Gesetzesbegründung, die Einräumung
exklusiver Rechte für jene Aufgabenträger stehe unter dem Vorbehalt der
„Erforderlichkeit“; daher komme den Ausnahmetatbeständen, insbesondere der
gewerblichen Sammlung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG), eine wichtige Funktion zu, weil
der vom Gesetz eingeräumten Möglichkeit gewerblicher Sammlungen im Bereich der
Hausmüllentsorgung der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit der notwendige Raum
gegeben und dadurch die Verhältnismäßigkeit der Überlassungspflichten sichergestellt
werde (BT-Drucks. 17/6052, S. 85 f.). Daraus wird deutlich, dass die grundsätzliche
Zuständigkeit öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für getrennt gesammelte
Abfallfraktionen deshalb europarechtskonform ist, weil auch gewerbliche Sammlungen
nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG zugelassen werden können (Petersen/Doumet/Stöhr,
NVwZ 2012, 521, 526; Kropp, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl, a. a. O., Art. 16 AbfRRL
RdNr. 37). Stehen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Satz 1 des § 17 Abs. 3 KrWG gleichsam im
Dienst des Art. 106 Abs. 2 AEUV, bedürfen Satz 2 und Satz 3 des § 17 Abs. 3 KrWG einer
restriktiven, d. h. europarechtskonformen Auslegung (VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 39),
damit die praktische Wirksamkeit der Vorgaben des EU-Rechts nicht etwa im
Gesetzesvollzug unterlaufen wird.
18 Der Senat teilt die im Schrifttum (Suhl, AbfallR 2012, 201, 205 f.; Bickenbach, LKRZ 2012,
222, 227) geäußerten Bedenken an der Möglichkeit einer europarechtskonformen
Handhabung jener gesetzlichen Bestimmungen nicht. Das Gesetz trifft keine starren
Festlegungen, sondern verwendet auslegungsfähige unbestimmte Rechtsbegriffe (§ 17
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG: „überwiegende öffentliche Interessen“; § 17 Abs. 3 Satz 1
KrWG: „Funktionsfähigkeit“ des Aufgabenträgers etc.) und normiert in Satz 2 und Satz 3
des § 17 Abs. 3 KrWG, wie noch darzulegen sein wird, widerlegbare Vermutungen.
Auslegung und Anwendung der Öffnungsklausel des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG
können demnach im Sinne des Art. 106 Abs. 2 AEUV gehandhabt werden. Die praktische
Wirksamkeit des EU-Rechts ist folglich zu bewerkstelligen. Dazu trägt auch die Verteilung
der Darlegungs- und Beweislast bei; im Rahmen des Art. 106 Abs. 2 AEUV obliegt dem
Mitgliedstaat bzw. dem Aufgabenträger, der sich zu seinen Gunsten auf diese Bestimmung
beruft, der Nachweis für das Vorliegen der Privilegierungsvoraussetzungen (EuGH, Rs. C-
340/99, a. a. O., RdNr. 59; Rs. C-162/06, a. a. O., RdNr. 49). Diese verfahrensrechtliche
Vorkehrung trägt zur europarechtskonformen Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4,
Abs. 3 KrWG bei, so dass auch von daher an der Normgeltung ernsthafte Zweifel nicht
bestehen.
II.
19 Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Untersagungsverfügung nicht schon
deshalb rechtswidrig, weil nicht die „zuständige Behörde“ im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 2
KrWG gehandelt hat. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass das tätig
gewordene Landratsamt des Antragsgegners nach § 23 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 LAbfG
i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG als untere Verwaltungsbehörde für den Erlass der
Untersagungsverfügung zuständig gewesen ist.
20 1. Ein Zuständigkeitsmangel liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht etwa
deshalb vor, weil eine „Interessenkollision“ gegeben wäre. Die Untersagungsverfügung ist
vom Landratsamt als staatliche Behörde des Landes (Antragsgegner) erlassen worden;
öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger ist der beigeladene Landkreis. Die im
Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/6052, S. 17) zur Vermeidung von
Interessenkonflikten vorgesehene „neutrale Behörde“ (§ 18 Abs. 1 Satz 2 des KrWG-E: Die
zuständige Behörde oder ihr Träger „darf nicht mit Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgers nach § 20 Absatz 1 betraut sein“.) ist auf Grund des Widerstands des
Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT-Drucks. 17/6052, S. 116) nicht
geltendes Recht geworden (vgl. die Beschlussempfehlung des BT-Umweltausschusses,
BT-Drucks. 17/7505, S. 4). Die Bestimmung der „zuständigen Behörde“ obliegt demnach
dem Landesrecht (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG). Dem Bundesrecht lässt sich keine
verwaltungsorganisationsrechtliche Neutralitätspflicht in der Form entnehmen, dass die
„zuständige Behörde“ und der „öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger“ zwingend
unterschiedlichen Rechtsträgern angehören müssen. Es kann daher kein Verstoß gegen
Bundesrecht darin gesehen werden, dass das als untere Verwaltungsbehörde agierende
Landratsamt Behörde des Landkreises und zugleich untere staatliche
Verwaltungsbehörde ist (§ 1 Abs. 3 LKrO).
21 Die landesrechtliche Interessenkollisionsnorm des § 23 Abs. 3 Satz 2 LAbfG ist im
vorliegenden Fall nicht einschlägig. Danach geht die sachliche Zuständigkeit von der – an
sich zuständigen – unteren Abfallrechtsbehörde auf die höhere Abfallrechtsbehörde über,
wenn die Gebietskörperschaft (vgl. § 6 LAbfG), für deren Bezirk die untere
Abfallrechtsbehörde zuständig ist, Antragsteller oder Adressat einer Anordnung oder
sonstigen Maßnahme ist. Im vorliegenden Fall decken sich zwar gemäß § 1 Abs. 4 LKrO
der Bezirk des nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG handelnden Landratsamts und des
beigeladenen Landkreises als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger (§§ 20, 17 Abs. 1
Satz 1 KrWG i. V. m. § 6 Abs. 1 LAbfG), jedoch ist die Gebietskörperschaft, d. h. der
Beigeladene, nicht Antragsteller oder Adressat einer Anordnung oder sonstigen
Maßnahme im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 LAbfG. Der Beigeladene hat am
Verwaltungsverfahren lediglich in Gestalt der Stellungnahme vom 10. Januar 2013 gemäß
§ 18 Abs. 4 Satz 1 KrWG teilgenommen; dadurch ist er aber weder „Antragsteller“ noch
„Adressat“ einer behördlichen Anordnung oder sonstigen abfallrechtlichen Maßnahme im
Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 LAbFG geworden.
22 2. Gegen die gesetzliche Zuständigkeitsregelung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG, § 23
Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 LAbfG bestehen nach summarischer Prüfung entgegen
der Auffassung des Antragstellers keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit eine
kompetentielle „Neutralitätspflicht“ als Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung aus dem
Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird (VG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2013 - 17 L 260/13 -
juris RdNr. 15; Beschl. v. 26.4.2013 - 17 L 580/13 - BA RdNr. 15; Beschl. v. 8.5.2013 - 17 L
585/13 - BA RdNr. 15), folgt daraus nicht zwingend die Trennung der Zuständigkeiten
dergestalt, dass die Aufgabenbereiche (behördlicher Vollzug des KrWG, öffentlich-
rechtlicher Entsorgungsträger) unterschiedlichen Rechtsträgern zugeordnet werden
müssen. Das mag zweckmäßig und rechtspolitisch wünschenswert sein; rechtsstaatlich
geboten ist eine solche organisatorische Aufgabentrennung nicht. Zu fordern ist die
neutrale Aufgabenwahrnehmung der zuständigen Behörde. Diese kann sogar bei einer
Behörde mit Doppelzuständigkeiten in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden
Weise dadurch gesichert werden, dass behördenintern für eine organisatorische und
personelle Trennung der Aufgabenbereiche gesorgt ist (BVerwG, Urt. v. 18.3.2009 - 9 A
39/07 - E 133, 239, 245 RdNr. 24).
23 Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren überzeugend dargelegt, dass die
neutrale Aufgabenwahrnehmung in rechtlicher Hinsicht im vorliegenden Fall schon
dadurch gesichert wird, dass das Landratsamt (intern: Amt für Wasserwirtschaft) als untere
Abfallrechtsbehörde „zuständige Behörde“ im Sinne des § 18 KrWG ist, während die
Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers vom Abfallwirtschaftsbetrieb des
Landkreises in Gestalt eines Eigenbetriebs wahrgenommen werden. Dies stellt - zumal
nicht einmal eine Doppelzuständigkeit des Landratsamts besteht - eine hinreichende
Trennung der Aufgabenbereiche dar. Die personelle Trennung setzt voraus, dass
unterschiedliche natürliche Personen als Amtswalter in den beiden Aufgabenbereichen
entscheidungsbefugt sind (OVG NRW, Beschl. v. 19.7.2013 - 20 B 530/13 - juris RdNr. 25).
Auch diese Anforderung ist nach gegenwärtigem Erkenntnisstand hier gewahrt. Für die
Aufgaben der Abfallwirtschaft im Eigenbetrieb einerseits und der Vollzugsbehörde nach §
18 Abs. 5 Satz 2 KrWG andererseits sind unterschiedliche Amtswalter verantwortlich, eine
„Personalunion“ der verantwortlichen Personen ist nicht ersichtlich. Die rechtsstaatlich
gebotene Distanz und Unabhängigkeit sind demnach beachtet.
24 3. Auf Grund summarischer Prüfung hat der Senat keine ernsthaften Zweifel daran, dass
die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen auch mit europarechtlichen Vorgaben
vereinbar sind. Das EU-Abfallrecht (insbesondere die Abfallrahmenrichtlinie) verlangt
nicht die Schaffung einer „neutralen Behörde“ als zuständige Behörde im Sinne des § 18
Abs. 5 Satz 2 KrWG. Das positivierte Unionsrecht steht § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG, § 23
Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 LAbfG folglich nicht entgegen.
25 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 102, 106 AEUV im Sinne des EuGH-Urteils
„MOTOE“ (EuGH, Urt. v. 1.7.2008 - Rs. C-49/07 - Slg. 2008, I-4863 = EuZW 2008, 605 m.
Anm. Fuders), wonach es europarechtlich problematisch sein soll, wenn der Rechtsträger
des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers über Sammlungen von dessen
Wettbewerbern entscheide (Dippel, in: Schink/Versteyl, a. a. O., § 18 RdNr. 8; ähnliche
Kritik bei Weidemann, AbfallR 2012, 96, 100; Diekmann/Ingerowski, AbfallR 2013, 12, 16).
Die Entscheidung „MOTOE“ ist mit der vorliegenden Fallkonstellation kaum vergleichbar.
Dort war einer juristischen Person, die selbst Motorradrennen veranstalten und
kommerziell nutzen konnte, durch staatlichen Akt die Befugnis verliehen worden, ihr
Einverständnis zu Anträgen auf Genehmigung der Durchführung solcher Rennen zu
erklären, ohne dass diese Befugnis Beschränkungen oder Bindungen oder einer Kontrolle
unterlag (EuGH, Rs. C-49/07, a. a. O., RdNr. 51); hier geht es um den rechtlich geprägten
Gesetzesvollzug durch die Abfallrechtsbehörde, die als solche in keinem Wettbewerb zu
privaten Abfallentsorgungsunternehmen steht (vgl. auch VG Hamburg, a. a. O., S. 47;
Buch/Strecker, AbfallR 2013, 121, 124). Sodann entscheidet die Abfallrechtsbehörde auch
nicht „in eigener Sache“; diese Behörde fungiert im vorliegenden Zusammenhang als
staatliche Behörde des Antragsgegners (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG, § 1 Abs. 3 Satz 2 LKrO)
und unterliegt der Fachaufsicht des Landes (§ 20 Abs. 2 LVG, vgl. auch § 53 Abs. 1 LKrO),
während die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 17 Abs. 1, § 20
KrWG) vom Beigeladenen wahrgenommen (§ 6 Abs. 1 LAbfG) und als weisungsfreie
Pflichtaufgabe (§ 2 Abs. 3 Satz 1 LKrO) erfüllt wird. Europarechtlich ist zu differenzieren:
Die Verbote nach 106 Abs. 1 AEUV sind an die Mitgliedstaaten gerichtet, während Art.
102 AEUV an die Unternehmen adressiert ist; daher gilt Art. 102 AEUV unmittelbar nur für
wettbewerbswidrige Verhaltensweisen der Unternehmen selbst und nicht für staatliche
Maßnahmen (EuG, Urt. v. 20.9.2012 - T-169/08 - RdNr. 86, 107). Der Beigeladene, nicht
der Antragsgegner, betreibt mit seinem Abfallwirtschaftsbetrieb ein „Unternehmen“ im
Sinne des Art. 102 AEUV; in der Sache kann angesichts der dezentralen Betrauung der
Landkreise und Stadtkreise mit den Aufgaben der Abfallentsorgung (§ 6 LAbfG) kaum von
einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil
desselben gesprochen werden (BVerwG, Urt. v. 18.6.2009 - 7 C 16/08 - E 134, 154, 164
RdNr. 39; VG Düsseldorf, a. a. O., jeweils RdNr. 25). Folglich kann die gesetzliche
Zuständigkeitsregelung nicht über Art. 106 Abs. 1 i. V. m. Art. 102 AEUV
europarechtswidrig sein.
26 Dass die behördliche „Neutralitätspflicht“ auch unter europarechtlichen Vorzeichen auf
unterschiedliche Art und Weise erfüllt werden kann, steht außer Frage. Die
Bundesregierung weist auf „geeignete organisatorische Maßnahmen“ hin, wie etwa
„Aufgabendelegation an andere Landesbehörden, interne Trennung von Zuständigkeiten,
Transparenz der Entscheidungsabläufe oder spezifische Kontrollvorbehalte“ (BT-Drucks.
17/6052, S. 88). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die vorstehend dargelegte
Trennung der Aufgabenbereiche von unterer Abfallrechtsbehörde (als staatliche Behörde)
einerseits und öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger (als
Selbstverwaltungskörperschaft) andererseits der geforderten Trennung der
Zuständigkeiten im Abfallrecht genügt; hinzu tritt die erwähnte personelle Trennung der
entscheidungsbefugten Amtswalter (s. o. B. II. 2.). Da die Verwaltung verfassungsrechtlich
an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 25 Abs. 2 LV), gibt es ohne
konkreten gegenläufigen Anhaltspunkt keinen Anlass für die Annahme, die im Sinne des §
18 Abs. 5 Satz 2 KrWG zuständige Behörde werde mangels Wahrung der gebotenen
Distanz und Unabhängigkeit das Neutralitätsgebot im Verwaltungsverfahren nicht
beachten.
27 An dieser Einschätzung ändern die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 22. August 2013
- erneut und bekräftigend - vorgetragenen Zweifel (noch) nichts. Der Antragsteller weist
darauf hin, dass im Land Thüringen das dort landesweit zuständige
Landesverwaltungsamt auf 221 angezeigte gewerbliche Sammlungen in weniger als 5 %
der Fälle mit Untersagungen und Befristungen reagiert habe, während der Antragsgegner
eine Quote von 100 % erreiche. In seiner Antwort auf eine entsprechende
parlamentarische Anfrage betont das für die Abfallwirtschaft zuständige Thüringer
Ministerium (unter Auswertung divergierender Quoten auch aus Bayern und Nordrhein-
Westfalen), seit dem Inkrafttreten des neuen Abfallrechts habe sich insbesondere zu § 17
Abs. 3 KrWG noch keine einheitliche und gefestigte Rechtsprechung herausgebildet; es
sei daher „leicht nachvollziehbar, weshalb bei der Anwendung der einzelnen Kriterien
unterschiedlich vorgegangen wird“ (Thüringer Landtag, Drucks. 5/6410, S. 2). Vor dem
Hintergrund dieser zutreffenden Beurteilung der Rechtslage hat der Senat keinen Grund
zu der Annahme, dass der Antragsgegner den gesetzeskonformen Vollzug des neuen
Rechts auch dann noch verweigern wird, wenn sich zur Auslegung des § 17 Abs. 3 KrWG
eine einheitliche und gefestigte Rechtsprechung herausgebildet haben wird.
28 Ob in Fallgestaltungen der vorliegenden Art abweichend von § 23 Abs. 3 Satz 1 i. V. m.
Abs. 2 Nr. 3 LAbfG die Aufgabendelegation an eine andere Landesbehörde die
zweckmäßigere Lösung zur Vermeidung denkbarer Interessenkonflikte wäre, um bereits
jeden Anschein einer Entscheidung „in eigener Sache“ zu vermeiden (vgl. insoweit zum
niedersächsischen Landesrecht NdsOVG, Urt. v. 21.3.2013 - 7 LB 56/11 - NdsVBl 2013,
218, 220 m. krit. Anm. Schwind und zust. Bespr. Dippel, AbfallR 2013, 186 ff.; seine Rspr.
bestätigend NdsOVG, Beschl. v. 15.8.2013 - 7 ME 62/13 - BA S. 6 f.), ist eine hier nicht zu
beurteilende rechtspolitische Frage.
III.
29 Die Untersagungsverfügung ist rechtswidrig, weil sie nicht im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 2
KrWG der – hier allein in Betracht kommenden – Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
KrWG genannten Voraussetzungen dient. Danach ist eine gewerbliche Sammlung von
Abfällen aus privaten Haushaltungen (bei ordnungsgemäßer und schadloser Verwertung)
nur unzulässig, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung
entgegenstehen. Der Senat zweifelt nicht daran, dass es sich bei den fraglichen
Alttextilien um „Abfall“ im Rechtssinne (§ 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG) handelt; die vom
Antragsteller hiergegen vorgebrachten Einwände (Wunsch der ehemaligen Besitzer nach
Wiederverwendung der Alttextilien, hohe tatsächliche Wiederverwendungsquoten etc.)
mögen bei einer Weitergabe der Alttextilien beispielsweise an „Second Hand Shops“ zum
Tragen kommen; werden derartige Gegenstände jedoch in Sammelcontainer gegeben,
liegt eine „Entledigung“ im Sinne des § 3 Abs. 2 Alt. 3 KrWG vor, weil nach der Aufgabe
der Sachherrschaft über die Alttextilien lediglich eine bloße Hoffnung auf
Wiederverwendung der Gegenstände nach einem Sortierungsprozess besteht (VG
Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.2013, a. a. O., RdNr. 35 ff.; ebenso zum KrW-/AbfG - unter
Einbeziehung europäischen Rechts - BVerwG, Urt. v. 19.11.1998 - 7 C 31/97 - NVwZ
1999, 1111). Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht daran, dass der Antragsteller eine
„gewerbliche Sammlung von Abfällen“ (§ 3 Abs. 18 KrWG) im Entsorgungsgebiet des
Beigeladenen betreibt (vgl. zu der insoweit seit dem 1. Juni 2012 geltenden neuen
Rechtslage NdsOVG, Urt. v. 21.3.2013, a. a. O., S. 219).
30 1. Der gewerblichen Sammlung des Antragstellers stehen indessen nach dem
gegenwärtigen Erkenntnisstand keine „überwiegenden öffentlichen Interessen“ im Sinne
des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG entgegen. Das wäre nur dann der Fall, wenn die
betreffende gewerbliche Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im
Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-
rechtlichen Entsorgungsträgers oder eines von diesem beauftragten Dritten oder des nach
Maßgabe von § 25 KrWG eingerichteten Rücknahmesystems gefährdete (§ 17 Abs. 3 Satz
1 KrWG). Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine abschließende Regelung der
nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG maßgeblichen öffentlichen Interessen.
Rechtsdogmatisch ist § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG, wie schon der Wortlaut deutlich macht, als
zwingende Vorschrift ausgestaltet (VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 38; Schomerus, in:
Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 2012, § 17 RdNr. 41: „Abwägungsvorgang durch das
Gesetz antizipiert“). In der Sache muss jedoch ausweislich des insoweit
unmissverständlichen Wortlauts von Satz 1 und Satz 2 des § 17 Abs. 3 KrWG eine
„Gefährdung“ des Schutzguts (Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgers etc.) vorliegen. Das ist hier nicht der Fall; vom Antragsgegner ist dies
jedenfalls nicht dargelegt und nachgewiesen worden.
31 a) Für eine „Funktionsgefährdung“ im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG fehlen
konkrete Anhaltspunkte. Der Antragsgegner hat keine Fakten dafür vorgetragen, dass die
Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten gefährdet oder zu
wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert wird, falls der Antragsteller die
gewerbliche Sammlung von Alttextilien - auch im Zusammenwirken mit anderen
Sammlungen - durchführt. Die Darlegungslast insoweit obliegt der Verwaltung (OVG
NRW, Beschl. v. 19.7.2013 - 20 B 122/13 - juris RdNr. 15). Dies fordert gemäß Art. 106
Abs. 2 AEUV auch das EU-Recht (s. o. B. I. 3 b cc). Den sich daraus ergebenden
Anforderungen genügt der Vortrag des Antragsgegners nicht.
32 aa) Der Antragsgegner macht geltend, die gewerbliche Sammlung stehe einer möglichst
niedrigen, sozialverträglichen Gebührengestaltung entgegen; in Bezug auf „unrentable“
Bereiche sei dem Beigeladenen die - europarechtlich nach Art. 106 Abs. 2 AEUV
zulässige - Quersubventionierung im Abfallwirtschaftsbetrieb nicht möglich. Konkrete
Zahlen nennt der Antragsgegner nicht; was unter „wirtschaftlich ausgewogenen
Bedingungen“ (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG) verstanden wird, ist im
Beschwerdeverfahren nicht spezifiziert worden. Sodann spricht der Antragsgegner von
einer „fühlbaren Behinderung“ bei der vom Beigeladenen angestrebten sozialverträglichen
Gebührengestaltung und verweist darauf, dass durch die Konkurrenz der gewerblichen
und gemeinnützigen Sammlungen im Entsorgungsgebiet des Beigeladenen dem
Gebührenhaushalt Verwertungserlöse von rund 850.000,- Euro jährlich entzogen würden;
dieser Betrag fehle, um den unrentablen Bereich der Hausmüllentsorgung ausgleichen zu
können. Konkrete Zahlen dazu, welche Gebührenreduzierung der Einsatz von 850.000,-
Euro für eine Quersubventionierung im Abfallwirtschaftsbetrieb des Beigeladenen dem
einzelnen Gebührenzahler brächte, nennt der Antragsgegner ebenfalls nicht. Die allzu
vagen und pauschalen Annahmen und Thesen des Antragsgegners genügen der
Darlegungslast nicht (OVG NRW nennt in seinem Verfahren 20 B 122/13, a. a. O., RdNr.
16, einen derartigen Vortrag „dürftig“). Um eine tragfähige Beurteilung der „wirtschaftlich
ausgewogenen Bedingungen“ im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG vornehmen zu
können, ist eine Analyse und Bewertung der tatsächlichen, konkreten Auswirkungen der
gewerblichen (und ggf. gemeinnützigen) Sammlung(en) auf den öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger unerlässlich (VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 83). Das verlangt nicht
zuletzt das Unionsrecht. Die dafür vom Antragsgegner zu schaffenden tatsächlichen
Grundlagen fehlen.
33 bb) Der Argumentation des Antragsgegners liegt ein Modell der Abfallentsorgung zu
Grunde, in dem jede gewerbliche Sammlung, die den Abfällen aus privaten
Haushaltungen veräußerbare (Wert-)Stoffe und Gegenstände entzieht, unzulässig ist, weil
sie per se niedrigere Abfallgebühren verhindert, so dass gewerbliche Sammlungen mit der
öffentlich-rechtlich organisierten Entsorgungswirtschaft systematisch unvereinbar sind (in
diesem Sinne VG Hamburg, a. a. O., S. 49; Queitsch, AbfallR 2012, 290 ff.). Eine derartige
Deutung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG ist indes mit Art. 106 Abs. 2 AEUV nicht
vereinbar; danach muss die Möglichkeit zum Wettbewerb auf dem Abfallentsorgungsmarkt
durch private Konkurrenz erhalten bleiben und die Prüfung im Einzelfall erfolgen
(Schomerus, a. a. O., § 17 RdNr. 48, 49; Dippel, a. a. O., § 17 RdNr. 49, 57). § 17 Abs. 3
Satz 2 Alt. 1 KrWG lässt die gebotene europarechtskonforme Handhabung zu; die
Bestimmung wird verschiedentlich als widerlegbare Vermutungsregel qualifiziert (VG
Würzburg, a. a. O., RdNr. 38; Dippel, a. a. O., § 17 RdNr. 57). Richtig dürfte zur Sicherung
der Europarechtskonformität des deutschen Rechts jedenfalls der Zugriff auf den
normativen Gehalt der maßgeblichen Bestimmungen sein: Wenn der öffentlich-rechtlich
organisierten Abfallentsorgung, um private Wettbewerber ausschließen zu können, eine
„Gefährdung“ drohen muss (§ 17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG) bzw. die Aufgabenerfüllung
bei Zulassung der privaten Konkurrenz „verhindert“ werden würde (Art. 106 Abs. 2 AEUV),
ist das vom Antragsgegner postulierte Modell der systematischen Unvereinbarkeit
zwischen öffentlich-rechtlicher und privater Abfallentsorgung im Hausmüllbereich de lege
lata nicht vertretbar, sondern es muss im konkreten Fall zumindest eine Art
Geringfügigkeitsschwelle beachtet werden, um „wirtschaftlich ausgewogene
Bedingungen“ der öffentlich-rechtlich organisierten Abfallentsorgung gefährdet zu sehen
(VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 82, spricht mit Blick auf die Müllgebühren von einer
Erheblichkeitsgrenze bzw. Toleranzschwelle von 10% bis 12%; ähnlich OVG Hamburg, a.
a. O., RdNr. 15 f.). Dazu hat der Antragsgegner nichts von Substanz vorgetragen. Auch
sonst ist eine wirkliche „Gefährdung“ der Abfallentsorgung im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2
Alt. 1 KrWG nicht erkennbar.
34 Die vagen, pauschalen und unspezifischen Annahmen des Antragsgegners erlauben
allenfalls die rechtliche Schlussfolgerung, dass die gewerbliche Sammlung des
Antragstellers - sowie andere gewerbliche Sammlungen im Landkreisgebiet - den
Abfallwirtschaftsbetrieb des Beigeladenen bzw. einen von diesem beauftragten Dritten
beeinträchtigen könnte. Dies genügt jedoch für die Bejahung der Voraussetzungen des §
17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 KrWG nicht. Nach dem ausdrücklich erklärten Willen des
Gesetzgebers sind „Beeinträchtigungen“, also unterhalb der Schwelle einer „Gefährdung“
der Funktionsfähigkeit bleibende Nachteile, hinzunehmen (BT-Drucks. 17/6052, S. 87).
Jede andere Deutung des Gesetzes wäre mit Art. 106 Abs. 2 AEUV unvereinbar; die
europarechtskonforme Handhabung des nationalen Rechts ist indessen nicht disponibel.
35 b) Der Antragsgegner hat auch nicht dargetan, dass „überwiegende öffentliche Interessen“
im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 KrWG deshalb zu bejahen sind, weil
die „Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird“ (§
17 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG). Nach summarischer Prüfung ist weder ein Fall nach § 17
Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG gegeben, noch ist das Regelbeispiel gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3
Nr. 3 KrWG vorliegend erfüllt; den Tatbestand des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 KrWG macht
der Antragsgegner nicht geltend.
36 aa) Der Antragsgegner beruft sich darauf, dass der Beigeladene in dem betroffenen
Entsorgungsgebiet bereits in öffentlich-rechtlicher Verantwortung Alttextilien über
Sammelcontainer haushaltsnah erfasst und einer hochwertigen Verwertung zuführt; daher
sei nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG eine konkurrierende gewerbliche Sammlung
unzulässig, eine Einzelfallprüfung dürfe nicht (mehr) durchgeführt werden. Folglich komme
es auf den Umfang der gewerblichen Sammlung nicht an, und auch die Relation des
gewerblich gesammelten Abfalls zur Abfallmenge insgesamt sei unbeachtlich.
Konkurrierten eine gewerbliche Sammlung und eine kommunale Sammlung um die
gleichen Abfälle, nehme das Gesetz eine wesentliche Beeinträchtigung der
Planungssicherheit und Organisationsverantwortung an, so dass die gewerbliche
Sammlung unzulässig sei.
37 (1) Diese Maßstabsbildung verfehlt das geltende Recht. Die Argumentation des
Antragsgegners stützt sich auf ein enges Verständnis des Gesetzeswortlauts. Danach soll
ein bestehendes Entsorgungssystem (falls „haushaltsnah“, „hochwertig“) gegen jedwede
private Konkurrenz geschützt werden, sofern nicht ausnahmsweise § 17 Abs. 3 Satz 4
KrWG eingreift; ob tatsächlich eine „wesentliche Beeinträchtigung“ der Planungssicherheit
und Organisationsverantwortung vorliegt, soll - auch im Falle der Drittbeauftragung -
unbeachtlich sein, weil ein Nebeneinander von Sammlungen gleicher Abfallarten
gesetzlich ausgeschlossen sei (VG Köln, Beschl. v. 25.1.2013 - 13 L 1796/12 - BA RdNr.
10 und 11; Queitsch, UPR 2012, 221, 226; ders., AbfallR 2012, 290, 292). Diese
Rechtsauffassung führt im Ergebnis zu einem absoluten Konkurrentenschutz, falls ein
öffentlich-rechtlich organisiertes Entsorgungssystem besteht; danach soll jedweder
Wettbewerb im Bereich der hier fraglichen Abfallentsorgung per se unzulässig sein.
38 Ein solches Verständnis des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG, das die bloße Existenz eines
Systems der haushaltsnahen oder sonstigen hochwertigen getrennten Erfassung und
Verwertung der Abfälle durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bzw. einen von
diesem beauftragten Dritten für den Ausschluss einer gewerblichen Sammlung genügen
lässt, ist nicht europarechtskonform (VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 41 f.); sie verfehlt die
Anforderungen des Art. 106 Abs. 2 AEUV, verstößt insbesondere gegen das Gebot der
„Erforderlichkeit“. Eine derartige Deutung des Gesetzeswortlauts ist allerdings keineswegs
zwingend und wird durch die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte
widerlegt, so dass Sinn und Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG eine
europarechtskonforme Auslegung und Anwendung der Bestimmung gebieten.
39 (2) Ob § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen
eine - ggf. widerlegbare (so VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 85; VG Würzburg, a. a. O., RdNr.
38; Petersen/Doumet/Stöhr, NVwZ 2012, 521, 527; Dippel, a. a. O., § 17 RdNr. 65) oder
unwiderlegbare (so Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 136; Queitsch, AbfallR 2013,
169, 173) - Vermutungsregelung trifft , bedarf jedenfalls in diesem Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes keiner Klärung, weil die Tatbestandsvoraussetzungen nicht
erfüllt sind. Mit der Formulierung „insbesondere“ stellt der Gesetzgeber klar, dass auf der
Tatbestandsseite Regelbeispiele normiert werden; dies schließt nicht aus, dass die in dem
Regelbeispiel zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Vorstellung im Einzelfall
möglicherweise nicht zutrifft. Nach dem Gesetzeswortlaut liegt im konkreten Fall mithin
nicht zwingend eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und
Organisationsverantwortung vor, falls das Regelbeispiel des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1
KrWG bejaht wird; vielmehr kann im Einzelfall eine gewerbliche Sammlung bei fehlender
wesentlicher Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung
des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers durchaus zulässig sein
(Beckmann/Wübbenhorst, DVBl 2012, 1403, 1408).
40 Gesetzessystematisch fungiert § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG als Konkretisierung des § 17
Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KrWG. Danach wird in einem materiellen Sinne vorausgesetzt, dass
die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung „wesentlich beeinträchtigt wird“.
Dieses schon europarechtlich gebotene materielle Verständnis ist gleichsam nicht
hintergehbar, weil jene Bestimmung in dem Kaskadenmodell des § 17 Abs. 3 KrWG
ihrerseits eine Konkretisierung des § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG darstellt; die dort geschützte
Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von diesem
beauftragten Dritten kann sinnvollerweise nicht bereits auf Grund des bloßen
Nebeneinanders von gewerblicher und kommunaler Sammlung gleicher Abfallarten ohne
inhaltliche Würdigung der konkurrierenden Entsorgungssysteme als „gefährdet“
angesehen werden. Schließlich darf nicht verkannt werden, dass die in § 17 Abs. 3 KrWG
angelegten Konkretisierungsstufen der Konturierung „überwiegender öffentlicher
Interessen“ im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG dienen; dass dieser unbestimmte
Rechtsbegriff nicht allein mit einem formalistischen Verständnis des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr.
1 KrWG zureichend ausgefüllt werden kann, liegt auf der Hand.
41 Entstehungsgeschichtlich hat das Merkmal „wesentliche Beeinträchtigung“
europarechtliche Ursprünge. Vor dem Hintergrund des Art. 106 AEUV hatte die EU-
Kommission im Notifizierungsverfahren zum Gesetzentwurf zur Neuordnung des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vom 28. Mai 2011 darauf hingewiesen, dass nur
„wesentliche“ Auswirkungen gewerblicher Sammlungen auf die Kommunen im Rahmen
der Einzelfallabwägung des § 17 Abs. 3 KrWG berücksichtigt werden dürften; andernfalls
könne der Zugang eines neuen Wettbewerbers EU-rechtswidrig behindert werden
(Mitteilung SG[2011] D/51545 im Notifizierungsverfahren 2011/0148/D). Unter
ausdrücklicher Erinnerung an diesen Vorgang hat die Bundesregierung im
Gesetzgebungsverfahren in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates
die EU-rechtskonforme Fassung des § 17 Abs. 3 KrWG angemahnt (BT-Drucks. 17/6645,
S. 5). Der zuständige BT-Ausschuss hat in seiner Beschlussempfehlung darauf reagiert
(BT-Drucks. 17/7505, S. 3). Die europarechtskonforme Auslegung und Anwendung des
innerstaatlichen Rechts drängt sich geradezu auf.
42 Nach Sinn und Zweck des Kaskadenmodells gemäß § 17 Abs. 3 KrWG steht Satz 3 Nr. 1
im Dienste der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlich organisierten
Entsorgungssystems (Satz 1). Eine „Gefährdung“ dieser Funktionsfähigkeit (Satz 2) durch
eine „wesentliche Beeinträchtigung“ der Planungssicherheit und
Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers kann allenfalls
angenommen werden, wenn die gewerbliche Sammlung – „in ihrer konkreten
Ausgestaltung“ und ggf. „im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen“ (§ 17 Abs. 3
Satz 1 KrWG) – mehr als nur einen geringen Anteil des gesamten Aufkommens einer
bestimmten Abfallart (hier: Alttextilien) im Entsorgungsgebiet erfasst (VG Würzburg, a. a.
O., RdNr. 42: keine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit bei lediglich
10% bis 15% einer getrennt erfassten Abfallfraktion; ebenso Dippel, a. a. O., § 17 RdNr. 66
m. Nachw. zur entsprechenden Rechtsprechung nach dem KrW-/AbfG). Ein anderes
Gesetzesverständnis wäre europarechtlich kaum haltbar (VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 85).
Und selbst bei rein innerstaatlich angelegter Gesetzesdeutung kann ernsthaft nicht davon
gesprochen werden, dass die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung
„wesentlich“ beeinträchtigt wird, wenn nur eine eher geringfügige gewerbliche Sammlung
bestimmter Abfälle stattfindet (OVG Hamburg, a. a. O., RdNr. 19). Andernfalls bewirkte die
Gesetzesanwendung einen rechtlich unzulässigen absoluten Konkurrentenschutz.
43 Der Antragsgegner hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - kaum substantielle
Ausführungen zur Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des Beigeladenen
gemacht. Es werden lediglich Prognosen darüber angestellt, welche Mengen von
Alttextilien aus privaten Haushaltungen jährlich eingesammelt werden könnten (ca. 1.600
t). Was dies für die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des
Beigeladenen bedeutet, wird nicht dargelegt; insbesondere bleibt offen, ob darin eine
„wesentliche Beeinträchtigung“ gesehen werden kann. Keine Angaben finden sich ferner
dazu, ob eine eventuelle „wesentliche Beeinträchtigung“ als „Gefährdung“ im Sinne des §
17 Abs. 3 Satz 2 KrWG gedeutet werden könnte. Auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG (im
Sinne der europarechtskonformen Deutung) kann sich der Antragsgegner demzufolge
nicht berufen.
44 bb) Eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und
Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist entgegen
der Auffassung des Antragsgegners auch nicht etwa deshalb anzunehmen, weil die
Zulassung der gewerblichen Sammlung des Antragstellers gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3
KrWG die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im
Wettbewerb erheblich erschweren oder unterlaufen würde. Diese Bestimmung schützt das
– bereits durchgeführte oder bevorstehende – Vergabeverfahren; Prämisse der Regelung
ist die Gewährleistung von Wettbewerb um den Abfallentsorgungsmarkt, nicht in diesem
Markt. Nach dem gesetzgeberischen Willen zielt § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG auf „die
wettbewerbskonforme Einbindung der privaten Entsorgungswirtschaft in die kommunale
Aufgabenwahrnehmung und sichert so die 'duale' Entsorgungsverantwortung im Bereich
der Entsorgung von Haushaltsabfällen ab“ (BT-Drucks. 17/7505, S. 44).
45 Die Vergabe von Entsorgungsleistungen schützt demnach den erfolgreichen Bieter
gegenüber konkurrierenden gewerblichen Sammlungen. Der mit dem öffentlichen Auftrag
betraute bzw. zu betrauende Dritte wird sogar monopolartig geschützt; ausweislich der in §
17 Abs. 3 Satz 4 KrWG getroffenen Regelung, die Nr. 3 des § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG
gerade nicht in Bezug nimmt, wird der erfolgreiche Bieter dergestalt privilegiert, dass er vor
jedweder Konkurrenz durch gewerbliche Sammler geschützt ist (Dageförde/Thärichen,
AbfallR 2013, 125, 136). Der Senat lässt offen, ob eine so weit gehende (temporäre)
Monopolisierung der Entsorgungsleistungen mit dem EU-Recht vereinbar ist; jedenfalls
liegen die Voraussetzungen beider Alternativen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG nicht
vor.
46 (1) Zu Unrecht beruft sich der Antragsgegner zunächst darauf, dass durch die Zulassung
der gewerblichen Sammlung des Antragstellers die diskriminierungsfreie und transparente
Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb unterlaufen werde (§ 17 Abs. 3 Satz 3
Nr. 3 Alt. 2 KrWG). Diese Regelung erfasst Fallgestaltungen, in denen ein gewerblicher
Sammler als Bieter im Vergabeverfahren den Zuschlag nicht erhalten hat (VG Ansbach, a.
a. O., RdNr. 90) oder am Ausschreibungswettbewerb des öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgers gar nicht teilgenommen hat und nun eine gewerbliche Sammlung
vornimmt. Der erfolgreiche Bieter, der als Auftragnehmer gegenüber dem öffentlich-
rechtlichen Entsorgungsträger vertragliche Bindungen eingeht, wird durch § 17 Abs. 3
Satz 3 Nr. 3 KrWG vor einer derartigen „illegitimen“ Konkurrenz während der
Vertragslaufzeit geschützt.
47 Dieser gesetzliche Schutz greift jedoch nur bei einer rechtmäßigen Auftragsvergabe, also
einem ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren, ein. Denn ausweislich der
erwähnten gesetzgeberischen Zielsetzung geht es um die „wettbewerbskonforme“
Einbindung Privater. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG schützt das berechtigte Vertrauen des
erfolgreichen Bieters in die Angebotskalkulation des Auftraggebers; vertraut werden darf
auf die Exklusivität der Entsorgungsleistung während der Vertragslaufzeit und auf die
Vertragstreue des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (Dageförde/Thärichen,
AbfallR 2013, 125, 132 f.). Ein „berechtigtes“ und damit schützenswertes Vertrauen des
Auftragsnehmers kann jedoch nur bei einem rechtmäßigen Vergabeverfahren anerkannt
werden; andernfalls würde - wettbewerbswidrig - illegales Verhalten prämiert. Bei der
Vergabe von Entsorgungsleistungen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG muss
gemäß § 100 Abs. 1 GWB, § 2 Nr. 2 VgV ab einem Schwellenwert von 200.000,- Euro
eine europaweite Ausschreibung der Auftragsvergabe erfolgen (§ 4 Abs. 1 VgV, § 15
VOL/A-EG). Der Antragsteller hat unwidersprochen vorgetragen, dass im vorliegenden
Fall eine europaweite Ausschreibung unterblieben ist. Bereits im Verwaltungsverfahren
und im Eilverfahren beim Verwaltungsgericht hat der Antragsteller Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Auftragsvergabe geäußert. Im Beschwerdeverfahren hat er
vorgetragen, trotz eines Auftragsvolumens von 275.000,- Euro sei die gebotene
europaweite Ausschreibung der Vergabe von Entsorgungsleistungen nicht vorgenommen
worden (Bl. 181 d. A.). Dem hat der Antragsgegner nicht widersprochen, er hat auf diese
Einlassung in seiner Erwiderung überhaupt nicht reagiert (vgl. Bl. 277 f. d. A.). Nach dem
gegenwärtigen Erkenntnisstand muss der Senat folglich davon ausgehen, dass der
Beigeladene die Vergabe der hier relevanten Entsorgungsleistungen nicht in einem
rechtmäßigen Verfahren vorgenommen hat. Dann aber kann der erfolgreiche Bieter keinen
Vertrauensschutz mit der Konsequenz reklamieren, dass eine jedwede gewerbliche
Sammlung unzulässig ist, so dass dem Antragsgegner der Rückgriff auf § 17 Abs. 3 Satz 3
Alt. 2 KrWG abgeschnitten ist.
48 Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die unzulässige sog. de facto-Vergabe gemäß
§ 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB ein Grund für die Unwirksamkeit des Vertrags im Vergaberecht
ist. Von der Bestimmung sind auch Fallgestaltungen erfasst, in denen die gebotene
europaweite Ausschreibung unterblieben ist (Braun, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht,
2011, § 101b GWB RdNr. 46; Weyand, Vergaberecht, 2013, § 101b GWB RdNr. 26). Die
Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gilt im Falle des § 101b Abs. 1 Nr.
2 GWB nicht (§ 107 Abs. 3 Satz 2 GWB). Dass die Anerkennung der Unwirksamkeit
vergaberechtlich die Feststellung in einem Nachprüfungsverfahren voraussetzt (§ 101b
Abs. 2 GWB), ist der Rechtssicherheit der Auftragsvergabe geschuldet. Darum geht es hier
nicht. Abfallrechtlich bleibt es dabei, dass ein rechtswidriges Vergabeverfahren nicht
privilegiert wird und daher nicht zur Unzulässigkeit einer gewerblichen Sammlung nach §
17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KrWG führt.
49 (2) Der Antragsgegner kann sich auch nicht darauf berufen, dass durch die gewerbliche
Sammlung des Antragstellers die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von
Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert wird (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1
KrWG). Dabei kann der Senat die kontrovers erörterte Frage offen lassen, ob ohne den
Erlass einer Untersagungsverfügung die parallel durchgeführte gewerbliche Sammlung
von Abfällen zu einer unkalkulierbaren Schwankungsbreite der Mengenparameter mit der
Folge führt, dass eine unklare Leistungsbeschreibung und daher ein Verstoß gegen § 8
Abs. 1 VOL/A-EG zu erwarten ist (vgl. VG Ansbach, a. a. O., RdNr. 91 ff.;
Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 133 f.), oder ob - da die Abgabe von Alttextilien
ohnehin Unwägbarkeiten ausgesetzt ist - den möglichen Mengenschwankungen
vergaberechtlich durch eine entsprechende Formulierung der
Ausschreibungsbedingungen Rechnung getragen werden kann, da die Größenordnung
der Schwankungsbreite abschätzbar ist (vgl. OVG Hamburg, a. a. O., RdNr. 23;
Beckmann/Wübbenhorst, DVBl 2012, 1403, 1409).
50 Soll durch § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 1 KrWG ein Vergabeverfahren geschützt werden,
muss ein solches konkret in Aussicht stehen. Das ist hier nicht der Fall; der Beigeladene
hat gerade erst in Bezug auf Alttextilien ein solches Verfahren durchgeführt. Die abstrakt
gehaltene Argumentation des Antragsgegners (Bl. 77 d. A.) läuft darauf hinaus, dass eine
gewerbliche Sammlung per se ausgeschlossen wäre, wenn sich der öffentlich-rechtliche
Entsorgungsträger an Stelle der Eigenwahrnehmung der Abfallentsorgungsaufgabe für
eine Drittbeauftragung (§ 22 KrWG) entschieden hat; reklamiert wird damit, europarechts-
und gesetzeswidrig, ein absoluter Konkurrentenschutz. Ein erneutes
(diskriminierungsfreies und transparentes) Vergabeverfahren ist jedoch erst in Bezug auf
den Zeitraum nach Ablauf der jetzigen, mit dem Dritten vereinbarten Vertragslaufzeit
durchzuführen (vgl. Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 133). Dazu hat der
Antragsgegner keine Angaben gemacht. Die Berufung auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 KrWG
verfolgt demzufolge den Zweck, rein prophylaktisch gewerbliche Sammler vom Markt zu
verdrängen. Dieses Vorgehen ist von der Bestimmung nicht gedeckt. Ohne Ansehung
eines bestimmten Vergabeverfahrens kann nicht beurteilt werden, was „erheblich
erschwert“ werden soll; eine solche – hier nicht mögliche – Prüfung schreibt das Gesetz
indessen zwingend vor.
51 Folgte man nicht dieser „Tatbestandslösung“, müsste dasselbe Ergebnis als
„Rechtsfolgelösung“ nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG erzielt werden. Danach wäre die
Untersagungsverfügung nur rechtmäßig, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr.
4 (i. V. m. Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 1) KrWG
normierten Voraussetzungen „anders nicht zu gewährleisten ist“. Nach diesem bindend
vorgeschriebenen Maßstab des Übermaßverbots („Erforderlichkeit“ einer behördlichen
Maßnahme) kann eine künftige Auftragsvergabe gegenüber „wesentlichen
Erschwerungen“ in Bezug auf Diskriminierungsfreiheit und Transparenz jedoch „anders“
dadurch geschützt werden, dass zu dem gegebenen späteren Zeitpunkt vor Einleitung des
dann anstehenden Vergabeverfahrens die tatsächliche Lage („Schwankungsbreite“ von
Mengenparametern) konkret geprüft und gegebenenfalls mit einer Untersagungsverfügung
reagiert wird. Im Sinne des Übermaßverbots ist es in keiner Weise erforderlich, nach einer
erst jüngst erfolgten Auftragsvergabe rein vorsorglich mit Blick auf künftige
Vergabeverfahren, zu denen der Antragsgegner nichts Konkretes vorgetragen hat,
gewerbliche Sammlungen pauschal zu verbieten.
52 Nichts anderes ergibt sich aus dem vom Antragsgegner zitierten Urteil des VG Ansbach.
Dort ging es um den Schutz einer noch laufenden Ausschreibung des Beigeladenen (VG
Ansbach, a. a. O., RdNr. 91); es konnte in jenem Fall konkret ermittelt werden, ob diese
Ausschreibung durch eine gewerbliche Sammlung „wesentlich erschwert“ wird. Hier ist
eine Ausschreibung in nächster Zeit nicht in Sicht, jedenfalls hat der Antragsgegner dazu
nichts vorgetragen, so dass es an dem gesetzlich vorausgesetzten Schutzgut fehlt.
53 2. Unabhängig davon, dass die Untersagungsverfügung schon deshalb rechtswidrig ist,
weil die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 18 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 KrWG nicht erfüllt sind, liegt auch ein Verstoß gegen die in § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG
normierte Rechtmäßigkeitsanforderung der „Erforderlichkeit“ der Untersagungsverfügung
vor.
54 a) Der Antragsgegner hat, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, die
gesetzlich vorgeschriebene zweistufige Prüfung im Rahmen des § 18 Abs. 5 KrWG nicht
durchgeführt. Darin liegt zugleich ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche
Übermaßverbot, weil dem Gebot der „Erforderlichkeit“ einer behördlichen Maßnahme beim
Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG nicht Rechnung getragen worden ist.
55 aa) Eine Untersagungsverfügung darf nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG nur erlassen werden,
wenn die Einhaltung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG „anders
nicht zu gewährleisten ist“. Diese gesetzliche Vorgabe stellt eine Konkretisierung des
Übermaßverbots (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i. w. S.) dar (NdsOVG, a. a. O., S.
221). Die Untersagung, d.h. ein vollständiges Verbot einer gewerblichen Sammlung stellt
im Vergleich mit anderen Reglementierungen (dazu unten B. III. 2. b) den intensivsten
Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eines gewerblichen Sammlers dar und
kommt daher bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen nur als ultima ratio in Betracht
(NdsOVG, a.a.O., S. 221; OVG NRW, Beschl. v. 19.07.2013 - 20 B 122/13 - juris RdNr. 18;
VG Würzburg, a. a. O., RdNr. 47; Dippel, in: Schink/Versteyl, a. a. O., § 18 RdNr. 24). Dies
setzt voraus, dass die Untersagungsverfügung im konkreten Fall die einzige geeignete
Maßnahme zur Einhaltung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG ist
(OVG Hamburg, a. a. O., RdNr. 12). Die Beachtung dieser Anforderungen stellt § 18 Abs. 5
Satz 2 KrWG dadurch sicher, dass die zuständige Behörde zu einer entsprechenden
Prüfung verpflichtet ist (Schomerus, in: Ver-steyl/Mann/Schomerus, a. a. O., § 18 RdNr.
16).
56 In der Sache nimmt die Formulierung „anders nicht zu gewährleisten“ – wie schon die
Gesetzessystematik nahelegt – die in § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG genannten behördlichen
Befugnisse in Bezug, weil deren Ausübung die Berufsfreiheit des gewerblichen Sammlers
weniger belasten würde als ein vollständiges Verbot (OVG Hamburg, a. a. O., RdNr. 12;
Dippel, in: Schink/Versteyl, a. a. O., § 18 RdNr. 24). Trifft das im konkreten Fall zu, steht
ein milderes Mittel zur Sicherung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG
zur Verfügung, so dass durch ein behördliches Vorgehen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG
dem durch § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG angeordneten „Interventionsminimum“ (Gebot des
schonendsten Eingriffs) Rechnung zu tragen ist (NdsOVG, a. a. O., S. 221; VG Würzburg,
a. a. O., RdNr. 48). Dabei sind „Bedingung“, „Befristung“ und „Auflage“ nicht im Sinne des
§ 36 VwVfG als Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts zu verstehen, sondern es
handelt sich um behördliche Eingriffsmaßnahmen durch eigenständigen Verwaltungsakt
(so ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/6052, S. 89; ferner z. B.
Schwind, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl, a. a. O., § 18 KrWG RdNr. 52). Die
Qualifizierung als „Nebenbestimmung“ scheidet schon deshalb aus, weil es an einem die
gewerbliche Sammlung zulassenden Verwaltungsakt (Genehmigung, Erlaubnis etc.) fehlt;
denn eine gewerbliche Sammlung muss nicht behördlich zugelassen werden, sie ist
lediglich anzuzeigen (§ 18 Abs. 1 KrWG). Insoweit verhält es sich hier rechtsdogmatisch
nicht anders als im Versammlungsrecht; da eine Versammlung nicht
genehmigungsbedürftig ist, sondern nur anmeldepflichtig (§ 14 VersG), meint „Auflage“ im
Sinne des § 15 Abs. 1 VersG nicht eine Nebenbestimmung zu einem begünstigenden
Verwaltungsakt, sondern bezeichnet eine eigenständige Verfügung, also einen
Verwaltungsakt (BVerfG, Beschl. v. 21.3.2007 - 1 BvR 232/04 - NVwZ 2007, 1183, 1184).
57 bb) Nach diesem System abgestufter Eingriffsbefugnisse muss die zuständige Behörde im
konkreten Fall darlegen, warum an Stelle des Verbots nicht eine mildere Maßnahme zur
Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (bzw. des
von diesem beauftragten Dritten) in Betracht kommt (NdsOVG, a. a. O., S. 221; VG
Würzburg, a. a. O., RdNr. 49). Durchzuführen ist stets eine zweistufige Prüfung: Zunächst
ist der Erlass von Maßnahmen nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG zwecks Sicherstellung der
Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG zu prüfen; kommt ein milderes Mittel
im konkreten Fall nicht in Betracht, ist eine Untersagung der gewerblichen Sammlung zu
prüfen (Schwind, in: v. Lersner/Wenden-burg/Versteyl, a. a. O., § 18 KrWG RdNr. 64;
Schomerus, in: Ver-steyl/Mann/Schomerus, a. a. O., § 18 RdNr. 16; eingeräumt auch von
Dageförde/Thärichen, AbfallR 2013, 125, 136, mit der – hier nicht gegebenen –
Einschränkung des absoluten Schutzes des Ausschreibungswettbewerbs nach § 17 Abs.
3 Satz 3 Nr. 3 KrWG). Der zuständigen Behörde ist es folglich versagt, sogleich zur
Untersagungsverfügung zu greifen, ohne zuvor den Erlass milderer Maßnahmen nach §
18 Abs. 5 Satz 1 KrWG ausgelotet zu haben.
58 b) Im vorliegenden Fall ist der Antragsgegner seiner gesetzlichen Prüfungspflicht nicht
nachgekommen; mehr noch, er hat sich - trotz Anerkennung der gesetzlich
vorgeschriebenen zweistufigen Prüfung - ausdrücklich geweigert, in eine Prüfung nach §
18 Abs. 5 Satz 1 KrWG überhaupt einzutreten, weil eine Überwachung entsprechender
Maßnahmen „von vornherein ausgeschlossen“ sei (Bl. 81 d. A.). Mit diesem Hinweis auf -
tatsächliche oder vermeintliche - Vollzugsprobleme verweigert der Antragsgegner dem
Gesetz den Gehorsam; eine solche Haltung ist mit der verfassungsrechtlich angeordneten
Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 25 Abs. 2 LV) nicht vereinbar.
Die Geltendmachung von - ohne konkrete Anhaltspunkte - erwarteten Schwierigkeiten
beim Gesetzesvollzug rechtfertigt in keiner Weise, § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG insoweit zu
ignorieren und dadurch ohne Rücksicht auf Art. 12 Abs. 1 GG eine Verletzung des
Übermaßverbots in Kauf zu nehmen.
59 § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG sieht unter anderem das Instrument der Befristung vor. Im
Schrifttum wird unter anderem vorgeschlagen, eine angemessene Befristung der
(gewerblichen) Sammlung in Betracht zu ziehen, um erneut die Voraussetzungen der
Sammlung prüfen zu können (Schwind, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl, a. a. O., § 18
KrWG RdNr. 57). Die Prüfung einer solchen Möglichkeit liegt hier schon deshalb nahe,
weil eine Auftragsvergabe seitens des Beigeladenen erst unlängst erfolgt ist und es
deshalb angezeigt sein könnte, zunächst einmal Erfahrungswissen zu dem im
vorliegenden Fall umstrittenen Teil der Abfallentsorgung zu sammeln. Mit dem Instrument
der Auflage nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG können dem gewerblichen Sammler
selbstständige Handlungsgebote und Handlungsverbote aufgegeben werden (Schwind, a.
a. O., § 18 KrWG RdNr. 59), wie etwa die zahlenmäßige Begrenzung der Container für
Alttextilien oder die mengenmäßige Begrenzung der gewerblichen Sammlung;
insbesondere letztgenannte Maßnahme kann ein taugliches Mittel zur Sicherstellung der
Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG sein (Dageförde/Thärichen, AbfallR
2013, 125, 136). Auch eine derartige Maßnahme hat der Antragsgegner auf Grund seiner
gesetzeswidrigen Haltung von vornherein nicht in Betracht gezogen und insoweit
ebenfalls den Prüfungsauftrag des § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG verfehlt.
60 Die - angeblichen - Überwachungsprobleme bei Maßnahmen nach § 18 Abs. 5 Satz 1
KrWG, die der Antragsgegner nur pauschal andeutet und nicht mit konkreten Fakten stützt,
sollen offenbar vor allem darin ihren Grund finden, dass die personelle Ausstattung der
unteren Abfallrechtsbehörde angesichts der Vielzahl der im Entsorgungsgebiet des
Beigeladenen aufgestellten Sammelcontainer für Alttextilien eine wirksame Kontrolle nicht
erlaubt. Ob dies zutrifft, mag dahinstehen. Der Antragsgegner hat nicht in Betracht
gezogen, dass die behördliche Informationsgewinnung auch mit dem Instrument der
Auskunft nach § 47 Abs. 3 Satz 1 KrWG erfolgen kann. Dazu gilt es zu beachten, dass die
Missachtung einer Auskunftspflicht bußgeldbewehrt ist (§ 69 Abs. 2 Nr. 4 KrWG) und mit
einer Geldbuße bis zu 10.000,-- Euro geahndet werden kann (§ 69 Abs. 3 KrWG). § 47
Abs. 3 KrWG entspricht weitgehend § 40 Abs. 2 KrW-/AbfG, so dass die dazu von der
Rechtsprechung festgestellten behördlichen Befugnisse (vgl. Senat, Beschl. v. 30.3.2001 -
10 S 1184/00 - VBlBW 2002, 26) auch nach geltendem Recht beachtenswert sind. Die
Auskunftspflicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 KrWG erstreckt sich auf alle Phasen des
Umgangs mit Abfall, insbesondere auch auf Fragen zu § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG
(Rüdiger, in: v. Lersner/Wendenburg/Versteyl, a. a. O., § 47 KrWG RdNr. 83). Bevor die
danach bestehenden behördlichen Möglichkeiten nicht geprüft und ggf. ausgeschöpft sind,
ist die These, eine behördliche Überwachung sei beim Erlass von Maßnahmen nach § 18
Abs. 5 Satz 1 KrWG „von vornherein ausgeschlossen“, als nicht belegte bloße
Behauptung unbehelflich.
61 3. Angesichts der Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung aus Gründen des § 17
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 KrWG und des § 18 Abs. 5 KrWG kann der Senat in diesem
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unentschieden lassen, ob der Antragsteller
nach § 18 Abs. 7 KrWG Vertrauensschutz genießt.
62 4. Die Rechtswidrigkeit der Verfügung indiziert das Fehlen eines öffentlichen Interesses
an ihrer sofortigen Vollziehung, und es sind auch mit Blick auf eine Folgenabwägung vom
Antragsgegner keine Gesichtspunkte substantiiert worden oder sonst erkennbar, die
gleichwohl für ein anzuerkennendes überwiegendes Interesse am Sofortvollzug und
gegen das nach allem berechtigte Suspensivinteresse des Antragstellers streiten würden.
63 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
64 Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 und
52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nrn. 1.5 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (VBlBW 2004, 467).
65 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).