Urteil des VG Stuttgart vom 09.02.2011

VG Stuttgart: widerspruchsverfahren, hauptsache, unterlassen, leistungsklage, materialien, auszahlung, vertreter, behörde, vertretung, gefahr

VG Stuttgart Beschluß vom 9.2.2011, 12 K 52/11
Bezug eines Schadensersatzanspruchs zum Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes
Leitsätze
Auch wenn sich ein Berufssoldat gegen seine Bezügestelle mit dem Ziel wendet, Einbehalte wegen eines Schadenersatzanspruchs zu unterlassen,
liegt eine Streitigkeit nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO vor, wenn dem Schadenersatzanspruch Vorgänge im Geschäftsbereich des BND zugrunde
liegen.
Tenor
Das Verwaltungsgericht Stuttgart ist unzuständig.
Der Rechtsstreit wird an das sachlich zuständige Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Gründe
1 Der Rechtsstreit ist nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG entspr. nach Anhörung der Beteiligten an das
Bundesverwaltungsgericht zu verweisen. Denn die Bestimmung des § 83 VwGO ist auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu
beachten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.1.2001, NVwZ 2001, 566; Bamberger in: Wysk, VwGO, § 83 Rn. 2). Und nur das Bundesverwaltungsgericht
ist für den Erlass der begehrten einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO) gegen die Antragsgegnerin, monatlich einbehaltene Anteile der Bezüge
des Antragstellers auszubezahlen und diese Einbehaltungen künftig zu unterlassen, nach §§ 123 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO
sachlich zuständig.
2 Der Antragsteller, Oberstleutnant der Bundeswehr, war in den Jahren 2005 bis 2008 im Ausland für den Bundesnachrichtendienst (BND) im
Einsatz. Wegen Vorfällen bei diesem Einsatz kam es zu einem Strafverfahren gegen ihn, das zu einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung
durch das Oberlandesgericht München zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und drei Monaten führte. Zudem erfolgte seine Versetzung zum ...
unter Verbot der Ausübung seines Dienstes. Auf Grund der Vorfälle im Einsatzgebiet, die auch Gegenstand der Verurteilung sind, erließ der BND
am 29.9.2010 einen Leistungsbescheid gegen den Antragsteller über eine Schadenersatzforderung nach § 24 Abs. 1 Soldatengesetz in Höhe von
14.700 EUR. Gegen diesen Leistungsbescheid ist derzeit ein Widerspruchsverfahren beim BND anhängig; der Sofortvollzug ist nicht angeordnet
worden.
3 Mit Schreiben vom 20.10.2010 erklärte der BND die Aufrechnung mit diesem Schadenersatzanspruch gegenüber dem Besoldungsanspruch des
Antragstellers. Schon zuvor, mit Schreiben vom 4. und vom 18.10.2010, hatte der BND bei der Bezügestelle des Antragstellers, der
Wehrbereichsverwaltung (WBV) Süd, im Wege der Amtshilfe um Kürzung der monatlichen Bezüge des Klägers um 1.500 EUR und deren
Einbehaltung gebeten. Dem kam die WBV Süd ab dem Kalendermonat November 2010 nach.
4 Zwar wendet sich der Antragsteller ausdrücklich gegen seine Bezügestelle und könnte in der Hauptsache eine Leistungsklage auf Auszahlung
ungekürzter Bezüge auch gegen jene richten. Inhaltlich macht er jedoch nicht nur formelle Fehler geltend, sondern bestreitet das Bestehen der
aufgerechneten Schadenersatzforderung und legt dazu umfangreiche Materialien auch zu den Vorgängen während seines Einsatzes vor. Damit
liegen der Hauptsache zu diesem Eilverfahren (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO) im Schwerpunkt „Vorgänge im Geschäftsbereich des
Bundesnachrichtendienstes“ zugrunde (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO). Denn bei der Auslegung dieser Bestimmung ist auch ihr Zweck zu
berücksichtigen, die Gefahr des Bekanntwerdens sensibler Informationen zu vermindern (so BTDrucks 14/4659, S. 55; BVerwG, Urt. v. 23.1.2008,
NJW 2008, 2135; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 50 Rn. 8).
5 Aus diesem Grund hat die Kammer auch das Passivrubrum berichtigt und als Vertreter der Antragsgegnerin den BND anstelle der WBV Süd
eingesetzt. Das gilt auch in Ansehung von Ziffer III. der „Allgemeine Anordnung über die Übertragung von Zuständigkeiten im
Widerspruchsverfahren und über die Vertretung bei Klagen aus dem Beamten- oder Wehrdienstverhältnis im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung“ (vgl. BGBl. I 2006, 273), da diese Anordnung eine Behörde, die wie der BND nicht beim Bundesministerium
der Verteidigung ressortiert, nicht enthalten kann.
6 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG entspr.).