Urteil des VG Stuttgart vom 24.01.2013

VG Stuttgart: bebauungsplan, bad, anzeiger, gemeinderat, grundstück, juristische person, schiedsgutachten, bekanntmachung, neubau, markt

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 24.1.2013, 5 S 913/11
Leitsätze
1. Zum Trennungsgebot bei Festsetzung eines Sondergebiets für einen "Einkaufsmarkt für
Nahversorgung" neben einem reinen Wohngebiet.
2. Festsetzungen in einem Bebauungsplan, mit denen die mit einer festgesetzten baulichen
Nutzung (typischerweise) verbundenen Lärmwirkungen so weit vermieden werden sollen, dass
sie nicht zu einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm führen, können nicht im
Wege einer "Nachsteuerung" im Baugenehmigungsverfahren nachgebessert oder korrigiert
werden, wenn sich herausstellt, dass sie - aufgrund unrealistischer Prämissen - hierzu nicht
ausreichend waren. Ein sich daraus ergebender (nicht unbeachtlicher) Abwägungsmangel führt
vielmehr zur Unwirksamkeit der entsprechenden Festsetzungen bzw. des gesamten
Bebauungsplans (im Anschluss an BVerwG, Beschl. v. 06.03.1989 - 4 NB 8.89 -, Buchholz
406.11 § 30 BBauG/BauGB Nr. 27).
Tenor
Der Bebauungsplan „Am Rußheimer Weg“ der Gemeinde Dettenheim vom 21. Juli 2009 wird für
unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit des Bebauungsplans „Am Rußheimer Weg“ der
Antragsgegnerin vom 21.07.2009.
2 Die Antragsteller zu 1 und 2 sind Miteigentümer des am nördlichen Ortsrand des Ortsteils
... der Antragsgegnerin gelegenen, mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebauten
Grundstücks Flst. Nr. ... („...-straße ...“). Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans
„Strohmorgen-Mühlpfad“ vom 11.04.1972 i.d.F. vom 12.07.1988, der für seinen
südwestlichen Bereich - u. a. auch für das Grundstück der Antragsteller - ein reines
Wohngebiet festsetzt. Das Grundstück grenzt mit seiner nordwestlichen und nordöstlichen
Seite an das insgesamt 3,4 ha große Plangebiet des angegriffenen Bebauungsplans, der
für das nordöstlich des Grundstücks gelegene südöstliche „Teilgebiet I“ ein Sondergebiet
„Einkaufsmarkt für Nahversorgung“ festsetzt (2.1.1 Abs. 1). Zulässig ist ein
Einzelhandelsgeschäft zur Nahversorgung mit Gütern aller Art mit Lebensmitteln im
Hauptsortiment (2.1.1 Abs. 2). Maximal zulässig sind eine Geschossfläche von 1.180 m
2
und eine Verkaufsfläche von 799 m
2
(2.2 Abs. 2). Stellplätze und Parkierungsflächen sind
nur auf den dafür vorgesehenen - unmittelbar gegenüber dem Grundstück der Antragsteller
liegenden - Flächen zulässig (2.4 Abs. 1). Zur Vermeidung von Lärmbeeinträchtigungen ist
entlang der diesem Grundstück zugewandten Stellplatzflächen eine (ca. 50 m lange)
Lärmschutzwand mit einer Höhe von 3 m zu errichten (2.5 Abs. 3). Ferner ist die
Anlieferzone nach Nordosten, der bestehenden Bebauung abgewandten Seite
anzuordnen (2.5 Abs. 4), wobei der gesamte Rampenbereich komplett einzuhausen ist
und nur zur Laderampe hin offen sein darf (2.5 Abs. 5). Außerdem müssen einzelne
Außenbauteile näher bestimmte Mindestschalldämmmaße aufweisen (2.5 Abs. 5 - 7) und
technische Anlagen bestimmte Kennwerte einhalten (2.5 Abs. 8).
3 Mit dem Erwerb des Geländes der „ehemaligen Konservenfabrik“, das bislang - im
Wesentlichen bis 1987 - gewerblich genutzt worden war, bot sich für die Antragsgegnerin
die Möglichkeit, die Voraussetzungen für die Ansiedlung eines Einzelhandelsbetriebs zu
schaffen, um die Versorgung der Bevölkerung im Ortsteil ... mit nahversorgungsrelevanten
Sortimenten sicherzustellen. Mit der verkehrlichen Anbindung des hierzu vorgesehenen
Sondergebiets an die L 602 sollten gleichzeitig - zur Entlastung der benachbarten
Wohngebiete - die planungsrechtlichen Grundlagen für eine direkte Anbindung der H...-
und B...straße an die L 602 sowie für eine Verlegung der verkehrlichen Anbindung eines
Aussiedlerhofs geschaffen werden (vgl. Begründung zum Bebauungsplan, S. 1).
4 Der maßgebliche Flächennutzungsplan 2015 der Verwaltungsgemeinschaft Graben-
Neudorf/Dettenheim von 2003 sah seinerzeit für das „Teilgebiet I“ und für die zur
Anbindung des Aussiedlerhofs vorgesehenen Verkehrsflächen noch Wohnbauflächen vor.
5 Dem Bebauungsplan liegt im Wesentlichen das folgende Verfahren zugrunde: Um die
planungsrechtlichen Grundlagen für eine zukunftsweisende städtebauliche Entwicklung
des nordöstlichen Ortseingangs von ... zu schaffen, beschloss der Gemeinderat der
Antragsgegnerin am 14.10.2008 die Aufstellung eines Bebauungsplans. Mit diesem
sollten die verkehrliche Infrastruktur nach heutigen Erkenntnissen positiv verändert, die
Voraussetzungen für die Ansiedlung eines Einkaufsmarkts zur Verbesserung der
Nahversorgung geschaffen und das Erscheinungsbild des Ortseingangs deutlich
aufgewertet werden. Dazu wurden der Bau eines Verkehrskreisels am Ortseingang, die
Umfahrung des E... Wegs mit einer neuen Straße, die Anbindung der H...-straße an den
Kreisel und die Öffnung der B...straße zur Ortsdurchfahrt vorgesehen. Die nach Abbruch
der ehemaligen Konservenfabrik freie Fläche sollte aufgrund der Ausweisung eines
entsprechenden Sondergebiets durch einen Lebensmittelmarkt zur Nahversorgung neu
bebaut werden; für die verbleibende Fläche wurde zunächst Wohnbebauung vorgesehen.
Der Aufstellungsbeschluss wurde am 24.10.2008 im „Dettenheimer Anzeiger“ öffentlich
bekannt gemacht.
6 Vom 29.12.2008 bis 29.01.2009 führte die Antragsgegnerin in Form einer Planauflage
eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung durch. Auf diese wurde am 19.12.2008 im
„Dettenheimer Anzeiger“ hingewiesen. Dabei wurde die Öffentlichkeit auch über die
allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung unterrichtet.
7 Mit Schreiben vom 16.12.2008 gab die ... Planungsgesellschaft mbH im Namen und
Auftrag der Antragsgegnerin (vgl. § 4b BauGB) den von der Planung etwa berührten
Behörden oder sonstigen Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme bis
zum 29.01.2009.
8 Unter dem 27.01.2009 nahm das Landratsamt Karlsruhe u. a. dahin Stellung, dass aus
den vorgelegten Unterlagen nicht hervorgehe, in welchem Ausmaß Lärmemissionen durch
den Betrieb des Lebensmittelmarkts entstünden. Auch sei nicht ausreichend belegt, dass
die geplante Verkehrsführung ausschließlich zu Verbesserungen der Immissionssituation
führe. Gegen die Planung bestünden nur dann keine Bedenken, wenn sichergestellt sei,
dass die vom Betrieb des Supermarkts ausgehenden Lärmimmissionen die nach der TA
Lärm maßgeblichen Richtwerte in den angrenzenden Wohngebieten nicht überschritten
und die Vorgaben der 16. und 24. BImSchV eingehalten würden.
9 Mit gleichlautenden Schreiben vom 28.01.2009 nahmen die Antragsteller zu 1 und 2 zu
dem Bebauungsplanentwurf im Wesentlichen wie folgt Stellung: In der Hauptsache
wendeten sie sich gegen die geplante Einzelhandelsnutzung. Demgegenüber bestünden
gegen die neue Verkehrsführung und den geplanten Kreisverkehrsplatz ungeachtet
dessen, dass durch diesen der Verkehrslärm deutlich erhöht werde, grundsätzlich keine
Bedenken. Durch den bereits großflächigen Einzelhandelsbetrieb würden die unmittelbar
umliegenden schützenswerten Wohnanwesen, wozu auch das ihre gehöre, erheblich
beeinträchtigt. Eine Einzelhandelsnutzung sei jedoch nur zulässig, soweit sie mit einem
gewachsenen allgemeinen Wohngebiet verträglich sei. Eine allgemeine Wohnnutzung sei
in unmittelbarer Nähe eines Sondergebiets für Einzelhandel grundsätzlich
ausgeschlossen, da den Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse nicht genügt
werde. Offenbar sei von der üblichen Umweltverträglichkeitsprüfung abgesehen worden.
Die durch die Planung ausgelösten Immissionskonflikte seien bereits im Rahmen des
Bebauungsplanverfahrens zu bewältigen. Durch die verschiedenen Umwelteinflüsse bzw.
Emissionen werde aller Voraussicht nach der Wohnfriede gestört. Jedenfalls müsse ein
qualifiziertes Schallschutzgutachten eingeholt werden. Hierbei sei vor allem der tägliche
lärmintensive Anlieferverkehr zu berücksichtigen, der oft schon in den frühen
Morgenstunden stattfinde. Zeitliche Anlieferbeschränkungen in der Baugenehmigung
seien demgegenüber nicht akzeptabel, da sie in der Praxis ignoriert würden. Der
Lärmkonflikt müsse vielmehr mittels „fester baulicher Anlagen“ gelöst werden. Die
einzelnen Funktionsbereiche des geplanten Betriebs sowie die baulichen
Lärmschutzmaßnahmen müssten im Plan festgesetzt werden.
10 Der Bebauungsplanentwurf wurde daraufhin überarbeitet. Inzwischen war bei der W&W
Bauphysik GbR eine vom 07.04.2009 datierende „Untersuchung der (vom Neubau eines
Netto-Einkaufsmarkts ausgehenden) Schallimmissionen“ eingeholt worden. Entsprechend
dieser Untersuchung wurde nunmehr im Bereich des Parkplatzes eine 3 m hohe
Lärmschutzwand vorgesehen. Die Anlieferzone wurde im Nordosten - auf der von der
vorhandenen Bebauung abgewandten Seite - vorgesehen, wobei der gesamte
Rampenbereich eingehaust werden soll. Für die massiven Außenbauteile und die
Öffnungen des Verbundraumes wurden bestimmte Mindestschalldämmmaße vorgesehen.
Für die technischen Anlagen außerhalb der Gebäude wurden bestimmte Kennwerte als
Obergrenze vorgegeben. Das Teilgebiet „Anschluss B...straße“ wurde aus dem
Geltungsbereich des Bebauungsplans herausgenommen. Als Übergangszone/Abstufung
zwischen dem Sondergebiet und dem südöstlich angrenzenden allgemeinen Wohngebiet
wurde als „Teilgebiet II“ ein Mischgebiet vorgesehen. Schließlich wurde ein Umweltbericht
erstellt, demzufolge aufgrund der geringen Wirkungsintensität des Vorhabens, seiner Lage
und Entfernung keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf das Wohn- und
Arbeitsumfeld von ..., insbesondere auch keine Grenzwertüberschreitungen durch
betriebsbedingte Lärm- und Schadstoffemissionen zu erwarten seien.
11 Am 21.04.2009 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin, den überarbeiteten und
von ihm gebilligten Bebauungsplanentwurf nunmehr öffentlich auszulegen.
12 Der Bebauungsplanentwurf wurde vom 04.05.2009 bis 05.06.2009 öffentlich ausgelegt.
Darauf wurde am 24.04.2009 im „Dettenheimer Anzeiger“ hingewiesen. Gleichzeitig wurde
darauf hingewiesen, dass innerhalb dieser Frist Gelegenheit bestehe, zu dem Entwurf
schriftlich oder zur Niederschrift Anregungen vorzutragen, und nicht während der
Auslegungsfrist abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den
Bebauungsplan unberücksichtigt bleiben könnten. Ein Antrag nach § 47 VwGO sei
unzulässig, soweit mit ihm Einwendungen geltend gemacht würden, die im Rahmen der
Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht worden seien, aber hätten geltend
gemacht werden können.
13 Gleichzeitig wurde den Behörden oder sonstigen Trägern öffentlicher Belange, deren
Aufgabenbereich durch die Planung berührt werden könnten, Gelegenheit zur
Stellungnahme bis zum 29.05.2009 gegeben.
14 Mit am 03.06.2009 bei der Antragsgegnerin eingegangenen gleichlautenden Schreiben
vom 02.06.2009 erhoben die Antragsteller die nachstehenden Einwendungen:
15 Der im „Teilgebiet I“ geplante Einkaufsmarkt verursache aufgrund des Anliefer- und
Kundenverkehrs, der Einkaufswagenbewegungen und der technischen Anlagen
erhebliche Lärmemissionen. Deren Maß werde nicht zuletzt durch die enorme Dimension
der Lärmschutzwand verdeutlicht. Regelkonform und „nachbarverträglich" seien jene
gleichwohl nicht. Eine noch höhere Lärmschutzwand komme in einem reinen Wohngebiet
jedoch nicht in Betracht, weil dann die Wohnqualität - etwa durch Schattenwurf -
unzulässig beeinträchtigt würde. Dem Schallschutzgutachten seien die mehr als
fragwürdigen Angaben des Architekten der Bauherrin zugrundegelegt worden. So sei
lediglich von 295 Pkw-Kunden am Tag ausgegangen worden, obschon nach der
Einzelhandelsanalyse der GMA vom April 2006 mit 800 Einkäufen am Tag zu rechnen sei.
Der Pkw-Anteil sei schließlich bei einem Einkaufsmarkt mit ca. 4.000 Artikeln und
separater Bäckerei mit mehr als 80 % anzusetzen. Auch handle es sich um eine
überwiegend autokundenorientierte Ortsrandlage. Insofern müsse realistischerweise von
Montag bis Donnerstag von mindestens 700 Pkw-Kunden am Tag und am Freitag und
Samstag, insbesondere vor Feiertagen, von mindestens 900 Pkw-Kunden am Tag
ausgegangen werden. Dies bestätigten statistische Erhebungen und das den E-Aktiv- und
Penny-Markt betreffende Zahlenmaterial. Eine höhere Kundenzahl führe aber auch zu
einer intensiveren Nutzung der Einkaufswagen. Da die Immissionsrichtwerte offenbar
bereits bei 295 Kunden am Tag erreicht würden, könne bei Zugrundelegung realistischer
Werte nicht mehr von deren Einhaltung ausgegangen werden. Von einer
Wohnverträglichkeit könne insofern nicht die Rede sein. Hinzu komme, dass auch keine
Ladenöffnungszeiten oder Lkw-Anlieferzeiten vorgegeben seien. Nachbarschaftskonflikte
seien vor diesem Hintergrund unausweichlich. Auch sei bei den Fahrwegen ein „glatter“
Belag unterstellt worden. Die Lkw-Standfläche werde während des Auf- bzw. Abladens
nicht einge-haust. Die von dort ausgehenden Lärmwirkungen seien den Bewohnern des
benachbarten reinen Wohngebiets nicht zuzumuten. Auch müsse der derzeit geltende
Flächennutzungsplan berücksichtigt werden, da der Bebauungsplan aus diesem zu
entwickeln sei. In einem reinen Wohngebiet seien noch deutlich niedrigere Richtwerte
einzuhalten. Für die Anlieferung des Markts wie auch der Bäckerei sei lediglich im
Zeitraum von 6 - 7 Uhr jeweils ein Lkw angesetzt worden. Eine Anlieferung nur am Tage
entspreche jedoch nicht der Realität, zumal eine Bäckerei mit Stehcafé in der Regel
bereits um 6 Uhr geöffnet habe. Damit sei aber von einer Anlieferung deutlich vor 6 Uhr
auszugehen. Auch bei der Belieferung des Markts sei mit nächtlichem Anlieferverkehr
durch Lkw zu rechnen, welche erheblichen Verkehrslärm verursachten. Zeitliche
Anlieferungsbeschränkungen oder Auflagen in der Baugenehmigung genügten nicht.
Auch die Lärmschutzwand am Rande des Kundenparkplatzes sei bei weitem nicht
ausreichend, um die tatsächlich zu erwartenden schädlichen Lärmimmissionen auf ein
wohnverträgliches Maß zu reduzieren. Die absehbaren schädlichen Umwelteinwirkungen
müssten nach § 11 Abs. 3 Satz 1 u. 2 BauNVO ordnungsgemäß ermittelt werden. Dabei
könne nicht entscheidend sein, ob die Verkaufsfläche gerade noch 800 m
2
bzw. die
Geschoßfläche gerade noch 1200 m
2
unterschreite. Schädliche Umwelteinwirkungen
gingen auch von der Lagerung geruchsintensiven Mülls bzw. von Lebensmittelabfällen
aus, mit der regelmäßig ein Rattenproblem verbunden sei. Auch würden große
Parkplatzanlagen häufig von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt. Schädliche
Lärmwirkungen gingen auch von dem geplanten Kreisverkehr aus. Insofern seien im
Einwirkungsbereich des Markts - anders als im Gutachten dargestellt - durchaus noch
weitere Lärmquellen vorhanden. Es müsse daher eine Kontingentierung der jeweiligen
flächenbezogenen Schallleistungspegel vorgenommen werden. Der Trennungsgrundsatz
des § 50 BImSchG habe schließlich aufgrund der beengten Grundstücksverhältnisse nicht
berücksichtigt werden können. Als Nachbarn würden sie - zumal bei Überlagerung der von
dem geplanten Kreisverkehr und dem geplanten Neubau der Straße ausgehenden
Wirkungen - auch noch durch einen permanenten Schadstoffnebel durch Feinstaub und
verschlechterte Atemluft belastet, obwohl nach § 1 Abs. 6 Nr. 7h BauGB die bestmögliche
Luftqualität erhalten werden solle. In einem reinen Wohngebiet müsse die Einhaltung noch
deutlich niedrigerer Richtwerte gewährleistet sein. Da der Kundenparkplatz aus
Sicherheitsgründen vorschriftsmäßig ausgeleuchtet werden müsse, würden sie auch im
Schlaf gestört.
16 Der Bebauungsplanentwurf wurde aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen nur noch
geringfügig geändert. Im Umweltbericht wurde die Verpflichtung zu einem Monitoring
dahin ergänzt, dass die Einhaltung der Lärmimmissionswerte durch den
Einzelhandelsmarkt auf die angrenzenden schutzwürdigen Nutzungen regelmäßig zu
überprüfen und im Falle von Überschreitungen geeignete Maßnahmen zu ergreifen seien,
die die Lärmbelastung für die benachbarten Bewohner auf das zulässige Maß
beschränkten (S. 75 oben).
17 Nach Abwägung der öffentlichen und privaten Belange beschloss der Gemeinderat am
21.07.2009 die eingegangenen Stellungnahmen nach den Vorschlägen in der „Synopse“
(Zusammenstellung des Abwägungsmaterials/Abwägungsvorschlag) zu behandeln.
Sodann wurde der Bebauungsplan in der Fassung vom 21.07.2009 beschlossen.
18 Am 22.09.2009 beschloss der gemeinsame Ausschuss der vereinbarten
Verwaltungsgemeinschaft Graben-Neudorf/Dettenheim die 2. Änderung des
Flächennutzungsplans 2015, mit der das Bebauungsplangebiet nunmehr als
Sondergebiet „Einkaufsmarkt Nahversorgung“ bzw. als gemischte Baufläche dargestellt
wurde.
19 Nachdem die am 18.02.2010 vom Landratsamt Karlsruhe erteilte Genehmigung dieser
Flächennutzungsplanänderung am 19.03.2010 im „Dettenheimer Anzeiger“ öffentlich
bekannt gemacht worden war, wurde am 01.04.2010 auch der Beschluss des
Bebauungsplans im „Dettenheimer Anzeiger“ öffentlich bekannt gemacht. Dabei wurde
darauf hingewiesen, dass eine Verletzung der in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 3 u. Abs. 2
BauGB bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften sowie Mängel „in der Abwägung“
nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB gemäß § 215 Abs. 1 Nr. 1 - 3 BauGB unbeachtlich „sind“,
wenn sie nicht innerhalb von einem Jahr seit dieser Bekanntmachung schriftlich
gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind.
20 Bereits am 05.01.2010 hatte das Landratsamt Karlsruhe der ... GmbH aufgrund § 33
BauGB die Baugenehmigung für den Neubau eines Lebensmittelmarkts („Netto-Marken-
Discount“) nebst 77 Pkw-Stellplätzen und verschiedener Werbeanlagen erteilt. Nach der
Nebenbestimmung Nr. 29 muss bezüglich des Immissions- bzw. Nachbarschutzes
sichergestellt sein, dass beim Betrieb des Netto-Marken-Discount-Markts und der
Bäckerei-Filiale in der Umgebungsbebauung die für ein reines Wohngebiet geltenden
Geräuschrichtwerte von tagsüber 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) sicher eingehalten
werden. Diese Werte seien auch von den Zuliefer- und Entsorgungsfahrzeugen
einzuhalten.
21 Nachdem im von den Antragstellern betriebenen Widerspruchsverfahren im Hinblick auf
ein von ihnen vorgelegtes Überprüfungsgutachten des Ingenieurbüros „f...“ vom
25.01.2010 ein „Schiedsgutachten“ der rw bauphysik Ingenieurgesellschaft mbH & Co.KG
(v. 27.12.2010) eingeholt worden war, verzichtete die Bauherrin auf die ihr aus der
Baugenehmigung vom 05.01.2010 zustehenden Rechte.
22 Unter dem 07.06.2011 wurde der ... GmbH - nunmehr aufgrund § 30 Abs. 1, § 31 BauGB -
eine im Wesentlichen inhaltsgleiche neue Baugenehmigung für den Neubau eines
Lebensmittelmarkts („Netto-Marken-Discount“) nebst 68 Pkw-Stellplätzen erteilt. Dieser
wurden allerdings noch weitere Nebenbestimmungen beigefügt: Die Öffnungszeiten
wurden auf den Zeitraum 06.00 Uhr - 21.45 Uhr beschränkt (Nr. 7.) Die (um 0,5 m nach
Osten versetzte) Lärmschutzwand sollte nunmehr mit einer Höhe von 3,75 m errichtet
werden, wobei die Oberflächen beidseitig hoch schallabsorbierend auszubilden seien (Nr.
8). Zur Nachtzeit dürfe - mit Ausnahme des Lieferverkehrs der Bäckerei - kein
Anlieferverkehr erfolgen (Nr. 10). Bei den technischen Anlagen dürften keine
einzeltonhaltigen Geräusche auftreten (Nr. 11). Die Verkehrswege des Parkplatzes seien
zu asphaltieren (Nr. 12).
23 Ein von den Antragstellern betriebenes vorläufiges Rechtsschutzverfahren blieb ebenso
ohne Erfolg (vgl. den Senatsbeschl v. 26.12.2012 - 5 S 1314/12 -) wie das von ihnen
durchgeführte Widerspruchsverfahren (vgl. Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums Karlsruhe v. 05.01.2012).
24 Sowohl der „Netto-Marken-Discount“ als auch der Verkehrskreisel sind inzwischen
errichtet und werden als solche betrieben.
25 Bereits am 23.03.2011 hatten die Antragsteller beim erkennenden Gerichtshof ein
Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan „Am Rußheimer Weg“ eingeleitet.
Der entsprechende Antragsschriftsatz ist der Antragsgegnerin am 31.03.2011 zugestellt
worden. Als Plannachbarn würden sie durch die von dem geplanten Einzelhandelsbetrieb
ausgehenden Verkehrsimmissionen unzumutbar beeinträchtigt. Obwohl sie gegen die
Festsetzung eines solchen in einem Gebiet, dessen nähere Umgebung durch reine
Wohnbebauung geprägt sei, Einwendungen erhoben hätten, seien ihre Belange nicht
nach § 1 Abs. 7 BauGB berücksichtigt worden.
26 Ihren Normenkontrollantrag, mit dem sie lediglich die Unwirksamkeit der Festsetzung des
Sondergebiets „Einkaufsmarkt für Nahversorgung“ („Teilgebiet I“) geltend machen, haben
die Antragsteller am 15.09.2011 im Wesentlichen wie folgt begründet: Die W&W
Bauphysik GbR habe die Antragsgegnerin in einem ihnen erst jetzt bekannt gewordenen
Schreiben vom 06.07.2009 darauf hingewiesen, dass der Beurteilungspegel in der
Nachbarschaft, insbesondere im Bereich ihres Grundstücks, nur geringfügig unter dem
Immissionswert „tags“ für ein reines Wohngebiet liege. Bei einer Erhöhung der
Kundenanzahl und damit der Pkw-Bewegungen auf dem Parkplatz könnten daher
Überschreitungen dieses Werts nicht ausgeschlossen werden. Gegebenenfalls müssten
diese dann durch eine Erhöhung der Lärmschutzwand ausgeglichen werden. In der
Bauleitplanung sei diese Erkenntnis jedoch nicht berücksichtigt worden. Dass das dem
Bebauungsplan zugrunde gelegte Schallschutzgutachten der W&W Bauphysik
entsprechend ihren Stellungnahmen tatsächlich gravierende Fehler aufweise, sei durch
das Überprüfungsgutachten „f...“ im Nachhinein belegt worden.
27 Vor diesem Hintergrund beruhe der Bebauungsplan auf einer evident fehlerhaften
Ausübung des Planungsermessens. Da das der Planung zugrundeliegende W&W
Schallschutzgutachten erhebliche Mängel aufweise, die bereits im Überprüfungsgutachten
näher dargelegt worden seien, könne dieses nicht Grundlage für eine ordnungsgemäße
Abwägung sein. Wesentliche Prämissen seien grob fehlerhaft ermittelt worden. Evident
fehlerhaft sei die Berechnung schon deshalb, weil - im Anschluss an angebliche
Erfahrungen des künftigen Marktbetreibers - von allenfalls 590 zu erwartenden
Fahrzeugbewegungen ausgegangen worden sei (vgl. Synopse S. 23 f.). Demgegenüber
werde in der „Einzelhandelsanalyse für die Gemeinde Dettenheim“ der GMA unter
sorgfältiger Analyse der standortbedingten konkreten Einkaufssituation von 640 An- und
Abfahrten und damit von 1.280 Fahrzeugbewegungen, mithin von mehr als der doppelten
Anzahl ausgegangen. Auch die Zahlenwerte nach der Bayerischen Parkplatzlärmstudie
bewegten sich in dieser Größenordnung. Es sei daher davon auszugehen, dass die
Immissionswerte an ihrem Anwesen ganz erheblich überschritten würden. Die ermittelten
Immissionswerte seien auch insofern zu beanstanden, als in der Ruhezeit lediglich 30
Einkaufsbewegungen angesetzt worden seien. Inner- wie außerhalb der Ruhezeit fehlten
60 Bewegungen. Auch sei für die technischen Anlagen kein Korrekturwert für Tonhaltigkeit
von 3 dB(A) berücksichtigt worden. Ferner sei eine „glatte“ Parkplatzoberfläche bzw. seien
lärmarme Einkaufswagen unterstellt worden. Schließlich sei das Kühlaggregat der täglich
ankommenden Kühlwagen nur während der Verladezeit auf der Rampe und nicht beim
Rangieren auf dem Kundenparkplatz berücksichtigt worden. Bei diesen müsse nach der
Bayerischen Parkplatzlärmstudie ein Schalleistungspegel von L
WA
= 97 dB(A) angesetzt
werden. Die betriebsbedingten Immissionsbelastungen seien schließlich nur für die
Tagzeit erhoben worden, obwohl nach dem Bebauungsplan auch ein Nachtbetrieb
zulässig wäre. Bereits heute seien zahlreiche Lebensmittelmärkte sogar bis 24.00 Uhr
geöffnet. Auch nächtliche Anlieferungen seien nach dem Bebauungsplan nicht
ausgeschlossen. Auf die Tageszeit beschränkte Lieferzeiten wären indes in der Praxis
kaum durchzusetzen. Hinsichtlich der konstruktiven Ausführung der festgesetzten
Lärmschutzwand seien schließlich keine qualitativen Mindestanforderungen vorgegeben
worden. Dem entsprechend seien nach dem „Schiedsgutachten“ der rw bauphysik
Ingenieurgesellschaft mbH & Co.KG vom 27.12.2010 erhebliche
Richtwertüberschreitungen von tags bis zu 2,4 dB(A) und nachts bis zu 8,5 dB(A) zu
erwarten. Um auf der sicheren Seite zu sein, seien danach entsprechend der
Parkplatzlärmstudie 2.168 Pkw-Bewegungen anzusetzen. Um die Nachbarschaft vor
unzumutbaren Lärmwirkungen zu schützen, müsse eine deutlich höhere Lärmschutzwand
vorgesehen werden. Bei 2.168 Fahrzeugbewegungen müsse schließlich auch mit
erheblichen Luftverunreinigungen gerechnet werden. Obwohl sich dadurch die
Wohnqualität im reinen Wohngebiet erheblich verschlechtere, seien keine
Untersuchungen durchgeführt worden. Hinzu kämen durch den neu errichteten
Verkehrskreisel bedingte Immissionen. Auch sei das W&W Schallschutzgutachten den
zuständigen Fachbehörden im Rahmen der Behördenbeteiligung vorenthalten worden.
Das Landratsamt Karlsruhe habe sich zur Lärmproblematik nicht mehr geäußert, obwohl
im Rahmen der frühzeitigen Behördenanhörung noch Auflagen mitgeteilt worden seien.
Der W&W Bauphysik sei zur Erstellung ihres Gutachtens auch die GMA-Analyse nicht
zugänglich gemacht worden. Das rw-Schallschutz-gutachten sei nur im Wege einer
„Ferndiagnose“ erstellt worden. Nach alldem hätten die allgemeinen Anforderungen an
gesunde Wohnverhältnisse nur unzureichend berücksichtigt werden können, was auf
einen Verstoß gegen § 1 Abs. 7 BauGB führe. Tatsächlich sei die Ausweisung eines
Lebensmittelmarkts der in Rede stehenden Größenordnung an dem vorgesehenen
Standort wegen der gravierenden Immissionsbelastung der benachbarten Wohnbebauung
gar nicht möglich. Daran änderte auch ein etwaiges Interesse an einer ausreichenden
Nahversorgung nichts. Von einem solchen Interesse könnte auch nicht ausgegangen
werden, nachdem der Einzelhandel in Dettenheim schon jetzt stark vertreten sei und bei
Errichtung des vorgesehene Lebensmittelmarkts eine Schließung eines der beiden
vorhandenen Märkte nicht auszuschließen sei, wodurch sich die Versorgungsqualität
insgesamt verschlechterte. Dem entsprechend habe der Regionalverband Mittlerer
Oberrhein auch keine raumordnerische Grundlage für die Ansiedlung eines weiteren
großflächigen Lebensmittelmarkts gesehen.
28 Der Bebauungsplan sei aber auch deshalb unwirksam, weil er nicht aus dem seinerzeit
gültigen Flächennutzungsplan entwickelt worden sei. Der geänderte Flächennutzungsplan
sei indes aus denselben Gründen wie der Bebauungsplan unwirksam, da auch er auf dem
fehlerhaften Schallschutzgutachten der W&W Bauphysik beruhe. Diesen Mangel hätten
sie auch rechtzeitig gerügt; er sei auch nicht nach § 214 Abs. 2 BauGB unbeachtlich.
29 Bei Kenntnis der tatsächlich zu erwartenden Immissionsbelastung hätte der Gemeinderat
der Antragsgegnerin bestimmt noch weitere Schallschutzvorkehrungen zu treffen versucht,
um die Immissionsrichtwerte der TA Lärm einzuhalten, wenn dies auch letztlich erfolglos
gewesen wäre. So hätte sich eine allenfalls in Betracht zu ziehende Erhöhung der
Lärmschutzwand im Hinblick auf die damit verbundene unzumutbare Verschattung der
Nachbargrundstücke verboten. Dies gelte umso mehr, als diese schon jetzt ca. 4 m über
dem Geländeniveau ihres Grundstücks liege. Bei einer weiteren Erhöhung würden sie
gleichsam „erdrückt“ und „eingemauert“.
30 Die Antragsteller beantragen,
31 den Bebauungsplan „Am Rußheimer Weg“ der Gemeinde Dettenheim vom 21. Juli 2009
hinsichtlich der für das „Teilgebiet I“ getroffenen Festsetzung des Sondergebiets
„Einkaufsmarkt für Nahversorgung“ für unwirksam zu erklären.
32 Die Antragsgegnerin beantragt,
33 den Antrag abzuweisen.
34 Hierzu führt sie im Wesentlichen aus: Die Antragsteller seien durch die frühere
gewerbliche Nutzung des ihnen benachbarten Grundstücks „vorbelastet“. Auf dem
Grundstück der ehemaligen Konservenfabrik habe bereits eine Einzelhandelsnutzung
stattgefunden („SB-Markt“). Gewerbeanzeigen belegten die Existenz eines
Lebensmittelgroß- und -einzelhandels bzw. eines Supermarkts in der Zeit von 1969 bis
1987. Anschließend sei auf dem Grundstück eine Karosserie- und Fahrzeugbauwerkstatt,
ein Reifenlager, eine Keramik-werkstatt sowie mehrere Jahre ein Flohmarkt mit Gaststätte
betrieben worden.
35 Sie habe auch durchaus die sich aus dem Nebeneinander von Wohnbebauung und
gewerblicher bzw. Einzelhandels-Nutzung ergebende Lärmproblematik erkannt. Aus
diesem Grund habe sie ein Gutachten eingeholt und auf dessen Grundlage verschiedene
Festsetzungen getroffen, die geeignet seien, die Geräuschimmissionen des hier
interessierenden Einzelhandelsvorhabens auf einem wohnnutzungsverträglichen Niveau
zu halten.
36 Die Normenkontrollanträge seien bereits unzulässig, weil es ihnen am erforderlichen
Rechtsschutzbedürfnis bzw. an der Antragsbefugnis fehle. Bei Unwirksamkeit des von
ihnen angegriffenen Bebauungsplans ließe sich die Baugenehmigung auf § 34 BauGB
stützen. Denn das Gelände des ehemaligen „SB-Markts“ gehöre nach dem Heranrücken
der Wohnbebauung jedenfalls zum Innenbereich. Aufgrund der gewerblichen Vorprägung
und der damit verbundenen Vorbelastung dürfe das Gelände der ehemaligen
Konservenfabrik weiterhin gewerblich genutzt werden. Die vorgesehene Nutzung bedeute
gegenüber der bisherigen Nutzung kein Mehr an Störungen und Beeinträchtigungen der
Nachbarschaft, das nicht durch Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes bewältigt werden
könnte. Die einschlägigen Regelwerke seien ohnehin situationsangepasst anzuwenden.
37 Hinzu komme, dass die Antragsteller nicht qualifiziert in Abrede stellten, dass die Planung
für einen Nahversorger, mit dem tagsüber nur ein Kundenverkehr von ca. 590 Pkw-
Bewegungen verbunden sei, auch und gerade in Ansehung der Lärmproblematik mit ihren
Belangen vereinbar wäre. Zwar machten sie für den Fall einer Erhöhung der
Kundenanzahl und damit der Pkw-Bewegungen eine Überschreitung der
Immissionsrichtwerte geltend, doch sei die im Rahmen der weiteren Konkretisierung der
Planung erfolgte „Konfliktbewältigung“ nicht Gegenstand des Normenkontrollverfahrens. In
diesem gehe es nur um die den planungsrechtlichen Festsetzungen zugrundeliegenden
Annahmen und Voraussetzungen. Solange sich diese - wie hier - in einem vertretbaren
und nachvollziehbaren Rahmen bewegten, könne die Konfliktbewältigung dem
nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren überlassen bleiben. Bei den angesetzten
Fahrzeugbewegungen handle es sich ohnehin um Prognosen, die naturgemäß eine große
Variationsbreite aufwiesen. Durch diese und die planerische Bewältigung der damit
verbundenen Lärmimmissionen werde freilich zugleich das planungsrechtlich zulässige
Maß bestimmt.
38 Die Normenkontrollanträge müssten allerdings auch in der Sache erfolglos bleiben. In
ihrer Stellungnahme vom 15.06.2010 habe W&W Bauphysik deutlich gemacht, warum
nicht von einer worst-case-Prognose entsprechend der GMA-Einzelhandelsanalyse,
sondern von - aus einer Vielzahl verschiedener Netto-Einkaufsmärkte - gewonnenen
Erfahrungswerten ausgegangen worden sei. Eine darauf gründende Annahme sei auch
nicht etwa unvertretbar oder evident fehlerhaft. Diese trage nicht zuletzt den
Besonderheiten eines ländlichen Nahversorgers unmittelbar am Rande einer
ausgedehnten Wohnbebauung Rechnung. Die GMA habe ihrer Einzelhandelsanalyse
schließlich einen „leistungsfähigen Lebensmittel-Discountmarkt“ zugrundegelegt. Darunter
sei aber ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb zu verstehen, wie er hier nicht in Rede
stehe. Sollten bei der Konkretisierung der Planung höhere Verkehrsmengen
zugrundezulegen sein, böte der Bebauungsplan hierfür keine planungsrechtliche
Grundlage mehr bzw. müssten im Baugenehmigungsverfahren zusätzliche Maßnahmen
getroffen werden.
39 Auch die darüber hinaus geltend gemachten Abwägungsmängel lägen nicht vor bzw.
seien jedenfalls unwesentlich. Zur Anzahl der Einkaufsbewegungen habe sich W&W
Bauphysik bereits unter dem 15.06.2010 geäußert. Eine etwaige Tonhaltigkeit von
Geräuschen habe noch nicht auf der Planungsebene bewältigt werden müssen. Da die
Fahrgassen auf dem Parkplatz asphaltiert würden, komme es auch nicht darauf an, ob
lärmarme Einkaufswägen eingesetzt würden. Auch zur Relevanz eines Kühlaggregats
habe sich W&W Bauphysik geäußert und sei aufgrund von Alternativberechnungen zu
dem Ergebnis gelangt, dass sich der Betrieb eines solchen während der Fahrbewegungen
nicht auf den Beurteilungspegel auswirke. Der Ansatz eines höheren
Schalleistungspegels führe am Immissionsort 2 zu keiner und im Übrigen allenfalls zu
einer Erhöhung von 0,1 bis maximal (beim Immissionsort 7) 1,2 dB(A). Auch nach dem
„Schiedsgutachten“ vom 27.12.2010 komme dieser Geräuschquelle keine besondere
Bedeutung zu. Dass W&W Bauphysik die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten bis 22.00 Uhr
und einen Anlieferverkehr im Zeitraum zwischen 06.00 und 07.00 Uhr zugrunde gelegt
habe, könne nicht beanstandet werden. Die Ausführung der Lärmschutzwand sei
schließlich erst Gegenstand der Ausführungsplanung. Soweit die Antragsteller mit dem
höheren Kundenverkehr verbundene höhere Schadstoffimmissionen geltend machten,
seien diese nicht Gegenstand der Planung; auch sei ihr Vorbringen nicht substantiiert
genug. Abgesehen davon seien die Wirkungen auf das Medium „Klima/Luft“, insbesondere
erhöhte Schadstoffimmissionen, ausweislich des Umweltberichts erkannt und, soweit
erforderlich, auch kompensiert worden. Ein etwaiger Abwägungsmangel im Hinblick auf
die zugrunde gelegten Verkehrsmengen wäre im Übrigen auch nicht erheblich, weil auch
größere Verkehrsmengen ohne wesentliche zusätzliche Lärmschutzvorkehrungen
plangemäß bewältigt werden könnten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die
bestehende Vorbelastung bislang nicht - wie geboten - im Wege einer Mittelwertbildung
berücksichtigt worden sei.
40 In einem weiteren Schriftsatz hat die Antragsgegnerin noch geltend gemacht, die
Antragsteller hätten auch nicht die sich aus § 215 BauGB ergebende Rügefrist gewahrt, da
sie die geltend gemachten Abwägungsmängel nicht hinreichend konkretisiert und
substantiiert hätten.
41 Dem sind die Antragsteller entgegengetreten. Mit dem Hinweis auf die Unzumutbarkeit der
von dem Einzelhandelsbetrieb ausgehenden Verkehrsimmissionen hätten sie mit
hinreichender Deutlichkeit die Verletzung ihrer Rechte geltend gemacht. Einer darüber
hinausgehenden „argumentativen Auseinandersetzung“ mit den die
Abwägungsentscheidung tragenden Gründen habe es nicht bedurft. Schließlich dürften
ihre im Widerspruchsverfahren erhobenen Rügen der Antragsgegnerin bekannt gewesen.
So werde in der im „Dettenheimer Anzeiger“ vom 21.01.2011 wiedergegebenen
Neujahrsansprache des Bürgermeisters das im Widerspruchsverfahren eingeholte neue
Lärmgutachten erwähnt. Auch im Hinblick auf das erforderliche gemeindliche
Einvernehmen müssten ihr die Rügen bekannt geworden sein. Das
Rechtsschutzbedürfnis könne ihnen jedenfalls nicht abgesprochen werden, da
unabhängig von den Erfolgsaussichten ihrer Anfechtungsklage jedenfalls die
Voraussetzungen für eine Rücknahme der Baugenehmigung geschaffen würden. Nach §
34 BauGB könne das Vorhaben nicht genehmigt werden.
42 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die angefallenen Gerichtsakten und die dem Senat vorliegenden
Bebauungsplanakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
43 Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
I.
44 Der Normenkontrollantrag gegen die im Bebauungsplan „Am Rußheimer Weg“ vom
21.07.2009 getroffene Festsetzung eines „Sondergebiets für Nahversorgung“ ist nach § 47
Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere liegen die
Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vor.
45 1. Die Anträge sind am 23.03.2011, mithin noch innerhalb der mit öffentlicher
Bekanntmachung des angegriffenen Bebauungsplans im Mitteilungsblatt der
Antragsgegnerin am 01.04.2010 in Lauf gesetzten Jahresfrist beim erkennenden
Gerichtshof gestellt worden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
46 2. Die Antragsteller sind auch ohne Weiteres antragsbefugt (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO).
47 Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche oder juristische Person,
die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten
verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss
Tatsachen vortragen, die es möglich erscheinen lassen, dass die angegriffene
Rechtsvorschrift oder deren Anwendung seine Rechte verletzt (vgl. BVerwG, Urt. v.
10.03.1998 - 4 CN 6.97 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 123; Urt. v. 24.09.1998 - 4 CN 2.98
-, BVerwGE 107, 215).
48 Wer sich – wie die Antragsteller – als (Mit-)Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets
gelegenen Grundstücks gegen einen Bebauungsplan wendet, muss zumindest
substantiiert darlegen, dass sein aus dem (insofern dritt-schützenden) Abwägungsgebot (§
1 Abs. 7 BauGB) folgendes subjektiv öffentliches Recht auf gerechte Abwägung seiner
Belange verletzt sein kann. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt,
die eine fehlerhafte Behandlung gerade seiner abwägungsbeachtlichen - insbesondere
nicht nur geringwertigen sowie schutzwürdigen - Belange in der Abwägung als möglich
erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1998, a.a.O.; Urt. v. 10.03.1998, NVwZ
1998, 732 f.; BayVGH, Urt. v. 21.07.2008 - 1 NE 08.1264 - ).
49 Die Antragsteller, die nach ihren eigenen Angaben Miteigentümer des mit einem
zweigeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst. Nr. ... (B...str. ...) sind, welches
unmittelbar südwestlich an das Plangebiet angrenzt, tragen substantiiert Tatsachen vor,
die es möglich erscheinen lassen, dass ihre abwägungsbeachtlichen privaten Belange in
der Abwägung durch den Gemeinderat der Antragsgegnerin fehlerhaft behandelt wurden
(vgl. § 1 Abs. 7 BauGB).
50 Denn in dem im südöstlichen Bereich des Plangebiets festgesetzten Sondergebiet
„Einkaufsmarkt für Nahversorgung“ sind unmittelbar gegenüber ihrem Grundstück die dem
Einkaufsmarkt zugeordneten Stellplatzflächen vorgesehen. Das Interesse, von Lärm-
/Luftschadstoffimmissionen der im Plangebiet zugelassenen Nutzungen - insbesondere
der dem Einkaufsmarkt zugeordneten Stellplatzflächen bzw. des durch den Einkaufsmarkt
verursachten An- und Abfahrtsverkehrs einschließlich des Andienungsverkehrs -
verschont zu bleiben, ist grundsätzlich ein für die Abwägung erheblicher privater Belang
(vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.07.1989 - 4 NB 18.88 -, Buchholz 406.11 § 1 BBauG/BauGB
Nr. 42; Beschl. v. 19.02.1992 - 4 NB 11.91 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 63; Beschl. v.
06.12.2000 - 4 BN 59.00 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 144).
51 Dass dieser Belang vom Gemeinderat der Antragsgegnerin beim Erlass des
Bebauungsplans möglicherweise fehlerhaft behandelt wurde, folgt ohne Weiteres aus dem
vom Landratsamt Karlsruhe im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen die
Baugenehmigung vom 05.01.2010 eingeholten „Schieds-gutachten“ der rw bauphysik
Ingenieurgesellschaft mbH u. Co.KG vom 27.12.2010. Danach kommt es bei einer
höheren Frequentierung des Kundenparkplatzes entsprechend der Parkplatzlärmstudie
(vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt, 6. A. 2007) trotz der festgesetzten 3 m hohen
Lärmschutzwand an ihrem Anwesen (Immissionsort IO 1) zu Überschreitungen der für ein
reines Wohngebiet maßgeblichen Immissionsrichtwerte der TA Lärm um bis zu 2,4 dB(A)
tags und bis zu 8,5 dB(A) nachts. Auf eine etwaige nicht unerhebliche Zunahme von
Luftschadstoffimmissionen kommt es danach nicht mehr an.
52 An der Schutzwürdigkeit ihres Interesses, gerade von weiteren, insbesondere
unzumutbaren Verkehrslärmimmissionen verschont zu bleiben, ändert auch der Umstand
nichts, dass das ihren Grundstück benachbarte Teilgebiet I schon bisher gewerblich
genutzt wurde. Auf den bereits 1987 aufgegebenen „SB-Markt“ kann in diesem
Zusammenhang jedenfalls nicht mehr abgehoben werden, da von ihm keine prägende
Wirkung mehr ausging (vgl. hierzu Halama in: Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, Berliner
Komm. z. BauGB, 3. A. 2008 <10. Lfg.>, § 29 Rn. 4). Was die gewerblichen
Folgenutzungen (Karosserie- und Fahrzeugbau-Werkstatt, Reifenlager, Keramikwerkstatt,
Flohmarkt mit Gaststätte) anbelangt, ist - deren baurechtliche Zulässigkeit unterstellt -
jedenfalls nicht zu erkennen, dass mit diesen Immissionen verbunden gewesen wären, die
die Richtwerte für ein reines bzw. allgemeines Wohngebiet überschritten. Dem
Trennungsgebot des § 50 BImSchG käme als Abwägungsdirektive freilich auch dann
kaum geringere Bedeutung zu. Denn im Hinblick auf den vorgesehenen vollständigen
Abbruch der Gebäude der ehemaligen Konservenfabrik stand eine vollständige
Neuplanung an, die sich von der Neuplanung „auf der grünen Wiese“ kaum mehr
unterschied (vgl. demgegenüber den Fall OVG NW, Urt. v. 22.05.2006 - 7 D 114/05.NE -,
BauR 2007, 65). Die vom Vertreter der Antragsgegnerin in Bezug genommene
Mittelwertrechtsprechung bezieht sich schließlich auf tatsächlich noch vorhandene
Gemengelagen und rechtfertigt nicht, solche neu zu schaffen.
53 3. Den Antragstellern kann im Hinblick auf die vom Landratsamt Karlsruhe am 07.06.2011
erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Lebensmittelmarkts nebst 68 Stellplätzen
auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden. Denn diese ist
noch nicht bestandskräftig geworden. Dass das mit der angegriffenen
Sondergebietsausweisung ermöglichte Bauvorhaben inzwischen fertiggestellt ist, ändert
nichts. Ob die Antragsteller im beim Verwaltungsgericht Karlsruhe anhängigen
Klageverfahren ggf. auch die Aufhebung der Baugenehmigung mit der Begründung
beanspruchen könnten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass diese ohne die zuvor
erforderliche, auch ihre Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB gerecht abwägende
Entscheidung des Trägers der Bauleitplanung erteilt worden war (vgl. zum
drittschützenden Charakter des in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltenen Abwägungsgebots
BVerwG, Urt. v. 24.09.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215 sowie zum auch die
Nachbargemeinde schützenden öffentlichen Belang des Planungserfordernisses i. S. des
§ 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB BVerwG, Urt. v. 01.08.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25;
hierzu auch Dürr, BauR BW, 12. A. 2008, Rn. 264 m.w.N.), kann in vorliegendem
Zusammenhang dahinstehen. Zweifel könnten insofern bestehen, weil durch
entsprechende Nebenbestimmungen immerhin gewährleistet sein dürfte, dass im
Ergebnis materielle Nachbarrechte nicht verletzt werden (vgl. hierzu Senat, Beschl. v.
26.07.2012 - 5 S 1314/12 -; BayVGH, Beschl. v. 16.10.2007- 1 Cs 07.1848 -). Unabhängig
davon bestünde jedenfalls noch die Möglichkeit, dass die auf den Bebauungsplan
gestützte Baugenehmigung auf Antrag der Antragsteller vom Landratsamt Karlsruhe
zurückgenommen oder eingeschränkt wird (§ 48 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG); dem stünde auch
der Vertrauensschutz des Bauherrn nicht ohne Weiteres entgegen, da spätestens nach
Vorliegen des „Schiedsgutachtens“ vom 27.12.2010 erhebliche Zweifel an der
Wirksamkeit des Bebauungsplans bestanden; insofern geschah die Verwirklichung des
Vorhabens auf eigenes Risiko (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 03.03.1983 - 5 S 1751/82 -, NVwZ
1984, 44).
54 Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis lässt sich auch nicht mit der Begründung
verneinen, dass der Neubau des Lebensmittelmarkts ggf. auch nach § 34 Abs. 1 BauGB
baurechtlich genehmigt werden könnte und müsste (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v.
08.02.1999 - 4 BN 55.98 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 130). Auf diese Vorschrift war die
Baugenehmigung bislang nicht - auch nicht hilfsweise oder nachträglich - gestützt worden.
Der Vertreter der Antragsgegnerin machte lediglich geltend, dass die Baugenehmigung
auch auf der Grundlage des § 34 BauGB h ä t t e erteilt werden k ö n n e n. Das
Regierungspräsidium Karlsruhe merkte in seinem Widerspruchsbescheid vom 05.01.2012
gar nur an, dass auch bei einer Beurteilung nach § 34 BauGB „nicht in Nachbarrechte
eingegriffen werde“ (a.a.O., S. 6). Unabhängig davon bestünden auch erhebliche Zweifel,
ob diese Rechtsgrundlage herangezogen werden könnte. Schon aufgrund der mit dem -
nur knapp die Grenzen zur Großflächigkeit unterschreitenden - Einkaufsmarkt für das
unmittelbar angrenzende reine Wohngebiet verbundenen Lärmwirkungen dürfte dieser
allenfalls aufgrund eines Bebauungsplans angesiedelt werden können (vgl. § 11 Abs. 3
Sätze 1, 2 u. 4 BauNVO). Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Auswirkungen auf
die Lebensmittelmärkte im Rußheimer Gewerbegebiet (vgl. die Einzelhandelsanalyse der
GMA v. April 2006). Nicht zuletzt dürfte sich ein Lebensmittelmarkt dieser Größenordnung
nicht mehr i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB einfügen und könnten Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche i. S. des § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten sein.
55 Aus dem Beschluss des Senats vom 26.07.2012 - 5 S 1314/12 - folgt entgegen der Ansicht
der Antragsgegnerin nichts anderes. Seinerzeit bestand lediglich Veranlassung, die von
der Beschwerde dargelegten Gründe zu prüfen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), mithin,
unter welchen Voraussetzungen § 34 Abs. 1 BauGB im Hinblick auf das im Begriff des
Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme nachbarschützende Wirkung zukommt.
Ob überhaupt die Voraussetzungen für ein Auswechseln bzw. einen Austausch der
Rechtsgrundlage vorlagen, war demgegenüber nicht zu prüfen. Solches kommt nur in
Betracht, wenn die Voraussetzungen einer anderen Rechtsgrundlage objektiv vorliegen
und der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Wesen verändert wird (vgl. Senatsurt. v.
26.05.1994 - 5 S 2637/93 -, VBlBW 1995, 32 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v.
15.05.1991 - 8 S 1068/91 - NuR 1991, 434; BVerwG, Urt. v. 30.06.1989 - 4 C 40.88 -,
BVerwGE 82, 185), mithin nicht schon dann, wenn (auch) deren drittschützende
Tatbestandselemente nicht verletzt wären, wovon offenbar das Verwaltungsgericht im
Anschluss an die Widerspruchsbehörde auszugehen scheint (in diesem Sinne wohl auch
BayVGH, Beschl. v. 16.10.2007, a.a.O.).
56 Schließlich lässt auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin inzwischen - am
18.12.2012 - ein ergänzendes Verfahren mit dem Ziel der „Optimierung der ...
Konfliktbewältigung zwischen den Immissionen des geplanten Sondergebiets für einen
Nahversorger und den Schutzansprüchen der angrenzenden Wohnbebauung“ eingeleitet
hat, das Rechtsschutzinteresse an einer Normenkontrollentscheidung nicht entfallen; denn
die von den Antragstellern angestrebte Normenkontrollentscheidung könnte ihnen gerade
mit Rücksicht auf dieses Verfahren, nämlich bei der Frage, ob und ggf. wie der
Nutzungskonflikt bereits auf der Planungsebene zu lösen ist, von Nutzen sein.
II.
57 Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
58 1. Allerdings lässt sich dies nicht schon daraus herleiten, dass der Bebauungsplan nicht
ordnungsgemäß ausgefertigt worden wäre. Zwar dürfte der Ausfertigungsvermerk auf dem
Planteil den an eine Ausfertigung zu stellenden Anforderungen nicht genügen, da er nicht
erkennen lässt, dass er noch vor Bekanntmachung des Bebauungsplans vom
Bürgermeister der Antragsgegnerin unterschrieben worden wäre (vgl. hierzu BVerwG,
Beschl. v. 27.01.1999 - 4 B 129.98 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.01.1995 - 3 S 3125/94
-, VBlBW 1995, 402). Der vorangehende, ebenfalls vom Bürgermeister der
Antragsgegnerin unterschriebene Hinweis auf das Datum des Inkrafttretens des
Bebauungsplans am 10.04.2010 dürfte eher auf das Gegenteil hindeuten. Jedoch sprach
zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung alles dafür, dass, was genügte, das den
Satzungsbeschluss enthaltende Gemeinderatsprotokoll - entsprechend dem
Beglaubigungsvermerk vom 08.09.2009 - vom Bürgermeister eigenhändig unterschrieben
wurde (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2006 - 8 S 1989/05 -, VBlBW 2007, 303;
Senatsurt. v. 26.10.2011 - 5 S 920/10 -), zumal der Bürgermeister dies in der mündlichen
Verhandlung ausdrücklich versichert hat. Inzwischen ist dies durch das unter dem
25.01.2013 nachgereichte Original des Sitzungsprotokolls belegt. Auch die für die
ordnungsgemäße Ausfertigung notwendige „gedankliche Schnur“ (vgl. hierzu Senatsurt. v.
02.11.2005 - 5 S 2662/04 -, BRS 69 Nr. 204 u. v. 08.05.1990 - 5 S 3064/88 -, NVwZ-RR
1991, 20) zwischen dem Satzungsbeschluss und den weiteren Teilen des
Bebauungsplans ist gegeben, da sich der Satzungsbeschluss ersichtlich auf die im
Entwurf vorliegende „Fassung zum Satzungsbeschluss“ (vom 21.07.2009) bezieht.
Insofern besteht kein Zweifel, welche Planfassung gemeint ist.
59 2. Die Unwirksamkeit des Bebauungsplans dürfte sich auch nicht bereits daraus ergeben,
dass der Bebauungsplan, wie von den Antragstellern geltend gemacht, sonst
verfahrensfehlerhaft zustande gekommen wäre. Denn etwaige Verfahrensfehler nach §
214 Abs. 1 BauGB, insbesondere das von den Antragstellern in ihrer erst am 15.09.2011
beim Senat eingegangenen Antragsbegründung vom 31.08.2011 u. a. noch geltend
gemachte Ermittlungsdefizit (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 2 Abs. 3
BauGB), dürften wegen Ablaufs der einjährigen Rügefrist des § 215 Abs. 1 BauGB am
01.04.2011 unbeachtlich geworden sein.
60 Auf die Rechtsfolgen einer nicht rechtzeitigen Geltendmachung von Fehlern nach § 214
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB war bei Inkraftsetzung des Bebauungsplans jedenfalls
ordnungsgemäß hingewiesen worden (vgl. § 215 Abs. 1 Satz1 Nr. 1 und Abs. 2 BauGB).
Dass in dem entsprechenden Hinweis im „Dettenheimer Anzeiger“ vom 01.04.2010
irreführend von „Mängeln in der Abwägung“ anstatt von „Mängeln im Abwägungsvorgang“
die Rede ist (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.07.2008 - 3 S 2772/06 -, VBlBW 2009,
186; Senatsurt. v. 26.10.2011 - 5 S 920/10 -), führte lediglich dazu, dass auch Mängel im
Abwägungsvorgang - ebenso wie Mängel im Abwägungsergebnis - weiterhin von Amts
wegen zu prüfen sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.1995 - 3 S 1242/95 -, UPR 1996,
115; Lemmel in: Berliner Kommentar z. BauGB <12/2008>, § 215 Rn. 6). Hinsichtlich der
Vorschriftengruppe der Verfahrensfehler blieb der Hinweis demgegenüber wirksam und
löste die Rechtsfolgen des § 215 Abs. 1 BauGB aus (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v.
09.06.2009 - 3 S 1108/07 -, NVwZ-RR 2009, 953).
61 Dass in der Bekanntmachung des Beschlusses des Bebauungsplans entsprechend § 215
BauGB 1987 darauf hingewiesen wurde (vgl. den entsprechenden
Formulierungsvorschlag von Lemmel in: Berliner Kommentar z. BauGB <12. Lfg./Dez.
2008>, § 215 Rn. 7), dass die näher bezeichneten Mängel bei unterbliebener
Geltendmachung unbeachtlich s i n d, statt w e r d e n, änderte nichts (offen gelassen
bislang von VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.07.2008, a.a.O.; Senatsurt. v. 26.10.2011, a.a.O.).
Zwar wird der unzutreffende Eindruck erweckt, die Beachtlichkeit dieser Mängel stehe
auch bis zum Ablauf der Jahresfrist unter dem Vorbehalt, dass sie rechtswirksam gerügt
werden, jedoch ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Unrichtigkeit Betroffene davon
abhalten sollte, von einer Erhebung entsprechender Rügen abzusehen. Mit der seit 1998
geltenden Fassung sollte auch nur klargestellt werden, dass die Verwaltungsgerichte die
Bauleitpläne und Satzungen bis zum Fristablauf uneingeschränkt auf nach § 214 BauGB
beachtliche Mängel von Amts wegen untersuchen dürfen (vgl. Stock, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger <106. Erg.lfg. 2012>, § 215 Rn. 48; Lemmel,
a.a.O., § 215 Rn. 23; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB 11. A. 2009, § 215 Rn. 7).
62 In ihrer Antragsschrift vom 16.03.2011, die der Antragsgegnerin noch am 31.03.2011,
mithin vor Fristablauf zugegangen ist (hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.07.2008 - 3 S
2772/06 -, VBlBW 2009, 186), haben die Antragsteller indessen nur geltend gemacht, dass
sie durch die von dem geplanten Einkaufsmarkt ausgehenden Verkehrsimmissionen in
unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden und (insofern) ihre rechtzeitig geltend
gemachten Belange nicht in der durch § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Weise berücksichtigt
worden seien. Damit dürften sie aber wohl allenfalls das Abwägungsergebnis beanstandet
und einen sonstigen Fehler im Abwägungsvorgang (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB)
geltend gemacht haben. Denn dass neben diesen - materiellen - Fehlern auch - ggf.
selbständig geltend zu machende (vgl. § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) - Verfahrensfehler i. S.
des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 2 Abs. 3 BauGB gerügt werden sollten,
dürfte der - zumal von einem Rechtslehrer verfasste - Antragsschriftsatz nicht erkennen
lassen. Dies dürfte auch unabhängig davon gelten, ob mit dem 3. Senat des erkennenden
Gerichtshofs eine nähere Auseinandersetzung mit der Abwägungsentscheidung des
Gemeinderats zu verlangen wäre (vgl. Urt. v. 30.11.2011 - 3 S 895/20 -). Denn aus den
Erklärungen des Rügenden muss neben der Darstellung des maßgebenden Sachverhalts
der Wille deutlich werden, sich für die angestrebte Unwirksamkeitserklärung des
Bebauungsplans auf den konkreten Verfahrensmangel zu berufen; nur bei einer
Willenserklärung dieses Inhalts kann überhaupt von einem „Geltendmachen" der
Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift die Rede sein (vgl. BVerwG, Beschl. v.
17.08.1989 - 4 NB 22.89 -; ebenso VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.04.2012 - 8 S 1300/09 -
BauR 2013, 56). Auch muss - nicht zuletzt im Hinblick auf eine etwaige Fehlerbehebung
durch die Gemeinde - der entsprechende Mangel konkretisiert und substantiiert werden
(vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.01.2012 - 4 BN 35.11 -, BauR 2013, 55; VGH Bad.-Württ., Urt.
v. 04.04.2012, a.a.O.).
63 Dass seinerzeit auch Verfahrensfehler i. S. des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB gerügt
werden sollten, hat der Vertreter der Antragsteller weder in seinem Schriftsatz vom
21.01.2013 noch - auf Nachfrage des Senats - in der mündlichen Verhandlung geltend
gemacht. Vielmehr ging dieser davon aus, dass die Frist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB
bereits auf andere Weise, nämlich dadurch gewahrt worden wäre, dass der
Antragsgegnerin aufgrund des von ihr im bauaufsichtlichen Verfahren nach § 36 Abs. 1
Satz 1, § 33 BauGB zu erteilenden Einvernehmens auch die von den Antragstellern gegen
das Bauvorhaben bzw. die (erste) Baugenehmigung vom 05.01.2010 erhobenen
Einwendungen (insbesondere im Schriftsatz vom 15.04.2010) bekannt geworden wären.
Diese waren jedoch gegenüber dem Landratsamt Karlsruhe und nicht gegenüber der
Antragsgegnerin erhoben worden. Zwar hätte eine Übersendung der - entsprechende
Rügen nach § 215 Abs. 1 BauGB enthaltenden - Widerspruchsbegründung auch an die
Antragsgegnerin möglicherweise genügt (vgl. hierzu Stock, a.a.O., § 215 Rn. 33), jedoch
lässt sich weder den einschlägigen Bauakten des Landratsamts Karlsruhe noch den von
den Antragstellern vorgelegten umfangreichen Unterlagen entnehmen, dass ihre
entsprechenden Schriftsätze, insbesondere ihre Widerspruchsbegründung vom
15.04.2010 sowie das unter diesem Datum verfasste Rechtsgutachten des Vertreters der
Antragsteller auch der Antragsgegnerin - zudem innerhalb der Jahresfrist - zugegangen
wären. Solches lässt sich nicht schon aus dem Umstand herleiten, dass die
Antragsgegnerin - wie aus der Neujahrsansprache des Bürgermeisters hervorgeht (vgl.
den „Dettenheimer Anzeiger“ v. 21.01.2011) - um die Existenz des im
Widerspruchsverfahren eingeholten „neuen Lärmgutachtens“ wusste. Bereits vor
Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses im Bebauungsplanverfahren oder im
Widerspruchsverfahren erhobene Einwendungen waren schließlich von vornherein nicht
zur Wahrung der Rügefrist geeignet (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.07.2008, a.a.O.).
64 Ob mit dem Antragsschriftsatz vom 16.03.2011 - ungeachtet der dagegen sprechenden
Gründe - trotz alledem der Sache nach ein Ermittlungsdefizit geltend gemacht worden sein
könnte, kann indes im Hinblick auf die - unter 3. dargestellten - jedenfalls vorliegenden
materiellen Fehler dahinstehen.
65 3. Der Bebauungsplan leidet jedenfalls an zu seiner Unwirksamkeit führenden materiell-
rechtlichen Mängeln, da die im Zusammenhang mit der Festsetzung des Sondergebiets
„Einkaufsmarkt für Nahversorgung“ getroffenen Festsetzungen jedenfalls gegen § 1 Abs. 7
BauGB verstoßen; insoweit steht auch nicht etwa nur ein (bereits als Verfahrensfehler zu
behandelndes) Ermittlungsdefizit in Rede, auf das in vorliegendem Zusammenhang nicht
abgehoben werden könnte (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 2 1. Hs. BauGB).
66 a) Ob der Bebauungsplan hinsichtlich der Sondergebietsfestsetzung bereits wegen
Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 BauGB unwirksam sein könnte, mag hier dahinstehen.
Solches ließe sich zwar nicht daraus herleiten, dass die Einzelhandelsausstattung je
Einwohner im Lebensmittelbereich in Dettenheim im Vergleich zu den umliegenden
Gemeinden als leicht überdurchschnittlich eingestuft wurde (vgl. hierzu auch BayVGH,
Beschl. v. 14.08.2008 - 1 NE 08.1074 -), die Ansiedlung eines Discountmarkts mittel- und
langfristig zu einer Abwertung des bestehenden Standorts im Gewerbegebiet Rußheim
führen werde und die Tragfähigkeit für drei Lebensmittelmärkte langfristig nicht gegeben
sei (vgl. die Einzelhandelsanalyse der GMA v. April 2006, S. 48). Denn im Rahmen des ihr
zustehenden weiten planerischen Ermessens durfte die Antragsgegnerin der (auch
fußläufigen) ortsteilbezogenen Nahversorgung (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 8 a BauGB) mit einem
ggf. auch nur beschränkten Sortiment den Vorrang vor einem Ausbau des „zentral“
zwischen beiden Ortsteilen (in Rußheim) gelegenen Versorgungsschwerpunkts (vgl. § 1
Abs. 6 Nr. 4 BauGB) mit einem möglichst umfassenden Angebot geben. Einer
„Bedarfsanalyse“ bedarf es unter dem Blickwinkel der städtebaulichen Erforderlichkeit
nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.08.1995 - 4 NB 21.95 -, Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr.
86; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 15.11.2012 - 1 C 10412/12 -).
67 Ein Bebauungsplan ist allerdings auch dann städtebaulich nicht erforderlich, wenn er aus
Rechtsgründen nicht vollzugsfähig ist, was hier im Hinblick auf die geltend gemachten
Lärmwirkungen in Betracht kommen könnte, da eine Verwirklichung der
Sondergebietsfestsetzung möglicherweise an den Anforderungen des
Immissionsschutzrechts scheiterte (vgl. hierzu OVG NW, Urt. v. 22.05.2006 - 7 D
114/05.NE -, BauR 2007, 65). Abgesehen von den in diesem Zusammenhang noch
festzustellenden Mängeln wäre eine solche jedoch wohl zumindest bei Festsetzung einer
höheren Lärmschutzwand nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB zu verwirklichen; von einer
erdrückenden bzw. abriegelnden Wirkung des Vorhabens wäre auch dann noch nicht
ohne Weiteres auszugehen (vgl. Senatsbeschl. v. 26.07.2012, a.a.O.; auch BayVGH,
Beschl. v. 14.08.2008 - 1 NE 08.1074 - u. v. 16.10.2007 - 1 CS 07.1848 -). Auch wenn
insoweit Zweifel bestehen sollten, käme immer noch in Betracht, die Lärmschutzwand mit
einem noch größeren Abstand zur Wohnbebauung vorzusehen oder die
Zweckbestimmung des Sondergebiets einzuschränken, etwa dahin, dass nur noch ein
kleiner (atypischer) Verbrauchermarkt (mit vielfältigem Warenangebot) mit einer kleineren
Verkaufsfläche zulässig wäre.
68 b) Ob ein Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung vorliegt (vgl. § 1 Abs. 4 BauGB)
und ob ggf. eine Ausnahme in Betracht käme, kann hier ebenfalls dahinstehen (vgl. hierzu
i. E. das Senatsurt. v. 02.08.2012 - 5 S 1444/10 -).
69 c) Soweit die Antragsteller geltend machen, ein Sondergebiet für einen Einkaufsmarkt für
Nahversorgung bis zu einer Verkaufsfläche von 799 m
2
habe ohne Verstoß gegen § 1
Abs. 7 BauGB aufgrund der mit einem solchen verbundenen besonders gravierenden
Immissionswirkungen überhaupt nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu „ihrem“ reinen
Wohngebiet festgesetzt werden können, trifft dies nicht zu; solches wäre noch nicht einmal
der Fall, wenn es sich um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb i. S. des § 11 Abs. 3
BauNVO handelte (vgl. OVG LSA, Urt. v. 11.05.2006 - 2 K 1/05 -, BauR 2006, 2107;
BayVGH, Beschl. v. 14.08.2008, a.a.O. u. v. 16.10.2007, a.a.O.; allerdings VGH Bad.-
Württ., Urt. v. 07.03.1990 - 8 S 3031/89 -, UPR 1991, 155: Unwirksamkeit der Ausweisung
eines uneingeschränkten Gewerbegebiets neben einem lediglich durch eine Straße
getrennten reinen Wohngebiet; BVerwG, Beschl. v. 22.06.2006 - 4 BN 17.06 -, BRS 70 Nr.
15). Zwar verlangt § 50 BImSchG, dass bereits bei raumbedeutsamen Planungen die für
eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen sind, dass
schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 BImSchG) auf die ausschließlich oder
überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete „soweit wie möglich“ vermieden werden.
Diesem sog. Trennungsgebot kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die
Wohnnutzung und die hier in Rede stehende gewerbliche Nutzung (durch einen
Einzelhandelsbetrieb) räumlich getrennt werden, etwa dadurch, dass zwischen das
Wohngebiet und das Sondergebiet ein Mischgebiet gelegt wird, wie dies im Südosten des
Plangebiets jenseits der „Verbindungsstraße“ zur H...straße vorgesehen ist. Die
erforderliche Trennung kann aber auch auf andere Weise - etwa durch planerische
Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB - erfolgen, durch die ebenfalls gewährleistet
wird, dass von der gewerblichen Nutzung keine Immissionen ausgehen, die den
Bewohnern des Wohngebietes billigerweise nicht zugemutet werden können (vgl.
Senatsurt. v. 09.07.1991 - 5 S 1231/90 -, NVwZ 1992, 802; VGH Bad.-Württ., Urt. v.
09.06.2009, a.a.O.; OVG NW, Urt. v. 22.05.2006 - 7 D 114/05.NE -, BauR 2007, 65;
BVerwG, Beschl. v. 30.11.1992 - 4 NB 41.92 - u. v. 07.07.2004 - 4 BN 16.04 -, ZfBR 2005,
71; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 15.11.2012 - 1 C 10412/12 -). Diesen Weg ist die Antragsgegnerin
im Hinblick auf das dem Sondergebiet gegenüber liegende reine Wohngebiet gegangen,
indem sie am südwestlichen Rand des Sondergebiets aufgrund § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB
eine Lärmschutzwand festgesetzt hat.
70 Dem Trennungsgrundsatz - aber auch dem Gebot sachgerechter Konfliktbewältigung - ist
jedoch nicht in dem gebotenen Umfang Rechnung getragen worden. Denn die
festgesetzte Lärmschutzwand ist tatsächlich nicht geeignet, unzumutbare Lärmwirkungen
im benachbarten reinen Wohngebiet, die mit dem Betrieb eines typischen Einkaufsmarkts
der zugelassenen Größenordnung verbunden sein können, „soweit wie möglich“ zu
vermeiden.
71 An diesem Mangel (im Abwägungsvorgang und -ergebnis) ändert nichts, dass § 50 Satz 1
BImSchG nicht verlangt, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf jeden Fall vermieden
werden und es sich insofern nur um eine „Abwägungsdirektive“ handelt (vgl. BVerwG, Urt.
v. 28.01.1999 - 4 CN 5.98 -, BVerwGE 108, 248; BVerwG, Urt. v. 23.02.2005 - 4 A 4.04 -,
BVerwGE 123, 37; BVerwG, Urt. v. 22.03.2007 - 4 CN 2.06 -, BVerwGE 128, 238). Denn
eine Zurückstellung immissionsschutzrechtlicher Belange käme nur mit Rücksicht auf
entgegenstehende Belange von hohem Gewicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v.
16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116). Solche stehen hier jedoch nicht in Rede,
da die aufgestellte Planung gerade den vollständigen Abbruch der noch vorhandenen,
bislang gewerblich genutzten baulichen Anlagen vorsieht (vgl. BVerwG, Beschl. v.
18.12.1990 - 4 BN 6.88 -, Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 50; demgegenüber den Fall
OVG NW, Urt. v. 13.12.2007 - 7 D 122/06 NE -). Insofern kann auch auf die zuletzt
ausgeübten gewerblichen Nutzungen geringen Umfangs nicht mehr abgehoben werden,
sollten diese überhaupt baurechtlich zulässig und mit entsprechenden die Richtwerte
überschreitenden Immissionen verbunden gewesen sein. Dem Umstand, dass auf dem
Gelände vor mehr als 20 Jahren bereits einmal eine Einzelhandelsnutzung („SB-Markt“)
stattgefunden hatte, kam bauplanungsrechtlich ohnehin keine Bedeutung mehr zu (vgl.
Halama, a.a.O., § 29 Rn. 5).
72 Dass in dem - dem Sondergebiet benachbarten - reinen Wohngebiet, nämlich im Bereich
des Grundstücks der Antragsteller, schädliche Umwelteinwirkungen nicht so weit wie
möglich vermieden werden, folgt ohne weiteres daraus, dass gerade auch bei Ansiedlung
eines Einkaufsmarkts (für Nahversorgung) der hier vorgesehenen Größe (mit einer
Verkaufsfläche bis 799 m
2
) aufgrund des zu erwartenden Kundenverkehrs einschließlich
der mit diesem verbundenen Nutzung der Einkaufswagendepots typischerweise bzw.
regelmäßig die für reine Wohngebiete maßgeblichen Immissionsrichtwerte nach der TA
Lärm überschritten würden (vgl. zur Heranziehung der TA Lärm zur Bestimmung der
Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen des Zu- und Abfahrtsverkehrs eines
Einzelhandelsbetriebs im Rahmen der Bauleitplanung BVerwG, Urt. v. 13.12.2007 - 4 BN
41.07 -, Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 128).
73 Zwar scheint die schalltechnische Untersuchung der W&W Bauphysik vom 07.04.2009
das Gegenteil zu belegen. Dieser wurden jedoch Angaben des künftigen Marktbetreibers
zugrundegelegt, die teilweise unplausibel sind und vor dem Hintergrund der der
Parkplatzlärmstudie zugrundeliegenden Erhebungen für Discount-Märkte völlig
unrealistisch erscheinen. So wurden für den Zeitraum 08.00 bis 20.00 Uhr lediglich 500
Pkw-Bewegungen (= 250 Kunden) und für den Zeitraum 20.00 bis 22.00 Uhr gar nur 30
Abfahrten (= 30 Kunden) angesetzt (vgl. die entsprechende E-Mail v. 23.03.2009), obwohl
von den in Baden-Württemberg seit 2007 üblichen Ladenöffnungszeiten bis 22.00 Uhr
ausgegangen wurde (vgl. Blatt 10 des Gutachtens); insofern handelte es sich auch
keineswegs um eine nur theoretische Möglichkeit längerer Öffnungszeiten (vgl.
demgegenüber OVG NW, Urt. v. 13.12.2007 - 7 D 122/06.NE -; BVerwG, Beschl. v.
17.02.2010 - 4 BN 59.09 -, BauR 2010, 1180; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.09.2012 - 3 S
2708/10 -). Die zu geringen Werte dürften nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass
sie auf Erfahrungen „aus den Jahren 1999 bis heute“ (vgl. Schreiben S & L -
Planungswerkstatt v. 25.06.2010) beruhen, mithin auch aus den Jahren, in denen
restriktivere Ladenöffnungszeiten galten. Zwar stellen die nach Tabelle 33 der
Parkplatzlärmstudie anzusetzenden Anhaltswerte (für einen Discounter 0,17 Pkw-
Bewegungen je 1 m
2
Netto-Verkaufsfläche und Stunde, das wären 2.173, nicht 2.168 Pkw-
Bewegungen, da von der nach dem Bebauungsplan maximal zulässigen Verkaufsfläche
von 799 m
2
und nicht von der im Bauantrag zur Genehmigung gestellten 797 m
2
auszugehen ist) Maximalwerte dar, um Ergebnisse „auf der sicheren Seite“ zu erhalten.
Der Ansatz konservativer Werte erscheint jedoch vor dem Hintergrund der auf eine
Vermeidung schädlicher Umweltwirkungen gerichteten Abwägungsdirektive des § 50
BImSchG - nicht zuletzt im Hinblick auf erhöhten Kundenverkehr an den Wochenenden
und Aktionstagen - durchaus angezeigt. Hinzu kommt, dass die nach Tabelle 33
anzusetzenden Anhaltswerte im Hinblick auf dieses Ziel insofern zu niedrig erscheinen,
als ihnen Zählungen in Bayern zugrundeliegen, wo mangels einer vom (Bundes-)Gesetz
über den Ladenschluss i.d.F. vom 02.06.2003 (BGBl. I S. 744), zul. geänd. durch Art. 228
der VO v. 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407) abweichenden Regelung Ladenöffnungszeiten von
6.00 bis 20.00 Uhr gelten (vgl. zur dann erforderlichen Extrapolation der Pkw-Bewegungen
auch das „Schiedsgutachten“ der rw bauphysik, S. 5). Doch auch dann, wenn die
Anhaltswerte der Parkplatzlärmstudie für einen Discount-Markt ungeachtet dessen zu
einer zu hohen - unrealistischen - Kundenfrequentierung führten, änderte dies nichts
daran, dass der Prognose der W&W Bauphysik jedenfalls deutlich zu geringe Werte
zugrunde gelegt wurden (vgl. in diesem Sinne auch das „Schiedsgutachten“ der rw
bauphysik vom 27.10.2012, S. 6). Dies wird nicht zuletzt durch die für einen
vergleichbaren Netto-Marken-Discount (in Buchen) erhobenen, auf eine Öffnungszeit bis
22 Uhr extrapolierten Werten von bereits 640 Pkw-Kunden (= 1.280 Pkw-Bewegungen)
bestätigt; dies entspricht in etwa der Kundenfrequenz eines „kleinen Verbrauchermarkts“
(mit vielfältigem Warenangebot) nach der Parkplatzlärmstudie (1.278 Bewegungen) und
dem bereits in der Einzelhandelsanalyse der GMA vom April 2006 gewählten Ansatz von
640 An- und Abfahrten. Dass dieser nur Geltung bei einem großflächigen Lebensmittel-
Discountmarkt beanspruchen sollte, lässt sich der Studie nicht entnehmen. Zur - auch
künftigen - Vermeidung schädlicher, von einem typischen Einkaufs- bzw. Discountmarkt
dieser Größe ausgehenden Umwelteinwirkungen wäre daher eine weit höhere
Kundenfrequentierung anzusetzen gewesen. Ausgehend davon erweist sich die
festgesetzte Lärmschutzwand mit einer Höhe von 3 m jedenfalls als unzureichend. Denn
nach dem „Schiedsgutachten“ wären tags gerade noch 624 Kunden (= 1.248 Pkw-
Bewegungen) und nachts sogar nur 2 Pkw-Abfahrten an dem maßgeblichen Immissionsort
(IO 1) im reinen Wohngebiet verträglich. Dem entspricht, dass auch im Schreiben der
W&W Bauphysik vom 06.07.2009 darauf hingewiesen worden war, dass bei einer
Erhöhung der Kundenzahl und damit einhergehend der Pkw-Bewegungen auf dem
Parkplatz mit Überschreitungen der Immissionsrichtwerte zu rechnen sei, nachdem die
errechneten Beurteilungspegel teilweise nur geringfügig darunter lägen.
74 Auf die von den Antragstellern darüber hinaus erhobenen Einwände gegen das
schalltechnische Gutachten kommt es danach nicht mehr an. Diese dürften nach dem
„Schiedsgutachten“ auch entweder ausgeräumt oder doch für das Ergebnis, insbesondere
für die zu prognostizierenden Beurteilungspegel nicht relevant sein. Soweit im Gutachten
im Hinblick auf die künftige Einzelhandelsnutzung von weiteren Prämissen
(Lieferverkehrsaufkommen allenfalls in den Ruhezeiten, asphaltierte Fahrwege)
ausgegangen wurde, waren diese - gemessen an den Anforderungen an die gerichtliche
Überprüfbarkeit von Prognosen - sachgerecht und trugen, da von ihrer Einhaltung bei
realistischer Betrachtung ausgegangen werden konnte, auch dem Schutzbedürfnis der
Nachbarschaft hinreichend Rechnung (vgl. OVG NW, Urt. v. 13.12.2007, a.a.O.).
75 Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus - wie die Antragsteller meinen - die
Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse nicht mehr eingehalten wären (vgl. § 1 Abs.
6 Nr. 1 BauGB), liegen demgegenüber nicht vor; dies wäre erst bei einer Überschreitung
der für Dorf- bzw. Mischgebiete maßgeblichen Immissionsrichtwerte der Fall (vgl. BVerwG,
Beschl. v. 11.11.2008 - 9 A 56.07 -, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 51; Urt. v.
17.03.2005 - 4 A 18.04 -, BVerwGE 123, 152), für die hier nichts ersichtlich ist.
76 Zwar ist, worauf der Vertreter der Antragsgegnerin hingewiesen hat, erst im
Baugenehmigungsverfahren verbindlich darüber zu entscheiden, ob ein konkreter
Einkaufsmarkt auch unter Berücksichtigung der von ihm ausgehenden Lärmwirkungen in
dem ausgewiesenen Sondergebiet baurechtlich zugelassen werden kann, und vermag die
Unzulässigkeit eines konkreten Markts - etwa wegen Nichteinhaltung bestimmter
Prämissen der im Planaufstellungsverfahren berücksichtigten Begutachtung - nicht die
Wirksamkeit der zuvor getroffenen Gebietsfestsetzung im Nachhinein in Frage zu stellen
(vgl. OVG NW, Urt. v. 13.12.2007, a.a.O.). Anders verhält es sich jedoch, wenn - wie hier -
auch ein solcher Einkaufsmarkt, dessen Ansiedlung mit der entsprechenden Festsetzung
gerade ermöglicht werden soll, typischerweise bzw. bei generalisierender Betrachtung
bzw. regelmäßigem Betrieb nicht ohne unzumutbare Lärmwirkungen auf die benachbarte
Wohnbebauung betrieben werden kann, weil der Begutachtung keine sachgerechten
Prämissen zugrundelagen. Denn sowohl unter Zugrundelegung der Anhaltswerte der
Parkplatzlärmstudie als auch der inzwischen erhobenen Pkw-Kundenzahl eines
vergleichbaren Markts (in Buchen) wäre die festgesetzte Lärmschutzwand mit einer Höhe
von 3,00 m nicht geeignet, die von einem Einkaufs- bzw. Discountmarkt dieser Größe
regelmäßig ausgehenden schädlichen Umwelteinwirkungen durch den Kundenverkehr zu
vermeiden. Die Argumentation des Vertreters der Antragsgegnerin, der Bebauungsplan
lasse eben nur solche Einkaufsmärkte zu, die noch unter Einhaltung der Richtwerte
betrieben werden könnten, geht fehl. Sollten etwa nur ganz bestimmte kleinere
Verbrauchermärkte mit vielfältigem Warenangebot und keine Discount-Märkte wie auch
der konkret zur Genehmigung anstehende Netto-Marken-Discount zulässig sein, wäre dies
im Bebauungsplan zum Ausdruck zu bringen gewesen (vgl. auch § 11 Abs. 2 Satz 1
BauNVO).
77 Die Lösung des immissionsschutzrechtlichen Nutzungskonflikts konnte auch nicht
ausnahmsweise „im Wege der Nachsteuerung“ dem Baugenehmigungsverfahren
überlassen bleiben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.03.2010 - 4 B 76.09 -, BRS 76 Nr. 23).
Denn bei vorausschauender Betrachtung erscheint der Konflikt dort nicht mehr
sachgerecht lösbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.03.2010 - 4 BN 66.09 -, Buchholz 406.25 §
50 BImSchG Nr. 57). Insbesondere ist eine Nebenbestimmung des Inhalts, dass
sichergestellt werden müsse, dass die für ein reines Wohngebiet geltenden
Immissionsrichtwerte von tagsüber 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) beim Betrieb des Netto-
Marken-Discount-Marktes und der Bäckerei-Filiale in der Umgebungsbebauung sicher
eingehalten werden (vgl. die Baugenehmigung v. 05.01.2010), ersichtlich ungeeignet.
Denn zur Vermeidung regelmäßig zu erwartender Richtwertüberschreitungen (vgl. hierzu
VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.01.2008 - 8 S 2748/06 -, VBlBW 2008, 1573 m.w.N.) wären
Einschränkungen der üblichen Ladenöffnungszeiten erforderlich, deren Umsetzung - nicht
zuletzt vor dem Hintergrund der örtlichen Wettbewerbssituation - bei realistischer
Betrachtung nicht in Betracht kamen und mit der getroffenen Festsetzung eines
Sondergebiets „Einkaufsmarkt für Nahversorgung“ mit einer zulässigen Verkaufsfläche bis
zu 799 m
2
in einer nicht anlagebezogenen Planung nicht ohne Weiteres vereinbar wären.
78 Schon gar nicht kommt - wie indes in der Baugenehmigung vom 07.06.2011 geschehen -
eine mit der Auflage zur Errichtung einer höheren Lärmschutzwand (von 3,75 m Höhe, vgl.
die Nebenbestimmung Nr. 8) - verbundene Befreiung von der entsprechenden
Festsetzung des Bebauungsplans in Betracht. Denn unabhängig vom konkreten Vorhaben
jedenfalls unzureichende Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB können nicht
nachträglich im Wege einer dafür nicht vorgesehenen Befreiung korrigiert bzw.
nachgebessert werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.03.1989 - 4 NB 8.89 -, Buchholz
406.11 § 30 BBauG/BauGB Nr. 27), zumal eine weitere - nicht unerhebliche - Erhöhung
der Lärmschutzwand durchaus mit abwägungserheblichen Nachteilen für die unmittelbar
angrenzende reine Wohnnutzung verbunden sein kann. Hat der Plangeber das
Rücksichtnahmeproblem in seine den Planfestsetzungen zugrundeliegende Abwägung
eingestellt und - wie hier - einer bestimmten planerischen Lösung zugeführt, können
Gesichtspunkte und Betroffenheiten, die zum planerischen Abwägungsprogramm
gehören, grundsätzlich nicht zum Gegenstand einer individuellen
Rücksichtnahmebetrachtung nach § 15 BauNVO gemacht werden (OVG NW, Beschl. v.
07.08.2000 - 10 B 920/00 -; BVerwG, Beschl. v. 27.12.1984 - 4 B 278.84 -, Buchholz
406.11 § 30 BBauG Nr. 21; Beschl. v. 23.06.2003 - 4 BN 7.03 -, BRS 66 Nr. 22). So verhält
es sich auch hier, nachdem der Gemeinderat den Immissionskonflikt bereits auf der
Planungsebene lösen wollte (und musste) (vgl. die Begründung zum Bebauungsplan 9.6,
S. 9 und den Umweltbericht, S. 23). Wurde dabei den Anforderungen des
Abwägungsgebots nicht genügt, führt dies unmittelbar zur Unwirksamkeit des
Bebauungsplans (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.03.1989, a.a.O.).
79 Dass, worauf in der Abwägungsvorlage hingewiesen wurde, die Einhaltung der
Lärmimmissionsrichtwerte im Rahmen eines Monitorings nach § 4c BauGB regelmäßig
überprüft würde, rechtfertigte es ebenso wenig, von den im Zeitpunkt des
Satzungsbeschlusses erforderlich erscheinenden Maßnahmen zur Konfliktbewältigung
einstweilen abzusehen.
80 Nach alldem liegt zum einen ein - wegen des Verstoßes gegen die Abwägungsdirektive
des § 50 BImSchG - beachtlicher sonstiger Fehler im Abwägungsvorgang vor, der
ungeachtet dessen, dass er auf einem möglicherweise nicht mehr beachtlichen
Ermittlungsdefizit beruhte, jedenfalls einer eigenständigen Beurteilung zugänglich ist und
insofern ungeachtet der in § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB getroffenen Regelung selbständig
geltend gemacht werden konnte. Zum anderen ist im Hinblick auf die im Bereich des
Grundstücks der Antragsteller zu erwartenden unzumutbaren Verkehrslärmimmissionen -
auch ein - stets beachtlicher - Fehler im Abwägungsergebnis gegeben. Denn die
Festsetzung eines Sondergebiets, in dem einerseits ein typischer Einkaufs- bzw.
Discountmarkt für Nahversorgung bis zu 799 m
2
zulässig sein soll, andererseits aber - zur
Vermeidung schädlicher Lärmwirkungen - lediglich eine Lärmschutzwand mit 3 m Höhe
vorgesehen ist, kommt hier - so wie geplant - schlechterdings nicht in Betracht (BVerwG,
Urt. v. 22.09.2010 - 4 CN 2.10 -, BVerwGE 138, 12).
81 d) Ob sich die Unwirksamkeit des Bebauungsplans darüber hinaus mit einem Verstoß
gegen § 8 Abs. 2 BauGB begründen ließe, weil dieser aus keinem wirksamen
Flächennutzungsplan entwickelt worden wäre, kann danach dahinstehen, erscheint
jedoch zweifelhaft.
82 Mit einer Unwirksamkeit des Flächennutzungsplans allein wegen Verfahrens- und
Formvorschriften - etwa dem von den Antragstellern auch hier geltend gemachten
Ermittlungsdefizit - ließe sich eine Verletzung der Vorschriften über das Verhältnis des
Bebauungsplans zum Flächennutzungsplan jedenfalls nicht begründen. Insoweit dürfte
bereits ein unbeachtlicher Mangel vorliegen (vgl. § 214 Abs. 2 Nr. 3 BauGB), weil sich das
entsprechende Ermittlungsdefizit für die Antragsgegnerin erst aufgrund des
„Schiedsgutachtens“ vom 27.12.2010 herausgestellt haben dürfte. Ein solches geltend zu
machen, sind die Antragsteller jedoch unabhängig davon schon deshalb gehindert, weil
sie diesen Mangel - soweit ersichtlich - nicht innerhalb eines Jahres gegenüber der
(erfüllenden) Gemeinde Graben-Neudorf geltend gemacht hatten; auf die Rechtsfolgen
war seinerzeit bei Bekanntmachung der Genehmigung des Flächennutzungsplans im
„Dettenheimer Anzeiger“ vom 19.03.2010 hingewiesen worden; dieser weist „lediglich“
dieselben Defizite wie der Hinweis vom 01.04.2010 auf.
83 Insofern blieben zwar entsprechende materielle Abwägungsfehler des
Flächennutzungsplans weiterhin beachtlich. Gegen eine weitere Beachtlichkeit einer
Verletzung des Entwicklungsgebots mag zwar der Umstand sprechen, dass die
Antragsteller auch diesen nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des
Bebauungsplans gerügt hatten. Jedoch dürfte der Hinweis auf die Rechtsfolgen (vgl. § 215
Abs. 2 BauGB) auch insoweit irreführend gewesen sein, da auch in Bezug auf § 214 Abs.
2 BauGB lediglich von „Verfahrens- und Formvorschriften“ die Rede war, es sich bei dem
geltend gemachten Verstoß gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB jedoch
um einen materiell-rechtlichen Mangel handelt. Denn damit wird der Eindruck erweckt,
auch bei den Vorschriften nach § 214 Abs. 2 BauGB stünden lediglich Verfahrens- und
Formvorschriften in Rede, sodass materiell-rechtliche Vorschriften - abgesehen von
„Mängeln in der Abwägung“ - auch ohne Rüge jedenfalls beachtlich blieben.
84 Ob vor dem Hintergrund der Erwägungen unter 3. c) auch die Änderung des
Flächennutzungsplans unter einem beachtlichen Abwägungsfehler litte, weil in der
Begründung ausdrücklich das fehlerhafte Lärmgutachten der W&W Bauphysik GbR in
Bezug genommen wird (a.a.O., S. 20) erscheint gleichwohl zweifelhaft, da der
Immissionskonflikt noch nicht auf der Ebene des Flächennutzungsplans zu lösen gewesen
sein dürfte.
85 e) Ebenso kann dahinstehen, ob die aufgrund § 9 Abs. 1 Nr. 24 4. Alt. BauGB unter Ziff.
2.5 Abs. 5 bis 8 getroffenen Vorkehrungen zur Vermeidung schädlicher Umweltwirkungen
insofern rechtswidrig sind, als diese, obwohl kein vorhabenbezogener Bebauungsplan in
Rede stand, entgegen dem Typisierungsgebot gerade auf den Netto-Markt zugeschnitten
sind, der Gegenstand des beim Landratsamt anhängigen Baugenehmigungsverfahren
war, und insoweit diesem unzulässig vorgegriffen worden sein dürfte (vgl. Söfker, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 9 Rn. 209; Löhr, in:
Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., § 9 Rn. 89; hierzu auch BVerwG, Beschl. v. 17.02.1984 -
4 B 191.83 -, BVerwGE 69, 30). Insofern dürften die entsprechenden Festsetzungen auch
dem Gebot planerischer Zurückhaltung widersprechen.
86 4. Nach alledem ist der Bebauungsplan - ungeachtet des beschränkten Antrags (vgl.
hierzu Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO 3. A. 2010, § 47 Rn. 358) - insgesamt für
unwirksam zu erklären; eine Beschränkung der Unwirksamkeitsfolge auf die beanstandete
Sondergebietsfestsetzung im Teilgebiet I kommt nicht in Betracht, da der Bebauungsplan
nicht ohne Weiteres teilbar ist. Zwar sollen mit dem übrigen Planteil weitere, überwiegend
selbständige Ziele (verkehrliche Anbindung der H...straße und damit des nordöstlichen
Wohngebiets sowie eines Landhandelsbetriebs im Außenbereich) erreicht werden, die
ohne Weiteres auch unabhängig von der Ansiedlung eines Einkaufsmarkts im Teilgebiet I
hätten geplant und verwirklicht werden könnten (vgl. § 1 Abs. 3 BauGB). Im Hinblick auf
dessen konkrete verkehr-liche Anbindung durch einen Kreisverkehrsplatz dürften jedoch
auch die weiteren Verkehrsflächen (Anbindung der H...straße und des
Landhandelsbetriebs) in ihrer konkreten Führung von der konkreten Ausgestaltung und
Lage des Kreisverkehrsplatzes abhängen, zumal durch den Bau des Verkehrskreisels ein
nach § 32 NatschG geschütztes Biotop betroffen ist (vgl. die Begründung zum
Bebauungsplan, S. 6). Die dem Trennungsgebot Rechnung tragende Festsetzung eines
Mischgebiets im Teilgebiet II im Südosten des Plangebiets steht ohnehin in einem
untrennbaren Zusammenhang mit der beanstandeten Sondergebietsausweisung. Auch
dass der Bebauungsplan inzwischen weitgehend verwirklicht sein dürfte, rechtfertigte
ungeachtet der sich daraus ergebenden faktischen Bindung für das ergänzende Verfahren
nicht die Annahme, dass der Gemeinderat nach seinem im ursprünglichen
Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses
eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.07.1989 - 4 N 3.87
-, BVerwGE 82, 225).
87 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Senat sieht davon ab, sie
entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
88 Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht
vorliegen.
89
Beschluss vom 24. Januar 2013
90 Der Streitwert wird für das Normenkontrollverfahren endgültig auf EUR 10.000,--
festgesetzt (vgl. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs 2004).
91 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.