Urteil des VG Stuttgart vom 16.05.2013

VG Stuttgart: treu und glauben, vertragsarzt, satzung, rücknahme, physikalische therapie, ex tunc, medizinische betreuung, rückforderung, rechtswidrigkeit, leistungsabrechnung

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 16.5.2013, 2 S 2314/12
Leitsätze
1. Zur Auslegung von § 31 Abs. 2 der Satzung der Postbeamtenkrankenkasse.
2. Wenn ein (gutgläubiger) Beihilfeberechtigter einen Behandlungsvertrag mit einem Arzt
abschließt, trifft er im Regelfall eine schutzwürdige Vermögensdisposition im Sinne des § 48
Abs. 2 Satz 2 VwVfG.
3. Ein Bürger, der sich auf eine ständige Verwaltungspraxis verlässt, handelt im Regelfall nicht
grob fahrlässig im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. August
2012 - 3 K 81/12 - geändert.
Die Bescheide der Beklagten vom 5.7.2011 und vom 27.10.2011 und deren
Widerspruchsbescheid vom 8.12.2011 werden aufgehoben, soweit darin die Bewilligung von
Kassenleistungen in den „Leistungsabrechnungen“ vom 30.12.2008, 15.4.2009, 26.6.2009,
9.3.2010, 8.9.2010, 22.11.2010, 8.2.2011 und 26.7.2011 zurückgenommen und die Klägerin zur
Rückzahlung eines Betrags von mehr als 393,21 EUR aufgefordert wird.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt 3/10 und die Beklagte 7/10 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Klägerin ist als A-Mitglied bei der Beklagten krankenversichert.
2 Nach Vorlage eines Therapieplans des Privatarztes Dr. D. teilte die Beklagte der Klägerin
mit Schreiben vom 17.5.2005 mit, dass sie als A-Mitglied die freie Wahl unter den
Vertragsärzten habe. Für die Aufwendungen einer privatärztlichen Behandlung könnten
grundsätzlich keine Leistungen gewährt werden.
3 Darauf antwortete die Klägerin unter dem 2.6.2005, sie kämpfe seit sieben Jahren mit
einem „Schiefhals“ (Torticollis Spasmodicus). Mitte Januar 1998 habe sich ihr Kopf
plötzlich nach links gedreht. Seither habe sie sich erfolglos bei verschiedenen Fachärzten
in Behandlung begeben. Es sei ein Lichtblick für sie gewesen, dass Dr. D. im April 2005
seine Privatpraxis geöffnet habe. Sie habe erfahren, dass er sich unter anderem auch mit
„Schiefhals“ befasse. Seit Mai 2005 sei sie dort in Behandlung. Er sei der erste Arzt, der ihr
bei dieser Krankheit wirklich geholfen habe.
4 Die Klägerin legte ferner eine ärztliche Stellungnahme von Dr. D. vom 7.6.2005 vor. Darin
heißt es: Bei der Erstvorstellung habe sich eine ausgeprägte und von der Patientin in
keinster Weise beherrschbare Schiefhalssymptomatik mit Linksrotation und
Rechtsseitneigung des Kopfes gezeigt. Er hoffe sehr auf das Verständnis der Beklagten
für die erforderliche Behandlung dieses relativ seltenen Krankheitsbildes, zumal der
Klägerin eine therapeutische Alternative in der Umgebung fehle.
5 Mit weiterem Schreiben vom 13.6.2005 wies die Beklagte die Klägerin aus Anlass einer
Akkupunkturbehandlung nochmals darauf hin, dass für die Aufwendungen einer
privatärztlichen Behandlung grundsätzlich keine Leistungen gewährt werden könnten.
6 In den Jahren 2006 und 2007 reichte die Klägerin mehrere Rechnungen für die
Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen durch die privatärztliche Praxis für
Chirotherapie und physikalische Therapie Dr. D. bei der Beklagten ein. Die Beklagte
lehnte die Gewährung von Kassenleistungen mit Leistungsabrechnungen vom 10.1.2006,
2.8.2007 und 26.11.2007 ab. In dem Leistungsbescheid vom 2.6.2006 wurde die
Behandlung durch Dr. D. demgegenüber dem Grunde nach als erstattungsfähig anerkannt
und die erstattungsfähigen Aufwendungen nur der Höhe nach gekürzt.
7 Zwischen dem 29.3.2008 und dem 21.01.2011 stellte die Klägerin insgesamt zehn weitere
Anträge auf Erstattung von Aufwendungen für Behandlungen durch Dr. D., für die mit
Leistungsabrechnungen vom 18.4., 3.7., 6.10. und 30.12.2008, 15.4. und 26.6.2009, 9.3.,
8.9. und 22.11.2010 sowie 8.2.2011 jeweils Kassenleistungen bewilligt wurden.
8 Mit Bescheid vom 5.7.2011 nahm die Beklagte diese Leistungsabrechnungen hinsichtlich
der darin erfolgten Festsetzungen von Kassenleistungen zurück und forderte die Klägerin
auf, die zu Unrecht erhaltenen Kassenleistungen in Höhe von insgesamt EUR 1.274,06
zurückzuzahlen, da A-Mitglieder wie die Klägerin bei der Behandlung durch Privatärzte
keinen Anspruch auf Kassenleistungen hätten.
9 Zur Begründung ihres am 26.7.2011 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruchs trug
die Klägerin vor, der Beklagten sei seit Beginn der Behandlung durch Dr. D. bekannt
gewesen, dass dieser eine privatärztliche Praxis betreibe. Dessen Behandlungen hätten
Erfolg gehabt. Die geleisteten Erstattungen habe sie für die ihr entstandenen
Aufwendungen verwendet. Im Hinblick auf die ihr seit Ausbruch der Krankheit
entstandenen erhöhten Aufwendungen und ihre geringe Rente verfüge sie nicht über
Ersparnisse, aus denen sie den zurückgeforderten Betrag aufbringen könne. Da sie seit
Jahren von der Beklagten entsprechende Leistungen erhalten habe, sei sie von deren
Richtigkeit ausgegangen. Schließlich bitte sie um Prüfung, ob von der Rückforderung „ggf.
im Wege des Entgegenkommens“ abgesehen werden könne.
10 Mit weiterer Leistungsabrechnung vom 26.7.2011 bewilligte die Beklagte auf einen
entsprechenden Antrag der Klägerin für eine weitere Rechnung von Dr. D. vom 1.7.2011
Kassenleistungen in Höhe von 131,36 EUR.
11 Mit Bescheid vom 27.10.2011 nahm die Beklagte auch diese Leistungsabrechnung
hinsichtlich der darin erfolgten Festsetzung von Kassenleistungen zurück und forderte die
Klägerin auf, die zu Unrecht erhaltenen Kassenleistungen in Höhe von EUR 131,36
zurückzuzahlen. Hiergegen legte die Klägerin am 3.11.2011 Widerspruch ein.
12 Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom
8.12.2011 zurück und führte zur Begründung aus, das Vertrauen der Klägerin sei nicht
schutzwürdig, weil die Rechtswidrigkeit der zurückgenommenen Leistungsabrechnungen
für sie ohne weiteres erkennbar gewesen sei. Denn in den Leistungsabrechnungen vom
10.01. und 2.6.2006 sowie vom 2.8. und 26.11.2007 sei sie ausdrücklich darauf
hingewiesen worden, dass sie für privatärztliche Behandlungen keine Kassenleistungen
erhalten könne. Besondere Billigkeitsgesichtspunkte seien nicht erkennbar.
13 Am 10.1.2012 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Auch
wenn sie als A-Mitglied nach § 31 Abs. 2 der Satzung der Beklagten nur Anspruch auf
Behandlung durch einen Vertragsarzt habe, sei die Beklagte im Einzelfall nicht daran
gehindert, aus Kulanzgründen Kassenleistungen für die Inanspruchnahme eines
Nichtvertragsarztes zu gewähren, wenn dies medizinisch notwendig sei. Darüber hinaus
ergebe sich ein Anspruch auf die gewährten Kassenleistungen aus § 31 Abs. 2 der
Satzung, da eine vertragsärztliche Behandlung, wie die Vergangenheit gezeigt habe, nicht
geeignet gewesen sei, ihr die notwendige medizinische Betreuung zukommen zu lassen.
Hinzu komme, dass sie auf den Bestand der Leistungsabrechnungen habe vertrauen
dürfen. Denn aus ihrer Sicht habe die Beklagte mit der Gewährung von Kassenleistungen
ab dem Jahre 2008 ihre bisherige Rechtsauffassung geändert. Dass ihr Kassenleistungen
in zahlreichen Fällen gewährt worden seien, zeige, dass die Entscheidung der Beklagten
bewusst und nicht im Rahmen eines Einzelfallversehens erfolgt sei. Im Übrigen habe die
Beklagte bei der Gewährung der nunmehr zurückgeforderten Kassenleistungen nicht die
erforderliche Sorgfalt walten lassen. Sie - die Klägerin - beziehe nur relativ geringe
Einkünfte an Witwengeld und Rente in Höhe von ca. 1.300,00 EUR monatlich. Gerade im
Hinblick auf die Behandlungskosten des durch ihre Krankheit verursachten Mehraufwands
sei es offensichtlich, dass sie die zurückgeforderten Beträge verbraucht habe.
14 Mit Urteil vom 3.8.2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den
Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Dr. D. sei unstreitig nicht Vertragsarzt im Sinne
der Satzung der Beklagten. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie für die gebotene
medizinische Behandlung keinen Vertragsarzt in Anspruch habe nehmen können. Denn
hierfür genüge es nicht, dass die früheren Behandlungen nicht zum gewünschten Erfolg
geführt hätten. Vielmehr sei es erforderlich, darzutun, dass andere Vertragsärzte, die
ebenfalls eine Behandlung wie die von Dr. D. hätten durchführen können, in zumutbarer
Entfernung nicht zur Verfügung stünden. Dies habe die Klägerin jedoch nicht erklärt.
Vielmehr habe sie vorgetragen, dass sie sich nach erfolgloser Behandlung durch die
bisher aufgesuchten Ärzte an die privatärztliche Praxis von Dr. D. gewandt habe. Ein
solcher Sachverhalt erfülle nicht die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Satz 2 der Satzung
der Beklagten.
15 Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme der genannten
Leistungsabrechnungen, soweit darin auch Kassenleistungen gewährt worden seien,
seien erfüllt. Zahlungen zur Tilgung eigener Schulden seien grundsätzlich nicht als
Entreicherung i.S.d. § 818 Abs. 3 BGB anzusehen. Vorliegend sei die Klägerin durch die
Bezahlung der Rechnungen von Dr. D. von Verbindlichkeiten befreit worden. Ein
Vertrauensschutz der Klägerin lasse sich auch nicht aus den Umständen herleiten, die
dazu geführt hätten, dass sie eine privatärztliche Behandlung in Anspruch genommen
habe. Zwar habe die Klägerin geltend gemacht, sie sei im Hinblick auf die Behandlung
durch ihre früheren Ärzte „austherapiert" gewesen und habe sich deshalb in die
privatärztliche Behandlung des Dr. D. begeben. Indes habe sie zum einen nicht
hinreichend dargetan, dass die Inanspruchnahme eines anderen Vertragsarztes mangels
Erreichbarkeit nicht möglich gewesen sei. Zum anderen habe sie die erforderliche Sorgfalt
in besonders hohem Maße außer Acht gelassen. Sie habe die einschlägigen
Satzungsbestimmungen ignoriert. Ein schutzwürdiges Vertrauen könne auch nicht aus der
Überlegung hergeleitet werden, dass sie die privatärztlichen Behandlungen nicht
fortgeführt hätte, wenn ihr klargewesen wäre, dass die Beklagte deren Kosten nicht
erstatten würde. Denn sie habe die Behandlungen über einen langen Zeitraum fortgeführt,
obwohl ihr aufgrund der früheren Leistungsabrechnungen vom 10.1. und 2.6.2006 sowie
2.08. und 26.11.2007 erhebliche Kosten verblieben seien.
16 Die Rücknahme der Leistungsabrechnungen sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Zwar
könne bei einer Ermessensentscheidung auch berücksichtigt werden, dass der Grund für
die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liege. Allerdings sei
es auch in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen, das Ermessen zu Ungunsten des
Empfängers der Überzahlung auszuüben.
17 Die Rückforderung der rechtswidrig gewährten Leistungen sei nach § 30 Abs. 5 Satz 1 der
Satzung der Beklagten i.V. mit § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG zwingend vorgeschrieben.
Besondere Umstände, sie es nach Treu und Glauben gebieten würden, von einer
Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen seien nicht erkennbar. Zwar sei die
Vorgehensweise der Beklagten, der Klägerin über mehrere Jahre hinweg regelmäßig
Kassenleistungen zu gewähren, die ihr nicht zugestanden hätten, kaum nachvollziehbar.
Andererseits sei dieses Fehlverhalten nicht so schwerwiegend, dass eine Rückforderung
gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Ebenso könne nicht von einem
widersprüchlichen Verhalten der Beklagten ausgegangen werden. Denn es lägen keine
Anhaltspunkte dafür vor, dass Sachbearbeiter der Beklagten der Klägerin bewusst
Leistungen gewährt hätten, die ihr nicht zustünden.
18 Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat zugelassene
Berufung der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft ihr früheres Vorbringen. Ergänzend
macht sie geltend, dass kein anderer Arzt in der Lage gewesen sei, die in ihrem Fall
erforderliche besonders engmaschige Behandlung durchzuführen.
19 Die Klägerin beantragt,
20 das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3.8.2012 - 3 K 81/12 - zu ändern und die
Bescheide der Beklagten vom 5.7.2011 und vom 27.10.2011 sowie deren
Widerspruchsbescheid vom 8.12.2011 aufzuheben.
21 Die Beklagte beantragt,
22 die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
23 Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr früheres Vorbringen. Ergänzend weist sie darauf
hin, dass die Klägerin ohne weiteres die Möglichkeit gehabt habe, in räumlicher Nähe
einen fachlich qualifizierten Vertragsarzt zu finden. Es gebe dort mehrere Fachärzte für
Orthopädie und Chirotherapie, die auch für Akkupunkturbehandlungen qualifiziert seien.
24 Der Senat hat eine Stellungnahme des behandelnden Arztes eingeholt, die unter dem
27.2.2013 erstattet worden ist.
25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren
gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und
Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26 Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(vgl. §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
27 Die Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet. Die Bescheide der Beklagten vom
5.7.2011 und vom 27.10.2011 und deren Widerspruchsbescheid vom 8.12.2011 sind
rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit darin die Bewilligung von
Kassenleistungen in den „Leistungsabrechnungen“ vom 30.12.2008, 15.4.2009,
26.6.2009, 9.3.2010, 8.9.2010, 22.11.2010, 9.2.2011 und 26.7.2011 zurückgenommen wird
(vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in den angefochtenen Bescheiden weiter verfügte
Rückforderung der aufgrund dieser Leistungsabrechnungen ausgezahlten Geldbeträge,
welche die Beklagte auf § 30 Abs. 5 ihrer Satzung stützt, ist danach ebenfalls rechtswidrig,
soweit ein Betrag von mehr als 393,21 EUR zurückgefordert wird, da die entsprechenden
Zahlungen nicht rechtgrundlos erfolgt sind.
28 Die in den angefochtenen Bescheiden verfügte Rücknahme der dort im Einzelnen
aufgezählten Leistungsabrechnungen richtet sich nach § 48 VwVfG. Rechtswidrige
begünstigende Verwaltungsakte können gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG nur unter den
Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Die in § 48 Abs. 2
VwVfG genannten Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen nur für einen Teil der
Leistungsabrechnungen vor, die die Beklagte zurückgenommen hat.
29 1. Allerdings sind die zurückgenommenen Leistungsabrechnungen objektiv rechtswidrig
i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG.
30 Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten (gleichlautend in allen Fassungen von
der 69. Änderung vom 1.3.2008 bis zur 79. Änderung vom 10.3.2011) haben Mitglieder der
Gruppe A - zu denen die Klägerin gehört - u.a. freie Wahl unter „den am Vertrag
beteiligten“ Ärzten (Vertragsärzte). Kann ein Vertragsarzt nicht in Anspruch genommen
werden, gewährt die Beklagte nach Satz 2 dieser Bestimmung Leistungen nach der
Leistungsordnung B.
31 Diese Satzungsbestimmung lässt mit noch hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die
sog. A-Mitglieder der Beklagten grundsätzlich gehalten sind, einen Vertragsarzt der
Beklagten aufzusuchen. Wenn sie sich in Behandlung eines anderen Arztes (im
Folgenden: Privatarzt) begeben, stehen ihnen nur dann Leistungen nach der
Leistungsordnung B zu, wenn Vertragsärzte nicht in Anspruch genommen werden
„können“. Darüber, wann dies der Fall ist, gibt die Satzung der Beklagten keinen näheren
Aufschluss. Bei einer die Interessen der A-Mitglieder der Beklagten in angemessener
Weise berücksichtigenden Auslegung ist jedoch davon auszugehen, dass der Begriff des
„Nichtkönnens“ nicht im Sinne einer objektiven Unmöglichkeit zu verstehen ist, sondern
auch Fälle umfasst, in denen es einem Betroffenen aus nachvollziehbaren und
verständlichen subjektiven Erwägungen heraus nicht (mehr) zumutbar ist, sich durch
Vertragsärzte behandeln zu lassen. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer
privatärztlichen Behandlung liegen mit anderen Worten also nicht erst dann vor, wenn es
überhaupt keinen Vertragsarzt in angemessener räumlicher Nähe gibt, sondern bereits
dann, wenn es dem Betroffenen aus nachvollziehbaren Gründen nicht (mehr) zumutbar ist,
einen Vertragsarzt aufzusuchen. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn jemand nach
länger andauernden erfolglosen Behandlungsversuchen durch Vertragsärzte diese aus
nachvollziehbaren Gründen nicht mehr aufsuchen möchte und kein anderer Vertragsarzt in
räumlicher Nähe zur Verfügung steht.
32 Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben. Allerdings ist es ohne Weiteres
verständlich, dass sich die Klägerin nicht mehr durch ihre bisherigen Vertragsärzte
behandeln lassen wollte und einen Arztwechsel vorgenommen hat. Wie insbesondere aus
ihrem Schreiben vom 2.6.2005 und der ärztlichen Stellungnahme von Dr. D. vom 7.6.2005
im Einzelnen hervorgeht, hatte sie eine wahre „Behandlungsodyssee“ bei verschiedenen
Ärzten hinter sich gebracht und jahrelang erfolglose Behandlungsversuche über sich
ergehen lassen, bevor sie sich in die Behandlung von Dr. D. begeben hat. Die Beklagte
weist jedoch zu Recht darauf hin, dass es in zumutbarer räumlicher Nähe zum Wohnsitz
der Klägerin noch weitere für eine Behandlung grundsätzlich geeignete Vertragsärzte der
Beklagten gibt. Die Beklagte hat mehrere Fachärzte für Orthopädie benannt, die auch zur
Durchführung der Chirotherapie und der Akkupunktur qualifiziert sind. Diese Ärzte sind
daher bei abstrakter Betrachtungsweise ohne Weiteres in der Lage, das Leiden der
Klägerin zu behandeln. Einen (erfolglosen) Behandlungsversuch bei einem dieser Ärzte
hat die Klägerin nicht unternommen.
33 Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend,
ob ein Vertragsarzt exakt dieselbe besonders engmaschige Behandlung hätte durchführen
können wie Dr. D.. Solange es „vor Ort“ noch mehrere Vertragsärzte gibt, die grundsätzlich
für eine Behandlung qualifiziert sind, ist es dem Betroffenen regelmäßig zumutbar,
entsprechende Behandlungsversuche zu unternehmen. Dies ist hier nicht geschehen.
34 Der Senat hat zudem in Erwägung gezogen, ob ein Fall, in dem eine vertragsärztliche
Behandlung subjektiv nicht (mehr) zumutbar ist, auch dann vorliegt, wenn nach mehreren
erfolglosen Behandlungsversuchen bei verschiedenen Vertragsärzten ein besonders
qualifizierter Privatarzt für ein bestimmtes seltenes Spezialgebiet aufgesucht wird. Dies
kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn Dr. D., den die Klägerin aufgesucht hat, weist
eine solche herausragende Qualifikation, die das Aufsuchen eines anderen Arztes von
vornherein unzumutbar machen würde, nicht auf. In seiner Stellungnahme an den Senat
vom 27.2.2013 hat er zwar auf seine große allgemeine ärztliche Erfahrung in den
Bereichen Chirurgie und Unfallchirurgie, auf seine „zertifizierten Subspezialisierungen“ auf
den Gebieten Chirotherapie und manuelle Therapie und nicht zuletzt auch auf den Erfolg
seiner Therapie im Falle der Klägerin verwiesen. Ohne dass der Senat die ärztlichen
Leistungen von Dr. D. in Abrede stellen möchte, ergibt sich daraus jedoch nicht, dass er
eine besondere objektivierbare Qualifikation für die Behandlung des „Schiefhalses“
(Torticollis spasticus) besitzt, die das bei einem anderen erfahrenen Facharzt vorhandene
Niveau deutlich übertrifft.
35 2. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine
einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, nicht zurückgenommen werden, soweit der
Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter
Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach §
48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ist das Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts in der
Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte die ihm gewährten Leistungen verbraucht oder
eine Vermögensdisposition getroffen hat, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren
Nachteilen rückgängig gemacht werden kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten
und des Verwaltungsgerichts liegt ein solcher Fall hier vor.
36 Der Senat hat mit Urteil vom 16.2.2012 - 2 S 2983/11 - (juris) entschieden, dass ein
Verbrauch der Leistung vorliegt, wenn die von der Beklagten bewilligten und gewährten
Kassenleistungen bestimmungsgemäß verwendet und zur Begleichung der Rechnungen
eines behandelnden Arztes eingesetzt werden (vgl. auch OVG Nordrh.-Westf., Beschluss
vom 5.7.2007 - 6 A 4961/05 -; VG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2011 - 26 K 444/11 -; VG
Minden, Urteil vom 2.11.2005 - 4 K 151/04 - jeweils juris). In einer anderen Entscheidung
hat der Senat (Beschluss vom 23.7.2012 - 2 S 1117/12 - juris) in erster Linie darauf
abgestellt, ob der Empfänger der Leistungen die Beträge restlos für seine laufenden
Lebensbedürfnisse verbraucht oder sich damit noch in seinem Vermögen vorhandene
Werte oder Vorteile verschafft hat. Dabei hat er sich auch auf die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts für die Überzahlung von Gehalts- und Versorgungsbezügen
von Beamten bezogen, wonach regelmäßig ein Wegfall der Bereicherung anzunehmen
ist, wenn der Beamte die zu viel gezahlten Bezüge zur Verbesserung seiner allgemeinen
Lebenshaltung verwendet hat, ohne dass von reinen Luxusausgaben die Rede sein kann
(BVerwG, Urteil vom 10.10.1961 - VI C 25.60 - BVerwGE 13, 107).
37 Ob an dieser Rechtsprechung zum Begriff des Verbrauchs grundsätzlich festzuhalten ist
und sie ausnahmslos auf alle Fälle der Bewilligung von Beihilfe- oder Kassenleistungen
anzuwenden ist, kann dahinstehen. Denn hier liegt jedenfalls deshalb (auch) ein Regelfall
i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG vor, weil die Klägerin eine schutzwürdige
Vermögensdisposition getroffen hat, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Unter einer Vermögensdisposition im Sinne dieser Vorschrift ist jedes Verhalten zu
verstehen, das in ursächlichem Zusammenhang mit dem begünstigenden Verwaltungsakt
steht und Auswirkungen auf die Vermögenssituation des Betroffenen hat, d.h. jegliches
Tun, Dulden oder Unterlassen, dem subjektiv das Vertrauen auf den Bestand des
Verwaltungsakts zugrundeliegt und das objektiv im Fall der Rücknahme des
Verwaltungsakts als wirtschaftlich nachteilig anzusehen ist (vgl. etwa OVG Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 9.5.2011 - 1 A 88/08 - juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom .4.2013
- 2 S 264/13 -). Dispositionen in diesem Sinne sind insbesondere auch eingegangene
vertragliche Verpflichtungen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 48 Rn. 109).
Dabei kann eine schutzwürdige Vermögensdisposition unter Umständen auch schon dann
vorliegen, wenn der Betroffene im Vertrauen auf die zukünftige Bewilligung einer Leistung
im Vorgriff Verpflichtungen eingeht, die nicht mehr rückgängig zu machen sind (vgl. OVG
Hamburg, Urteil vom 27.3.1987 - Bf I 33/86 - NVwZ 1988, 73). Im Falle einer vertraglichen
Verpflichtung ist es unmöglich, sie rückgängig zu machen, wenn sie nicht mehr
aufgehoben oder gekündigt werden kann (Kopp/Ramsauer, aaO., Rn. 110).
38 Wenn ein (gutgläubiger) Beihilfeberechtigter einen Behandlungsvertrag mit einem Arzt
abschließt, trifft er im Regelfall eine schutzwürdige Vermögensdisposition in diesem
Sinne. Er handelt dabei nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig im Vertrauen
darauf, die dadurch entstehenden Aufwendungen im Nachhinein von der Beihilfestelle
oder der Krankenkasse ersetzt zu bekommen. Die mit dem Abschluss des
Behandlungsvertrags verbundene Vermögensdisposition ist auch nicht mehr rückgängig
zu machen, selbst wenn die Beihilfestelle oder die Kasse die Erstattung der
Aufwendungen im Nachhinein ablehnt. Dieser besonderen Interessenlage ist auch dann
Rechnung zu tragen, wenn sich ein Bewilligungsbescheid im Nachhinein als rechtswidrig
erweist und sich die Frage stellt, ob er zurückgenommen werden kann. Denn der
Betroffene hat nach Rücknahme der Bewilligung weder die Möglichkeit, den Abschluss
des Behandlungsvertrags „ex tunc“ rückgängig zu machen, noch kann er Zahlungen, die
er auf der Grundlage eines wirksamen Behandlungsvertrags an den Arzt geleistet hat, von
diesem zurückfordern. Dies gebietet es nach der Überzeugung des Senats, im Falle der
Gutgläubigkeit des Betroffenen von einer schutzwürdigen Vermögensdisposition i.S.d. §
48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auszugehen.
39 Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin erfüllt. Soweit sie gutgläubig (s. hierzu
sogl. unter 3.) im Vertrauen auf eine spätere Erstattung Behandlungsverträge mit einem
Privatarzt abgeschlossen hat, befindet sie sich in Bezug auf die streitgegenständlichen
Kassenleistungen der Beklagten in derselben Situation wie ein Beihilfeberechtigter
gegenüber der für die Bewilligung von Beihilfe zuständigen Behörde.
40 3. Der Begünstigte kann sich gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG auf Vertrauen nicht
berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober
Fahrlässigkeit nicht kannte. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit im Sinne eines
„Kennenmüssens“ muss sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut wie auch nach dem
Zweck der Regelung in § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG auf die Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsakts beziehen. Die bloße Kenntnis der Tatsachen oder Vorgänge, die die
Rechtswidrigkeit begründen, genügt dagegen nicht. Die Unkenntnis ist grob fahrlässig,
wenn der Betroffene im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre - wie sie auch
das Strafrecht kennt - erkennen konnte und musste, dass der Verwaltungsakt „nicht richtig“
sein kann (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 48 Rn. 122).
41 a) Nach diesem Maßstab war es für die Klägerin bei den ersten im Jahr 2008 erfolgten
ärztlichen Behandlungen durch Dr. D. ohne weiteres erkennbar, dass die
Leistungsgewährungen der Beklagten nicht der Rechtslage entsprachen und deshalb auf
einem Versehen beruhten.
42 Angesichts des - z.T. erst im Berufungsverfahren vorgelegten - Schriftwechsels aus dem
Jahr 2005 und der teilweise in den Jahren 2006 und 2007 erfolgten Ablehnung von
Kassenleistungen durch die Beklagte musste der Klägerin anfangs bewusst gewesen
sein, dass sie keinen Anspruch auf Kassenleistungen für die durch Dr. D. durchgeführten
Behandlungen hatte. Im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre musste es sich
ihr geradezu aufdrängen, dass die ersten Bewilligungen von Kassenleistungen „nicht
richtig“ sein konnten. Daher musste sie bei Eingehen der Behandlungsverträge, die den
Leistungsabrechnungen vom 18.4.2008, vom 3.7.2008 und vom 6.10.2008 zugrunde
lagen, davon ausgehen, für diese Behandlungen keinen Anspruch auf Kassenleistungen
zu haben.
43 b) Anders stellt sich dies jedoch für die folgenden Leistungsabrechnungen dar. Nachdem
die Beklagte der Klägerin dreimal Kassenleistungen ohne Vorbehalt bewilligt und diese
ständige Verwaltungspraxis fast über drei Jahre hinweg von 2008 bis 2011 beibehalten
hatte, musste es sich der Klägerin nach den ihr erkennbaren Umständen nicht mehr
aufdrängen, dass es sich hierbei nur um ein Versehen gehandelt hat. Ein Bürger, der sich
auf eine ständige Verwaltungspraxis verlässt, handelt im Regelfall nicht grob fahrlässig
(vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 48 Rn. 125). Bei einem derart langen Zeitraum
erweckt die konsequente Bewilligung von Kassenleistungen aus der Sicht des
Betroffenen, der die internen Verhältnisse der Beklagten nicht kennt, nicht mehr den
Anschein eines bloßen Versehens, sondern den Eindruck, dass die Beklagte ihre
Verwaltungspraxis - entgegen der noch in den Vorjahren vertretenen Ansicht - bewusst
geändert hat.
44 Zugunsten der Klägerin ist auch zu berücksichtigen, dass diese Bewilligungen jeweils
nach einer Einzelfallprüfung der eingereichten Belege erfolgt sind. Anders als bei einer
fortlaufenden Gehaltszahlung, die von der auszahlenden Stelle nicht jedes Mal erneut auf
ihre Richtigkeit überprüft wird, erweckt in einem solchen Fall die wiederholte bewusste
Bewilligung einer Leistung aus der Sicht des Betroffenen nicht mehr den Anschein eines
bloßen Irrtums.
45 Damit ist eine Situation gegeben, die mit der im Bereich des Arbeitsrechts anerkannten
Rechtsfigur der sog. „betrieblichen Übung“ vergleichbar ist (vgl. BAG, Urteil vom 24.3.2010
- 10 AZR 43/09 - DB 2010, 1464 m.w. Nachw.). Unter einer betrieblichen Übung ist die
regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen,
aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder
Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Entscheidend für die daraus resultierende
Bindung des Arbeitgebers ist dabei letztlich nicht dessen Verpflichtungswille, sondern der
Vertrauensschutz des Arbeitnehmers. Maßgeblich ist folglich, wie der
Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und
Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen
musste und durfte. Im Falle der dreimaligen vorbehaltlosen Gewährung jährlicher
Leistungen wird daher regelmäßig eine betriebliche Übung angenommen.
46 c) In Bezug auf die letzte Leistungsabrechnung vom 26.7.2011 gilt dasselbe. Diese
Leistungsabrechnung ist zwar erst erfolgt, nachdem die Beklagte mit Bescheid vom
5.7.2011 die früheren Leistungsabrechnungen bereits zurückgenommen hatte. Die am
1.7.2011 durchgeführte Behandlung hat indes noch stattgefunden, bevor die Beklagte mit
Bescheid vom 5.7.2011 dem zuvor bestehenden guten Glauben der Klägerin den Boden
entzogen hat, sodass sie bei Abschluss des Behandlungsvertrags noch nicht „bösgläubig“
gewesen ist.
47 3. Soweit die Voraussetzungen einer Rücknahme hiernach gegeben sind, hat die
Beklagte das ihr im Rahmen des § 48 VwVfG eingeräumte Ermessen in rechtlich nicht zu
beanstandender Weise ausgeübt. Insoweit kann im Einzelnen auf die
verwaltungsgerichtliche Entscheidung Bezug genommen werden. Die Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts zu Rückforderungen nach § 12 Abs. 2 BBesG, wonach in
der Regel von einer Rückforderung teilweise abzusehen ist, wenn der Grund für die
Überzahlung allein im behördlichen Verantwortungsbereich liegt (BVerwG, Urteile vom
26.4.2012 - 2 C 4.11 - und - 2 C 15.10 - NVwZ-RR 2012,930), lässt sich nicht auf eine auf
§ 48 VwVfG gestützte Rücknahme der Bewilligung von Kassenleistungen durch die
Beklagte übertragen. Bei § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG handelt es sich erkennbar um eine
Spezialvorschrift, die auf die besondere Situation einer Überzahlung von Bezügen im
Rahmen eines Beamtendienstverhältnisses zugeschnitten und auf andere Sachverhalte
nicht übertragbar ist. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass - anders als die
ausdrückliche Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG - die hier anwendbare Vorschrift des
§ 48 VwVfG keine Billigkeitsentscheidung vorsieht. Zudem wird im Rahmen des § 48
VwVfG einer besonderen Schutzwürdigkeit des Leistungsempfängers bereits bei der
Prüfung der Rücknahmevoraussetzungen angemessen Rechnung getragen, wie gerade
der vorliegende Fall deutlich zeigt.
48 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO
genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
49
Beschluss vom 16. Mai 2013
50 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.405,42 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3
GKG).
51 Der Beschluss ist unanfechtbar.