Urteil des VG Stuttgart vom 28.02.2013

VG Stuttgart: wahrung der frist, rechtliches gehör, zustellung, vollziehung, abend, leistungsklage, erlass, nichterfüllung, öffentlich, effektivität

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 28.2.2013, 10 S 81/13
Leitsätze
1. Die Bestimmung des § 172 VwGO ist nicht für alle Fälle der Vollstreckung aus einer
einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO als abschließende Sonderregelung heranzuziehen.
Vielmehr richtet sich die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung, die eine nicht vertretbare
Handlungspflicht auferlegt, nach § 167 VwGO i.V.m. den Bestimmungen des 8. Buches der
Zivilprozessordnung (Fortführung von Senatsbeschluss vom 29.08.2012 - 10 S 1085/12 - DÖV
2013, 40).
2.1 Die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO gilt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO auch für die
Vollziehung einstweiliger Anordnungen; die Frist beginnt bei einer Verpflichtung zum aktiven
Tun bereits mit Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Vollstreckungsgläubiger.
2.2 Die Vollziehungsfrist wird zwar nicht durch die Amtszustellung einer nicht verkündeten
einstweiligen Anordnung an den Vollstreckungsschuldner gewahrt; eine auf Betreiben des
Gläubigers erfolgte Parteizustellung an den Schuldner stellt jedoch ein geeignetes Mittel zur
Wahrung der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO jedenfalls in Fällen dar, in denen die einstweilige
Anordnung in einem Gebot oder Verbot an den Vollstreckungsschuldner besteht.
3. Der Erfüllungseinwand ist auch in einem Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO zu
berücksichtigen; der Vollstreckungsschuldner ist dabei nicht auf den Vortrag unstreitiger
Tatsachen oder die Verwendung liquider Beweismittel beschränkt.
Tenor
Die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Karlsruhe vom 20. August 2012 - 4 K 1386/12 - wird zurückgewiesen.
Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 20.08.2012, durch den sein Antrag, der
Vollstreckungsschuldnerin „zur Erzwingung der ihr nach dem Beschluss des Senats vom
06.03.2012 - 10 S 2428/11 - auferlegten unvertretbaren Handlung, die notwendigen
Vorkehrungen zu treffen, um die nicht bestimmungsgemäße Nutzung (Missbrauch) des
Spielplatzes in der ... durch Jugendliche und Erwachsene zu unterbinden, ein Zwangsgeld
bis zu 25.000,--EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann,
ersatzweise Zwangshaft von bis zu 6 Monaten festzusetzen“, abgelehnt wurde, ist gemäß
§§ 146, 147 VwGO zulässig; sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die in der
Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der
Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine
Änderung des angefochtenen Beschlusses.
2 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sich die Vollstreckung
der vom Senat mit Beschluss vom 06.03.2012 (10 S 2428/11 - VBlBW 2012, 469)
erlassenen einstweiligen Anordnung auf Unterbindung der nicht bestimmungsgemäßen
Nutzung des Spielplatzes durch Jugendliche und Erwachsene nach § 888 ZPO richtet
(dazu unter 1.). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die einstweilige
Anordnung nicht mangels Wahrung der einmonatigen Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2
ZPO unwirksam geworden (dazu unter 2.). Dem Begehren des Vollstreckungsgläubigers
steht jedoch entgegen, dass die Vollstreckungsschuldnerin die ihr im Erkenntnisverfahren
auferlegten Verpflichtungen erfüllt hat (dazu unter 3.). Soweit der Vollstreckungsgläubiger
einen Verstoß gegen Verfahrensrecht im erstinstanzlichen Vollstreckungsverfahren durch
das Verwaltungsgericht rügt, dringt er damit nicht durch (dazu unter 4.).
3 1. Die vom Senat mit Beschluss vom 06.03.2012 im Beschwerdeverfahren erlassene
einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO ist ein Vollstreckungstitel (§ 168 Abs. 1 Nr. 2
VwGO) und vorläufig vollstreckbar. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht auch davon
ausgegangen, dass sich die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung, die - wie hier -
eine nicht vertretbare Handlungspflicht auferlegt, nach § 167 VwGO i.V.m. § 888 ZPO und
nicht nach § 172 VwGO richtet. Denn § 172 VwGO ist nicht für alle Fälle der Vollstreckung
aus einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO als abschließende Sonderregelung
heranzuziehen (so auch Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.01.2010 - 2
VO 327/08 - ThürVBl 2010, 230; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.06.2003 - 4
S 118/03 - NVwZ-RR 2004, 393; a.A. Hess.VGH, Beschluss vom 07.09.2004 - 10 TG
1498/04 -ESVGH 55, 122; Pietzner/Möller in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 21.
Ergänzungslieferung Juni 2011, RdNr. 18 zu § 172 - mit zahlreichen weiteren
Nachweisen). Die Bestimmung gilt bereits nach ihrem Wortlaut nur in den Fällen des §
113 Abs. 1 und 5 VwGO sowie des § 123 VwGO, also nur hinsichtlich der Vollstreckung
von Entscheidungen im Zusammenhang mit Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen im
Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO, die das Ergehen eines Verwaltungsaktes voraussetzen. Die
gleichzeitig genannten Fälle „des § 123“ sind dementsprechend nur Fälle einstweiliger
Anordnungen, die auf eine bereits erhobene oder noch zu erhebende Verpflichtungsklage
bezogen sind. Eine allgemeine Leistungsklage, mit der die hier in Rede stehenden
Verhaltenspflichten im Hauptsacheverfahren zu verfolgen sind, wird von § 172 VwGO
indes nicht erfasst. Für die Vollstreckung von Urteilen, die auf eine allgemeine
Leistungsklage hin ergangen sind, gilt bei der gebotenen engen Auslegung des § 172
VwGO nicht diese Vorschrift, sondern gemäß der Verweisung in § 167 Abs. 1 VwGO das
Vollstreckungsrecht der ZPO, für den hier in Rede stehenden Fall der Erzwingung einer
unvertretbaren Handlung also die Vorschrift des § 888 ZPO. § 172 VwGO stellt gerade
keine allgemeine Norm für die Erzwingung behördlichen Verhaltens, sondern lediglich
eine Sonderregelung für die dort genannten Fälle dar, die ausdrücklich nur die
Erzwingung oder Rückgängigmachung der Folgen von Verwaltungsakten zum
Gegenstand haben. Da zudem § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 888 ZPO ein gerade für mit der
allgemeinen Leistungsklage zu verfolgende Verhaltenspflichten taugliches
Vollstreckungsinstrumentarium zur Verfügung stellt, fehlt es auch an einer
ausfüllungsfähigen und -bedürftigen Lücke, die durch eine entsprechende Anreicherung
des Bedeutungsgehalts des § 172 VwGO zu schließen wäre (vgl. hierzu Senatsbeschluss
vom 29.08.2012 - 10 S 1085/12 - DÖV 2013, 40 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Um einen aus systematischen und Rechtsschutzgründen gebotenen Gleichklang von
Vollstreckungen in der Hauptsache und im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu
gewährleisten, sind deshalb auch im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegebene
nicht vertretbare Handlungspflichten nach der zivilprozessualen Vorschrift des § 888 ZPO
zu vollstrecken (vgl. hierzu eingehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom
18.01.2010 - 2 VO 327/08 - a.a.O.).
4 2. Zu Unrecht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der
Vollstreckungsgläubiger die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO - diese Bestimmung gilt nach §
123 Abs. 3 VwGO für den Erlass einstweiliger Anordnungen entsprechend - habe
verstreichen lassen. Danach ist die Vollziehung einer einstweiligen Anordnung unstatthaft,
wenn seit dem Tag, an dem diese verkündet oder dem Vollstreckungsgläubiger zugestellt
wurde, ein Monat verstrichen ist. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht freilich
angenommen, dass die Vollziehungsfrist für die Vollstreckung einer einstweiligen
Anordnung bei der gerichtlichen Verpflichtung zum aktiven Tun bereits mit Zustellung des
Anordnungsbeschlusses an den Vollstreckungsgläubiger anläuft. Soweit teilweise
vertreten wird, die Monatsfrist werde unter bestimmten Voraussetzungen erst später in
Gang gesetzt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.09.1983 - 9 S 1924/83 -
VBlBW 1984, 150) ist dem angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 929 Abs. 2 ZPO
nicht zu folgen (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 16.02.2009 - 4 M 463/08 - NVwZ
2009, 855; Hess.VGH, Beschluss vom 07.09.2004 - 10 TG 1498/04 - a.a.O; BayVGH,
Beschluss vom 13.03.2003 - 4 C 03.640 - BayVBl 2004, 247).
5 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die mit der Zustellung des
stattgebenden Beschlusses an den Vollstreckungsgläubiger am 08.03.2012 angelaufene
Monatsfrist durch ausreichende Vollzugsmaßnahmen des Vollstreckungsgläubigers
gewahrt worden. Zwar reichte dazu die von Amts wegen erfolgte Zustellung des
Senatsbeschlusses an die Vollstreckungsschuldnerin nicht aus (vgl. hierzu näher
Oberverwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 16.02.2009 - 4 M 463/08 - a.a.O.). Die
Amtszustellung ist Wirksamkeitserfordernis der nicht verkündeten einstweiligen
Anordnung und kann deshalb nicht zugleich deren Vollziehung dienen. Der
Amtszustellung fehlt auch das „spezifisch vollstreckungsrechtliche Element“, dass der
Gläubiger tätig wird und von dem Titel Gebrauch macht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt
BGH, Urteil vom 22.10.1992 - IX ZR 36/92 - BGHZ 120, 73). Normzweck des § 929 Abs. 2
ZPO ist es - auch im Rahmen der entsprechenden Anwendung nach § 123 Abs. 3 VwGO -,
den Vollstreckungsgläubiger anzuhalten, umgehend dem Schuldner Klarheit zu
verschaffen, ob er von der Anordnung Gebrauch machen will. Außerdem soll eine
Vollziehung verhindert werden, die zu einem späteren Zeitpunkt unter möglicherweise
wesentlich veränderten Umständen erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.1988 - 1
BvR 549/87 - NJW 1988, 3141). Schließlich muss es im Hinblick auf den durch § 123 Abs.
3 VwGO i.V.m. § 945 ZPO normierten Schadensersatzanspruch dem Gläubiger
überlassen bleiben, ob die erwirkte Anordnung vollzogen werden soll oder nicht. Daher ist
auf jeden Fall für den Vollzug bzw. den Beginn des Vollzugs eine Maßnahme des
Gläubigers erforderlich, durch die er für den Schuldner erkennbar seinen Willen kund gibt,
von dem Titel Gebrauch zu machen. Andernfalls würde der Vollstreckungsgläubiger von
Amts wegen dem Schadensersatzrisiko des § 945 ZPO ausgesetzt und seine
Verfahrensherrschaft missachtet.
6 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stellt die von dem
Vollstreckungsgläubiger am 13.03.2012 bewirkte Parteizustellung der einstweiligen
Anordnung im Wege der Zustellung von Anwalt zu Anwalt einen ausreichenden
Vollzugsakt dar. Soweit - wie hier - die einstweilige Anordnung in einem Gebot oder
Verbot an den Vollstreckungsschuldner besteht, ist sie mit der auf Betreiben des
Gläubigers erfolgten Parteizustellung an den Schuldner vollzogen (vgl. OVG Münster,
Beschluss vom 14.01.1992 - 1 E 1474/91.PVL -juris; Pietzner/Möller, a.a.O., RdNr. 38 zu §
172; Grunsky in: Stein/Jonas, Zivilprozessordnung, 21. Aufl. 1996, RdNr. 30 zu § 938
ZPO). Eine solche Zustellung, gerade wenn sie keine notwendige Voraussetzung einer
Vollstreckung darstellt, ist ein geeignetes Mittel zur Wahrung der Frist des § 929 Abs. 2
ZPO. Der Vollstreckungsgläubiger hat mit diesem Akt hinreichend deutlich und in einem
formalen Verfahren überprüfbar klargestellt, dass er von der einstweiligen Anordnung
Gebrauch machen und sich dem Risiko der in § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 945 ZPO
normierten verschuldensunabhängigen Schadensersatzpflicht aussetzen will. In einer
derartigen Konstellation wäre es überflüssig, den Gläubiger zu weitergehenden
Vollstreckungsmaßnahmen nach § 888 ZPO zu zwingen, nur um die Frist des § 929 Abs.
2 ZPO zu wahren. Nach alldem macht die Beschwerde zu Recht geltend, dass entgegen
der Auffassung des Verwaltungsgerichts hier die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO
gewahrt ist.
7 Die von der Beschwerde hilfsweise begehrte Feststellung dieser Rechtslage im
Entscheidungstenor kommt indes nicht in Betracht. Dieses Begehren ist auf die isolierte
Feststellung einzelner Rechtsfragen gerichtet, für die regelmäßig kein
Rechtsschutzinteresse besteht (vgl. hierzu Happ in: Eyermann,
Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl. RdNr. 16 zu § 43 VwGO). Im Übrigen sind die
wesentlichen Begründungselemente einer antragsabweisenden Entscheidung zur
Auslegung des Entscheidungstenors heranzuziehen, so dass ein etwaiger zukünftiger
Aufhebungsantrag der Vollstreckungsschuldnerin unter Hinweis auf § 929 Abs. 2 ZPO
erfolglos bleiben dürfte.
8 3. Der Vollstreckungsantrag hat jedoch deshalb keinen Erfolg, weil die
Vollstreckungsschuldnerin die ihr mit der einstweiligen Anordnung vom 06.03.2012
auferlegten Handlungspflichten vollständig erfüllt hat. Auch eine Zwangsvollstreckung
nach § 167 VwGO i.V.m. § 888 ZPO setzt voraus, dass die Behörde der ihr im
Vollstreckungstitel auferlegten Verpflichtung entweder überhaupt nicht nachgekommen ist
oder sie die titulierte Pflicht nur unzureichend erfüllt hat. Entgegen der Auffassung der
Beschwerde ist der Erfüllungseinwand auch in einem Vollstreckungsverfahren nach § 888
ZPO zu berücksichtigen, wobei die Vollstreckungsschuldnerin nicht auf den Vortrag
unstreitiger Tatsachen oder die Verwendung liquider Beweismittel beschränkt ist. Der
Erfüllungseinwand des Schuldners ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(Beschluss vom 05.11.2004 - IXa - ZB 32/04 - BGHZ 161, 67) in auf die Vornahme von
vertretbaren Handlungen gerichteten Vollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO zu
berücksichtigen. Der Senat schließt sich der herrschenden Rechtsprechung der
Oberlandesgerichte an, wonach die vom Bundesgerichtshof angestellten Erwägungen zur
Berücksichtigungsfähigkeit des Erfüllungseinwandes auch auf das Verfahren nach § 888
ZPO zu übertragen sind (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 07.06.2010 - 7 W 13/10 -
juris).
9 Für diese Auffassung sprechen der Wortlaut von §§ 887 und 888 ZPO sowie Gründe der
Prozessökonomie. Schon der Wortlaut des § 887 ZPO macht deutlich, dass die
Nichterfüllung der geschuldeten Handlung eine tatbestandliche Voraussetzung für den
Erlass des Ermächtigungsbeschlusses im Sinne dieser Vorschrift ist. Die anders lautende
Formulierung des § 888 ZPO steht diesem Verständnis nicht entgegen. Im
Zusammenhang mit § 887 ZPO gelesen, lässt sich die Vorschrift unschwer dahin
verstehen, dass an das Merkmal der Nichterfüllung in § 887 ZPO angeknüpft und nur der
unterschiedliche Anwendungsbereich deutlich hervorgehoben wird. Die Erheblichkeit des
Erfüllungseinwands in Verfahren nach § 888 ZPO entspricht auch der Annahme des
Gesetzgebers, der die Kostenvorschrift des § 891 Satz 3 ZPO mit der 2.
Zwangsvollstreckungsnovelle vom 17.12.1997 (BGBl. I S. 3039) neu gefasst hat, „um der
Möglichkeit Rechnung zu tragen, dass Vollstreckungsanträge des Gläubigers nur teilweise
erfolgreich sind, z.B. wenn der Schuldner nachweist, dass er die vertretbare oder
unvertretbare Handlung teilweise erfüllt hat ...“ (vgl. die Entwurfsbegründung in BT-Drs.
13/341 S. 41). Im Übrigen kann die Prüfung des Erfüllungseinwands im
Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO prozessökonomisch sinnvoll sein, da bei
diesem Verständnis Vollstreckungsabwehrklagen gemäß § 767 ZPO bzw. Anträge auf
Vollstreckungsaufschub nach § 769 ZPO vermieden werden. Gerade da hier das
Verwaltungsgericht des ersten Rechtszugs Vollstreckungsorgan ist, führt die
Berücksichtigung des Erfüllungseinwandes im Vollstreckungsverfahren zu einer
prozessökonomisch sinnvollen endgültigen Klärung des Rechtsstreits.
10 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass die
Vollstreckungsschuldnerin der ihr mit Senatsbeschluss vom 06.03.2012 auferlegten
Verpflichtungen hinreichend nachgekommen ist. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich in
erster Linie nach dem Beschlusstenor, bei Unklarheiten sind zur Auslegung jedoch auch
die Entscheidungsgründe heranzuziehen. Zwar ergibt sich die in Rechtskraft (§ 121 Nr. 1
VwGO) erwachsende Verpflichtung regelmäßig bereits aus der Entscheidungsformel
eines zusprechenden Beschlusses. Reicht der Tenor jedoch allein nicht aus, die
inhaltliche Reichweite des Beschlusses zu ermitteln, müssen zu seiner Auslegung die
Entscheidungselemente (insbesondere Entscheidungsgründe und der dem Beschluss
zugrunde liegende Antrag) herangezogen werden, auch wenn diese für sich gesehen
nicht an der Rechtskraft teilnehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2011 - 8 C 15.10 - LKV
2012, 34).
11 Nach dem Beschlusstenor ist die Vollstreckungsschuldnerin gehalten, „die notwendigen
Vorkehrungen zu treffen, um die nicht bestimmungsgemäße Nutzung (Missbrauch) des
Spielplatzes in der ... gegenüber dem Anwesen des Antragstellers durch Jugendliche und
Erwachsene zu unterbinden.“ Dieser Tenor ist bei der gebotenen objektiven Auslegung
hinreichend bestimmt. Auch die Verwendung der Formulierung „notwendigen
Vorkehrungen“ führt nicht zur Unbestimmtheit des Beschlusstenors. Diese Formulierung
erklärt sich damit, dass die Entscheidung darüber, welche Maßnahmen die
Vollstreckungsschuldnerin zur Erreichung der geforderten Ziele ergreift, in ihrem alleinigen
Ermessen steht. Denn der öffentlich-rechtliche Abwehranspruch, den der
Vollstreckungsgläubiger im Wege der einstweiligen Anordnung im Erkenntnisverfahren
verfolgt hat, gewährt dem Störungsbetroffenen regelmäßig keinen Anspruch auf bestimmte
Maßnahmen. Folglich können auch im Tenor keine bestimmten Maßnahmen aufgegeben
werden (vgl. zu diesem Aspekt ausdrücklich S. 13 des Beschlussabdrucks 10 S 2428/11).
Es reicht daher aus, wenn - wie hier - das mit den Maßnahmen zu verfolgende Ziel
hinreichend bestimmt bzw. im Wege der Auslegung bestimmbar ist. Zutreffend hat das
Verwaltungsgericht den im Erkenntnisverfahren erlassenen Beschluss des Senats vom
06.03.2012 auch dahingehend verstanden, dass die Vollstreckungsschuldnerin die
missbräuchliche Benutzung des Spielplatzes lediglich insoweit zu unterbinden hat, als
hiervon unzumutbare Lärmeinwirkungen gerade für den Vollstreckungsgläubiger
ausgehen. Dies folgt bereits zwanglos daraus, dass der Senat ausweislich der
Beschlussgründe die einstweilige Anordnung gerade dazu erlassen hat, um den
Vollstreckungsgläubiger vor nicht zumutbaren schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne
von § 22 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG zu schützen (vgl. S. 12 des
Beschlussabdrucks); nur in diesem Umfang besteht auch ein öffentlich-rechtlicher
Abwehranspruch gegen Geräuschimmissionen.
12 Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die von dem Vollstreckungsgläubiger geltend
gemachten Verstöße nicht geeignet anzunehmen, die Vollstreckungsschuldnerin sei ihrer
Verpflichtung aus dem Senatsbeschluss vom 06.03.2012 nicht hinreichend
nachgekommen. Der Senat geht dabei zu Gunsten des Vollstreckungsgläubigers davon
aus, dass die im Vollstreckungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht glaubhaft
gemachten zehn Verstöße ganz überwiegend mit erheblichen und deshalb nicht mehr
hinzunehmenden Geräuschimmissionen verbunden waren. Gleiches gilt für die von dem
Vollstreckungsgläubiger im Beschwerdeverfahren vorgetragenen und mit einstweiligen
Versicherungen belegten weiteren ca. 20 Verstöße, sofern der Antragsteller nicht (wie
etwa bei den Verstößen am 03.08.2012 und 07.08.2012) selbst vorträgt, dass lediglich
untergeordnete Geräuschimmissionen zu verzeichnen waren. Jedenfalls im
gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist den Einwendungen der
Vollstreckungsschuldnerin, wonach sich die Verstöße nach den Beobachtungen des
Nachbarn Dr. I. so nicht zugetragen haben können, nicht weiter nachzugehen.
13 Denn auch wenn die von dem Vollstreckungsgläubiger geltend gemachten Verstöße
zugrunde gelegt werden, hat die Vollstreckungsschuldnerin die ihr mit dem
Senatsbeschluss auferlegten Verpflichtungen noch erfüllt. Zwar muss die im Wege der
einstweiligen Anordnung verpflichtete Vollstreckungsschuldnerin ihren Verpflichtungen
effektiv nachkommen, sie schuldet aber nicht den sofortigen Erfolg dieser Bemühungen.
Da ihr von dem Senat keine bestimmten Maßnahmen auferlegt worden sind, steht es ihr
frei, nach ihrem Ermessen darüber zu befinden, auf welche Weise sie den Verpflichtungen
nachkommen will. Dieser Ermessensspielraum bedingt, dass sie zunächst bestimmte
Maßnahmen ausprobieren und auf ihre Eignung und Effektivität überprüfen darf - sofern es
sich nicht um ersichtlich ungeeignete Maßnahmen handelt -, um sodann nach Auswertung
gegebenenfalls andere Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Zusammenhang hat der
Senat in dem zugrunde liegenden Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die
Vollstreckungsschuldnerin „zunächst versuchen dürfe, ob die derzeit nicht zumutbaren
Missstände durch regelmäßige und engmaschige Kontrollen auch und gerade zur Abend-
und Nachtzeit beseitigt werden können“ (vgl. S. 13 des Beschlussabdrucks 10 S 2428/11).
14 Diesen Vorgaben ist die Vollstreckungsschuldnerin gerecht geworden. Aus den von ihr
vorgelegten Aufzeichnungen ergibt sich, dass Bedienstete der Vollstreckungsschuldnerin
regelmäßig - über weite Zeiträume fast täglich - den Spielplatz zu unterschiedlichen
Tageszeiten kontrolliert haben; gerade in den Sommermonaten wurden Kontrollen auch in
den späten Abend- bzw. Nachtstunden durchgeführt. Bei der weit überwiegenden Anzahl
der Kontrollen wurden dabei keine, ansonsten allenfalls geringfügige Missbräuche des
Spielplatzes durch Jugendliche bzw. Erwachsene festgestellt. Diese von der
Vollstreckungsschuldnerin dokumentierten Kontrollen schließen naturgemäß nicht aus,
das es zu den vom Vollstreckungsgläubiger geltend gemachten vereinzelten
Missbrauchssituationen gekommen ist. Selbst bei Zugrundelegung des Sachvortrags des
Vollstreckungsgläubigers kann derzeit jedoch keine Rede davon sein, dass sich die von
der Vollstreckungsschuldnerin eingeleiteten Kontrollmaßnahmen als wirkungslos
erwiesen haben. Deshalb ist die Vollstreckungsschuldnerin nach Maßgabe der
Ausführungen auf S. 13 des Senatsbeschlusses vom 06.03.2012 noch nicht gehalten,
über die Kontrollen hinausgehende zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.
Dabei ist insbesondere auch zu beachten, dass die Effektivität des von der
Vollstreckungsschuldnerin eingeschlagenen Weges, Verstöße über engmaschige
Kontrollen zu unterbinden, erst nach einem längeren Zeitraum überprüft werden kann. So
werden vor allem die Jugendlichen, die den Spielplatz in den Abend- bzw. Nachstunden
missbräuchlich nutzen, erst nach einer gewissen Zeit realisieren, dass sie mit Kontrollen
und Verweisen vom Spielplatzgelände zu rechnen haben. Im Übrigen weist die
Vollstreckungsschuldnerin zu Recht darauf hin, dass sich einzelne Verstöße mit
zumutbaren Maßnahmen kaum verhindern lassen werden.
15 4. Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Vollstreckungsgläubigers, das Verwaltungsgericht
habe sein rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch
verletzt, dass es keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Schriftsatz der
Vollstreckungsschuldnerin vom 14.08.2012 und der damit vorgelegten Aufzeichnungen
des Nachbarn Dr. I. gewährt habe. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese
Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts rechtlich zu beanstanden ist. Unabhängig
hiervon käme die Gewährung von Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren selbst bei einer
Verletzung des grundrechtlich gewährleisteten rechtlichen Gehörs des
Vollstreckungsgläubigers nicht in Betracht. Denn die Beschwerde hat in diesem Verfahren
lediglich dann Erfolg, wenn sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts inhaltlich als
nicht richtig erweist (vgl. den Rechtsgedanken des § 144 Abs. 4 VwGO). Ein etwaiger
Gehörsverstoß wird daher im Beschwerdeverfahren geheilt.
16 Im Übrigen macht die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des
rechtlichen Gehörs im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe die
Ausführungen des Vollstreckungsgläubigers fehlerhaft dahingehend gewürdigt, dass bei
der überwiegenden Anzahl der geltend gemachten Verstöße keine erheblichen
Geräuscheinwirkungen entstanden seien. Damit wird eine fehlerhafte
Sachverhaltswürdigung bzw. Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht geltend
gemacht. Das Prozessgrundrecht auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte nicht, dem
zur Kenntnis genommenen tatsächlichen Vorbringen oder der Rechtsansicht eines
Beteiligten auch in der Sache zu folgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR
894/94 - NJW 1995, 2839). Nach dem oben Gesagten geht der Senat im Gegensatz zu
dem Verwaltungsgericht im Übrigen davon aus, dass jedenfalls bei der überwiegenden
Anzahl der von dem Vollstreckungsgläubiger im erstinstanzlichen Verfahren geltend
gemachten Verstöße erhebliche Geräuscheinwirkungen entstanden sind.
17 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
18 Die Festsetzung eines Streitwerts ist entbehrlich, da eine streitwertunabhängige
Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfällt.
19 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.