Urteil des VG Stuttgart vom 08.08.2007
VG Stuttgart (kläger, bundesamt für migration, aufenthaltserlaubnis, kind, schutz der familie, ausreise, identität, beziehung, bundesrepublik deutschland, familie)
VG Stuttgart Urteil vom 8.8.2007, 2 K 3070/07
Schutz der Vater-Kind-Beziehung im Ausländerrecht
Leitsätze
1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Vater-Kind-Beziehung ein rechtliches Ausreise-hindernis im
Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG begründet.
2. Liegt ein Regelanspruch nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vor, wird auch für Asylbewerber, deren Asylantrag
als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG überwunden.
3. Ein Ausländer, der seiner Passpflicht genügt, erfüllt im Regelfall zugleich die Regelerteilungs-voraussetzung der
geklärten Identität (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG).
Tenor
Die Verfügung des Landratsamtes R. vom 05.12.2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums
Stuttgart vom 22.03.2007 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus
humanitären Gründen.
2
Der am 12.07.1980 geborene Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 28.08.2003 zur
Durchführung eines Asylverfahrens in das Bundesgebiet ein. Hierbei gab er an, „K J.“ zu heißen, am
10.09.1986 geboren zu sein und die liberianische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Mit bestandskräftig
gewordenem Bescheid vom 30.04.2004 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag
des Klägers als offensichtlich unbegründet ab und drohte ihm die Abschiebung in seinen „Herkunftsstaat“ an.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger stamme offensichtlich nicht aus Liberia; die geltend gemachten
Verfolgungsgründe lägen offensichtlich nicht vor.
3
Seit Abschluss des Asylverfahrens wird der Aufenthalt des Klägers geduldet.
4
Am 20.02.2004 wurde der Kläger wegen Handels mit Betäubungsmitteln festgenommen. Mit Urteil des
Amtsgerichts W. vom 06.07.2004 wurde er wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln (Heroin und Kokain) zu einer Jugendstrafe von 9 Monaten verurteilt, die er auch verbüßte.
Mit Verfügung vom 25.08.2004 wies das Regierungspräsidium Stuttgart daraufhin den Kläger aus dem
Bundesgebiet aus. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege ein Regelausweisungstatbestand nach § 47
Abs. 2 Nr.2 AuslG vor. Weder liege ein atypischer Fall vor noch genieße der Kläger besonderen
Ausweisungsschutz. Dieser Bescheid ist seit dem 28.09.2004 unanfechtbar.
5
Am 29.04.2006 wurde in W. der aus der Beziehung des Klägers zu einer italienischen Staatsangehörigen
hervorgegangene Sohn A. S. F. geboren. Am 11.05.2006 erkannte der Kläger in einer notariellen Erklärung die
Vaterschaft bezüglich seines Sohnes an. Gleichzeitig gab er eine notarielle Identitätserklärung ab, in welcher er
angab, nicht die im Asylverfahren angegebene Identität zu haben. Sein richtiger Name sei K. O. O. und er sei
nigerianischer Staatsangehöriger. Sein richtiges Geburtsdatum sei der 12.07.1980.
6
Mit Schreiben vom 23.05.2006 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5
AufenthG und eine Dauererlaubnis zum Besuch des Sohnes in H.. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus Art.
6 GG und Art. 8 EMRK ergebe sich ein rechtliches Abschiebungshindernis. Auf diesen Antrag teilte das
Landratsamt R. zunächst mit, dass wegen § 11 Abs. 1 S. 2 AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
selbst bei einem Rechtsanspruch nicht möglich sei. Zudem sei die wahre Identität des Klägers nach wie vor
ungeklärt, solange diese nicht durch einen Nationalpass oder durch eine legalisierte Geburtsurkunde belegt
werde.
7
Am 20.06.2006 gaben der Kläger und die Kindsmutter M. F. eine gemeinsame Sorgerechtserklärung in notariell
beurkundeter Form ab.
8
Am 02.10.2006 teilte der Kläger mit, dass er mittlerweile im Besitz eines nigerianischen Passes sei, der bei
seinem Prozessbevollmächtigten hinterlegt sei. Eine Kopie dieses Passes wurde am 27.11.2006 bei dem
Beklagten vorgelegt und zu den Akten genommen. Am 26.04.2007 erklärte der Kläger sodann, dass sein Pass
beim Anwalt verloren gegangen sei.
9
Mit Beschluss vom 15.11.2006 (6 K 2685/06) untersagte das Verwaltungsgericht Stuttgart dem Beklagten im
Wege der einstweiligen Anordnung, den Kläger vor einer rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abzuschieben.
10 Mit Bescheid vom 05.12.2006 lehnte das Landratsamt R. den Antrag des Klägers auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis ab und drohte ihm die Abschiebung nach Nigeria für den Fall an, dass er das
Bundesgebiet nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung verlassen haben sollte. Zur
Begründung wurde u.a. ausgeführt, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG lägen nicht vor. Die
Ausreise des Klägers sei weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Es sei ihm auch
im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zumutbar, zunächst seiner Ausreisepflicht nachzukommen und
dann von Nigeria aus die Befristung der Ausweisung und ein Visum zu beantragen.
11 Am 13.03.2007 hat der Kläger seine Umverteilung nach W. beantragt. Er wolle mit seiner Lebensgefährtin und
dem gemeinsamen Kind zusammenziehen.
12 Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2007 hat das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des
Klägers gegen die Verfügung vom 05.12.2006 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Kläger die
Abschiebung innerhalb eines Monats nach rechtskräftiger Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis angedroht wurde.
13 Am 19.04.2007 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, mit der er die Neubescheidung
seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt. Zur Begründung wird ausgeführt, dem Kläger
stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 5 AufenthG, zumindest jedoch ein
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zu. Die angefochtene Verfügung sei zudem bereits formell
rechtswidrig, da sie eine Abschiebungsandrohung enthalte, für die aufgrund des durchgeführten Asylverfahrens
allein das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig sei.
14 Der Kläger beantragt,
15
den Bescheid des Landratsamtes R. vom 05.12.2006 und den Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums Stuttgart vom 22.03.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über
den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts erneut zu entscheiden.
16 Der Beklagte beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18 Zur Begründung wird ausgeführt, es lägen keine Ausreisehindernisse vor. Insbesondere stünden Art. 6 GG und
Art. 8 EMRK einer Versagung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Denn diese Normen würden nur dann
die schützenswerten einwanderungspolitischen Belange überwiegen, wenn das aufenthaltsberechtigte
Familienmitglied auf die Lebenshilfe des Ausländers oder umgekehrt dieser auf die Hilfe des Familienmitglieds
angewiesen sei. Ein solcher Ausnahmefall sei aber vorliegend gerade nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich,
dass das Kind in besonderer Weise, d.h. mehr als im Regelfall, auf persönliche Beistandsleistungen des
Klägers angewiesen wäre.
19 Mit Beschluss vom 27.06.2007 hat das Gericht dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt.
20 Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Berichterstatter an Stelle der Kammer zugestimmt.
21 In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger ergänzend an, er habe am 11.07.2007 einen neuen Pass
beantragt und rechne damit, diesen in Kürze zu erhalten. Der Vertreter des Beklagten erklärte ergänzend, es
bestünden nach wie vor Zweifel an der Identität des Klägers. Die nigerianischen Behörden würden auch aus
Gefälligkeit Reisepässe ausstellen. Weitere Straftaten des Klägers seien nicht bekannt geworden. Im Falle der
Ausreise des Klägers komme in Anbetracht der Beziehung zu seinem nichtehelichen Kind eine Befristung der
Ausweisung auf zwei Monate in Betracht. Die Durchführung des Visumsverfahrens sei dem Kläger zumutbar.
22 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefallenen Gerichtsakten, die dem
Gericht vorliegenden Ausländerakten des Landratsamtes R. und auf die Widerspruchsakten des
Regierungspräsidiums Stuttgart Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23 Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter an Stelle der Kammer (§
87 a Abs. 2 und 3 VwGO).
24 Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags
auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 S.
2 VwGO). Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen das Recht des Klägers auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die
Abschiebungsandrohung ist bereits formell rechtswidrig.
I.
25 Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 5 S. 2 i.V.m. S. 1 AufenthG. Nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG kann einem Ausländer, der
vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn
seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der
Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Nach Satz 2 soll die Aufenthaltserlaubnis erteilt
werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist.
26 1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG sind erfüllt. Der als Asylbewerber
eingereiste Kläger ist seit Ablauf der im Bescheid des Bundesamtes vom 30.04.2004 gesetzten einwöchigen
Ausreisefrist vollziehbar ausreisepflichtig (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 AuslG; jetzt § 58 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG kann auch abweichend von § 11
Abs. 1 AufenthG - d.h. abweichend von der Sperrwirkung der Ausweisung - erteilt werden. Die Ausreise des
Klägers ist auch aus rechtlichen Gründen auf unabsehbare Zeit unmöglich.
27 Eine freiwillige Ausreise ist im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich,
wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen (wie etwa das Fehlen
erforderlicher Einreisepapiere für den Herkunftsstaat) oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige
Hindernisse können sich insbesondere aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u.a.
auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus
Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind. Bei Bestehen solcher
Abschiebungsverbote hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Rückführung des betroffenen
Ausländers zu unterbleiben. Dann aber ist ihm in aller Regel auch eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland
aus denselben rechtlichen Gründen nicht zuzumuten und damit unmöglich im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1
AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.2006 - 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192 = InfAuslR 2007, 4).
28 Die Ausreise des Klägers ist vorliegend im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz von Ehe und Familie) aus
rechtlichen Gründen unmöglich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art.
6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfGE 51, 386 <396 f.>; 76, 1 <47>; 80, 81
<93>). Das Grundgesetz überantwortet die Entscheidung, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen
Fremden der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werden soll, weitgehend der gesetzgebenden und der
vollziehenden Gewalt (vgl. BVerfGE 76, 1 <47 f., 51 f.>; 80, 81 <92>). Dem Ziel der Begrenzung des Zuzugs
von Ausländern darf von Verfassungs wegen erhebliches Gewicht beigemessen werden (vgl. BVerfGE 76, 1
<68>). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende
Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei
der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren)
Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten,
pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen.
Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des
Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der
Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen
angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>; 80, 81 <93>). Ausländerrechtliche Schutzwirkungen
entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon auf Grund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist
vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfGE 76, 1 <42 f.>), wobei
grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten ist. Besteht eine familiäre Lebensgemeinschaft
zwischen dem Ausländer und seinem deutschen Kind und kann diese Gemeinschaft nur in der Bundesrepublik
Deutschland verwirklicht werden, weil dem deutschen Kind wegen dessen Beziehung zu seiner Mutter das
Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen,
einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des
BVerfG vom 31.08.1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59). Gleiches muss gelten, wenn das Kind - wie
vorliegend - italienischer Staatsangehöriger und damit Unionsbürger ist und die Mutter des Kindes als
freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerin über ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügt.
29 Bei der Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung als entweder
aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder
Beistandsgemeinschaft oder aber bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche
Schutzwirkungen, zumal auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts
unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen
Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG steht (vgl. Beschluss der 2.
Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 30.01.2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, 171 <173>). Es
kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von
einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte
(vgl. BVerfGE 80, 81 <95>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 01.08.1996 - 2
BvR 1119/96 -, FamRZ 1996, 1266; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom
20.03.1997 - 2 BvR 260/97 - juris). Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass der spezifische
Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich wird (vgl.
Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 20.03.1997 - 2 BvR 260/97 - juris; Beschluss
der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31.08.1999 - 2 BvR 1523/99 - NVwZ 2000, 59). Eine
verantwortungsvoll gelebte und dem Schutzzweck des Art. 6 GG entsprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft
lässt sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem
Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch
quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale
Auseinandersetzung geprägt (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 30.01.2002
- 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, 171 <174>). Die Verfassung gewährleistet Ehe und Familie nicht abstrakt,
sondern in der verfassungsgeleiteten Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung
maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht (vgl. BVerfGE 15, 328 <332>; 31, 58 <82 f.>;
53, 224 <245>). Die Reichweite der Schutzwirkungen des Art. 6 GG wird insoweit von den das
verfassungsrechtliche Bild von Ehe und Familie auch im Allgemeinen prägenden Regelungen des § 1353 Abs.
1 Satz 2, der §§ 1626 ff. BGB mitbestimmt (vgl. BVerfGE 76, 1 <43>). Die §§ 1626 ff. BGB stellen seit ihrer
Neufassung durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz das Kindeswohl in den Mittelpunkt und anerkennen die
Beziehung jedes Elternteils zu seinem Kind als grundsätzlich schutz- und förderungswürdig. Darin sind sie
ihrerseits geprägt durch den hohen Rang, der dem Kindeswohl von Verfassungs wegen für die Ausgestaltung
des Familienrechts zukommt (vgl. BVerfGE 80, 81 <90>; 108, 82 <114>). Bei aufenthaltsrechtlichen
Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist deshalb maßgeblich auch auf die Sicht des
Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht,
auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils
und des Kindes im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2003 - 1 C 13/02 -,
BVerwGE 117, 380 <390 f.>). Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die
Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die
gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen,
dass der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil und der damit verbundene Aufbau
und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung
des Kindes dient und das Kind beide Eltern braucht (vgl. BVerfGE 56, 363 <384>; 79, 51 <63 f.>; zur
Bedeutung der Beziehung zu beiden Elternteilen für die Entwicklung des Kindes s. a. § 1626 Abs. 3 Satz 1
BGB und den Zehnten Kinder- und Jugendbericht, BTDrucks 13/11368 S. 40 u.a.). Jedenfalls in jungen Jahren
wird daher in der Regel auch eine kurzfristige Unterbrechung des Umgangs mit dem Kindeswohl nicht vereinbar
sein (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 - DVBl 2006, 247 = InfAuslR 2006, 122).
30 Der angefochtene Bescheid wird diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Der Vortrag des
Beklagten, es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Kind in besonderer Weise, d.h. mehr als im Regelfall,
auf persönliche Beistandsleistungen des Klägers angewiesen sei, verkennt den anzulegenden Maßstab. Der
Kläger, der gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht ausübt, hat - wie in den Schreiben der Mutter vom
21.11.2006 und vom 28.12.2006 bestätigt wird - eine enge Bindung zu seinem Sohn, den er regelmäßig -
zuletzt vom 25.07. bis 05.08.2007 - besucht. Er strebt zudem, wie sein Umverteilungsantrag belegt, die
Herstellung einer häuslichen Gemeinschaft an. Der Beklagte hat auch nicht zu erkennen gegeben, welchen
Zeitraum einer vorübergehenden Trennung er im Hinblick auf das geringe Alter des Sohnes für zumutbar
erachtet. Er hat nicht berücksichtigt, dass ein noch sehr kleines Kind den nur vorübergehenden Charakter einer
räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 - InfAuslR 2006, 320 <321>). Soweit in der mündlichen
Verhandlung von dem Vertreter der unteren Ausländerbehörde für den Fall der Ausreise eine Befristung der
Ausweisung auf zwei Monate in Aussicht gestellt wurde, wird damit keine gesicherte Perspektive für eine
baldige Rückkehr des Klägers im Wege der Familienzusammenführung aufgezeigt. Zum einen ist für die
Entscheidung über den Befristungsantrag entweder nach § 12 Abs. 3 S. 1 AAZuVO das Regierungspräsidium
Stuttgart oder - falls zugleich ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung beantragt wird - nach § 12
Abs. 4 AAZuVO die Ausländerbehörde am Wohnsitz des Kindes zuständig. Eine Zuständigkeit des
Landratsamtes R. dürfte jedenfalls nicht gegeben sein. Zum anderen erscheint die Dauer und der Ausgang des
bei der deutschen Auslandsvertretung in Nigeria durchzuführenden Visumsverfahrens ungewiss. Nach alledem
ergibt sich vorliegend aus Art. 6 Abs. 1 GG auch unter Berücksichtigung der vom Kläger begangenen Straftat
ein Abschiebungsverbot aus rechtlichen Gründen im Sinne des § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG.
31 2. Da der Kläger seit über 18 Monaten geduldet wird, liegen auch die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 2
AufenthG vor, der keine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellt, sondern das Bestehen der
Erteilungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG voraussetzt und nur die dort vorgesehene
Rechtsfolge („kann“) im Sinne eines „soll“ modifiziert, d.h. im Regelfall einen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis gewährt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.06.2006 - 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192; VGH
Bad.-Württ., Urteil vom 18.01.2006 - 13 S 2220/05 -, VBlBW 2006, 200). Ein atypischer Sachverhalt, der den
Regelanspruch wieder in einen Ermessensanspruch umwandeln würde, liegt nach der Rechtsprechung dann
vor, wenn ein Sachverhalt gegeben ist, der sich von der Menge gleich gelagerter Fälle durch besondere
Umstände unterscheidet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht des der
Regelerteilungsvoraussetzung zugrunde liegenden öffentlichen Interesses beseitigen (vgl. BVerwG, Urteil vom
22.11.2005 - 1 C 18.04 -, BVerwGE 124, 326). Eine Atypik in diesem Sinne ist hier nicht gegeben.
32 3. § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG, wonach bei Ablehnung des Asylantrags nach § 30 Abs. 3 AsylVfG vor der
Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf, steht dem Regelanspruch nach § 25 Abs. 5 S. 2 AufenthG
nicht entgegen. Liegt ein Regelanspruch nach § 25 Abs. 5 S. 2 AufenthG vor, wird auch für abgelehnte
Asylbewerber, deren Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, die Sperrwirkung des § 10
Abs. 3 S. 2 AufenthG überwunden, da ein Regelfall einen gesetzlichen Anspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 S. 3
AufenthG darstellt (Burr, in GK-AufenthG, § 25 Rn. 193 m.w.N.). Danach kann vorliegend offenbleiben, ob die
Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG überhaupt eingreift. Aus Gründen des Vertrauensschutzes und
der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG steht § 10 Abs. 3 S. 2 der Erteilung eines Aufenthaltstitels
nämlich nicht entgegen, wenn die Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylVfG
vor Inkrafttreten des AufenthG bestandskräftig geworden ist. Denn der ehemalige Asylbewerber konnte vor
dem 01.01.2005 keinen Rechtsschutz gegen den Offensichtlichkeitsausspruch nach § 30 Abs. 3 AsylVfG
erlangen und kann ihn auch nicht mehr erlangen, stünde insofern also rechtsschutzlos (Discher, in GK-
AufenthG, § 10 Rn. 194 i.V.m. Rn. 164 ff.). Vorliegend spricht zwar vieles dafür, dass der
Bundesamtsbescheid vom 30.04.2004 vor Inkrafttreten des AufenthG bestandskräftig geworden ist, was zur
Folge hätte, dass § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG dem Kläger nicht entgegengehalten werden dürfte, doch lässt
sich dies anhand der dem Gericht vorliegenden Akten nicht mit Gewissheit feststellen. In den Ausländerakten
des Beklagten findet sich nur eine Mitteilung über die Vollziehbarkeit, nicht aber eine Bestandskraftmitteilung
des Bundesamtes.
33 4. Trotz Vorliegens eines Regelanspruchs kommt ein Verpflichtungsausspruch zur Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nicht in Betracht, da der Kläger nicht alle allgemeinen (Regel-)Erteilungsvoraussetzungen
des § 5 Abs. 1 AufenthG erfüllt und das dem Beklagten im Rahmen der Absehensentscheidung nach § 5 Abs.
3 letzter Halbs. eingeräumte Ermessen nicht auf Null reduziert ist. Im Einzelnen:
34 Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung genügt der Kläger nicht seiner Passpflicht (§ 5 Abs. 1 erster Halbs.
AufenthG). Der Regelerteilungsgrund der Erfüllung der Passpflicht soll die wirksame Kontrolle von Einreise,
Aufenthalt und Rückkehr sicherstellen, für die der Pass in seiner Funktion für die Feststellung der Identität,
Staatsangehörigkeit und Rückkehrberechtigung des Inhabers große Bedeutung hat. Der Kläger war im Besitz
eines am 04.08.2006 ausgestellten nigerianischen Nationalpasses, der sich in Kopie bei den Akten der
Ausländerbehörde befindet. Nachdem er bereits im April 2007 den Verlust dieses Passes angezeigt hat, hat er
erst am 11.07.2007 erneut die Ausstellung eines Passes beantragt. Es spricht bei dieser Sachlage alles dafür,
dass der Kläger in zumutbarer Weise einen Pass erlangen kann. Gründe, vom Regelerteilungsgrund der
Passpflicht abzusehen, sind nicht ersichtlich. Der Kläger selbst geht auch nach seiner Einlassung in der
mündlichen Verhandlung davon aus, dass ihm in Kürze ein Pass ausgestellt wird. Voraussichtlich wird er der
Ausländerbehörde daher durch Vorlage dieses Passes die Erfüllung der Passpflicht nachweisen können.
35 Falls der Kläger seiner Passpflicht genügt, dürfte zugleich auch die Regelerteilungsvoraussetzung der
geklärten Identität (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG) erfüllt sein. Der selbstständige Anwendungsbereich dieser
Vorschrift ist relativ klein, weil die Identität in der Regel durch die Vorlage eines gültigen anerkannten Passes
oder Passersatzes nachgewiesen wird (vgl. Nr. 5.1.1.3 der Vorläufigen Anwendungshinweise). Hinsichtlich der
Staatsangehörigkeit bedarf es einer expliziten Prüfung nur dann, wenn die Rückkehrberechtigung fehlt. Sofern
dem Kläger wiederum ein regulärer nigerianischer Reisepass ausgestellt wird, beinhaltet dieser - ohne dass
dies gesondert vermerkt werden müsste - auch eine Rückkehrberechtigung. Sollte dem Kläger kein
Aufenthaltsrecht (mehr) zustehen, wäre seine Rückführung mit einem solchen Pass ohne weiteres möglich.
Eine gesonderte Prüfung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG wäre daher nach
Vorlage eines neuen nigerianischen Reisepasses nicht veranlasst. Allein der Umstand, dass der Kläger im
Asylverfahren über seine Identität getäuscht hat, gibt keinen Anlass, seine jetzigen Angaben in Zweifel zu
ziehen. Gründe, weshalb der Kläger, nachdem ihm ein Aufenthaltsrecht in Aussicht steht, weiterhin falsche
Angaben machen könnte, sind nicht ersichtlich. Auch ist kein Interesse der nigerianischen Behörden
erkennbar, inhaltlich unrichtige Reisepässe auszustellen.
36 Die mangelnde Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) kann dem Kläger nicht
entgegengehalten werden, da er als geduldeter Ausländer gesetzlich von der Erwerbstätigkeit ausgeschlossen
ist und ihm eine Beschäftigungserlaubnis nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 3 AufenthG erteilt
werden kann (Bäuerle, in GK-AufenthG, § 5 Rn. 70 m.w.N.).
37 Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG darf in der Regel kein Ausweisungsgrund vorliegen. Die Straftat, die vorliegend
zur Ausweisung geführt hat, darf bei der Prüfung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG noch berücksichtigt werden.
Der Ausweisungsgrund ist nicht bereits deshalb verbraucht, weil im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG von der
Sperrwirkung des § 11 Abs.1 abgesehen wird. Wortlaut und Systematik der §§ 25 Abs. 5 und 5 Abs. 3
sprechen gegen eine solche Auslegung. Denn § 25 Abs. 5 lässt nach seinem Wortlaut nur ein Absehen von der
Sperrwirkung der Ausweisung zu, nicht von der Regelerteilungsvoraussetzung des Fehlens des
Ausweisungsgrundes. Diese Entscheidung ist vielmehr im Rahmen des § 5 Abs. 3 letzter Halbs. AufenthG zu
treffen (VG Stuttgart, Urteil vom 06.02.2005 - 12 K 1791/04 - juris; Burr, in GK-AufenthG, § 25 Rn. 186 m.w.N.
auch zur Gegenauffassung).
38 Dass der Kläger als Asylbewerber ohne Visum eingereist ist, steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht
nach § 5 Abs. 2 AufenthG entgegen. § 10 Abs. 3 S. 1 AufenthG, wonach einem abgelehnten Asylbewerber vor
der Ausreise ein Aufenthaltstitel (nur) nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden darf, enthält nach seinem
Sinn und Zweck eine auf diese Aufenthaltstitel beschränkte Befreiung von der Visumpflicht (vgl. VGH Bad.-
Württ., Beschluss vom 24.05.2007 - 13 S 706/06 -).
39 Liegen nach alledem die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG nicht vollständig vor, hat
die Ausländerbehörde nach § 5 Abs. 3 letzter Halbs. im Ermessenswege zu entscheiden, ob sie von der
Erfüllung der fehlenden Voraussetzungen absieht. Eine derartige Ermessensentscheidung hat die
Ausländerbehörde bisher nicht getroffen, so dass der Kläger zu Recht einen Bescheidungsantrag gestellt hat.
Entsprechend dem Zweck der Norm, eine zusammenfassende Sonderregelung für die Aufnahme in das
Bundesgebiet aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen zu schaffen, ist eine umfassende
Abwägung zwischen den öffentlichen und privaten Interessen erforderlich. In diese Abwägung sind einerseits
die hinter § 5 Abs. 1 AufenthG stehenden staatlichen Interessen, anderseits die privaten Interessen des
Ausländers - vor allem die grundrechtlich geschützten - einzustellen. Dabei ist die Verantwortlichkeit für die
Nichterfüllung nur ein Aspekt. Vor dem Hintergrund des Normzwecks kann der Nichteinhaltung der
Erteilungsvoraussetzungen in der Abwägung grundsätzlich nicht das gleiche Gewicht beigemessen werden,
das ihm bei Aufenthaltsbegehren zu anderen Zwecken zukommt (vgl. Bäuerle, in GK-AufenthG, § 5 Rn. 185 f.
m.w.N.). Die Straftat, die zur Ausweisung des Klägers geführt hat, darf mit dem ihr zukommenden Gewicht bei
der Ermessensausübung berücksichtigt werden. Hierbei darf nicht außer Betracht bleiben, dass die Straftat
zwischenzeitlich dreieinhalb Jahre zurückliegt, der Kläger seitdem nicht erneut straffällig geworden ist und
seine Lebensumstände sich durch die Gründung einer Familie geändert haben. Es wird zu erwägen sein, ob die
Geburt des Sohnes eine Zäsur in der Lebensführung des Klägers darstellt, die in Anbetracht aller Umstände
erwarten lässt, dass er bei legalisiertem Aufenthalt keine Straftaten mehr begehen wird (vgl. hierzu BVerfG,
Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 - InfAuslR 2006, 320 <322>). Schließlich wird die
Ausländerbehörde zu berücksichtigen haben, dass bei einem Verweis auf das Visumsverfahren eine baldige
Rückkehr des Klägers nicht gewährleistet ist und dass die Gefahr einer mit dem Kindeswohl unvereinbaren
längeren Trennung besteht.
II.
40 Die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung ist bereits deshalb aufzuheben, weil
der Beklagte für ihren Erlass nicht zuständig war. Nachdem der Kläger bisher keinen Aufenthaltstitel besessen
hat, ist für den Erlass der Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylVfG allein das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge zuständig. Dieses ist befugt, seine Abschiebungsandrohung in den „Herkunftsstaat“
durch die Aufnahme des endgültigen Zielstaates zu ergänzen (h.M.; vgl. Hailbronner, § 34 AsylVfG Rn. 69 f.
m.w.N.; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19.06.2007 - 1 K 1673/07 - juris).
41 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 S. 2 VwGO. Die Notwendigkeit der Zuziehung
eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer
verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte
und es dem Beteiligten nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht
zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen. Sie ist nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu
bejahen, sondern entspricht der Regel, da der Bürger nur in Ausnahmefällen in der Lage ist, selbst seine
Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 162 Rn. 18
m.w.N.). Daran gemessen ist die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten vorliegend
anzuerkennen. Es sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die eine Abweichung von der Regel
rechtfertigen würden.
42 Die Berufung war vom erkennenden Gericht (vgl. § 124 a Abs. 1 VwGO) nicht zuzulassen, da die Gründe des §
124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen.