Urteil des VG Stuttgart vom 04.08.2008
VG Stuttgart: schutz der familie, abschiebung, vaterschaftsanerkennung, im bewusstsein, heim, lebensgemeinschaft, ausländer, duldung, kopie, verdacht
VG Sigmaringen Beschluß vom 4.8.2008, 8 K 1001/08
Verdacht mißbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung zwecks Erlangung der aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkung des Art 6 GG
Leitsätze
1. Zweifel an der biologischen Vaterschaft ändern nichts daran, dass nach einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung zumindest eine formal-
rechtliche Vaterschaft auch im aufenthaltsrechtlichen Sinn besteht.
2. Je mehr im Einzelfall auf eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung deutet, umso mehr rechtfertigt dies zumindest eine strenge Prüfung der
„tatsächlichen Verbundenheit“ zwischen Vater und Kind im Sinn der Rechtsprechung des BVerfG zur aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkung des Art. 6
GG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine bevorstehende Abschiebung.
2
Der Antragsteller wurde am … in Ibadan/Nigeria geboren und ist nigerianischer Staatsangehörigkeit. Er beantragte mit Antrag vom 10.8.2004
Asyl. Im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren gab er an, erstmals am 2.8.2004 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Das
Asylverfahren wurde mit Bescheid vom 27.1.2005 abgelehnt, die dagegen erhobene Klage mit Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart vom
17.2.2006 abgewiesen. Seither wurde der Antragsteller geduldet, nach Aktenlage erhielt er von der Ausländerbehörde der Stadt E. (D.) zuletzt
eine Duldung bis zum 08.06.2008.
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Mit Bescheid vom 4.5.2006 forderte das Regierungspräsidium S. den Antragsteller zur Vorlage von Reisedokumenten auf oder hilfsweise, bei der
nigerianischen Botschaft ein Reisedokument zu beantragen. Dieser Aufforderung kam der Antragsteller nicht nach. Ein Termin zur Vorführung
bei der nigerianischen Botschaft scheiterte, weil die Botschaft den Termin abgesagte. Ende des Jahres 2007 legte der Verfahrensbevollmächtigte
des Antragstellers in seiner Korrespondenz mit der Ausländerbehörde schließlich die Kopie eines nigerianischen Reisepasses vor. Auf Antrag
der Antragsgegnerin ordnete das Verwaltungsgericht Sigmaringen daraufhin am 4.3.2008 eine Wohnungsdurchsuchung gemäß § 6 Abs. 2 S. 1
LVwVG an. Die Durchsuchung am 14.3.2008 verlief erfolglos. Die zugewiesenen Räumlichkeiten waren weitgehend ausgeräumt. Die
Ermittlungen des mit der Durchsuchung betrauten Polizeireviers E. ergaben, dass der Antragsteller sich seit mehreren Monaten nicht mehr in E.
aufhalten solle, da er angeblich bei einer Freundin in M. wohne.
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Am 7.5.2008 beantragte die Antragsgegnerin beim Amtsgericht Ulm Abschiebehaft gegen den Antragsteller, nachdem jener am 6.5.2008 von der
Polizei am Ulmer Bahnhof in Gewahrsam genommen worden war. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, der Antragsteller habe seinen
Aufenthaltsort gewechselt, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben. Indem er seinen offenkundig vorhandenen Pass nicht vorlege,
entziehe er sich zudem in sonstiger Weise der Abschiebung. Es bestehe auch weiterhin der begründete Verdacht, dass er sich der Abschiebung
entziehen wolle. Dies ergebe sich auch aus seinem „Untertauchen“ und daraus, dass er eine Vaterschaftserkennung vorgelegt hat, die recht
zweifelhaft sei. Das Kind sei bereits 2002 geboren worden, also zwei Jahre bevor der Antragsteller eingereist sei. Mit Beschluss vom selben Tag
lehnte das Amtsgericht Ulm die Anordnung der Abschiebehaft ab. Zur Begründung heißt es u. a., Abschiebehaft sei aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit nur anzuordnen, wenn sie tatsächlich „zur Sicherung der Abschiebung“ notwendig sei. Der Antragsteller sei für die
Ausländerbehörde durchaus erreichbar gewesen. Er habe dort zuletzt am 05.05.2008 wegen der Verlängerung seiner Duldung vorgesprochen,
wie er das in der Vergangenheit immer getan habe. Es sei derzeit auch nicht ersichtlich, dass die Abschiebung gemäß § 60a Abs. 5 S. 4
AufenthG einen Monat vorher angekündigt worden sei. Außerdem sei vor dem AG München ein Strafverfahren gegen den Antragsteller
anhängig. Deshalb sei die Abschiebung nach § 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG erst zulässig, wenn die zuständige Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht
das Einvernehmen hierzu erteilt habe.
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Das Strafverfahren vor dem AG München (Az. …/…) wurde gemäß einer Auskunft der Staatsanwaltschaft München I am 11.06.2008 nach § 153
Abs. 2 StPO eingestellt.
6
Nach dem erfolglosen Antrag der Antragsgegnerin auf Abschiebehaft hat der Antragsteller am 7.5.2008 den vorliegenden Antrag auf
einstweiligen Rechtsschutz gegen seine Abschiebung stellen lassen. Er sei personensorgeberechtigter Vater eines deutschen Kindes. Insoweit
verweist der Antragsteller auf eine Vaterschaftsanerkennung und „Sorgeerklärung“ vom 30.01.2007, durch welche er die Vaterschaft für J. S.,
geb. am … in M. - unter Mitwirkung der Kindesmutter Frau M. S. S. - anerkannte und beide erklärten, das Sorgerecht gemeinsam ausüben zu
wollen. Die Vaterschaft werde von der Antragsgegnerin entgegen der materiell bindenden Erklärungen der Eltern als „recht zweifelhaft“
angesehen, obwohl ein Anfechtungsverfahren gegen die Vaterschaft weder anhängig sei noch der Antragsgegnerin oder einer sonstigen
Behörde anhängig gemacht werden könne. Die erstmalige Einreise des Antragstellers nach Deutschland im Jahr 2004 schließe nicht aus, dass
er der Antragsteller das 2002 geborene Kind gezeugt habe, nach Angaben der Kindesmutter sei dies in Italien geschehen. Von dem Kind habe
er erst in jüngerer Zeit erfahren, deshalb habe er auch im Asylverfahren angegeben, dass er keine Kinder habe. Die Mutter sei daran interessiert
und habe ihr Einverständnis gegeben, dass der Antragsteller wieder Kontakt zu dem Kind aufbaue. Das Kind lebe derzeit in einem Heim in M..
Als er das Kind dort habe besuchen wollen, sei ihm dies zunächst von der Heimleitung - aus unerfindlichen Gründen - nicht gestattet worden.
Inzwischen hätten schon zwei Besuche des Antragstellers bei dem Kind stattgefunden. Es bestehe daher ein Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft und damit ein Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 S. 1 oder nach § 60a
Abs. 2 S. 3 AufenthG. Durch eine Abschiebung würde das Band zu seinem deutschen Kind im Hinblick auf § 11 AufenthG auf unabsehbare Zeit
durchschnitten. Eine Abschiebung sei für das Wohlergehen des Kindes und dessen geistige Entwicklung nicht förderlich. Dem stehe nicht
entgegen, dass das Kind derzeit - noch - im Heim lebe. Der Anspruch bestehe auch zur Herstellung, nicht nur zur Wahrung der familiären
Lebensgemeinschaft. Die Mutter sei zur Ausübung der elterlichen Sorge nicht in der Lage gewesen. Der Vater müsse nun als Vertrauensperson
sorgsam „aufgebaut“ werden, bis das Kind in seine Obhut gegeben werden könne.
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Der Antragsteller beantragt,
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die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig nicht abzuschieben.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
11 Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Kind bereist 2002 geboren sei, was eine Vaterschaft des nach eigenen Angaben
2004 erstmals eingereisten Antragstellers mehr als unwahrscheinlich mache. Auch stehe die Behauptung Vater eines deutschen Kindes zu sein
im Widerspruch zum bisherigen Vorbringen des Antragstellers: Anlässlich seiner Anhörung zum Asylantrag am 1.9.2004 habe er angegeben, er
sei ledig und habe keine Kinder. Es liege der Verdacht nahe, dass die Vaterschaft lediglich vorgeschoben sei. Der Antragsteller könne sich auch
nicht auf eine bestehende Lebens- und Beistandsgemeinschaft berufen, da das Kind im Heim untergebracht sei. Da die behauptete Vaterschaft
nicht auf eine bestehende Lebens- und Beistandsgemeinschaft berufen, da das Kind im Heim untergebracht sei. Da die behauptete Vaterschaft
ganz offensichtlich nicht vorliege, bestehe auch kein Rechtsgrund für eine weitere Duldung.
II.
12 Der zulässige Antrag ist unbegründet.
13 Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentlichen Nachteile
abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung ist dabei, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen kann (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), d.h.
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der geltend gemachte Anspruch besteht, und dass er ebenso glaubhaft Gründe zu nennen vermag, die
eine gerichtlich Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund).
14 Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Anordnungsgrund besteht regelmäßig, wenn der Ausländer unanfechtbar
ausreisepflichtig nach § 58 Abs. 2 AufenthG ist und die Ausländerbehörde seine Abschiebung betreibt. Zwischen den Beteiligten besteht kein
Streit darüber, dass der Antragsteller derzeit vollziehbar ausreisepflichtig ist. Die Antragsgegnerin betreibt auch die Abschiebung. Sie hat am
07.05.2008 beantragt, den Antragsteller in Abschiebehaft zu nehmen und hat im gerichtlichen Verfahren lediglich in Aussicht gestellt, bis zu einer
Entscheidung des Gerichts von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.
15 Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein tatsächliches Abschiebungshindernis infolge fehlender
Reisepapiere besteht offenbar nicht, nachdem der Antragsteller selbst gegenüber der Ausländerbehörde die Kopie eines gültigen Reisepasses
vorgelegt hat. Da das Strafverfahren vor dem AG München inzwischen eingestellt wurde, besteht auch insoweit kein Abschiebungshindernis.
Auch die in Bezug auf die kraft Anerkennung begründete Vaterschaft des Antragstellers vorgetragenen Umstände genügen nicht, um ein
rechtliches Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 S.1 AufenthG (1.) oder einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG (2.)
zu begründen.
16 1. Aus dem grundrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG folgt ein zwingendes Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG,
wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Beziehungen durch Ausreise zu unterbrechen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v.
04.06.1997 - 1 C 9.95, juris Rn. 37). Der Antragsteller kann sich jedoch nicht erfolgreich auf die aufenthaltsrechtliche Schutzwirkung des Art. 6 GG
berufen. Eine nach Art. 6 Abs. 1 GG geschützte familiäre Bindung liegt nicht vor.
17 a) Der Antragsteller ist formal-rechtlich Vater des Kindes, für welches er die Vaterschaft anerkannt hat. Die formal-rechtliche Vaterschaft in diesem
Sinne wurde durch die vorgelegte Kopie einer Geburtsurkunde des Standesamtes M. glaubhaft gemacht, welche den Antragsteller als Vater
ausweist. Es hat nach der familienrechtlichen Systematik keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung und das
dadurch begründete Verwandtschaftsverhältnis, wenn eine Anerkennung im Bewusstsein abgegeben wird, nicht der biologische Vater zu sein
(vgl. § 1598 Abs. 1 BGB und Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1598 Rn. 2). Das väterliche Verwandtschaftsverhältnis wird im Falle einer
Anerkennung durch eine reine Willenserklärung begründet, durch welche die Absicht zur Vaterschaft bekundet wird; sie stellt aber nicht
zusätzlich eine Wissenserklärung dar, durch die der Erklärende auch die biologische Vaterschaft behauptet (h.M., vgl. Hahn, in: Bamberger/Roth,
BGB, § 1594 Rn. 3; Rauscher, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2004, § 1592 Rn. 53).
18 b) Art. 6 GG entfaltet allerdings nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen. Entscheidend
ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern, wobei grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten ist
(BVerfG, Beschluss vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 - juris Rn. 18). Dabei verbietet es sich, zwischen aufenthaltsrechtlich grundsätzlich
schutzwürdigen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften einerseits oder bloßen Begegnungsgemeinschaften ohne aufenthaltsrechtliche
Schutzwirkung andererseits nur durch schematische Einordnungen zu unterscheiden. Bereits der persönliche Kontakt durch Umgang mit dem
Kind ist unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung und steht
daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. insgesamt BVerfG, Beschluss vom 30.01.2002 - 2 BvR 231/00). Es kommt in diesem
Zusammenhang auch nicht darauf an, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte
Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des
Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter oder durch Dritte entbehrlich wird, sondern im Rahmen einer Vater-Kind-
Beziehung eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05,
m.w.N.). Dementsprechend umfasst der Schutzbereich von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auch die Beziehungen zwischen einem Vater und seinem
nichtehelichen Kind (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.05.2000 - 13 S 2456/99, juris Rn. 8).
19 Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist insbesondere maßgeblich auf die Sicht des Kindes
abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu
seinem Wohl angewiesen ist (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04). Die Annahme eines entsprechenden
Abschiebungshindernisses im Verfahren der einstweiligen Anordnung setzt danach voraus, dass zwischen dem Ausländer und dem Kind eine
„sozial-familiäre Beziehung“ glaubhaft gemacht wird. Eine solche Beziehung und damit die schutzwürdige familiäre (Lebens-)Gemeinschaft
zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind ist getragen von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes.
Leben die Familienmitglieder getrennt, bedarf es anderer Anhaltspunkte für eine familiäre Lebensgemeinschaft. Als maßgebliche Kriterien für
das Vorliegen einer verantwortungsvoll gelebten Eltern-Kind-Gemeinschaft können daher regelmäßige Kontakte des Elternteils mit seinem Kind,
die die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringen, sowie eine emotionale Verbundenheit
herangezogen werden; auch Unterhaltsleistungen sind ein Zeichen für die Wahrnehmung elterlicher Verantwortung (vgl. insg. BVerfG, Beschl. v.
08.12.2005 - 2 BvR 1001/04; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 02.05.2000 - 13 S 2456/99).
20 c) Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg: Ist nach den gesamten
Umständen davon auszugehen, dass eine Vaterschaft bewusst wahrheitswidrig und in kollusivem Zusammenwirken erfolgte, um dem
Antragsteller gestützt auf Art. 6 GG auf diese Weise unter Umgehung einfachrechtlicher Aufenthaltsbestimmungen den weiteren Aufenthalt im
Bundesgebiet zu sichern, so sollen sich darauf keine ausländerrechtliche Ansprüche stützen lassen. Unter Verweis auf die Rechtsprechung zur
„Scheinehe“ dürfe aus dem rein formalen Vaterschaftsanerkennen kein aufenthaltsrechtlicher Nutzen gezogen werden (vgl. insgesamt VGH
Baden-Württemberg, Urt. v. 03.03.2005 - 13 S 3035/04, juris Rn. 9: dort zum Antrag eines Kindes und dessen Mutter nach
Vaterschaftsanerkennung durch einen Ausländer mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis; allerdings str.: a. A. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v.
01.10.2004 - 2 M 441/04). Eine vergleichbare Wertung wie die des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg lässt sich inzwischen § 27 Abs.
1a Nr. 1 AufenthG bei den Regelungen zum Familiennachzug entnehmen.
21 Letztlich kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob dieser Rechtsprechung in vollem Umfang zu folgen ist, mit dem Ergebnis, dass eine
missbräuchliche Anerkennung ungeachtet ihrer familienrechtlichen Wirkung keinerlei ausländerrechtliche Schutzwirkung entfaltet. Es sind
Grenzfälle vorstellbar, in denen - ungeachtet der primär aufenthaltsrechtlich geprägten Motivation für die Vaterschaftsanerkennung - tatsächlich
eine Lebensbeziehung aufgebaut werden mag. Auch wenn die rechtliche Vaterschaft von der biologisch Vaterschaft abweicht, müsste dies dann
nicht als „Scheinvaterschaft“ missbräuchlich sein und könnte damit dennoch dem Schutz des Art. 6 GG unterfallen. Die notwendige Bekämpfung
von missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen rechtfertigt es aber zumindest, umso strenger die tatsächliche Verbundenheit zu hinterfragen,
je mehr im Einzelfall auf Missbrauch deutet.
22 d) Der vom Antragsteller vorgetragene Sachverhalt bietet bei summarischer Würdigung erhebliche Anhaltspunkte, dass auch die
Vaterschaftsanerkennung durch den Antragsteller bewusst entgegen der biologischen Vaterschaft in bewusstem Zusammenwirken mit der
Kindesmutter vorgenommen wurde. Es liegt zwar im Bereich des – theoretisch – Möglichen, dass sich die rechtlichen Eltern bereits einmal vor
der Einreise des Antragstellers ins Bundesgebiet im Jahr 2004 getroffen haben. Dass der Antragsteller die Kindsmutter aber, wie vorgetragen, in
Italien kennengelernt und mit ihr damals bereits einen Sohn gezeugt hat, um dann erst 2004 aus Nigeria nach Deutschland zu kommen, steht
letztlich als bloße Behauptung im Raum - welche sich der Antragsteller zudem offenbar nicht einmal vollständig zu Eigen macht, sondern
lediglich der Kindesmutter zugeschrieben wird. Der pauschalen Behauptung fehlen jegliche Details über den damaligen Aufenthalt.
Insbesondere hat der Antragsteller nicht einmal versucht, diesen durch Belege für einen eigenen Aufenthalt oder einen Aufenthalt von Frau S. in
Italien, wie z. B. Reiseunterlagen glaubhaft zu machen.
23 Zugleich lassen die Angaben des Antragsstellers keine Rückschlüsse auf eine tatsächlich gelebte und schutzbedürftige Lebensbeziehung zum
anerkannten Kind zu. Das Kind ist derzeit in einem Heim untergebracht. Es besteht selbst nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers allenfalls
sporadisch Kontakt zu dem von ihm anerkannten Kind. Nachdem zunächst lediglich von gescheiterten Bemühungen berichtet wurde, sollen nach
dem späteren Vortrag nunmehr immerhin zwei Besuche stattgefunden haben. Dabei ist zwar zu beachten, dass der Antragsteller nach seinem
eigenen Vortrag erst spät von der Existenz des Kindes erfahren haben will, wobei es insoweit an einem auch nur ansatzweise genauen Vortrag
fehlt. Jedoch sind allein seit der Vaterschaftsanerkennung im Januar 2007, seit welcher der Antragsteller spätestens Kenntnis von dem Kind
haben muss, inzwischen 18 Monate vergangen. Angesichts dieses Zeitraums erscheinen die vorgetragenen Kontaktbemühungen mit den zwei
erfolgreichen Besuchen und dem einen gescheiterten Besuchsversuch überaus dürftig. Auch andere Aspekte, die im Sinne der vom
Bundesverfassungsgericht genannten weiteren Anhaltspunkte auf eine familiäre Lebensgemeinschaft hindeuten können, lassen sich dem
Vortrag des Antragstellers nicht entnehmen: Weder gibt es Hinweise auf eine ausgeprägte emotionale Verbundenheit, noch ist angesichts der
Gesamtumstände erkennbar, dass der Antragsteller beispielsweise Unterhalt für das Kind leisten würde oder an wichtigen elterlichen
Entscheidungen betreffend das Kind mitwirken würde oder dies in der Vergangenheit getan hätte. Die gesamten Umstände sprechen daher mit
erheblichem Gewicht dafür, dass sich die Vater-Kind-Beziehung selbst nach dem Vortrag des Antragstellers auf eine bloße
Begegnungsgemeinschaft beschränkt - völlig ungeachtet der Tatsache, dass nicht einmal die bisherigen äußerst seltenen Besuche und
Besuchsbemühungen vom Antragsteller glaubhaft gemacht wurden.
24 Angesichts dieser Sachlage vermag das Gericht auch nicht im Hinblick auf die vom Antragsteller angeführte Herstellung einer familiären
Lebensgemeinschaft zu einer anderen Beurteilung kommen. Zwar mag es im Einzelfall nicht ausgeschlossen sein, dass bei ernsthaften
Bemühungen und konkreten Anzeichen für eine zukünftige schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft der Schutz des Art. 6 GG schon
vorwirken kann, auch wenn eine solche Beziehung in der Vergangenheit noch nicht gelebt werden konnte. Eine solche Situation hat der
Antragsteller jedoch nicht einmal im Ansatz darlegt und glaubhaft machen können. Weder enthält sein Vortrag konkrete Hinweise darauf, dass er
in den inzwischen 18 Monaten als rechtlicher Vater unüberwindbare Hindernisse von weitergehendem Kontakt mit seinem Sohn abgehalten
hätten. Der Hinweis darauf, einmal von der Heimleitung zurückgewiesen worden zu sein, kann dies jedenfalls nicht für den gesamten Zeitraum
erklären, zumal auch nichts dazu vorgetragen wurde, seit wann das Kind in dem Heim untergebracht ist. Auch die angedeuteten Bemühungen,
das Kind ggf. aus dem Heim zu sich zu holen, bleiben ausgesprochen vage und werden zudem in keiner Weise glaubhaft gemacht. Um dem
Antragsteller möglicherweise im Vorgriff auf eine angestrebte familiäre Lebensbeziehung bereits die aufenthaltsrechtliche Schutzwirkung des Art.
6 GG zu eröffnen, müssten jedoch zumindest konkrete und erheblich intensivere Bemühungen seinerseits erkennbar werden. Aus dem
bisherigen Vortrag ergeben sich weder derartige Bemühungen noch absehbare Aussichten darauf, dass das Bestreben des Antragstellers das
Kind aus dem Heim zu holen baldige Aussicht auf Erfolg haben dürfte.
25 Aufgrund der Gesamtumstände ist dem Antragsteller daher eine aufenthaltsrechtliche Schutzwirkung seiner Beziehung zu dem von ihm
anerkannten Kind zu versagen.
26 e) Auch Art. 8 EMRK stellt kein Abschiebungshindernis zu Gunsten des Antragstellers nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG dar. Diese Vorschrift
entfaltet keine weitergehenden Schutzwirkungen als Art. 6 GG, soweit sich die jeweiligen Anwendungsbereiche decken (vgl. BVerwG, Urteil vom
09.12.1997 - 1 C 19.96).
27 2. Nach § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG kann im Ermessenswege ein vorübergehender Aufenthalt ermöglicht werden, wenn dies zwar aus
dringenden humanitären oder persönlichen Gründen oder erheblichen öffentlichen Interessen erforderlich ist, sich der Aufenthaltszweck jedoch
nicht zu einem rechtlichen Abschiebungshindernis nach Satz 1 verdichtet hat und tatsächliche Abschiebungshindernisse nicht vorliegen (vgl.
VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.09.2007 - 11 S 1964/07, juris Rn. 10 f.). Entsprechende dringende humanitäre oder persönliche Gründe
angesichts der formal-rechtlichen Vaterschaft des Antragstellers sind nach den oben getroffenen Feststellungen gerade nicht ersichtlich. Zudem
fehlen jegliche Anhaltspunkte, dass der Antragsteller erfolgreich eine Ermessensreduktion auf Null im Rahmen des § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG
geltend machen könnte.
28 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
29 Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg aus §§ 52 Abs. 2, 53
Abs. 3 Nr. 1 GKG (vgl. Beschl. v. 22.03.2007 - 13 S 2404/06 -, juris Rn. 3 m.w.N.). Demnach ist - abweichend von der Empfehlung in Ziff. 8.3 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (VBlBW 2004, 467 ff.) - im Hauptsacheverfahren gegen eine Abschiebung der
Auffangstreitwert und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dementsprechend der halbe Auffangwert anzusetzen. Auch die Anwendung
der Ziff. 8.3 des Streitwertkatalogs 2004 führte allerdings zu keinem anderen Ergebnis, wenn auf eine Halbierung des dortigen Betrages im
Hinblick auf die faktische Vorwegnahme der Hauptsache durch die Entscheidung im Eilverfahren verzichtet würde.