Urteil des VG Stuttgart vom 05.05.2014

VG Stuttgart: aufschiebende wirkung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, sammlung, öffentlich, vollziehung, verfügung, firma, anzeigepflicht, geschäftsführer, zukunft

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 5.5.2014, 10 S 30/14
Leitsätze
1. Die Unzuverlässigkeit eines Sammlers kann nicht mit der Unterlassung solcher Angaben im
Rahmen der Sammlungsanzeige begründet werden, die von § 18 Abs. 2 KrWG nicht gefordert
werden. Im Übrigen ist die Durchsetzung der Anzeigepflicht vorrangig gegenüber einer
sofortigen Untersagung der Sammlung (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Beschluss
vom 26.09.2013 - 10 S 1345/13 -, UPR 2014, 33).
2. Die Annahme der Unzuverlässigkeit wegen systematischer und massiver Verstöße gegen
einschlägige öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Vorschriften setzt entsprechende
behördliche Ermittlungen und tragfähige Feststellungen voraus. Im Hinblick auf den mit einer
Sammlungsuntersagung verbundenen intensiven Grundrechtseingriff sind insoweit strenge
Anforderungen zu stellen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts
Sigmaringen vom 16. Dezember 2013 - 8 K 1876/13 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Untersagungsverfügung des Landratsamts Tübingen
vom 16. Mai 2013 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehung der Verfügung des
Antragsgegners vom 16.05.2013, mit der ihr untersagt worden ist, im Landkreis Tübingen
gewerblich Altkleider, Textilien und Schuhe zu sammeln.
2
Am 13.8.2012 hatte die Antragstellerin (unter der damaligen Firmierung xxx e. K.) die
gewerbliche Sammlung von Alttextilien (etc.) angezeigt. Mit Schreiben vom 10.10.2012
forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zu einer Vervollständigung der Unterlagen
auf; benötigt würden unter anderem noch eine Liste mit Containerstandorten sowie
Kopien der öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Standplatzgenehmigungen. Die
Antragstellerin machte am 30.10.2012 geltend, dass das Gesetz die Vorlage solcher
Unterlagen nicht vorschreibe. Mit Schreiben vom 04.04.2013 gab der Antragsgegner der
Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme und wies darauf hin, es sei beabsichtigt,
die angezeigte Sammlung zu untersagen; die Unvollständigkeit der Unterlagen führe zu
Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden und damit zur Unzulässigkeit der
gewerblichen Sammlung. Die fehlenden Unterlagen könnten bis zum 30.4.2013
nachgereicht werden. Mit Schreiben vom 30.4.2013 teilte die Antragstellerin dem
Antragsgegner die Sammelmenge (ca. 170 Tonnen im Jahr) mit und übersandte eine
Auflistung der Anzahl von Textilsammelbehältern im Landkreis Tübingen (55 Container)
unter Angabe der Städte und Gemeinden sowie der Zahl der dort jeweils aufgestellten
Container.
3
Unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagte der Antragsgegner mit Verfügung
vom 16.05.2013 der Antragstellerin die gewerbliche Sammlung von Altkleidern, Textilien
und Schuhen im Landkreis Tübingen; für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein
Zwangsgeld in Höhe von 2.500,-- Euro (für jeden Fall der Zuwiderhandlung je
Sammeltag) angedroht. Zur Begründung der Untersagungsverfügung wurde ausgeführt,
auf Grund der Unvollständigkeit der Unterlagen habe nicht abschließend geprüft werden
können, ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG vorlägen; daraus
resultierten Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden, was zur
Unzulässigkeit der gewerblichen Sammlung führe. Die Maßnahme sei verhältnismäßig;
mildere und gleich geeignete Mittel (z. B Bedingungen, Befristungen, Auflagen) kämen
nicht in Betracht, da nur bei vollständigen Anzeigeunterlagen die notwendige behördliche
Prüfung möglich sei; im Hinblick auf das gesetzliche Ziel einer ordnungsgemäßen und
schadlosen Verwertung bzw. gemeinwohlverträglichen Beseitigung von Abfällen sei die
Verfügung auch angemessen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stützte der
Antragsgegner auf jene Zielsetzungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, sodann auf die
Schaffung vollendeter Tatsachen durch die Antragstellerin bei Fortsetzung der
Sammlungstätigkeit zu Lasten der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgers und auf einen nicht gerechtfertigten Vorteil der Antragstellerin
gegenüber rechtstreuen Abfallsammlern. Das Interesse der Antragstellerin bestehe im
Rahmen der gewerblichen Tätigkeit an der Erzielung eines möglichst hohen Gewinns.
Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen führe zu einem Überwiegen des
öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung.
4
Die Antragstellerin hat gegen die Verfügung Widerspruch erhoben und beim
Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom
16.12.2013 abgelehnt. Es hat die Untersagungsverfügung für rechtmäßig erachtet. Die
Aufforderung zur Vorlage der vom Antragsgegner gewünschten Unterlagen sei
gerechtfertigt gewesen, da Anlass zu weiteren Ermittlungen bestanden habe und dazu die
Angabe der Containerstandorte sowie der Sondernutzungserlaubnisse und der
privatrechtlichen Genehmigungen erforderlich gewesen sei. In den Behördenakten fänden
sich zahlreiche Hinweise, die auf erhebliche, vor allem systematische Verstöße der
Antragstellerin selbst oder ihr zurechenbarer Sammelunternehmen bei früheren
Sammlungen an anderen Orten schließen ließen. Nach Zeitungsberichten habe die „xxx
xx xxx“, ein der Antragstellerin zurechenbares Unternehmen, in den Landkreisen
Traunstein, Altötting, Rosenheim und Landshut sowie in den Städten Gera, Wolfsburg,
Bad Dürkheim, Stuttgart und Saarbrücken, ferner in der Region Trier, illegal Container
aufgestellt; das treffe nach Auskünften der Stadt Tübingen vom Juli 2013 auch für
Tübingen zu. Ähnliches gelte für das illegale Aufstellen von Sammelcontainern der Firma
xxx (xxx), der Firma xxx (xxx) und der Firma xxx xx (xxx xxx xxx); diese Firmen hätten im
Auftrag der Antragstellerin gehandelt oder seien zumindest dem Verantwortungsbereich
des Geschäftsführers der Antragstellerin zuzuordnen. Bei diesem Gesamtbild habe der
Antragsgegner vor der Untersagung der Sammlung nicht versuchen müssen, die
Anzeigepflicht durch Einzelmaßnahmen durchzusetzen. Auf Vertrauensschutz könne sich
die Antragstellerin nicht berufen; denn bei Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des
Anzeigenden bleibe kein Raum für die gesetzliche Vertrauensschutzregelung.
5
Zur Begründung ihrer gegen den Beschluss erhobenen Beschwerde führt die
Antragstellerin aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht in ausreichender
Weise begründet worden; weder der Antragsgegner noch das Verwaltungsgericht habe
eine Abwägung aller im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen
durchgeführt, das Überwiegen öffentlicher Interessen werde nur lapidar behauptet. Es sei
unberücksichtigt geblieben, dass die Antragstellerin als Altsammlerin Vertrauensschutz
genieße. Der Sofortvollzug führe zu einem faktischen Berufsausübungsverbot im Gebiet
des Landkreises Tübingen; die Antragstellerin habe ihre Sammelcontainer auf der
Grundlage von privaten Stellplatzverträgen aufgestellt, so dass sie im Falle der
Stellplatzräumung die Mieten ohne Stellplatznutzung weiterzahlen müsse,
Vertragskündigungen zu gewärtigen habe und Schwierigkeiten beim Abschluss neuer
Vertragsplätze entgegensehe. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht die
Unzuverlässigkeit der Antragstellerin und ihres Geschäftsführers auf Grund einer
angeblich unvollständigen Sammlungsanzeige angenommen; da die Vorlage genauer
Containerstandortlisten sowie straßenrechtlicher oder privatrechtlicher Erlaubnisse für
das Aufstellen der Sammelcontainer nicht erforderlich sei, könne der Vorwurf
unvollständiger Unterlagen bezüglich der Sammlungsanzeige nicht erhoben werden.
Unzulässig sei die Zurechnung des Verhaltens anderer Firmen zu Lasten der
Antragstellerin; bei der xxx GmbH sei dem Antragsgegner eine Personenverwechslung
unterlaufen, da deren Geschäftsführer xxx xxx (der Bruder des Geschäftsführers der
Antragstellerin, xxx xxx) sei; die xxx xxx xxx stelle eigenverantwortlich Sammelcontainer
auf, ebenso die xxx und die xxx. Es fehle an Tatsachen, die auf die Unzuverlässigkeit der
Antragstellerin schließen ließen.
II.
6
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Die dargelegten
Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO
beschränkt ist, führen zur Änderung des angefochtenen Beschlusses.
7
1. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Beschwerde allerdings nicht schon
deshalb begründet, weil die von dem Antragsgegner vorgenommene Anordnung der
sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO
verstieße. Nach dieser Bestimmung ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO
das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu
begründen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normiert formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen
für die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts; ob
die Begründung der Behörde inhaltlich zutrifft, ist keine Frage des § 80 Abs. 3 Satz 1
VwGO (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 22. EL 9/2011, § 80 RdNr. 246 m.
umfangr. Nachw.).
8
Die Mindestanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO – keine bloße Wiederholung
des Gesetzestextes oder Verwendung nichtssagender, formelhafter Wendungen (vgl.
Schoch, a.a.O., § 80 RdNr. 248) – hat der Antragsgegner eingehalten. Im Verwaltungsakt
vom 16.5.2013 sind im Abschnitt B. II. unter der Überschrift „Sofortvollzug“ die Gründe
ausführlich dargelegt, die den Antragsgegner unter Hinweis auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung
bewogen haben. Der Antragsgegner hat sich auf das öffentliche Interesse an der raschen
Durchsetzung der Ziele des Kreislaufwirtschaftsgesetzes berufen, den sofortigen Schutz
der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers angeführt und zudem
ausgeführt, die Antragstellerin dürfe keinen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber
rechtstreuen Abfallsammlern erlangen; demgegenüber habe die Antragstellerin nur ein –
nachrangiges – Interesse an der Erzielung eines möglichst hohen Gewinns.
9
Diese Darlegungen genügen den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Sie sind
weder formelhaft noch sonst nichtssagend, und sie wiederholen auch nicht nur den
Gesetzestext. Im Gegenteil, die Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit
der Untersagungsverfügung enthält fallbezogen und konkret diejenigen Erwägungen, die
den Antragsgegner zur Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO veranlasst haben.
Ob die Begründung inhaltlich zutrifft, ist – wie erwähnt – keine Frage des § 80 Abs. 3 Satz
1 VwGO.
10 2. Nach summarischer Prüfung kann weder auf Grund der vom Antragsgegner
angenommenen Unvollständigkeit der Sammlungsanzeige noch auf Grund von
Rechtsverstößen im Zusammenhang mit der Aufstellung von Sammelcontainern auf die
Unzuverlässigkeit der Antragstellerin geschlossen werden (II. 2. b). Der Schutz der
Grundrechte und das Übermaßverbot gebieten eine strenge Auslegung und eine
restriktive Anwendung des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG (II. 2. a).
11 a) Bei der Anwendung dieser Norm ist zu berücksichtigen, dass die Untersagung einer
gewerblichen Sammlung regelmäßig einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs.
1 GG, gegebenenfalls auch des Art. 14 Abs. 1 GG, darstellt (vgl. hierzu und zum
Folgenden auch OVG NRW, Beschluss vom 19.07.2013 - 20 B 476/13 - juris; sowie
Senatsbeschlüsse vom 26.09.2013 - 10 S 1345/13 -, UPR 2014, 33, und vom 10.10.2013
- 10 S 1202/13 -, juris). Es handelt sich – gemessen an anderen behördlichen
Befugnissen und Maßnahmen – um den intensivsten Eingriff in Rechte des
Abfallsammlers, so dass die Untersagung einer Sammlung nur als letztes Mittel in
Betracht kommt. Die Regelung des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG als
Ermächtigungsgrundlage für eine Sammlungsuntersagung bedarf daher von vornherein
einer einschränkenden Auslegung. Da eine Untersagung bei Vorliegen der
tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend ist, d.h. kein Ermessen der Behörde besteht,
und eine Untersagung jedenfalls hinsichtlich gewerblicher Sammlungen regelmäßig
Grundrechte tangiert, spricht Einiges dafür, dass bloße Bedenken gegen die
Zuverlässigkeit ungeachtet des weit gefassten Wortlauts des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1
KrWG nicht für eine Untersagung ausreichen. Vielmehr müssen die Bedenken ein so
starkes Gewicht haben, dass sie, gemessen am Rang der Grundrechte und der Schwere
des potentiellen Schadens, eine Untersagung rechtfertigen (Karpenstein/Dingemann, in:
Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 18 RdNr. 77). Dies schließt es aus, etwa die
Nichtprüfbarkeit der Zuverlässigkeit mit dem Tatbestandsmerkmal „Bedenken gegen die
Zuverlässigkeit“ im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG gleichzusetzen. Vielmehr
muss die Unzuverlässigkeit des Betroffenen mit hinreichender Sicherheit feststellbar sein.
Hieraus folgt, dass eine Untersagung wegen Unzuverlässigkeit (noch) nicht in Betracht
kommt, wenn die Zuverlässigkeit noch nicht abschließend geprüft ist und hierfür zulässige
und zwecktaugliche Mittel zur Verfügung stehen. Nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit muss die Untersagung ultima ratio bleiben (vgl. näher OVG NRW,
Beschluss vom 19.07.2013 - 20 B 476/13 -, a.a.O.).
12 Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Senats (vgl. stellvertretend Beschluss
vom 04.03.2014 - 10 S 1127/13 - BA S. 11, juris) ist unzuverlässig im Sinne des § 18 Abs.
5 Satz 2 Alt. 1 KrWG, wer nicht die Gewähr dafür bietet, in Zukunft die abfallrechtlichen
und sonstigen einschlägigen Vorschriften, insbesondere zur ordnungsgemäßen und
schadlosen Verwertung von Abfällen (§ 7 Abs. 3 KrWG), einzuhalten (vgl. VG Bremen,
Beschluss vom 25.06.2013 - 5 V 2112/12 -, juris). Dabei kommt es nicht ausschließlich
auf das Begriffsverständnis der Entsorgungsfachbetriebeverordnung (§ 8 Abs. 2, § 9 Abs.
1 Satz 2 EfbV) an, weil gewerbliche Sammler von nicht gefährlichen Abfällen nicht
notwendigerweise Entsorgungsfachbetriebe sein müssen (vgl. im Einzelnen OVG NRW,
Beschluss vom 19.07.2013 - 20 B 476/13 -, a.a.O.). In Bezug auf die Pflichten nach dem
Kreislaufwirtschaftsgesetz muss das in der Vergangenheit liegende Verhalten des
Abfallsammlers die Prognose einer Unzuverlässigkeit der Person in der Zukunft
rechtfertigen; die Bejahung der Unzuverlässigkeit muss sich auf Tatsachen stützen
lassen.
13 b) Nach diesen Maßstäben begründet die vom Antragsgegner angenommene
Unvollständigkeit der Angaben seitens der Antragstellerin das Verdikt der
Unzuverlässigkeit nicht (nachf. aa). Auch die unabhängig von § 18 Abs. 2 KrWG
vorgetragenen Erwägungen des Antragsgegners führen (noch) nicht zu den im Sinne des
§ 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG ausreichenden Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der
Antragstellerin (unten cc).
14 aa) Der Senat hat wiederholt entschieden, dass eine unvollständige, die Vorgaben des §
18 Abs. 2 KrWG missachtende Anzeige grundsätzlich Bedenken gegen die
Zuverlässigkeit des Anzeigenden begründen kann. Das kann insbesondere der Fall sein,
wenn die zuständige Behörde den Anzeigenden auf die Unvollständigkeit seiner
Angaben hinweist und um eine Ergänzung bittet, daraufhin jedoch nicht reagiert oder die
nachgefragte Information sogar ausdrücklich verweigert wird. Auf diese Rechtsprechung
(Beschluss vom 26.9.2013 - 10 S 1345/13 -, GewArch 2014, 33, 35; Beschluss vom
10.10.2013 - 10 S 1202/13 -, juris RdNr. 22 und RdNr. 23) wird Bezug genommen.
15 In den genannten Entscheidungen hat der Senat jedoch auch dargelegt und im Einzelnen
begründet, dass Voraussetzung für den Schluss von der – tatsächlichen oder
vermeintlichen – Unvollständigkeit der Angaben auf die Unzuverlässigkeit des
Abfallsammlers die Rechtmäßigkeit der geforderten Nachweise ist. Das trifft auf
Standortlisten der Sammelcontainer, Sondernutzungserlaubnisse und privatrechtliche
Vereinbarungen über die Containeraufstellung nicht zu (Senat, a.a.O., GewArch 2014, 33,
36 und a.a.O., juris RdNr. 27 ff.). Folglich kann aus der Weigerung der Antragstellerin, zu
Standortlisten sowie öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Erlaubnissen Angaben zu
machen, im Rahmen des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. § 18 Abs. 2 KrWG nicht auf
deren Unzuverlässigkeit geschlossen werden.
16 bb) Der Antragsgegner bemängelt nicht, dass einzelne Anzeigepflichten gemäß § 18 Abs.
2 KrWG von der Antragstellerin unzureichend erfüllt worden sind (zu einer solchen
Fallgestaltung vgl. Senat, a.a.O., GewArch 2014, 33, 37 f.). Die Untersagungsverfügung
des Antragsgegners konzentriert sich vielmehr darauf, dass die geforderten Informationen
über die Aufstellorte der Container und das Vorliegen von Verträgen mit den
Grundstückseigentümern sowie Sondernutzungserlaubnissen darauf schließen ließen, ob
die Sammlung ordnungsgemäß durchgeführt werde und ob der Sammler unzuverlässig
sei. In welchem Punkt die abfallrechtliche Ordnungsmäßigkeit der Sammlung in Frage
stehen könnte, hat der Antragsgegner nicht dargelegt. Damit bleibt es dabei, dass die vom
Antragsgegner behauptete Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zu Unrecht auf die
Nichtvorlage einer Liste mit den Containerstandorten und von Kopien der öffentlich-
rechtlichen Sondernutzungserlaubnisse und der zivilrechtlichen
Standplatzgenehmigungen gestützt wird.
17 Doch selbst wenn die Antragstellerin ihre Anzeigepflichten nach § 18 Abs. 2 KrWG
unzureichend erfüllt hätte, käme der Erlass einer Untersagungsverfügung nur als ultima
ratio in Betracht. Das Übermaßverbot gebietet, der Durchsetzung der Anzeigepflicht
grundsätzlich Vorrang gegenüber der sofortigen Untersagung der Sammlung
einzuräumen; der zuständigen Behörde stehen sowohl die Anordnungsbefugnis nach §
62 i. V. m. § 18 Abs. 2 KrWG (verknüpft mit Maßnahmen des Verwaltungszwangs) als
auch die Verhängung einer Geldbuße nach Maßgabe des § 69 KrWG zur Verfügung
(ausführlich Senat, a.a.O., GewArch 2014, 33, 38). Der Antragsgegner hat ein derartiges
Vorgehen ernsthaft nicht in Betracht gezogen. Als im vorliegenden Zusammenhang nicht
geeignete Mittel werden in der Untersagungsverfügung stichwortartig „Bedingungen,
Befristungen, Auflagen“ genannt; ergänzend findet sich die lapidare Behauptung, auch
„auf andere Art und Weise“ könne der Erfolg (d.h. die Durchsetzung der Pflichten nach
dem Kreislaufwirtschaftsgesetz) nicht „sichergestellt werden“. Eine substanzhafte
Auseinandersetzung mit dem Übermaßverbot kann darin nicht gesehen werden. Es fehlt
vielmehr jede Begründung dafür, warum Maßnahmen nach § 62 i. V. m. § 18 Abs. 2 KrWG
bzw. § 69 KrWG von vornherein ausscheiden.
18 cc) in seiner bisherigen Rechtsprechung hat es der Senat für rechtmäßig erachtet,
unabhängig von § 18 Abs. 2 KrWG Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des
Anzeigepflichtigen auch daraus abzuleiten, dass dieser häufig durch unerlaubte
Sondernutzungen oder widerrechtliches Aufstellen von Sammelcontainern auf
Privatgrundstücken aufgefallen ist, weil Sammelcontainer ohne die erforderliche
Sondernutzungserlaubnis im öffentlichen Straßenraum oder ohne Einverständnis des
Grundstückseigentümers aufgestellt worden sind. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist
insoweit § 3 Nr. 15 KrWG; danach ist eine Sammlung gerade auch durch das Einsammeln
von Abfällen charakterisiert, und das Aufstellen von Containern dient unmittelbar dem
Einsammeln von Abfällen (Alttextilien). Bei systematischen und massiven Verstößen
gegen die öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Erlaubnispflicht können durchgreifende
Bedenken gegen die Zuverlässigkeit im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG
angenommen werden, wenn bei prognostischer Betrachtung die Gefahr besteht, dass es
bei Durchführung der Sammlung zu derartigen gewichtigen Verstößen kommen wird; dies
kann bei systematischen und massiven Verstößen in der Vergangenheit in der Regel
angenommen werden (Senat, Beschluss vom 26.09.2013, a.a.O., GewArch 2014, 33, 37;
Beschluss vom 10.10.2013, a.a.O., juris RdNr. 42 und RdNr. 43).
19 Voraussetzung für die Schlussfolgerung, der Antragstellerin fehle die Zuverlässigkeit im
Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG, ist allerdings eine ausreichende
Tatsachengrundlage, die die Annahme eines systematischen Fehlverhaltens stützt. Daran
fehlt es bei dem derzeitigen Sach- und Streitstand. Allein der Umstand, dass die
Zuverlässigkeit der Antragstellerin im Hinblick auf ihr Geschäftsgebaren bei der
Aufstellung von Sammelcontainern ohne die vom Antragsgegner geforderten zusätzlichen
Angaben nicht abschließend geprüft werden könne, rechtfertigt kaum die Annahme, dass
tatsächlich Unzuverlässigkeit auf Grund derartiger Verstöße vorliegt. Sonstige Tatsachen,
die auf eine systematische und massive Missachtung der Rechtsordnung durch die
Antragstellerin bei der Aufstellung von Containern hindeuten, sind vom Antragsgegner
nicht oder nicht mit der notwendigen Substanz dargetan worden.
20 Das Verwaltungsgericht hat seine gegenteilige Auffassung auf Zeitungsberichte und auf
das Verhalten von Drittfirmen, das der Antragstellerin zurechenbar sei, gestützt. Eine
ausreichende Tatsachengrundlage kann darin indessen nicht gesehen werden. So ist
Geschäftsführer der Firma xxx xxx nicht der Geschäftsführer der Antragstellerin, sondern
dessen Bruder, und eine zunächst ausgesprochene Gewerbeuntersagung ist vom
Regierungspräsidium Gießen nicht aufrechterhalten worden; vor diesem Hintergrund das
Verdikt der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin darauf stützen zu wollen, dass „die
zugrundeliegenden Vorwürfe nicht völlig ausgeräumt“ seien (Bl. 7 d. A.), ist ohne
Substanz. Warum die Antragstellerin für – sonstige – Verstöße der Firma xxx xxx im
Rechtssinne verantwortlich sein soll, ist nicht erkennbar.
21 Zu den Aktivitäten der xxx xxx, der xxx und der xxx hat die Antragstellerin im
Beschwerdeverfahren unwidersprochen vorgetragen, diese Unternehmen stellten
eigenverantwortlich Sammelcontainer auf. Ob dies rechtlich zutrifft und bereits dem
Grunde nach einer Zurechnung etwaiger von den Genannten begangener Verstöße zur
Antragstellerin entgegensteht, ist allerdings zweifelhaft (vgl. dazu Senatsbeschluss vom
10.10.2013, a.a.O., juris RdNrn. 44 f.; zur Qualifizierung als Sammlungsträger
Senatsbeschlüsse vom 21.10.2013 - 10 S 1201/13 -, GewArch 2014, 29 und vom
16.01.2014 - 10 S 2273/13 -, juris). Insoweit fehlt es aber an einer belastbaren
Tatsachengrundlage für ein Vorgehen nach § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG. Die vom
Verwaltungsgericht pauschal in Bezug genommenen Presseberichte zum Aufstellen von
Containern verschiedener Unternehmen außerhalb des Gebiets des Landkreises
Tübingen bilden keine tragfähige Grundlage für die Annahme, die Antragstellerin habe
systematisch und massiv gegen die Rechtsordnung verstoßen, so dass für die Zukunft ein
ähnliches Verhalten zu prognostizieren sei. Der Senat verkennt nicht den
Verwaltungsaufwand, der für die Ermittlung einer gesicherten Tatsachengrundlage
betrieben werden muss; es geht jedoch nicht an, eine Maßnahme nach § 18 Abs. 5 Satz 2
Alt. 1 KrWG mit grundrechtsbeeinträchtigender Wirkung auf vage Anhaltspunkte,
Mutmaßungen und pauschale Zurechnungen zu stützen.
22 Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner am 30.4.2013 eine Auflistung zu
Textilsammelbehältern in den Städten und Gemeinden des Landkreises Tübingen
übermittelt; für die meisten Städte und Gemeinden werden ein oder zwei Behälter
angegeben. Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsgegner vorgetragen, ihm seien von
der Antragstellerin im Landkreis Tübingen begangene „Unregelmäßigkeiten“ bekannt
geworden. Der Antragsgegner hatte damit in doppelter Hinsicht Anhaltspunkte dafür, im
Wege der Amtsermittlung (§ 24 LVwVfG) den Sachverhalt (weiter) aufzuklären. Es ist kein
rechtlich tragfähiger Grund dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner den Sachverhalt im
eigenen Zuständigkeitsbereich nicht durch mögliche und zumutbare Anstrengungen
aufgeklärt hat. So ist nicht dargelegt, warum z. B. auf Grund der von der Antragstellerin
vorgelegten Auflistung nicht danach geforscht worden ist, ob die Sammelcontainer auf
öffentlichen Flächen oder auf privatem Grund stehen und ob die notwendigen Erlaubnisse
erteilt worden sind. Sind systematische und massive Verstöße der Antragstellerin gegen
öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Erlaubnispflichten beim Aufstellen von
Sammelcontainern zu belegen, müsste es für die darlegungs- und beweispflichtige
Behörde geradezu auf der Hand liegen, den Beweis der entscheidungserheblichen
Tatsachen zunächst im eigenen Zuständigkeitsbereich zu sichern. Dass es nach
derzeitigem Sach- und Streitstand an der ausreichenden Tatsachengrundlage für ein
Vorgehen nach § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG fehlt, hat in erster Linie der Antragsgegner
zu verantworten.
23 3. Angesichts der mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmenden Rechtswidrigkeit der
angegriffenen Untersagungsverfügung ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherzustellen. Auf eine
allgemeine, von den Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren unabhängige
Interessenabwägung kommt es nicht mehr an.
24 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
25 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 und 3, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52
Abs. 1 GKG in Anlehnung an Nrn. 1.5 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt u.a. in Sonderbeilage VBlBW vom Januar
2014).
26 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).