Urteil des VG Stuttgart vom 08.04.2014

VG Stuttgart: freiwillige leistung, sinn und zweck der norm, eltern, jugendhilfe, öffentlich, geldleistung, subjektives recht, beratung, sozialleistung, kreis

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 8.4.2014, 12 S 1925/12
Leitsätze
Als eine der Komponenten der Förderung eines Kindes in der Kindertagespflege im Sinne von §
23 Abs. 1 SGB VIII kann eine Tagespflegeperson die laufende Geldleistung nach § 23 Abs. 2
SGB VIII - und damit auch die Leistung nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII - nur dann
beanspruchen, wenn der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem betreuten Kind
die Förderungsleistung auch bewilligt hat (wie Urteil vom 08.04.2014 im Parallelverfahren 12 S
1927/12).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juli 2012
- 7 K 3281/10 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Klägerin übt den Beruf einer Tagespflegeperson aus. Sie begehrt im
Berufungsverfahren von dem beklagten Landkreis nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII noch
eine weitere Erstattung ihrer im Jahr 2009 in den Monaten Januar bis August
aufgewandten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Von Februar bis August 2009
betreute die Klägerin ausschließlich zwei über dreijährige Kinder auf privater Basis,
welchen nicht zuvor seitens des Beklagten als dem zuständigen örtlichen Träger der
Jugendhilfe eine Förderung in der Kindertagespflege gemäß den §§ 2 Abs. 2 Nr. 3, 22, 23
und 24 SGB VIII bewilligt worden war.
2 Der Sachverhalt im Einzelnen lässt sich dem Tatbestand des angegriffenen Urteils
(nachgewiesen bei juris) entnehmen (§ 130 b S. 1 VwGO).
3 Das Verwaltungsgericht hat mit dem Urteil vom 30.07.2012 die Klage der Klägerin
insoweit abgewiesen und zugleich die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Sache zugelassen.
4 Zur Begründung der Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, § 23 SGB VIII
begründe ab dem 01.01.2009 wieder subjektive Rechte für Tagespflegepersonen,
weshalb diese bei Streitigkeiten hierüber gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen könnten.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch setze jedoch voraus, dass in dem
maßgeblichen Zeitraum, für welchen die Erstattung von Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen geltend gemacht werde, von der Tagespflegeperson auch
Kinder betreut worden seien, für die der Träger der Jugendhilfe vorab den Zugang zur
öffentlich finanzierten Kindertagespflege nach § 24 SGB VIII bewilligt habe. Dies sei bei
der Klägerin im Jahr 2009 nur in den Monaten September bis Dezember der Fall gewesen.
5 Für die Auffassung des Gerichts spreche insbesondere der Wortlaut der einschlägigen
Bestimmungen, wonach die hälftige Erstattung der Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge Bestandteil der der Tagespflegeperson zu gewährenden
laufenden Geldleistung sei, was bedeute, dass nur Einnahmen aus öffentlich geförderten
Kindertagespflegeverhältnissen bei der Berechnung der zu erstattenden Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge Berücksichtigung finden könnten. Dasselbe ergebe sich aus
dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens sowie aus einer Stellungnahme des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 08.04.2010.
6 Ob die von der Klägerin im Jahr 2009 bis einschließlich August betreuten Kinder
seinerzeit tatsächlich einen Förderungsanspruch gehabt hätten, spiele keine Rolle. Denn
diese bzw. deren Eltern seien nicht verpflichtet, eine öffentlich-rechtliche Förderung in
Anspruch zu nehmen und einen dementsprechenden Antrag beim Jugendamt zu stellen.
Vor dem Hintergrund etwa, dass in Fällen einer öffentlich-rechtlichen Förderung geprüft
werden müsse, ob die Eltern dazu in der Lage seien, einen Kostenbeitrag nach § 90 SGB
VIII zu zahlen, sei es auch verständlich, wenn etwa gutverdienende Eltern gerade keine
Leistung der öffentlichen Jugendhilfe in Anspruch nehmen wollten.
7 Entgegen der Auffassung der Klägerin hätten die von ihr betreuten über drei-jährigen
Kinder auch keineswegs bereits automatisch einen Anspruch auf Förderung in der
Kindertagespflege gehabt. Denn § 24 Abs. 1 S. 2 SGB VIII in der noch im Jahr 2009
geltenden Fassung beinhalte einen Anspruch dieser Kinder auf fehlerfreie
Ermessensentscheidung gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Im Rahmen
des Ermessens sei dabei unter anderem auf die Kriterien des § 24 Abs. 3 SGB VIII
zurückzugreifen.
8 Dass es seinerzeit nicht bekannt gewesen und von dem Beklagten nicht kommuniziert
worden sei, dass Eltern einen Antrag auf Förderung hätten stellen müssen, sei ebenfalls
nicht relevant. Denn die Klägerin sei als Tagesmutter selbstständig tätig und habe sich
insoweit über ihre Rechte und Pflichten zu informieren. Es liege in ihrer Sphäre, auch
Kinder zu betreuen, die nicht öffentlich gefördert würden, zumal sie nicht daran gehindert
sei, mit den Eltern einen Stundensatz für die Betreuung des Kindes zu vereinbaren, der
auch ihre Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung mit abdecke. Für das
vorliegende Verfahren sei es insbesondere nicht entscheidungserheblich, wie der
Beklagte die Eltern etwa über den Tageselternverein Kreis E. e.V. informiert habe.
9 Das Urteil ist der Klägerin am 13.08.2012 zugestellt worden.
10 Am 12.09.2012 hat sie hiergegen Berufung eingelegt und diese unter dem 12.10.2012 wie
folgt begründet:
11 Das Verwaltungsgericht gehe zunächst zu Unrecht davon aus, dass die Bewilligung der
laufenden Geldleistung nach § 23 Abs. 1 und 2 SGB VIII von einem zuvor durch das zu
betreuende Kind gestellten Antrag sowie einer Bewilligung öffentlich finanzierter
Kindertagespflege abhängig sei.
12 § 23 Abs. 1 SGB VIII umfasse seinem Wortlaut nach insgesamt fünf Leistungen, von
welchen lediglich die Vermittlung des Kindes an eine geeignete Tagespflegeperson
unmittelbar dem Kind zu Gute komme. Alle weiteren Leistungen beträfen ausschließlich
die Sphäre der Tagespflegeperson und stellten deshalb eine öffentliche Förderung der
Kindertagespflege dar. Selbst die Vermittlung des Kindes an eine Tagespflegeperson
betreffe mittelbar auch die Tagespflegeperson. Gerade die vorliegend in Streit stehende
Gewährung der laufenden Geldleistung an die Tagespflegeperson stelle - neben den vier
weiteren Bausteinen - eine öffentliche Förderung der Kindertagespflege dar. Nach der
Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ein Antrag des Kindes auf öffentliche Förderung
auch notwendig, um der Tagespflegeperson Beratung, Begleitung und weitere
Qualifizierung zukommen zu lassen. Auch eine Vermittlung dürfe erst auf Antrag des zu
betreuenden Kindes erfolgen. Dem widerspreche aber zum einen die Praxis des
Beklagten, wonach Eltern vor der Vermittlung keinen Antrag, sondern nur eine
Vorabanfrage stellen könnten. Zum anderen widerspreche die Auffassung der Intention
des Gesetzgebers. So beschränke sich die öffentliche Förderung der Kindertagespflege
nicht nur auf die Zahlung einer laufenden Geldleistung, sondern sie setze sich aus den
erwähnten fünf Bausteinen zusammen, die in ihrer Gesamtheit zu betrachten seien. Es sei
nicht regelungskonform, für einen Bestandteil dieser Förderung, der ausschließlich die
Sphäre der Tagespflegeperson betreffe, einen Antrag des zu betreuenden Kindes zu
verlangen. Solches führe dazu, dass eine Tagespflegeperson trotz Vorliegens der
Voraussetzungen keine öffentliche Förderung erhalte, wenn Eltern einfach keine Lust
hätten, einen Antrag zu stellen. Es entspreche der Gesetzessystematik und auch dem Sinn
und Zweck der Norm, dass die Kindertagespflege als solche als ein Bestandteil der
Kinderbetreuung und nicht etwa das zu betreuende Kind gefördert werden solle. Zunächst
sollten geeignete Tagespflegepersonen zur Verfügung gestellt werden; diese zu finden, zu
beraten, zu begleiten und zu qualifizieren sei der Wille des Gesetzgebers. Ein zu
betreuendes Kind könne erst vermittelt werden, wenn diese Voraussetzungen geschaffen
seien. Erst dann habe es einen eigenen Anspruch auf Förderung, nämlich auf die
Vermittlung einer im Sinne des Gesetzes bereits geförderten Tagespflegeperson.
13 Die Beklagte habe im Übrigen lediglich die Höhe der beanspruchten Leistung
beanstandet, niemals die Leistung dem Grunde nach. Im Hinblick auf die von der Klägerin
betreuten über dreijährigen Kindern seien gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 SGB VIII a.F. auch gar
keine Voraussetzungen zu prüfen gewesen. Das Verwaltungsgericht verlange demnach
einen Antrag, ohne auszuführen, welche Fördervoraussetzungen überhaupt geprüft
werden müssten.
14 Das vorliegende Verfahren weise daneben die Besonderheit auf, dass die von der
Klägerin betreuten Kinder auch tatsächlich öffentlich gefördert worden seien. Denn sie
seien durch den Tageselternverein Kreis E. e.V., der im Auftrag des Beklagten handele,
vermittelt worden; die Klägerin selbst sei durch den Tageselternverein beraten, begleitet
und weiter qualifiziert worden. Diese Leistungen seien gewährt worden, ohne dass es
eines Antrags der betreuten Kinder bedurft hätte. Ihr sei auch ein Teil ihrer hälftigen
Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erstattet worden. Entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts sei insoweit zu keinem Zeitpunkt von einer diesbezüglichen
freiwilligen Leistung die Rede gewesen. Auf einen fehlenden Antrag des Kindes habe sich
der Beklagte nie berufen. Soweit er sich erst in der mündlichen Verhandlung dahingehend
eingelassen habe, dass es sich bei der gewährten Zahlung um eine freiwillige Leistung
gehandelt habe, stelle dies einen Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbindung der
Verwaltung dar, zumal eine Beratung durch den Beklagten in Gestalt des
Tageselternvereins gerade dahingehend stattgefunden habe, dass es eines Antrags nicht
bedurfte. Der Tageselternverein habe im Auftrag des Beklagten gehandelt, ihm seien die
Aufgaben der Beratung, Begleitung und Vermittlung sowie das
Eignungsprüfungsverfahren der Tagespflegepersonen übertragen worden. Dass es eines
Antrags nicht bedurfte, ergebe sich insbesondere aus dem Inhalt einschlägigen E-Mail-
Verkehrs, der der Anlage der Berufungsbegründung zu entnehmen sei. Auch später sei
kein Hinweis des Beklagten dahingehend erfolgt, dass die zu betreuenden Kinder einen
Antrag hätten stellen müssen, bevor Krankenversicherungsbeiträge erstattet werden
könnten. Es sei vielmehr die ständige Verwaltungspraxis gewesen, dass der Beklagte die
hälftigen Krankenversicherungsbeiträge an die Tagespflegepersonen auszahlte, ohne zu
prüfen, ob das betreute Kind einen Antrag nach § 24 SGB VIII gestellt habe.
15 Soweit das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen habe, dass sich die Klägerin als
Selbstständige über ihre Rechte und Pflichten hätte informieren müssen, sei dem
entgegenzuhalten, dass die Klägerin alles getan habe, was zu tun gewesen sei. Sie habe
sich bei dem Beklagten in Gestalt des Tageselternvereins informiert, worauf ihr erklärt
worden sei, dass es eines Antrags des betreuten Kindes nicht bedürfe. Der Beklagte habe
einen solchen Antrag zu keinem Zeitpunkt gefordert oder zur Grundlage seiner
Entscheidung gemacht. Er habe sogar im Gegenteil erklärt, dass ein Antrag der betreuten
Kinder nicht erforderlich sei. Nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und
aufgrund der ständigen Verwaltungspraxis könne er sich nun nicht darauf berufen, dass
ein solcher Antrag nicht vorgelegen habe.
16 Wenn der Beklagte nun erkläre, er habe die gewährten Leistungen freiwillig erbracht, sei
er bei der Entscheidung über die Höhe dieser freiwilligen Leistung nicht frei gewesen. Im
Rahmen seiner Entscheidungsbefugnis könne er nämlich nur darüber entscheiden, ob
eine freiwillige Leistung gewährt werde oder ob nicht. Bezüglich der Entscheidung über
die Höhe der Leistung sei er nicht frei; diese Entscheidung müsse gesetzeskonform ohne
Ermessensspielraum getroffen werden.
17 Zusammenfassend habe es einzig und allein der Beklagte verschuldet, dass ggf. zu
stellende Anträge nicht gestellt worden seien. Er habe ab dem Jahr 2009 die Verfahren zur
Beantragung der laufenden Geldleistung, der Kostenbeteiligung der Eltern und der
wirtschaftlichen Jugendhilfe derart miteinander verknüpft, dass es für Eltern, die gut
verdienten und die sich an den Kosten insgesamt hätten beteiligen müssen, keinen Sinn
gemacht hätte, einen derartigen Antrag zu stellen. Diese Eltern seien vom
Tageselternverein im Auftrag des Beklagten entsprechend beraten worden.
18 Der Klägerin seien nach allem die hälftigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu
erstatten, welche ihr tatsächlich entstanden seien, denn sie habe keine Alternative gehabt,
sich anders zu versichern.
19 Die Klägerin beantragt,
20 das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juli 2012 - 7 K 3281/10 - zu ändern
und den Beklagten zu verpflichten, ihr über die im Bescheid des Beklagten vom 25.
Februar 2010 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2010 bereits erstatteten
und im Urteil des Verwaltungsgerichts zugesprochenen Aufwendungen zur Kranken- und
Pflegeversicherung hinaus weitere 811,88 EUR für das Jahr 2009 nebst Zinsen in Höhe
von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten sowie die
ergangenen Bescheide aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
21 Der Beklagte beantragt,
22 die Berufung zurückzuweisen.
23 Er führt aus, das Verwaltungsgericht nehme zu Recht an, der Anspruch einer
Tagespflegeperson auf laufende Geldleistungen nach § 23 Abs. 1 und 2 SGB VIII setze
voraus, dass im maßgebenden Zeitraum von der Tagespflegeperson Kinder betreut
würden, für die der Träger der Jugendhilfe vorab den Zugang zur öffentlich finanzierten
Kindertagespflege nach § 24 SGB VIII bewilligt habe.
24 Die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege stelle
eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII dar, bei der es
sich um eine Sozialleistung i.S.d. §§ 11 und 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB I handele. Die
Anspruchsvoraussetzungen für diese Sozialleistung seien in § 24 SGB VIII geregelt.
Anspruchsinhaber seien die Kinder. Dies verdeutliche auch § 22 SGB VIII. Die in § 23
Abs. 1 und 2 SGB VIII geregelte laufende Geldleistung an die Tagespflegeperson sei
daher keine eigenständige Sozialleistung, sondern regele die Modalitäten der Erbringung
der Leistung „Förderung von Kindern in Kindertagespflege“. Die Klägerin verkenne, dass
„öffentlich geförderte Kindertagespflege“ kein Synonym für „öffentliche Finanzierung von
Kindertagespflege“ bedeute. Die Finanzierung der Tagespflege dürfe nicht mit der
eigentlichen Sozialleistung „Förderung von Kindern in Kindertagespflege“ verwechselt
werden. Die zutreffende Auffassung des Verwaltungsgerichts ergebe sich insbesondere
aus den Gesetzgebungsmaterialen.
25 Ein generelles Recht zur Förderung von Kindern im Alter von über drei Jahren in der
Kindertagespflege bestehe im Übrigen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Nach
§ 24 Abs. 1 S. 2 SGB VIII a.F. habe zwar der Träger der öffentlichen Jugendhilfe darauf
hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an
Ganztagesplätzen oder ergänzend Förderung in der Kindertagespflege zur Verfügung
stehe. Das Verwaltungsgericht habe aber zu Recht darauf hingewiesen, dass diese
Bestimmung kein subjektives Recht, sondern nur einen Anspruch auf fehlerfreie
Ermessensentscheidung vermittele. Im Rahmen der Ausübung dieses Ermessens werde
unter anderem auf die Kriterien des § 24 Abs. 3 SGB VIII zurückgegriffen.
26 Die Klägerin versuche darzulegen, dass der Beklagte die Schuld daran trage, dass Eltern
für ihre Kinder keinen Antrag auf Übernahme der Kosten in der Kindertagespflege gestellt
hätten. Die entsprechende Beweisführung durch die Vorlage von E-Mails lasse sich indes
nicht nachvollziehen. Abgesehen von der Tatsache, dass diese Korrespondenz auf
mehrere Arten verstanden werden könne, sei es nicht möglich, aus ihr eine Anfrage der
Klägerin herauszulesen. Der Beklagte habe bereits erstinstanzlich seine bisherige Praxis
im Hinblick auf eine hälftige Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen erläutert. Hierzu
zähle auch die Möglichkeit nach § 24 Abs. 5 SGB VIII, Aufwendungen nach § 23 Abs. 2 S.
1 Nr. 3 SGB VIII auch geeigneten Tagespflegepersonen zu erstatten, ohne dass damit
eine laufende Geldleitung nach § 23 Abs. 1 SGB VIII gewährt werde. Insoweit komme dem
Beklagten Ermessen zu. Im Hinblick auf den Ausbau der Kindertagespflege im Landkreis
E. sei dieses Ermessen regelmäßig dahingehend pflichtgemäß ausgeübt worden, dass
die nachgewiesenen (hälftigen) Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung
sowie die Unfallversicherungsbeiträge erstattet worden seien. Analog sei diese Regelung
auch auf eine angemessene Kranken- und Pflegeversicherung angewendet worden.
Diese Ermessensentscheidung sei für die Klägerin klar erkennbar gewesen. Eine etwaige
unzureichende Begründung stelle im Übrigen lediglich einen Formfehler dar, der bis zum
Abschluss eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden könne. Insoweit
seien die Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren
ausreichend.
27 Unbestritten sei, dass die Klägerin im klagerelevanten Zeitraum Kinder betreut habe, die
von der zuständigen Behörde nicht öffentlich gefördert worden seien. Deren Eltern hätten
sich entschieden, keine Übernahme der Kosten in der Kindertagespflege zu beantragen.
Sie hätten sich bewusst dazu entschlossen, keine Unterstützung der Jugendhilfe bei der
Erziehung und Betreuung ihrer Kinder in Anspruch zu nehmen. Zu keiner Zeit habe der
Beklagte den Tageselternverein Kreis E. e.V. angewiesen, Eltern dahingehend zu
beraten, keinen Antrag auf Übernahme der laufenden Geldleistung nach den §§ 23 ff. SGB
VIII zu stellen - auch dann nicht, wenn es sich um einkommensstarke Familien gehandelt
habe.
28 Dem Senat liegen die einschlägigen Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts und des
Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die
im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
29 Die zulässige - insbesondere fristgerecht begründete - Berufung hat keinen Erfolg.
30 Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Verpflichtungsklage der Klägerin, was den noch
in Streit stehenden Anspruch betrifft, zu Recht abgewiesen. Denn dieser steht für den noch
streitgegenständlichen Zeitraum (01.01. bis 30.06.2010) kein Anspruch auf eine weitere
Erstattung ihrer Aufwendungen zu einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung
in Anwendung von § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII zu. Der Bescheid des Beklagten vom
25.02.2010 sowie dessen hierzu ergangener Widerspruchsbescheid vom 26.07.2010
erweisen sich insoweit als rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
31 Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als
unbegründet zurück und sieht deshalb von einer ausführlichen Darstellung der
Entscheidungsgründe ab (§ 130 b S. 2 VwGO).
32 Er merkt ergänzend noch das Folgende an:
33 a) Entgegen der Auffassung der Klägerin bezwecken die von ihr herangezogenen
Bestimmungen des SGB VIII keineswegs in erster Linie eine öffentliche Förderung der
Kindertagespflege oder gar eine von einem konkreten Betreuungsverhältnis losgelöste
unmittelbare Unterstützung von Tagespflegepersonen.
34 Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII sowie entsprechend der Überschrift des Dritten
Abschnitts des Zweiten Kapitels des SGB VIII betreffen dessen §§ 22 bis 25 allein die
Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege als ausdrückliche
Leistung der Jugendhilfe (vgl. § 2 Abs. 1 SGB VIII). Leistungen der Jugendhilfe sind allein
den Leistungsberechtigten (vgl. § 5 Abs. 1 SGB VIII) zugeordnet, bei denen es sich nach
der Bestimmung des § 6 Abs. 1 S. 1 SGB VIII allein um junge Menschen, Mütter, Väter und
Personensorgeberechtigte von Kindern und Jugendlichen, nicht aber auch um
Tagespflegepersonen handeln kann.
35 § 22 Abs. 3 SGB VIII benennt als Auftrag der Förderung von Kindern in
Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege die Erziehung, Bildung und Betreuung
des Kindes unter Bezugnahme auf dessen soziale, emotionale, körperliche und geistige
Entwicklung. Allein zu diesem Zweck sieht § 23 Abs. 1 SGB VIII als Einzelbestandteile der
allein das Kind betreffenden Förderungsleistung die Vermittlung des Kindes zu einer
geeigneten Tagespflegeperson, soweit diese nicht von der erziehungsberechtigten Person
nachgewiesen wird, deren fachliche Beratung, Begleitung und weitere Qualifizierung
sowie die Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Tagespflegeperson vor.
Letztere stellt sich daher im Gesamtgefüge der Sozialleistung nach § 23 Abs. 1 SGB VIII
ebenfalls als eine - mittelbare - Leistung an das Kind dar.
36 Die laufende Geldleitung umfasst gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII die Hälfte
nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Kranken- und
Pflegeversicherung, ebenso wie die angemessenen Kosten, die der Tagespflegeperson
für den Sachaufwand entstehen (Abs. 2 Nr. 1), der Anerkennungsbeitrag (Abs. 2 Nr. 2)
sowie nachgewiesene Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung und die
Hälfte nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der
Tagespflegeperson (Abs. 2 Nr. 3). Als eine Komponente der Förderung eines Kindes in
der Kindertagespflege kann die Tagespflegeperson die laufende Geldleistung - und damit
auch die Leistung nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII - nur dann beanspruchen, wenn der
zuständige Träger der Jugendhilfe dem betreffenden Kind die Förderleistung auch
bewilligt hat. Dies sieht im Übrigen auch § 8 b Abs. 2 des Gesetzes über die Betreuung
und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der
Kindertagespflege (Kindertagesbetreuungsgesetz - KiTaG) vor, wonach eine laufende
Geldleistung nach § 23 SGB VIII von den örtlichen Trägern der Jugendhilfe an die
Tagespflegeperson für ein von ihr betreutes Kind gewährt wird, „für das ein
Betreuungsbedarf im Sinne von § 24 in Verbindung mit § 24 a SGB VIII festgestellt ist.“
37 Die von der Klägerin thematisierte und ohne Zweifel gesamtgesellschaftlich
wünschenswerte Förderung der Kindertagespflege als solcher einschließlich einer
Qualifizierung, Förderung und Beratung von Personen, die für die Kindertagespflege
geeignet sind, findet demgegenüber - unabhängig von den Vorschriften über die
Sozialleistung „Förderung von Kindern in Kindertagespflege“ - in § 43 SGB VIII i.V.m. den
§§ 8 b und 8 c KiTaG ihre Grundlage, wobei insbesondere eine Unterstützung der
Gemeinden und der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Bereitstellung
eines bedarfsgerechten Betreuungsangebots in Tageseinrichtungen und in der
Kindertagespflege durch Zuwendungen nach Maßgabe des Finanzausgleichsgesetzes
vorgesehen ist (vgl. zum Ganzen etwa Struck in Wiesner, SGB VIII, Komm., 4. Aufl., vor §
22, Rn. 28a, § 22 Rn. 2, 10, § 23 Rn. 10, 17, 20, 27c; Kaiser in Kunkel, SGB VIII, Komm., 5.
Aufl., § 23 Rn. 8 und 14; Mrozynski, SGB VIII, Komm., 5. Aufl., § 23 Rn. 9; Lakies in
Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl., vor §§ 22 - 26 Rn. 2, § 23 Rn.6; Grube in
Hauck/Nofz, SGB VIII, Komm., EL 1/14, § 23 Rn. 7, 12, 20, 42, 43; Vierheller/Teichmann-
Krauth, Recht und Steuern in der Kindertagespflege, 2. Aufl., S. 81; vgl. auch VG Aachen,
Urteil vom 13.03.2012 - 2 K 589/11 - juris; VG Oldenburg, Urteil vom 21.02.2011 - 13 A
2020/10 - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2012 - 7 K 3/11 - ZKJ 2012, 498 sowie die
„Fakten und Empfehlungen zu den Neuregelungen in der Kindertagespflege“ des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 05.12.2013).
38 Von all dem abgesehen erschließt sich dem Senat in keiner Weise, aus welchem
Bedürfnis heraus Tagespflegepersonen, welche auf der Grundlage ihrer selbstständigen
Tätigkeit mit den Eltern eines betreuungsbedürftigen Kindes einen privatrechtlichen
Vertrag abschließen und dabei die Höhe des Betreuungsentgelts einschließlich eines
etwaigen Anteils zur Begleichung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen regeln
können, darüber hinaus noch die hälftige Erstattung ihrer Aufwendungen zur Kranken- und
Pflegeversicherung nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII beanspruchen.
39 b) Entgegen der Darstellung der Berufungsbegründung sind auch die beiden von der
Klägerin betreuten Kinder nicht bereits deswegen als öffentlich geförderte Kinder
anzusehen, weil sie durch den Tageselternverein Kreis E. e.V. an die Klägerin vermittelt
worden seien. Denn auch wenn dem Tageselternverein seitens des Beklagten einzelne
Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe, wie etwa die Vermittlung und die Beratung von
Tagespflegepersonen, überlassen worden sein sollten, fehlt es dem Verein jedenfalls an
der notwendigen hoheitlichen Befugnis, eine konkrete Sozialleistung nach dem SGB VIII
zu bewilligen.
40 c) Keine Rolle für das vorliegende Verfahren spielt, ob die Klägerin selbst oder die Eltern
der von ihr privat betreuten Kinder seitens des Tageselternvereins Kreis E. e.V. oder auch
seitens des Beklagten selbst dahingehend - falsch - informiert worden sein sollten, dass
auch im Falle einer rein privaten Betreuung von Kindern ohne die vorherige Bewilligung
einer Leistung nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII eine Erstattung nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 SGB
VIII möglich sei. Denn eine falsche Beratung, eine fehler- oder lückenhafte Information
oder irgendgeartete nicht ausgeräumte Missverständnisse im Hinblick auf die
Voraussetzungen gesetzlich normierter Leistungsansprüche führen jedenfalls nicht dazu,
dass jene Voraussetzungen nicht mehr einzuhalten wären und damit keinerlei Geltung
mehr hätten.
41 d) Ebenso wenig ergibt sich für die Klägerin der von ihr geltend gemachte Anspruch aus
dem Umstand, dass der beklagte Landkreis für den vorliegend streitgegenständlichen
Zeitraum auch für ohne eine öffentlich-rechtliche Bewilligung privat betreute Kinder an
Tagespflegepersonen den hälftigen Mindestbeitrag zur gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung auf der Grundlage eigenen Ermessens gewährt hat. Jene Leistung ist
auch der Klägerin selbst gewährt worden (vgl. die Begründung des
Widerspruchsbescheids vom 26.07.2010, letzter Absatz). Eine noch darüber
hinausgehende Leistung bis zu dem von der Klägerin in dem vorliegenden Verfahren
beanspruchten Betrag vermag sie auch nicht auf der Grundlage des
Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG mit dem Hinweis darauf zu
beanspruchen, dass dieser Betrag im Fall einer öffentlich-rechtlich bewilligten Betreuung -
unter sonst gleichen Voraussetzungen - zu gewähren sei. Denn ob die Betreuung eines
Kindes in der Tagespflege öffentlich-rechtlich bewilligt worden ist oder ob der Betreuung
allein ein privatrechtlicher Vertrag zwischen den Eltern des Kindes und der
Tagespflegeperson zugrundeliegt, stellt gerade vor dem Hintergrund der im letztgenannten
Fall möglichen freien Aushandlung eines Betreuungsentgelts, das auch einen Teil des
Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags umfassen kann, ein sachgerechtes
Unterscheidungskriterium dar.
42 e) Auch soweit der Beklagte die zu Gunsten der Klägerin tatsächlich erfolgte Erstattung
des hälftigen Mindestbeitrags zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung auf eine
„analoge“ Anwendung der Bestimmung des § 24 Abs. 5 S. 2 HS 2 SGB VIII a.F. gestützt
hat, folgt hieraus entgegen der Auffassung der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung der
hälftigen von ihr tatsächlich insgesamt aufgewandten Beitrage, was sich bereits daraus
erklärt, dass der Beklagte insoweit eine vollständig freiwillige Leistung erbracht hat, die
ersichtlich gerade wegen des eindeutigen Wortlauts der herangezogenen Bestimmung
keineswegs etwa wegen des Vorliegens einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke
geboten gewesen wäre.
43 f) Schließlich kommt, was allein den Monat Januar 2009 anbetrifft, eine Erstattung von
Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen an die Klägerin schon deswegen nicht in
Betracht, weil die in dem vorliegenden Verfahren beigezogenen Behördenakten keinen
Hinweis darauf geben, dass die Klägerin in diesem Monat überhaupt ein Kind in der
Kindertagespflege betreut hat.
44 Die Berufung ist nach allem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge
zurückzuweisen.
45 Gerichtskosten sind nicht zu erheben (§ 188 S. 2 Hs. 1 VwGO).
46 Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht
gegeben sind.