Urteil des VG Stuttgart vom 22.11.2013
VG Stuttgart: raumordnung, vorrang, regionalplanung, stadt, ausweisung, bad, begriff, ausnahme, bekanntmachung, gemeinde
VGH Baden-Württemberg Urteil vom 22.11.2013, 3 S 3356/11
Leitsätze
1. Raumordnerische innergemeindliche Festlegungen von Vorrang- und Ausschlussgebieten für
zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte sind schon deswegen regelmäßig
regionalbedeutsam, weil zu den Grundsätzen der Raumordnung nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 3
ROG auch gehört, dass die räumlichen Voraussetzungen für die Erhaltung der Innenstädte und
örtliche Zentren als zentrale Versorgungsbereiche zu schaffen sind.
2. "Gebietsscharfe" Festlegungen von Vorrang- und Ausschlussgebieten für zentrenrelevante
Einzelhandelsgroßprojekte sind von der Ermächtigungsgrundlage § 11 LplG gedeckt, wenn sich
ihr Regelungsgehalt nach den Gesamtumständen hinreichend von dem bauplanerischer
Festsetzungen unterscheidet.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Antragstellerin wendet sich gegen die Teilfortschreibung des für sie geltenden
Regionalplans des Antragsgegners hinsichtlich des Kapitels zum Einzelhandel.
2 Die Antragstellerin ist eine Stadt mit rund 21.000 Einwohnern und nach dem
Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg (LEP 2002) und dem Regionalplan des
Antragsgegners als Mittelzentrum ausgewiesen. Die Einwohnerzahl des ihr zugeordneten
Verflechtungsbereichs beträgt rund 40.000 Einwohner. Sie bringt vor, auf Grund
topografischer Besonderheiten über eine sehr kompakte Siedlungsstruktur mit nur noch
wenigen Freiflächen zu verfügen. Eine von ihr in Auftrag gegebene
Einzelhandelsuntersuchung sei im Jahr 2007 zum Ergebnis gekommen, dass sie nicht in
der Lage sei, ihrer Versorgungsfunktion für sich selbst und ihren Verflechtungsbereich
gerecht zu werden. Versuche, durch Neuansiedlungen von Einzelhandelsbetrieben
Abhilfe zu schaffen, seien meist am Widerstand einzelner Grundstückseigentümer in ihrer
Kernstadt gescheitert. Deswegen könne die gebotene künftige Behebung der
bestehenden Unterversorgung nur über die Zulassung von Einzelhandelsgroßprojekten
mit zentrenrelevanten Sortimenten in lediglich teilintegrierten Lagen gelingen.
3 Der Landesentwicklungsplan 2002 legt in seinem Kapitel „3.3 Wirtschaftsentwicklung,
Standortbedingungen“ Ziele der Raumordnung zu Standorten für
Einzelhandelsgroßprojekte unter anderem wie folgt fest:
4
„3.3.7 Z
Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige
Handelsbetriebe für Endverbraucher (Einzelhandelsgroßprojekte) sollen sich in das
zentralörtliche Versorgungssystem einfügen; …
5
3.3.7.2 Z
Einzelhandelsgroßprojekte dürfen weder durch ihre Lage und Größe noch durch ihre
Folgewirkungen die Funktionsfähigkeit der Stadt- und Ortskerne der Standortgemeinde
wesentlich beeinträchtigen. Einzelhandelsgroßprojekte sollen vorrangig an städtebaulich
integrierten Standorten ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden. Für nicht
zentrenrelevante Warensortimente kommen auch städtebauliche Randlagen in Frage.“
6 Der Regionalplan des Antragsgegners aus dem Jahr 1995 legt in seinem Plansatz 2.6.9
(Z) den Einzelhandel betreffend u.a. fest:
7
„Die Einzelhandelsdienstleistungen durch Einkaufszentren, durch großflächige
Einzelhandelsbetriebe und andere großflächige Handelsbetriebe für Endverbraucher
sollen von den Ober-, Mittel- und Unterzentren aus erfolgen. Diese Einrichtungen sollen
städtebaulich und verkehrlich integriert in den Siedlungsbereichen der Zentralen Orte
zugelassen werden …“
8 Nach Auffassung des Antragsgegners waren in den Jahren nach 1995 in der Region
Entwicklungstendenzen zu beobachten, die eine verbraucher- und wohngebietsnahe
Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs gefährdeten. Es sei zur
Ausweisung und Errichtung von Einzelhandelsbetrieben mit umfangreichen
Parkplatzangeboten und Verkaufsflächengrößen an nicht zentralen autoaffinen Standorten
(„Grüne Wiese“) gekommen. Das habe in Verbindung mit dem sich verändernden
Verbraucherverhalten zu einer Verschiebung der Einkaufsschwerpunkte und einem
schleichenden Bedeutungsverlust der Innenstädte als Handels- und Versorgungszentren
sowie zu einem Anstieg des über den motorisierten Individualverkehr abgewickelten
Einkaufsverkehrs und der Umweltbelastungen geführt. Plansatz 2.6.9 (Z) bisheriger
Fassung habe somit seinen Zweck nicht hinreichend zu erfüllen vermocht; konkretere
Festlegungen seien erforderlich.
9 Daher beschloss der Planungsausschuss des Antragsgegners im September 2009, eine
Änderung des Plansatzes 2.6.9 (Z) im Wege einer Teilfortschreibung einzuleiten.
Wesentliches Ziel der Fortschreibung sei die gebietsscharfe Darstellung von Vorrang- und
Ausschlussflächen für zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte in der
Raumnutzungskarte.
10 In der Raumnutzungskarte des ersten Entwurfs zur Teilfortschreibung vom 24.9.2009 war
für die Gemarkung der Antragstellerin nur ein Vorranggebiet für zentrenrelevante
Einzelhandelsgroßprojekte (in der Innenstadt) dargestellt. Die Antragstellerin brachte mit
Schreiben vom 17.12.2009 umfangreiche Einwendungen vor und regte an,
Vorranggebiete auf ihrer Gemarkung in erheblich größerem Umfang darzustellen.
Daraufhin kam es zu einem Gespräch zwischen Antragstellerin und Antragsgegner am
12.3.2010, in dem der Antragsgegner argumentierte, ein Großteil der von der
Antragstellerin als Vorranggebiete gewünschten Areale entspreche nicht den
Anforderungen des Landesentwicklungsplans an „städtebaulich integrierte Lagen“. Die
Antragstellerin erhielt Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag. Dem kam sie mit
Anwaltsschriftsatz vom 23.3.2010 nach und legte im Wesentlichen dar, bei den weiteren
von ihr als Vorranggebieten gewünschten Arealen handele es sich zumindest um relativ
gut integrierte Standorte für Einzelhandelsgroßprojekte.
11 Diesem Vorbringen trug der Antragsgegner nur insoweit Rechnung, als er in der
Raumnutzungskarte des zweiten Entwurfs einer Teilfortschreibung vom 29.4.2010 das in
der Innenstadt vorgesehene Vorranggebiet erweiterte und ein zusätzliches Vorranggebiet
für zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte im Teilort K. darstellte. Die Aufnahme der
übrigen drei von der Antragstellerin vorgeschlagenen Vorranggebiete in die
Raumnutzungskarte lehnte er unter Verweis auf ihre städtebauliche Randlage im Sinne
des Landesentwicklungsplans ab. Mit Anwaltsschriftsatz vom 16.6.2010 wiederholte und
vertiefte die Antragstellerin ihre Einwendungen.
12 Am 16.7.2010 beschloss die Verbandsversammlung des Antragsgegners die
Teilfortschreibung unter Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Antragstellerin
als Satzung. Das Wirtschaftsministerium erklärte die Teilfortschreibung mit Genehmigung
vom 18.1.2011 für verbindlich. Die Genehmigung wurde am 28.1.2011 öffentlich bekannt
gemacht. Damit trat folgende Fassung von Plansatz 2.6.9 in Kraft:
13 „2.6.9 Einzelhandelsgroßprojekte
14 2.6.9.1 (G) Gewährleistung einer verbrauchernahen Versorgung
15 Um eine verbrauchernahe Versorgung in der gesamten Region zu gewährleisten, sollen
im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung integrierte und wohngebietsnahe Standorte
für die Ausweisung, Errichtung und Erweiterung von Einzelhandelsbetrieben
herangezogen werden. Dabei soll insbesondere den Bedürfnissen von Behinderten,
Familien mit Kindern und Senioren angemessen Rechnung getragen und auf eine gute
Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Fußgänger- und Fahrradverkehr hingewirkt
werden.
16 2.6.9.2 (Z) 1 Konzentrationsgebot
17 Die Ausweisung, Errichtung und Erweiterung von Einkaufszentren, großflächigen
Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben
(Einzelhandelsgroßprojekte) ist in der Regel nur in den Ober-, Mittel- und Unterzentren
zulässig.
18 (Z) 2 Abweichend hiervon kommen auch Standorte in Kleinzentren und Gemeinden ohne
zentralörtliche Einstufung in Betracht, wenn dies zur Sicherung der Grundversorgung
erforderlich ist und von den Einzelhandelsgroßprojekten keine überörtlichen
Auswirkungen zu erwarten sind. Die Plansätze 2.6.9.3 bis 2.6.9.5 gelten entsprechend.
…
19 2.6.9.5 (N) Integrationsgebot
20 Einzelhandelsgroßprojekte sollen vorrangig an städtebaulich integrierten Standorten
ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden. Für nicht-zentrenrelevante
Warensortimente kommen auch städtebauliche Randlagen in Frage.
21 2.6.9.6 (Z) 1 Vorranggebiete für zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte
Einzelhandelsgroßprojekte mit zentrenrelevanten Sortimenten sind nur in den in der
Raumnutzungskarte dargestellten Vorranggebieten für zentrenrelevante
Einzelhandelsgroßprojekte auszuweisen, zu errichten und zu erweitern. In den
Vorranggebieten für zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte sind andere mit der
vorrangigen unvereinbare raumbedeutsame Nutzungen ausgeschlossen. Außerhalb
dieser Vorranggebiete ist die Ausweisung und Errichtung von
Einzelhandelsgroßprojekten mit zentrenrelevanten Sortimenten ausgeschlossen
(Ausschlussgebiet für zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte). Ausnahmsweise
sind bestandsorientierte Erweiterungen zulässig, sofern sie entsprechend der Plansätze
2.6.9.2 bis 2.6.9.4 regionalplanerisch verträglich sind.
22 (Z) 2
23 Zentrenrelevante Randsortimente sind in den Ausschlussgebieten für zentrenrelevante
Einzelhandelsgroßprojekte auf die Verkaufsflächengröße zu begrenzen, die der
Schwelle zur Großflächigkeit entspricht. Die Verkaufsfläche für zentrenrelevante
Randsortimente hat sich der Verkaufsfläche des Hauptsortiments unterzuordnen...“
24 Die Antragstellerin hat am 19.12.2011 ein Normenkontrollverfahren eingeleitet mit dem
Begehren, Plansatz 2.6.9.6 (Z) der Teilfortschreibung für unwirksam zu erklären. Mit
Schriftsatz vom 29.3.2012 hat sie den Normenkontrollantrag begründet.
25 Die Antragstellerin macht geltend, Plansatz 2.6.9.6 (Z) 1 sei mit höherrangigem Recht
unvereinbar und abwägungsfehlerhaft zustande gekommen. Durch die in diesem Plansatz
vorgesehene Festlegung von Vorrang- und Ausschlussgebieten für zentrenrelevante
Einzelhandelsgroßprojekte komme es in der Raumnutzungskarte zu gebietsscharfen
Darstellungen. Damit überschreite der Antragsgegner seine ihm durch das Landesrecht
eingeräumte Befugnis. Denn wenn der Landesgesetzgeber die Regionalverbände zu
gebietsscharfen Festlegungen ermächtigen wolle, verwende er im Landesplanungsgesetz
den Begriff „Gebiete“ (wie in den Nummern 7 bis 10 des § 11 Abs. 3 Satz 2 LplG). Bei der
Ermächtigung zur Festlegung hinsichtlich Einzelhandelsprojekten in § 11 Abs. 3 Satz 2 Nr.
5 LplG benutze er jedoch nur den Begriff „Standorte“. Damit seien diesbezügliche
gebietsscharfe Regelungen alleine der Bauleitplanung vorbehalten, zumal sie ohnehin
zum „Bodenrecht“ nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 Alt. 2 GG zählten, wie das
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden habe. Denn letztlich nehme der
Antragsgegner hier mit raumplanerischen Mitteln Sondergebietsausweisungen nach § 11
Abs. 3 BauNVO auf ihrer Gemarkung vor.
26 Durch die Ausgestaltung von Plansatz 2.6.9.6 (Z) 1 Sätze 1 und 3 als Muss-Vorschriften
ohne Ausnahmemöglichkeit missachte der Antragsgegner die zwingenden Vorgaben des
Landesentwicklungsplans, da dessen korrespondierender Plansatz zum Integrationsgebot
3.3.7.2 (Z) Satz 2 lediglich als Sollvorschrift ausgestaltet sei.
27 Jedenfalls werde aber durch die Festlegungen von Vorrang- und Ausschlussgebieten
unverhältnismäßig in ihre gemeindliche Planungshoheit eingegriffen. Denn solche
Festlegungen dürften nur getroffen werden, wenn und soweit sie für die Entwicklung und
Ordnung der räumlichen Struktur der Region erforderlich seien. Daran fehle es hier aus
unterschiedlichen Gründen. Den Festlegungen des Antragsgegners mangele es bereits an
der erforderlichen Regionalbedeutsamkeit. Diese könne nicht damit begründet werden,
dass Einzelhandelsgroßprojekte schon nach der Definition in der Begründung zur
Teilfortschreibung stets überörtliche Auswirkungen hätten. Auch die weitere Begründung,
Ziel des angefochtenen Plansatzes sei die Stärkung der örtlichen Versorgungskerne,
verfange nicht, weil die Verfolgung dieses Ziels eine Aufgabe der örtlichen Bauleitplanung
sei. Die behauptete Verkehrsminderung trete allenfalls auf ihrem Gebiet und damit
allenfalls örtlich ein. Die konkret erfolgte Festlegung von Vorrang- und
Ausschlussgebieten auf ihrer Gemarkung führe dazu, dass sie kein einziges
zentrenrelevantes Einzelhandelsgroßprojekt realisieren könne. Denn Versuche in den
letzten Jahren hätten gezeigt, dass die Eigentumszersplitterung und der Egoismus
einzelner Grundeigentümer in ihrer Innenstadt zu groß seien, um dort ein
zentrenrelevantes Einzelhandelsgroßprojekt verwirklichen zu können. Die derzeit einzige
größere Brachfläche liege im Ausschlussgebiet. Da der Antragsgegner davon ausgehe,
dass es zur Realisierung eines Einzelhandelsgroßprojekts des Einsatzes von
Instrumenten des Baugesetzbuchs (Umlegung, Sanierungs- oder Entwicklungsgebiet)
bedürfe, sei die Intensität des Eingriffs in private Rechte besonders hoch und seien die
Festlegungen deswegen unangemessen.
28 Der Antragsgegner habe es in zu beanstandender Weise unterlassen, vor seiner
Abwägung die Eignung der von ihm festgelegten Vorranggebiete auf ihrer Gemarkung zur
Ansiedelung von Einzelhandelsbetrieben ausreichend zu untersuchen. Ebenso sei eine
Untersuchung der Versorgungssituation auf ihrem Gebiet unterblieben. Diese
Ermittlungsfehler könnten nicht unbeachtlich geworden sei. Denn sie habe den
Antragsgegner auf diese Defizite schon im Aufstellungsverfahren hingewiesen und die
Fehler seien so schwerwiegend, dass sie als Fehler im Abwägungsergebnis ausgelegt
werden müssten.
29 Die Antragstellerin beantragt,
30 Plansatz 2.6.9.6 (Z) der Teilfortschreibung des Regionalplans 1995 des
Regionalverbands Südlicher Oberrhein vom 16.7.2010 für unwirksam zu erklären.
31 Der Antragsgegner beantragt,
32 den Antrag abzuweisen.
33 Er erwidert, der Landesgesetzgeber ermächtige die Regionalverbände im
Landesplanungsgesetz zur Festlegung von Ausschlussgebieten auch für zentrenrelevante
Einzelhandelsgroßprojekte. Dass diese Bestimmungen verfassungswidrig seien,
behaupte auch die Antragstellerin nicht. Somit könne es unter weiteren Voraussetzungen
auch zu gebietsscharfen Festlegungen von Vorranggebieten kommen, die aber nicht
schon alleine deswegen bodenrechtlicher Natur seien. Denn „Standorte“ im Sinne von §
11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 LplG seien nicht nur Standorte im Gesamtraum, sondern auch
gebietsscharfe Standorte innerhalb einer Gemeinde. Die angefochtenen Festlegungen
nötigten die Antragstellerin auch nicht, in den festgelegten Vorranggebieten nur eine
bestimmte Art von Vorhaben zuzulassen, so dass ihr schon deswegen ein genügender
Planungsspielraum verbleibe.
34 Die Teilfortschreibung des Regionalplans beachte die Vorgaben in Plansatz 3.3.7.2 (Z)
Satz 2 des LEP 2002. Die Antragstellerin vermenge zur Begründung ihrer gegenteiligen
Auffassung den Regelungsgehalt von Soll-Bestimmungen im Landesentwicklungsplan mit
Bestimmungen, die eine Regel-Ausnahmestruktur aufwiesen. Dazu gehöre Plansatz
3.3.7.2 (Z) Satz 2 des Landesentwicklungsplans nicht. Zudem könne atypischen Fällen
über die Zulassung einer Zielabweichung Rechnung getragen werden.
35 Die Festlegung in Plansatz 2.6.9.6. (Z) 1 sei verhältnismäßig. Sie werde durch gewichtige
überörtliche Interessen gerechtfertigt. Denn sie beträfen nur solche
Einzelhandelsgroßprojekte, die nach der Definition in der Begründung der
Teilfortschreibung überörtliche Auswirkungen hätten. Weiter diene die Teilfortschreibung
der Stärkung der Versorgungskerne der Ober-, Mittel- und Unterzentren, die
definitionsgemäß auch der überörtlichen Versorgung des jeweiligen
Verflechtungsbereichs mit Gütern des nichttäglichen Bedarfs dienten. Damit werde eine
Stadt der kurzen Wege gefördert und Umweltbelastung durch Individualverkehr gemindert.
Zweck der gebietsscharfen Festlegungen von Vorranggebieten sei es, das im
Landesentwicklungsplan enthaltene Integrationsgebot räumlich zu verfeinern und durch
eine bessere Bestimmbarkeit auch vollzugsfähig zu machen.
36 Die Rüge unzureichender Ermittlung der Eignung der festgelegten Vorranggebiete auf
ihrer Gemarkung zur Aufnahme von zentrenrelevanten Einzelhandelsgroßprojekten sei
mangels rechtzeitiger Geltendmachung unbeachtlich. Im Übrigen liege ein dahingehender
Ermittlungsfehler auch nicht vor, da der Hinweis der Antragstellerin auf die mangelnde
Eignung der Flächen zu pauschal sei. Durch den Einsatz der Instrumente des
Baugesetzbuchs sei eine Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten möglich,
insbesondere innerhalb des Zeithorizonts von 15 Jahren, für den ein Regionalplan
üblicherweise gelte.
37 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten
Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten des
Antragsgegners verwiesen.
Entscheidungsgründe
38 Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist zulässig (I.), bleibt aber in der Sache ohne
Erfolg (II.).
I.
39 Der gegen einen Plansatz der als Satzung festgestellten (§ 12 Abs. 10 LplG)
Teilfortschreibung des Regionalplans des Antragsgegners gerichtete
Normenkontrollantrag ist statthaft (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO) und auch im
Übrigen zulässig. Die Antragstellerin besitzt insbesondere die erforderliche
Antragsbefugnis, da sie geltend machen kann, durch den angefochtenen Plansatz, der ein
Ziel der Raumordnung festlegt, in ihrem Recht auf Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1
GG, Art. 71 LVerf) verletzt zu sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO). Unabhängig davon ist
sie als Behörde antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO), da sie den Plansatz
gemäß § 1 Abs. 4 BauGB als die für die Bauleitplanung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB
zuständige Behörde zu beachten hat. Die einjährige Antragsfrist (§ 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO) ist gewahrt. Auch kann der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis für die
Anfechtung des Plansatzes der Teilfortschreibung nicht abgesprochen werden, obwohl sie
bereits durch das Integrationsgebot in Plansatz 3.3.7.2 (Z) des Landesentwicklungsplans
(LEP 2002) über § 1 Abs. 4 BauGB rechtlich gebunden und faktisch nicht unerheblich in
ihrer Planungshoheit beschränkt ist. Denn sie macht geltend, dass die Festlegungen des
angefochtenen Plansatzes über den Regelungsrahmen des Plansatzes 3.3.7.2 (Z) LEP
2002 hinausgingen und deshalb eine zusätzliche Einschränkung ihrer Planungshoheit
bewirkten.
II.
40 Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg. Für die gerichtliche Kontrolle ist die bei Erlass der
Teilfortschreibung geltende Rechtslage maßgebend. Abzustellen ist deshalb auf das
Raumordnungsgesetz vom 22.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2986) - ROG - (vgl. dessen
Übergangsvorschrift § 28 Abs. 1 Satz 1) und ergänzend (§ 28 Abs. 3 ROG) auf das
Landesplanungsgesetz in der Fassung vom 10.7.2003 (GBl. S. 385) - LplG -, zuletzt
geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 4.5.2009 (GBl. S. 185, 193). Gemessen daran
ist Plansatz 2.6.9.6 (Z) der Teilfortschreibung wirksam.
41 Verletzungen von Verfahrensvorschriften beim Zustandekommen der Teilfortschreibung
werden von der Antragstellerin nicht gerügt; solche Verletzungen sind auch für den Senat
nicht erkennbar.
42 Plansatz 2.6.9.6 (Z) der Teilfortschreibung steht entgegen der Ansicht der Antragstellerin
auch mit materiellrechtlichen Vorgaben im Einklang. Sein maßgeblicher erster Absatz legt
als Ziel der Raumordnung in beschreibender Darstellung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 ROG, § 11
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 LplG) fest, dass die Ausweisung, Errichtung und Erweiterung von
Einzelhandelsgroßprojekten mit zentrenrelevantem Sortiment nur in Vorranggebieten
zulässig und ansonsten (abgesehen von Erweiterungen) ausgeschlossen ist. Was unter
einem Einzelhandelsgroßprojekt zu verstehen ist, ergibt sich aus der Definition in Plansatz
2.6.9.1 (Z); die zentrenrelevanten Sortimente sind in einer Liste in Anlage 1 zur
Teilfortschreibung bestimmt. Die genannten Vorranggebiete werden im Kartenteil zur
Teilfortschreibung im Maßstab 1:50.000 dargestellt und damit zeichnerisch festgelegt (§ 3
Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ROG, § 11 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 LplG). Absatz 2 des angefochtenen
Plansatzes ergänzt diese Festlegungen durch eine Regelung hinsichtlich
zentrenrelevanter Randsortimente.
43 Die von der Antragstellerin beanstandeten Festlegungen des ersten Absatzes von
Plansatz 2.6.9.6 (Z) sind entgegen ihrer Ansicht wirksam. Denn diese Festlegungen sind
erforderlich im Sinne des § 11 Abs. 3 LplG (1.), überschreiten durch ihre konkret gewählte
Festsetzungsschärfe den Ermächtigungsrahmen des Landesplanungsgesetzes nicht (2.),
sind hinreichend bestimmbar (3.), missachten keine zwingenden Vorgaben des
Landesentwicklungsplans (4.) und leiden an keinen beachtlichen Abwägungsfehlern (5.).
44 1. Die Festlegungen des Plansatzes 2.6.9.6 (Z) 1 sind erforderlich im Sinne des § 11 Abs.
3 Satz 1 LplG, d.h. regionalbedeutsam (a) und nicht offensichtlich umsetzungsunfähig (b).
45 a) Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 LplG ist die Festlegung von Vorrang- und Ausschlussgebieten
für Einzelhandelsgroßprojekte - wie jede sonstige regionalplanerische Festlegung - nur
zulässig, soweit sie für die Entwicklung und Ordnung der räumlichen Struktur in der
Region erforderlich und damit als regionalbedeutsam anzusehen ist. Die Antragstellerin
meint, der mit dem angefochtenen Plansatz bezweckte Erhalt zentraler
Versorgungsbereiche betreffe eine auf ihr Gebiet beschränkte Entwicklung mit nur örtlicher
Wirkung und könne deswegen nicht regionalbedeutsam sein (ähnlich auch Uechtritz,
Agglomerationsregelungen in der Regionalplanung zur Steuerung des Einzelhandels,
VBlBW 2010, 181, 190). Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Maßnahmen, die dem
Erhalt zentraler Versorgungsbereiche in der gesamten Region dienen sollen, sind schon
aus diesem Grund für die Entwicklung und Ordnung ihrer räumlichen Struktur erforderlich,
weil der Regionalplangeber nach § 11 Abs. 2 Satz 1 LplG u.a. die Grundsätze der
Raumordnung nach § 2 ROG zu konkretisieren hat und zu diesen nach § 2 Abs. 2 Nr. 3
Satz 3 ROG kraft Bundesrechts auch gehört, dass die räumlichen Voraussetzungen für die
Erhaltung der Innenstädte und örtliche Zentren als zentrale Versorgungsbereiche (im
gesamten Geltungsbereich des Raumordnungsplans) zu schaffen sind. Das ist ohne
Festlegungen, die die örtliche und damit innergemeindliche Ebene betreffen, undenkbar
(vgl. auch Sparwasser, Einzelhandelssteuerung in der Regionalplanung, VBlBW 2008,
171, 180). In § 11 Abs. 2 Satz 3 LplG wird dementsprechend ergänzend bestimmt, dass
der Regionalplan diese Grundsätze nicht nur sachlich, sondern auch räumlich
auszuformen hat. Das den Schutz zentraler Versorgungsbereiche bezweckende
Integrationsgebot dient somit, wie der Senat bereits entschieden hat, der Sicherstellung
einer raumstrukturell und -funktionell verträglichen Ansiedlung großflächiger
Einzelhandelsbetriebe (Urt. d. Senats v. 4.7.2012 - 3 S 351/11 - BauR 2013, 425, juris
Rn.73; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10 - BVerwGE 138, 301, juris Rn. 18.).
Die auf die räumliche Ausformung dieses Gebots gerichteten Festlegungen in der
Teilfortschreibung des Regionalplans sind danach im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 LplG
als raumbedeutsam anzusehen.
46 b) Ein raumordnerisches Ziel ist allerdings auch dann nicht erforderlich im Sinne dieser
Vorschrift, wenn es sich mit dem verfügbaren städtebaulichen Instrumentarium nicht
rechtmäßig umsetzen lässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.5.2013 - 4 B 59.12 - juris Rn. 15;
Bunzel/Hanke, Die Grenzen der Regelungskompetenz der Raumordnungsplanung im
Verhältnis zur kommunalen Planungshoheit, 2011, S. 29; Runkel, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz- berger, BauGB, 2013, § 1 Rn. 56). Das ist jedenfalls
dann der Fall, wenn zulässige städtebauliche Regelungsinstrumente zur Umsetzung einer
raumplanerisch gewünschten oder der Verhinderung einer raumplanerisch unerwünschten
Entwicklung - etwa der Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben - nicht zur Verfügung
stehen (Urt. d. Senats v. 21.9.2010 - 3 S 324/08 - NuR 2011, 149, juris Rn. 40; Füßer,
Steuerung durch Raumplanung und ihre Grenzen, SächsVBl. 2013, 1, 8). Für das
Vorliegen dieser Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nichts zu erkennen. Dass der
Antragstellerin bauplanerische Festsetzungsmöglichkeiten für die Ausweisung von
Flächen für die Ansiedlung zentrenrelevanter Einzelhandelsgroßprojekte in den
Vorranggebieten einerseits und zur Verhinderung der Ansiedlung solcher Vorhaben auf
den Flächen des Ausschlussgebiets andererseits fehlten, wird auch von ihr nicht
behauptet.
47 Ob es für die von der Antragstellerin behauptete Vollzugsunfähigkeit der angefochtenen
Festlegungen auch darauf ankommt, dass keine Aussicht besteht, dass sich auf einer der
beiden auf ihrer Gemarkung festgelegten Vorrangflächen tatsächlich wenigstens ein
zentrenrelevantes Einzelhandelsgroßprojekt ansiedeln wird, wie dies die Antragstellerin
vertritt (in dieser Richtung auch Rojahn, Umweltschutz in der raumordnerischen
Standortplanung von Infrastrukturvorhaben, NVwZ 2011, 654, 662), lässt der Senat offen.
Denn entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist es keineswegs ausgeschlossen, dass
es auch über Jahre hinweg nicht möglich sein wird, in den beiden Vorranggebieten ein
zentrenrelevantes Einzelhandelsgroßprojekt anzusiedeln. Zum Beleg für eine
solchermaßen offensichtliche Vollzugsunfähigkeit reicht es nicht aus, auf das Scheitern
eines oder mehrerer Ansiedlungsprojekte in der Vergangenheit zu verweisen. Auch die
von der Antragstellerin angeführte „starke Eigentumszersplitterung“ in den beiden
Vorranggebieten lässt die Ansiedelung eines Einzelhandelsgroßprojekts nicht als
unmöglich erscheinen. Denn zum einen sind Eigentümer und Eigentümerinteressen
einem ständigen Wechsel unterworfen. Zum anderen fehlt jeder Beleg dafür, dass die
„Eigentumszersplitterung“ in den Innenstädten anderen Mittelzentren im Geltungsbereich
des Landesentwicklungsplans deutlich geringer ist als in jener der Antragstellerin.
Schließlich hat selbst die von der Antragstellerin in Auftrag gegebene
Einzelhandelsuntersuchung im Jahr 2007 in ihrem „Fazit“ auf S. 59 darauf hingewiesen,
dass die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben in den beiden zentralen
Versorgungsbereichen auf der Gemarkung der Antragsgegnerin „durch eine hierauf
abzielende Angebotsplanung der Stadt forciert“ werden sollte. Dazu gehöre auch die
Erstellung eines Einzelhandelskonzepts. An einem solchen Konzept fehlt es auch noch
zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
48 2. Die vom Antragsgegner konkret gewählte „Schärfe“ der zeichnerischen Festlegung von
Vorrang- und Ausschlussgebieten überschreitet den Rahmen der
Ermächtigungsgrundlage des § 11 LplG nicht.
49 a) Die Vorrang- und Ausschlussgebiete für zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte
werden im Kartenteil zur Teilfortschreibung im Maßstab 1:50.000 dargestellt und damit
zeichnerisch festgelegt. Die Verwendung dieses Maßstabs entspricht den Vorgaben in Nr.
4.3 Abs. 4 der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch geltenden
Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums über die Aufstellung von
Regionalplänen und die Verwendung von Planzeichen - VwV Regionalpläne - vom
14.9.2005. Das zur Darstellung verwendete Planzeichen nach Anlage 2 zu der genannten
Verwaltungsvorschrift besteht aus einer Schraffur ohne feste Randlinie, während andere
Planzeichen, etwa „Siedlungsbereich, gebietsscharf“, eine scharfe Randlinie vorsehen.
Damit kommt es durch die konkret erfolgten zeichnerischen Festlegungen zu nicht
unerheblichen Randunschärfen. Diese werden auch nicht durch die verbale
Umschreibung der beiden Vorranggebiete auf Seite 19 der Begründung zur
Teilfortschreibung beseitigt. Denn auf Seite 16 der Begründung wird darauf hingewiesen,
dass sich die genaue Lage der Vorranggebiete ausschließlich aus der
Raumnutzungskarte ergebe. Selbst wenn in der verbalen Beschreibung auf
Straßennamen Bezug genommen werde, sei dies nicht als räumlich exakte Abgrenzung
zu verstehen.
50 b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin überschreitet eine mit diesen
Einschränkungen „gebietsscharfe“ Festlegung nicht schon per se den Rahmen der
landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Nach § 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. Abs. 7
Satz 1 LplG sind im Regionalplan insbesondere Standorte für Einkaufszentren,
großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe
festzulegen, wobei diese Festlegung in Form von Vorranggebieten, Vorbehaltsgebieten
und Ausschlussgebieten getroffen werden kann. Das Gebrauchmachen von dieser
Ermächtigung setzt notwendigerweise eine zumindest gewisse Gebietsschärfe der
Abgrenzung voraus, weil der Festlegung der genannten Gebiete anderenfalls die
erforderliche Bestimmtheit fehlen würde (vgl. dazu 3.).
51 Ein anderes Verständnis der genannten Vorschriften lässt sich entgegen der Ansicht der
Antragstellerin auch nicht damit begründen, dass der Landesgesetzgeber in einigen
Nummern des § 11 Abs. 3 Satz 2 LplG den Begriff „Gebiete“ verwendet, während er in § 11
Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 LplG von „Standorten“ spricht. Wie der Antragsgegner zu Recht betont,
kommt der Verwendung dieser unterschiedlichen Begriffe nicht die Relevanz zu, die die
Antragstellerin ihr beimisst, zumal in § 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 11 LplG beide Begriffe sogar
miteinander vermengt werden. Dort wird zur Festlegung von „Gebieten für Standorte“ für
Nutzungen ermächtigt.
52 Der regionalplanerische „Durchgriff“ auf Gemeindegebietsteile ist allerdings an
verfassungsrechtliche Voraussetzungen gebunden, die auch für Normen des
Landesplanungsrechts gelten, die wie die genannte Vorschrift den Träger der
Regionalplanung zu gebietsscharfen Eingriffen in die Planungshoheit der Gemeinden
einer bestimmten Region berechtigen und verpflichten. Schränkt die Regionalplanung die
Planungshoheit einzelner Gemeinden ein, so müssen überörtliche Interessen von
höherem Gewicht den Eingriff rechtfertigen. Verpflichtet der Landesgesetzgeber die
Regionalplanung unter bestimmten Voraussetzungen zu Eingriffen in die kommunale
Planungshoheit, ist der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit zu beachten und eine Güterabwägung vorzunehmen. Der Eingriff in
die Planungshoheit der einzelnen Gemeinde muss gerade angesichts der Bedeutung der
kommunalen Selbstverwaltung verhältnismäßig sein. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist,
ist anhand der konkreten Gegebenheiten im Wege der Güterabwägung zu ermitteln
BVerwG, Urt. v. 15.5.2003 - 4 CN 9.01 - BVerwGE 118, 18; VGH Bad.-Württ., Urt. v.
17.12.2009 - 3 S 2110/08 - VBlBW 2010, 357; Urt. v. 19.12.2000 - 8 S 2477/99 - VBlBW
2001, 266). Je stärker eine Gemeinde schon von ihrer geographischen Lage oder ihrem
sonstigen Ausstattungspotential her einer Situationsgebundenheit unterliegt, desto eher
sind ihr Eingriffe, die an dieses Merkmal anknüpfen, zumutbar (BVerwG, Urt. v. 15.5.2003,
a.a.O.)
53 Unter diesen Voraussetzungen können auch gebietsscharfe Standortausweisungen für
Infrastrukturvorhaben mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar sein, da es zu den
herkömmlichen Mitteln überörtlicher Koordination gehört, Raumfunktionen zu sichern, die
an besondere Lagevorteile oder Standortbedingungen geknüpft sind (BVerwG, Urt. v.
15.5.2003, a.a.O.; s. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.12.2000, a.a.O.; Rojahn,
Umweltschutz in der raumordnerischen Standortplanung von Infrastrukturvorhaben, NVwZ
2011, 654, 659).
54 aa) Der Senat vermag danach der Auffassung nicht zu folgen, gebietsscharfe
raumordnerische Flächenfunktionszuweisungen seien zwar zugunsten von Natur,
Landschaft, Wasser- und Rohstoffvorkommen sowie für überörtlich bedeutsame
Großvorhaben zulässig, weil deren besondere Situationsgebundenheit für die damit
verbundene Beschränkung der kommunalen Planungshoheit streite; das gelte jedoch
nicht für Integrationsgebote zur Steuerung des kommunalen Einzelhandels (so insbes.
Uechtritz, Agglomerationsregelungen in der Regionalplanung zur Steuerung des
Einzelhandels, VBlBW 2010, 181, 190 m.w.N.). Nach dem zum Schutz der
Funktionsfähigkeit der Stadt- und Ortskerne dienenden Integrationsgebot sollen
Einzelhandelsgroßprojekte nur an städtebaulich integrierten Standorten ausgewiesen,
errichtet oder erweitert werden, wie dies auch Plansatz 3.3.7.2 (Z) LEP 2002 vorschreibt.
Unter einem städtebaulich integrierten Standort ist im Wesentlichen ein Standort zu
verstehen, der in einem baulich verdichteten Siedlungszusammenhang mit wesentlichen
Wohnanteilen und einem den Gegebenheiten angepassten öffentlichen
Personennahverkehr liegt. Wie diese Definition verdeutlicht, wird mit dem
Integrationsgebot an bestimmte siedlungsstrukturelle Gegebenheiten angeknüpft.
Gebietsscharfe raumordnerische Festlegungen zur Verwirklichung dieses Gebots sind
danach ebenfalls Ausdruck einer besonderen Situationsgebundenheit, sodass insoweit
dieselbe Rechtfertigung für eine Beschränkung der kommunalen Planungshoheit streitet
(vgl. zur Zulässigkeit von gebietsscharfen Festlegungen auch für Standorte von
Einzelhandelsprojekten Urt. des Senats v. 17.12.2009, a.a.O., juris Rn. 52; Bartram, Die
Ziele der Raumordnung, 2012, S. 242; Nonnenmacher, Kommunen und Raumordnung, 2.
Teil, VBlBW 2008, 201, 210).
55 bb) Auch davon, dass der Antragsgegner mit dem angefochtenen Plansatz mit
raumplanerischen Mitteln Sondergebietsausweisungen nach § 11 Abs. 3 BauNVO
vornehme, kann nach Ansicht des Senats keine Rede sein. Zwar dürfte unstreitig sein,
dass eine raumordnerische Festlegung zum Einzelhandel, deren Regelungsgehalt mit
jenem einer städtebaulichen Festsetzung identisch ist, wegen eines Verstoßes gegen die
Kompetenzordnung des Grundgesetzes und wohl auch wegen eines Eingriffs in den
Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts unzulässig ist. Eine solche Identität des
Regelungsgehalts bewirkt der Antragsgegner mit den angefochtenen Festlegungen aber
nicht.
56 Der Senat ist nicht der Meinung, dass raumordnerische innergemeindliche Festlegungen
mit der dargelegten Gebietsschärfe stets bodenrechtlichen Charakter haben und damit
stets zwingend nur der Bauleitplanung vorbehalten sind. Gegenteiliges lässt sich auch der
von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-
Westfalen (Urt. v. 30.9.2009 - 10 A 1676/08 - BauR 2010, 426, juris Rn. 89 ff.) nicht mit
hinreichender Sicherheit entnehmen, schon weil der dort zu entscheidende Sachverhalt
erheblich vom Sachverhalt im vorliegenden Verfahren abweicht. Das bedarf jedoch keiner
Vertiefung, da unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen kein Zweifel daran
besteht, dass der Antragsgegner mit dem angefochtenen Plansatz keine Festlegung
vorgenommen hat, die mit dem Regelungsgehalt einer städtebaulichen Festsetzung
identisch ist. Denn der Antragstellerin verbleibt noch ein hinreichender
Gestaltungsspielraum für eigenständige städtebauliche Entscheidungen (vgl. zu diesem
Erfordernis Runkel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, § 1 Rn. 66). Das gilt zum einen
wegen der dargelegten geringen Randschärfe der Festlegungen der Vorranggebiete. Zum
anderen führen die hier erfolgten Festlegungen zweier Vorranggebiete für
zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte inhaltlich nicht zu Festsetzungen von
Sondergebieten nach § 11 Abs. 3 BauNVO und damit eindeutig städtebaulichen
Regelungen. Denn in diesen Gebieten ist nicht jede andere bauliche Nutzung unzulässig,
sondern sind nach Satz 2 des Plansatzes 2.6.9.6 (Z) 1 nur „andere mit der vorrangigen
unvereinbare raumbedeutsame Nutzungen ausgeschlossen“, wie dies auch den Vorgaben
des § 11 Abs. 7 Satz 3 HS 2 LplG entspricht. Damit bleibt etwa die Zulassung von
Wohnbauvorhaben zumindest auf Teilflächen der Vorranggebiete zulässig (so auch S. 13
der Begründung zur Teilfortschreibung).
57 Schließlich ist auch der Umstand, dass in der Begründung zu Plansatz 2.6.9.2 (Z) 1 (vgl.
S. 9 der Begründung) auf § 11 Abs. 3 BauNVO verwiesen wird, nicht geeignet, dem
angefochtenen Plansatz einen städtebaulichen Charakter zu verleihen. Unter
Einzelhandelsgroßprojekten sind nach der Definition in der Begründung die in § 11 Abs. 3
BauNVO aufgeführten Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und andere
großflächige Handelsbetriebe für Endverbraucher zu verstehen, von denen nicht nur
unwesentliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung
ausgehen können. Der Antragsgegner macht damit deutlich, dass nicht schon jeder
großflächige Einzelhandelsbetrieb mit mehr als 800 qm Verkaufsfläche und mehr als
1.200 qm Geschossfläche als regionalbedeutsam eingestuft werden kann (vgl. dazu auch
Urt. des Senats v. 21.9.2010 - 3 S 324/08 - NuR 2011, 122, juris Rn.33; Kuschnerus, Der
standortgerechte Einzelhandel, 2007, S. 198).
58 3. Den zeichnerischen Festlegungen der Vorrang- und Ausschlussgebiete mangelt es
nicht an der erforderlichen Bestimmtheit.
59 Zwar erfordert das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot auch eine hinreichende
Bestimmbarkeit verbindlicher zeichnerischer planerischer Regelungen (vgl. zu
Festsetzungen nach dem BauGB Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 2013, §
9 Rn.11). Gleichzeitig hat der Antragsgegner - wie dargelegt - aus verfassungsrechtlichen
Gründen Zurückhaltung bei der Detailschärfe raumordnerischer zeichnerischer
Festlegungen zu üben. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Sächsischen
Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 3.7.2012 - 4 B 808/06 - BauR 2012, 1904 m.w.N.) hält der
Senat in diesem Spannungsfeld zwischen rechtsstaatlichem Bestimmtheitsgebot und
gebotener regionalplanerischer Zurückhaltung den hier verwendeten Maßstab von
1:50.000 und die hier erfolgte Darstellung der Vorranggebiete für noch ausreichend
bestimmbar (vgl. auch Füßer, Steuerung durch Raumplanung und ihre Grenzen,
SächsVBl. 2013, 1, 8). Solange eine Konkretisierung des Flächenumgriffs der
Vorranggebiete durch die Bauleitplanung der Antragstellerin nicht erfolgt ist, dürfte das zur
Folge haben, dass sich ein Grundstückseigentümer in einem Genehmigungsverfahren auf
die denkbaren äußeren Grenzen des Gebietes berufen kann (vgl. nochmals OVG
Sachsen, Urt. v. 3.7.2012, a.a.O.).
60 4. Plansatz 2.6.9.6 (Z) 1 verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG i.V.m. Plansatz
3.3.7.2 (Z) LEP 2002.
61 Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG sind bei raumbedeutsamen Planungen öffentlicher
Stellen Ziele der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 ROG) zu beachten; eine gleichlautende
Pflicht ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 LplG. Zu den raumbedeutsamen Planungen
öffentlicher Stellen zählt auch die Regionalplanung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2012 -
8 S 2525/09 - DVBl 2013, 384; Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, § 4 Rn. 36).
Eine regionalplanerische Festlegung, die ein in einem landesweiten Raumordnungsplan
rechtswirksam festgelegtes Ziel der Raumordnung nicht beachtet, verstößt daher gegen §
4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG und kann selbst kein gültiges Ziel der Raumordnung sein (VGH
Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2012, a.a.O.).
62 Die Bedeutung der Pflicht zum „Beachten“ von Zielen der Raumordnung erschließt sich
insbesondere aus einem Vergleich mit der Relevanz von Grundsätzen der Raumordnung.
Während diese als Vorgaben für die Abwägungsentscheidung (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG; § 3
Abs. 2 LplG) vom Träger der Regionalplanung nur zu „berücksichtigen“ (§ 4 Abs. 1 Satz 1
ROG) sind, hat er die Ziele der Raumordnung des Landesentwicklungsplans nach § 4
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG (bzw. nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LplG) zu „beachten“, was auf einen
erhöhten Grad der Verbindlichkeit hinweist. Der regionalplanerische Spielraum, den die
Träger der Regionalplanung bei der ihnen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 LplG obliegenden
Pflicht zur Ausformung eines Zieles der Raumordnung des Landesentwicklungsplanes
besitzen, beschränkt sich damit auf Festlegungen, die den durch das Ziel festgelegten
Rahmen nachvollziehend räumlich und sachlich verfeinern, soweit dieser Rahmen nicht
selbst Spielraum für abweichende Ausgestaltungen im Regionalplan eröffnet (VGH Bad.-
Württ., Urt. v. 15.11.2012, a.a.O.).
63 Gemessen daran verstoßen die Festlegungen des Plansatzes 2.6.9.6 (Z) 1 nicht gegen § 4
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG. Plansatz 3.3.7.2 (Z) Satz 2 LEP 2002 stellt zwar ein vom
Antragsgegner zu beachtendes Ziel der Raumordnung dar (a), der von diesem Ziel
vorgegebene Rahmen wird jedoch nicht überschritten (b).
64 a) Nach Plansatz 3.3.7.2 (Z) Satz 2 LEP 2002 sollen Einzelhandelsgroßprojekte vorrangig
an städtebaulich integrierten Standorten ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden. In
der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass es sich bei dieser Vorgabe um ein
abschließend abgewogenes (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG) Ziel der Raumordnung handelt
und nicht nur um einen - falsch etikettierten - bloßen Grundsatz der Raumordnung (Urt. d.
Senats v. 4.7.2012 - 3 S 351/11 - BauR 2013, 425 juris Rn. 70). Daran ist festzuhalten.
65 Landesplanerische Aussagen in Gestalt einer Soll-Vorschrift erfüllen allerdings nur dann
die Merkmale eines Ziels der Raumordnung, wenn die Voraussetzungen, bei deren
Vorliegen die Vorschrift auch ohne förmliches Zielabweichungsverfahren eine Ausnahme
von der Zielbindung zulässt, im Wege der Auslegung auf der Grundlage des Plans
hinreichend bestimmt oder doch bestimmbar sind (BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10 -
BVerwGE 138, 301 juris Rn. 10; Urt. d. Senats vom 4.7.2012, a.a.O., juris Rn. 69; Bartram,
Die Ziele der Raumordnung, 2012, S. 57). Satz 2 des Plansatzes 3.3.7.2 (Z) LEP 2002
erfüllt diese Voraussetzungen, da der nachfolgende Satz 3, wonach für nicht
zentrenrelevante Warensortimente auch städtebauliche Randlagen in Betracht kommen,
ausdrücklich die Ausnahme von der Zielbindung benennt. Diese Ausnahme ist für sich
genommen auch im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs „nicht zentrenrelevante
Warensortimente“ hinreichend bestimmt, jedenfalls aber durch die der Begründung zur
Teilfortschreibung (S. 24) angefügte Sortimentsliste hinreichend bestimmbar.
66 Die Ansicht der Antragstellerin, wonach Plansatz 3.3.7.2 (Z) Satz 2 LEP 2002 über die in
dem nachfolgenden Satz 3 ausdrücklich benannte Ausnahme hinaus weitere Ausnahmen
in atypischen Fällen zulasse, vermag der Senat nicht zu teilen. Die Antragstellerin meint,
da Satz 2 des genannten Plansatzes formuliere, Einzelhandelsgroßprojekte „sollen
vorrangig“ an städtebaulich integrierten Lagen ausgewiesen, errichtet oder erweitert
werden, müsse es noch weitere atypische Fallgestaltungen jenseits der in Satz 3
genannten Verwendung bestimmter Warensortimente geben, in denen ohne
Zielabweichungsverfahren eine Ausweisung, Errichtung oder Erweiterung von
Einzelhandelsgroßprojekten mit zentrenrelevanten Sortimenten außerhalb von integrierten
Lange möglich sei. Zu diesen atypischen Ausnahmefällen zählten etwa eine „bestehende
Unterversorgung“ oder eine „starke Eigentumszersplitterung“. Sie rechtfertigten die
Zulassung eines Einzelhandelsgroßprojekts auch in nur teilintegrierten Lagen ohne
Durchführung eines Zielabweichungsverfahrens. Damit sei Plansatz 2.6.9.6 (Z) 1
unzulässig enger als der Regelungsrahmen des Landesentwicklungsplans.
67 Dieser Auffassung zur Reichweite der Ausnahmen von der Zielbindung in Plansatz 3.3.7.2
(Z) Satz 2 LEP 2002 hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 4.7.2012 (a.a.O., juris Rn.
70) eine Absage erteilt. Der Senat hat aus der Ausnahmeregelung im Plansatz 3.3.7.2 (Z)
Satz 3 LEP 2002 gefolgert, dass Einzelhandelsgroßprojekte mit zentrenrelevanten
Warensortimenten allein an städtebaulich integrierten Standorten ausgewiesen, errichtet
oder erweitert werden dürften und in diesem Zusammenhang ferner darauf hingewiesen,
dass der Begriff der Vorrangigkeit im Plansatz 3.3.7.2 (Z) Satz 2 LEP 2002 nur in diesem
Sinn zu verstehen sei.
68 An dieser Auslegung hält der Senat auch in Ansehung des Vorbringens der Antragstellerin
fest. Der Wortlaut der Vorschrift gibt für ein anderes Verständnis der Vorschrift nichts her.
Die Auffassung der Antragstellerin lässt sich auch mit der Begründung des Plansatzes im
Landesentwicklungsplan nicht vereinbaren. Auf S. 36 der Begründung des
Landesentwicklungsplans heißt es:
69 „Einzelhandelsgroßprojekte sollen vorrangig in städtebaulich integrierten Lagen
innerhalb des Bebauungszusammenhangs ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden.
Bei Vorhaben, die auf Grund ihres Warenangebots nur geringe Auswirkungen auf die
innerörtliche Einzelhandelsstruktur und damit auf die Funktionsfähigkeit der Stadt- und
Ortskerne erwarten lassen oder auf Grund der Beschaffenheit der Waren für Stadt- und
Ortskerne nicht geeignet sind, ist eine Ansiedlung in städtebaulichen Randlagen möglich.
Die Funktionsfähigkeit der Stadt- und Ortskerne der Standortgemeinde oder anderer
Zentraler Orte ist in der Regel als wesentlich beeinträchtigt anzusehen, wenn dort wegen
des zu erwartenden Kaufkraftabflusses Geschäftsaufgaben drohen.“
70 Als einzige Fälle, in denen Einzelhandelsgroßprojekte auch in städtebaulich nicht
integrierten Lagen ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden können, werden danach
Vorhaben genannt, die auf Grund ihres Warenangebots nur geringe Auswirkungen auf die
innerörtliche Einzelhandelsstruktur und damit auf die Funktionsfähigkeit der Stadt- und
Ortskerne erwarten lassen oder auf Grund der Beschaffenheit der Waren für Stadt- und
Ortskerne nicht geeignet sind. Ein Hinweis darauf, dass über diese Fälle hinaus auch in
anderen Fallgestaltungen von der Vorgabe in 3.3.7.2 (Z) Satz 2 LEP 2002 abgewichen
werden dürfe, findet sich nicht. Der Vergleich mit der Begründung zu Plansatz 3.3.7 legt
vielmehr das Gegenteil nahe. Denn zu der Vorgabe in Plansatz 3.3.7, nach der
Einzelhandelsgroßprojekte in der Regel nur in Ober-, Mittel- und Unterzentren zulässig
sind, heißt es in der Begründung (vgl. Seite 36), dass von dieser Regelung über die
beiden ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle hinaus auch in atypischen Fällen
abgewichen werden dürfe.
71 b) Von diesem durch Sätze 2 und 3 des Plansatzes 3.3.7.2 (Z) LEP 2002 vor-gegebenen
Regelungsrahmen weicht der Antragsgegner durch die Fassung seines Plansatzes 2.6.9.6
(Z) 1, wonach zentrenrelevante Einzelhandelsgroßprojekte nur in Vorranggebieten
ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden dürfen, nicht ab.
72 5. Der angefochtene Plansatz leidet an keinem zu seiner Unwirksamkeit führenden
Abwägungsfehler.
73 Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG sind bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen die
öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar
und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen. Eine
vergleichbare Verpflichtung sieht § 3 Abs. 2 Satz 1 LplG vor. Das stellt Anforderungen an
den Abwägungsvorgang (a) und das Abwägungsergebnis (b).
74 a) Nach Ansicht der Antragstellerin ist die vom Antragsgegner vorgenommene Abwägung
fehlerhaft, da der Antragsgegner vor der Darstellung der Vorranggebiete in der
Raumnutzungskarte auf ihrer Gemarkung die Eignung der Flächen und die
Versorgungssituation nicht ermittelt habe. Ob das zutrifft, bedarf im Rahmen des
vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung, da die damit gerügten Fehler im
Abwägungsvorgang, sofern sie vorliegen sollten, nach § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ROG
unbeachtlich geworden sind.
75 Nach dieser Bestimmung werden nach § 12 Abs. 3 ROG beachtliche Mängel des
Abwägungsvorgangs unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit
Bekanntmachung des Regionalplans gegenüber der zuständigen Stelle geltend gemacht
worden sind. Der Antragsgegner hat in der öffentlichen Bekanntmachung der Erteilung der
Genehmigung der Teilfortschreibung am 28.1.2011 ordnungsgemäß über die
Voraussetzung für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften - insbesondere
innerhalb der Jahresfrist - sowie auf die Rechtsfolgen hingewiesen (§ 12 Abs. 5 Satz 2
ROG). Die Antragstellerin hat aber die Rüge unzureichender Ermittlungen erst mit einem
Schriftsatz, der im April 2012 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist, geltend
gemacht, und damit deutlich nach Ablauf der Jahresfrist. Etwaige Mängel des
Abwägungsvorgangs sind damit unbeachtlich geworden.
76 aa) Der Umstand, dass die Antragstellerin die von ihr geltend gemachten Ermittlungsfehler
bereits während beider Offenlagen und damit vor Inkraftsetzung der Teilfortschreibung
gerügt hatte, ändert daran nichts. § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ROG will erreichen, dass der
Plangeber in angemessener Zeit Klarheit über die Gültigkeit seines Plans erhält. Während
des Aufstellungsverfahrens erhobene Rügen müssen deshalb nach der Bekanntmachung
des Plans noch einmal vorgebracht werden, um den Eintritt der Rechtsfolge des § 12 Abs.
5 Satz 1 Nr. 3 ROG zu verhindern (vgl. zu den vergleichbaren Planerhaltungsvorschriften
für Bebauungspläne in § 244 Abs. 2 BauGB a.F. bzw. § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB BVerwG,
Beschl. v. 11.11.1998 - 4 BN 50.98 - NVwZ-RR 1999, 424; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt.
v. 4.7.2012 - 10 D 47/10.NE - UPR 2012, 452; Stock, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 215 Rn. 38 m.w.N.).
77 bb) Ebenso scheidet es aus, Ermittlungsfehler, die dem Abwägungsvorgang (§ 12 Abs. 3
Satz 2 ROG) zuzurechnen sind, bei einer bestimmten Schwere als Fehler im
Abwägungsergebnis auszulegen und damit der der Planerhaltung dienenden Regelung in
§ 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ROG zu entziehen (so aber Spannowsky in:
Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, § 12 Rn. 25; Lemmel, in: Berliner Kommentar zum
BauGB, 2013, § 215 BauGB Rn. 14 zur vergleichbaren Planerhaltungsvorschrift im
BauGB). Eine solche Gesetzesauslegung entgegen dem Wortlaut von § 12 Abs. 5 Satz 1
Nr. 3 ROG ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Sie lässt sich insbesondere nicht damit
begründen, dass das Abwägungsgebot nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts Ausdruck des verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsgebot
wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist. Der Umstand, dass das
Abwägungsgebot insoweit eine verfassungsrechtliche Komponente hat, schließt es nicht
aus, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen dieses Gebot
differenziert regelt. Das gilt umso mehr, als auch die Prinzipien der Rechtssicherheit und
des Vertrauensschutzes, denen die Regelung § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 ROG dient, ihre
Wurzel im Verfassungsrecht haben (vgl. Gaentzsch, Fehler bei der Aufstellung von
Bauleitplänen, in: Festschrift für Weyreuther, 1993, S. 249, 265). Der Ausschluss von
Einwendungen durch Fristablauf ist dementsprechend ein gängiges Rechtsinstitut.
Parallelen finden sich z.B. bei der Präklusion im Planfeststellungsverfahren oder beim
Institut der Bestandskraft. Eine einschränkende Auslegung des § 12 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3
ROG führte zudem zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung, wann ein Fehler
im Abwägungsvorgang „hinreichend schwerwiegend“ ist, um der Anwendung der
Vorschrift entzogen zu sein.
78 b) Dem Antragsgegner ist auch kein Fehler im Abwägungsergebnis unterlaufen. Von
einem Fehler im Abwägungsergebnis kann nur dann ausgegangen werden, wenn die
erforderliche Abwägung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen könnte, weil
andernfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen
in einer Weise vorgenommen würde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange
außer Verhältnis steht (BVerwG, Urt. v. 22.9.2010 - 4 CN 2.10 - BauR 2011, 225; OVG
Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.7.2012 - 10 D 47/10.NE - UPR 2012, 452; OVG Sachsen,
Urt. v. 1.7.2011 - 1 C 25/08 - NuR 2012, 58). Das ist hier nicht der Fall. Mit ihrer
gegenteiligen Auffassung überschätzt die Antragstellerin die Intensität des mit dem
angefochtenen Plansatz verbundenen Eingriffs in ihre Planungshoheit (aa). Sie bestreitet
zudem zu Unrecht das Vorliegen eines Handlungsbedarfs auf der Seite des
Antragsgegners (bb).
79 aa) Die Antragstellerin überzeichnet die Intensität des unzweifelhaft gegebenen Eingriffs
in ihre Planungshoheit in mehrfacher Weise.
80 Sie blendet aus, dass der Eingriff nur einen bestimmten Projekttyp betrifft
(zentrenrelevante Einzelhandelsgroßbetriebe) und ihre Planungshoheit für alle übrigen
planbaren Projekte durch den angefochtenen Plansatz nicht beschnitten wird. Auch
hinsichtlich zentrenrelevanter Einzelhandelsgroßbetriebe verbleibt ihr noch ein gewisser
Planungsspielraum. Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Entscheidung über den
Ort der Ansiedlung eines Einzelhandelsgroßprojekts für zentrenrelevante Sortimente
durch die gebietsscharfe Festlegung der Vorranggebiete bereits auf der
regionalplanerischen Ebene abschließend gefallen sei. Das trifft in dieser Allgemeinheit
nicht zu. Darüber, wo innerhalb der beiden zusammen rund 21 ha großen - Vorrangflächen
ein solches Projekt realisiert werden soll, hat vielmehr allein die Antragstellerin zu
entscheiden. Unter Einzelhandelsgroßprojekten sind zudem nach der bereits erwähnten
Definition in der Begründung zu Plansatz 2.6.9.2 (Z) 1 der Teilfortschreibung (vgl. S. 10)
nur die in § 11 Abs. 3 BauNVO aufgeführten Einkaufszentren, großflächige
Einzelhandelsbetriebe und andere großflächige Handelsbetriebe für Endverbraucher zu
verstehen, von denen nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der
Ziele der Raumordnung ausgehen können. Wie es in der Begründung weiter heißt, sind
dementsprechend „großflächige Nahversorgungsmärkte, die ausschließlich der
wohnortnahen Nahversorgung dienen und von denen nachweislich keine wesentlichen
Auswirkungen auf die Ziele der Raumordnung ausgehen“, auch außerhalb der
Vorranggebiete zulässig. Weiter ermöglicht die als Anlage zur Begründung der
Teilfortschreibung angefügte Sortimentsliste (vgl. S. 24) in begründeten Einzelfällen eine
Anpassung an besondere örtliche Verhältnisse und damit eine angepasste Steuerung der
von der Sperrwirkung der Ausschlussgebiet (vgl. § 11 Abs. 7 Satz 5 LplG) umfassten
Einzelhandelsgroßprojekte.
81 Es trifft entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht zu, dass der angefochtene
Plansatz in seiner Wirkung über das von Plansatz 3.3.7.2 (Z) LEP festgelegte
Integritätsgebot, wonach Einzelhandelsgroßprojekte vorrangig an städtebaulich
integrierten Standorten ausgewiesen, errichtet oder erweitert werden sollen, hinausgeht.
Wie bereits unter 4. ausgeführt, ist das nicht der Fall. Die von der Antragstellerin beklagten
Eingriffe in ihre Planungshoheit werden vielmehr im Wesentlichen bereits durch die
Zielfestlegung in Plansatz 3.3.7.2 (Z) LEP 2002 bewirkt. Dass dieser seinerseits wegen
eines Verstoßes gegen die kommunale Planungshoheit unwirksam sei, behauptet auch
die Antragstellerin nicht und entspricht auch nicht der Rechtsprechung des Senats (Urt. d.
Senats v. 4.7.2012 - 3 S 351/11 - BauR 2013, 425, juris Rn. 71 ff.). Schließlich rügt die
Antragstellerin auch nicht, dass die in der Raumnutzungskarte festgelegten
Vorranggebiete auf ihrer Gemarkung die „städtebaulich integrierten Standorte“ nach
Plansatz 3.3.7.2 (Z) LEP fehlerhaft abgrenzten.
82 bb) Die Antragstellerin verneint ferner zu Unrecht einen regionalplanerischen
Handlungsbedarf zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche in den Kommunen.
83 Zwar standen dem Antragsgegner schon bislang Instrumente zum Schutz zentraler
Versorgungsbereiche zur Verfügung (vgl. insbesondere das Planungsgebot in § 21 Abs. 1
LplG, den Antrag auf Erlass einer Untersagung im Einzelfall nach § 20 LplG und die
Befugnis nach § 22 Abs. 1 LplG, gegen die Zulassung von Einzelhandels(groß)projekten
zu klagen; vgl. dazu Nonnenmacher, Kommunen und Raumordnung, 2. Teil, VBlBW 2008,
201, 204 f.; Sparwasser, Einzelhandelssteuerung in der Regionalplanung, VBlBW 2008,
171, 173 ff.). Bei daraus entstandenen Rechtsstreitigkeiten bestand aber unter Geltung von
Plansatz 3.3.7.2 (Z) LEP 2002 i.V.m. Plansatz 2.6.9 (Z) des Regionalplans des
Antragsgegners a.F. die Schwierigkeit, dass nicht definiert ist, was „städtebaulich
integrierte Lagen“ sind, und damit die Darlegungslast weitgehend beim Antragsgegner lag.
Die „gebietsscharfe“ Festlegung von Vorrang- und Ausschlussgebieten verlagert dagegen
die Darlegungslast künftig auf die jeweilige Kommune. Dass auch insoweit
Unsicherheiten verbleiben, etwa die Kommune die Möglichkeit hat, vorzutragen, ihr
zentrenrelevantes Einzelhandelsprojekt sei eines, das im Sinne von Plansatz 2.9.6.2 (Z) 1
ausschließlich der Nahversorgung diene, ändert daran nichts.
84 Der Antragstellerin ist im Übrigen entgegen zu halten, dass auch der von ihr mit einer
Einzelhandelsuntersuchung im Jahr 2007 beauftragte Gutachter Dr. A. bezogen auf das
Gebiet der Antragstellerin Handlungsbedarf gesehen hat, da sich bei Betrachtung der
räumlichen Verteilung des Warenangebots auf gesamtstädtischer Ebene zeige, dass der
an nicht integrierten Standorten angesiedelte Einzelhandel - auch hinsichtlich
üblicherweise zentrenrelevanter Sortimente - relativ hohe Anteile verzeichne. Der
Gutachter hat daraus das Fazit gezogen (S. 59), dass zur langfristigen Sicherung bzw.
Stärkung der schützenswerten Bereiche Innenstadt und zentraler Bereich K. zukünftig
keine weiteren Ansiedlungen von zentrenrelevanten Sortimenten an nicht integrierten
Standorten mehr erfolgen sollten.
III.
85 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
86 Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO vorliegt.
87
Beschluss vom 19. November 2013
88 Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.8.3 des
Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit endgültig auf 60.000 EUR
festgesetzt.
89 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.