Urteil des VG Stuttgart vom 05.02.2009

VG Stuttgart (kläger, recht der europäischen union, richtlinie, grundsatz der nichtdiskriminierung, diskriminierung, auf lebenszeit, unterhaltspflicht, förderung, bezug, land)

VG Stuttgart Urteil vom 5.2.2009, 4 K 1604/08
Familienzuschlag für Beamte in eingetragener Lebenspartnerschaft
Leitsätze
1. Die Beschränkung des Familienzuschlags Stufe 1 auf verheiratete Beamte stellt im Hinblick auf in
eingetragener Lebenspartnerschaft lebende Beamte eine unmittelbare Diskriminierung dar. Diese knüpft
unzulässiger Weise an die sexuelle Ausrichtung und nicht an den unterschiedlichen Familienstand an.
2. Eingetragene Lebenspartner befinden sich hinsichtlich des Zwecks des Familienzuschlags Stufe 1 in einer
vergleichbaren Situation wie Ehegatten.
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 21.04.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 28.03.2008 werden
aufgehoben. Das beklagte Land wird verpflichtet, dem Kläger Familienzuschlag der Stufe 1 ab 01.05.2004 zu
zahlen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Gewährung von Familienzuschlag.
2
Der am 07.02.1956 geborene Kläger steht als Oberstudiendirektor im Schuldienst des Landes Baden-
Württemberg. Seit 07.09.2001 lebt er in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Erstmals mit Schreiben vom
15.10.2001 beantragte er Gleichbehandlung mit Verheirateten hinsichtlich seiner Bezüge. Dies lehnte das
beklagte Land mit Schreiben vom 15.01.2002 mit der Begründung ab, Familienzuschlag der Stufe 1 erhielten
unter anderem verheiratete Beamte, Richter und Soldaten. Das Gesetz sei bislang nicht geändert worden. Mit
Schreiben vom 13.06.2003 beantragte der Kläger Familienzuschlag der Stufe 2, weil er zwischenzeitlich ein
Kind adoptiert hatte. Der Familienzuschlag solle die erhöhten Unterhaltslasten von Ehegatten ausgleichen. Er
befinde sich in einer vergleichbaren Situation, weil er gegenüber seinem Lebenspartner dieselben
Unterhaltsverpflichtungen wie ein Ehegatte habe. Die Verweigerung des Familienzuschlags stelle eine
unmittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung dar, welche nach EG-Recht verboten sei. Das
Landesamt für Besoldung und Versorgung lehnte dies mit Schreiben vom 15.07.2003 ab.
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Mit Schreiben vom 14.04.2004 beantragte der Kläger erneut die Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1.
Sein Lebenspartner sei nicht im öffentlichen Dienst tätig und erhalte keine dem Familienzuschlag vergleichbare
Zulage. Er beziehe sich auf die Richtlinie 2000/78/EG, die seit dem 02.12.2003 umzusetzen sei.
4
Mit Bescheid vom 21.04.2004 lehnte das Landesamt den Antrag auf Zahlung des Familienzuschlags ab dem
01.05.2004 ab. Zur Begründung hieß es, der Kläger gehöre nicht zum Personenkreis der Verheirateten, die
nach § 40 Abs. 1 BBesG Familienzuschlag erhielten. Diese Bestimmung finde auf eingetragene
Lebenspartnerschaften keine Anwendung.
5
Am 19.05.2004 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Die Bescheidung des Widerspruchs wurde wegen
eines laufenden Gesetzgebungsverfahrens und um eine höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten,
zurückgestellt.
6
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2006, ein Zustellungsnachweis fehlt, wies das Landesamt für Besoldung
und Versorgung den Widerspruch mit der Begründung zurück, aus der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 26.01.2006) ergebe sich, dass ein Anspruch auf Familienzuschlag nicht
bestehe. Die Verfassungsbeschwerde gegen jenes Urteil des Bundesverwaltungsgericht sei vom
Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden. Die Voraussetzungen des § 40 Abs.
1 Nr. 4 BBesG bezüglich des Familienzuschlags für eine in den Haushalt aufgenommene Person seien nicht
erfüllt.
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Am 21.04.2008 hat der Kläger Klage erhoben und zunächst beantragt, die Bescheide vom 15.01.2002 und vom
21.04.2004 sowie den Widerspruchsbescheid vom 28.03.2008 aufzuheben. Diese Klage hat er später auf den
Bescheid vom 21.04.2004 und damit auf die Zeit ab 01.05.2004 beschränkt.
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Er trägt vor, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müssten alle in einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft Beschäftigten wie Ehegatten „entlohnt“ werden. Eine unterschiedliche Behandlung von
Lebenspartnern und Ehegatten beim Arbeitsentgelt verstoße gegen die EU-Gleichstellungsrichtlinie
2000/78/EG, da sie eine verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der sexuellen Ausrichtung darstelle,
soweit sich Lebenspartner und Ehegatten hinsichtlich des streitigen Entgelts in einer vergleichbaren Lage
befänden. Der Familienzuschlag falle unter den Begriff Arbeitsentgelt; die Leistung knüpfe an die gegenseitige
Unterhaltspflicht von Ehegatten an. Da die gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen von Lebenspartnern völlig
mit denen von Ehegatten übereinstimmten, befänden sich verpartnerte Beschäftigte in derselben Lage wie ihre
verheirateten Kollegen und Kolleginnen. Es handele sich um eine mittelbare Benachteiligung, die jedoch nicht
durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sei, denn die Benachteiligung der Lebenspartner sei nicht
geeignet, die Ehe zu fördern. Die Benachteiligung fördere weder einen Eheentschluss der Lebenspartner, noch
verwende der Staat die eingesparten Mittel zur Förderung von Ehen. Wegen der völligen Gleichstellung im
Unterhaltsrecht befänden sich Lebenspartner in derselben Lage wie ihre verheirateten Kollegen. Das
Bundesverwaltungsgericht verkenne in seinem Urteil vom 15.11.2007, dass die von ihm beschriebenen
Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft entweder gar nicht vorlägen oder keine Auswirkung auf
die vergleichbare Lage hinsichtlich der Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 hätten. Das
Bundesverfassungsgericht habe mit dem - nicht bindenden - Nichtannahmebeschluss vom 06.05.2008 (2 BvR
1830/06) seine Zuständigkeit überschritten, der Beschluss sei auch sachlich falsch. Der Familienzuschlag der
Stufe 1 sei nicht davon abhängig, ob der Beamte für seinen Ehegatten aufkommen müsse oder nicht. Dass es
sich um einen Ausgleich für ehebedingte Mehrkosten handeln solle, spiele für den Entgeltcharakter der
Leistung keine Rolle. Art. 6 Abs. 1 GG ermögliche zwar eine Bevorzugung der Ehe, der Anspruch beurteile sich
aber nach Art. 3 Abs. 1 GG, da eine Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe keine Einbußen für
dieses Institut mit sich brächte. Lebenspartner könnten daher Gleichbehandlung hinsichtlich des
Arbeitsentgelts verlangen. Eine Förderung der Ehe finde durch die Benachteiligung nicht statt, da die Ehe für
Homosexuelle aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen Identität keine sinnvolle Lebensform darstelle. Auch
andere Beamte würden dadurch, dass ihre lesbischen und schwulen Kolleginnen und Kollegen keinen
Familienzuschlag der Stufe 1 erhielten, nicht dazu bewogen, zu heiraten. Die Vorenthaltung des
Familienzuschlags der Stufe 1 verstoße gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Bei Benachteiligungen wegen des
Geschlechts oder wegen einer Behinderung werde nicht geprüft, ob die Besserstellung der Bevorzugten
gerechtfertigt sei, sondern die Benachteiligung der Diskriminierten; demgemäß sei zu fragen, ob sich die
Bevorzugten und die Benachteiligten in einer vergleichbaren Lage befänden. Danach sei zu prüfen, ob die
Benachteiligungen durch ein rechtmäßiges Ziel, etwa die Förderung der Ehe, gerechtfertigt sei. Nach diesem
Prüfschema habe der EuGH in der Rechtssache C-267/06 „Maruko“ am 01.04.2008 die Verweigerung einer
Hinterbliebenenrente für den Lebenspartner eines in einer Versorgungsanstalt „Versicherten“ beanstandet.
Hinsichtlich des Familienzuschlags Ziffer 1 befinde sich der Kläger aber in einer vergleichbaren Situation wie
verheiratete Kolleginnen und Kollegen.
9
Der Kläger beantragt,
10
den Bescheid des Beklagten vom 21.04.2004 und dessen Widerspruchsbescheid vom 28.03.2008
aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, dem Kläger Familienzuschlag der Stufe 1 ab
01.05.2004 zu zahlen.
11 Das beklagte Land beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13 Zur Begründung nimmt es Bezug auf die höchstrichterliche Rechtsprechung. Das Urteil des EuGH in der Sache
„Maruko“ vom 01.04.2008 sei nicht einschlägig, denn dort gehe es um Hinterbliebenenrente. Für die normative
Vergleichbarkeit sei mit dem Bundesverfassungsgericht auf die Ausgestaltung des öffentlichen Dienstrechts
abzustellen. Dieses gewähre den Familienzuschlag wegen des in der Lebenswirklichkeit anzutreffenden
typischen Befundes, dass in der Ehe ein Ehegatte namentlich wegen der Aufgabe der Kindererziehung und
hierdurch bedingter Einschränkungen bei der eigenen Erwerbstätigkeit tatsächlich Unterhalt vom Ehegatten
erhalte und so ein erweiterter Alimentationsbedarf bestehe. Bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft bestehe
typischerweise kein solcher Unterhaltsbedarf, daher gebe es keine Gleichstellung bei den typisierenden
Vereinfachungen im Bereich des Familienzuschlags. Auch der VGH Baden-Württemberg habe sich im
Beschluss vom 29.09.2008 (Az.: 4 S 1069/07) in diesem Sinne geäußert.
14 Dem Gericht liegen die Akten des Landesamts für Besoldung und Versorgung vor. Darauf und auf die
gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
15 Die Klage ist zulässig, insbesondere rechtzeitig innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO
erhoben. Sie richtet sich nach Klarstellung durch den Kläger auf Zahlung des Familienzuschlags Stufe 1 ab
01.05.2004.
16 Die Klage ist auch begründet. Die Ablehnung der Zahlung des Familienzuschlags Stufe 1 an den Kläger durch
das beklagte Land ist rechtswidrig und verletzt diesen in seinen Rechten, da dieser einen Anspruch hierauf hat
(§ 113 Abs. 5 VwGO).
17 1. Für den geltend gemachten Anspruch findet sich im dafür geltenden Bundesbesoldungsgesetz keine
Rechtsgrundlage. Nach § 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBesG wird der Familienzuschlag nach der Anlage V zu
diesem Gesetz gewährt; seine Höhe richtet sich nach der Besoldungsgruppe und der Stufe, die den
Familienverhältnissen des Beamten, Richters oder Soldaten entspricht. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG
gehören zur Stufe 1 verheiratete Beamte, Richter und Soldaten. Der Kläger ist nicht verheiratet, sondern lebt in
eingetragener Lebenspartnerschaft. Auch eine analoge Anwendung des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG kommt nicht
in Betracht, weil keine planwidrige Gesetzeslücke anzunehmen ist. Dies ergibt sich aus dem
Gesetzgebungsverfahren zum Lebenspartnerschaftsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 16.02.2001
(BGBl I S. 266), wobei die ursprünglich vorgesehene Vorschrift, wonach Bestimmungen des
Bundesbesoldungsgesetzes, die sich auf das Bestehen einer Ehe beziehen, auf das Bestehen einer
Lebenspartnerschaft sinngemäß anzuwenden sind, nicht Gesetz wurde. Auch im Gesetz zur Überarbeitung des
Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 15.12.2004 (BGBl I S. 3396) ist eine Gleichstellung der eingetragenen
Lebenspartnerschaft mit der Ehe nicht erfolgt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 26.01.2006 - 2 C 43.04 -, NJW 2006,
1828 sowie BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 2 C 33.06 -, ZBR 2008, 381).
18 2. Ein Anspruch ergibt sich aber aus Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000
(Amtsblatt Nr. L 303 v. 02.12.2000, S. 16). Danach ist Zweck der Richtlinie die Schaffung eines allgemeinen
Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion und der Weltanschauung, einer
Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten. Im Sinne der Richtlinie bedeutet
„Gleichbehandlungsgrundsatz“, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in
Art. 1 genannten Gründe geben darf (Art. 2 Abs. 1).
19 a) Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG ist eröffnet. Diese gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 c) und
Abs. 3 für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
(...) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des
Arbeitsentgelts, nicht aber für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit
gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen
Schutzes. Der fragliche Familienzuschlag Stufe 1 für Beamte ist als familienbezogener Anteil der Entlohnung
ein Arbeitsentgelt im Sinne dieser Richtlinie. Er ist Besoldungsbestandteil (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer,
Komm. zum BBG, Band 3 § 40 BBesG Rn. 1) und besitzt eine soziale, nämlich familienbezogene
Ausgleichsfunktion. Er dient der Förderung der Familie, dem familiären Leistungsausgleich und der
Unabhängigkeit des verheirateten Bediensteten im Interesse des Staates (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer,
a.a.O., § 40 BBesG Rn. 2). Auch nach Art. 141 Abs. 2 EG handelt es sich bei dem Familienzuschlag um
Entgelt, denn darunter sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen
Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar
oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Diese Voraussetzung ist gegeben, denn der
Familienzuschlag Stufe 1 wird als Zuschlag zum Grundgehalt in zwei pauschalisierten Stufen gemäß Anlage V
zum Bundesbesoldungsgesetz als Zuschlag zum Grundgehalt gezahlt, auch wenn der Zuschlag in der Höhe
nicht von der Arbeitsmenge oder linear von der Besoldungsgruppe bestimmt wird. Dass es sich um Entgelt
handelt, ist im Übrigen unter den Beteiligten unstreitig.
20 b) Die Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG des Rates musste bis zum 02.12.2003
erfolgen (Art. 18 der Richtlinie). Seit diesem Zeitpunkt kann sich auch der Einzelne auf das Gebot der Richtlinie
in Art. 2 Abs. 1 berufen, wonach es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung u. a. wegen der
sexuellen Ausrichtung geben darf. Liegt ein Verstoß gegen dieses Verbot vor, so kann der betroffene
Diskriminierte die gleiche Behandlung wie die Vergleichsgruppe verlangen, ebenso wie es bei Art. 141 EG
hinsichtlich des gemeinschaftsrechtlichen Gebots der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen der Fall ist (vgl.
Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Rn. 72 zu Art. 141 EGV; Calliess/Ruffert/Blanke, EUV, EGV,
3. Aufl., Rn. 68ff. zu Art. 141 EG-Vertrag; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29.09.2008 - 6 A 2261/05 -
Juris).
21 c) Das Gericht ist der Auffassung, dass die Beschränkung auf verheiratete Beamte in § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG
im Hinblick auf in eingetragener Lebenspartnerschaft lebende Beamte eine unmittelbare Diskriminierung nach
Art. 2 Abs. 2 a) der Richtlinie 2000/78/EG darstellt. Eine solche liegt vor, wenn eine Person wegen eines der in
Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung
erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Das Lebenspartnerschaftsgesetz
ermöglicht es Personen gleichen Geschlechts, in einer formal auf Lebenszeit begründeten Fürsorge- und
Einstandsgemeinschaft zu leben. Damit wurde für diese Personen nicht die Möglichkeit der Eheschließung
eröffnet, sondern ein anderes familienrechtliches Institut geschaffen. Die Bedingungen der Lebenspartnerschaft
wurden den in der Ehe angeglichen, insbesondere durch das Gesetz zur Überarbeitung des
Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 (BGBl I S. 3396), sind aber nicht identisch. Der Kläger unterliegt
gegenüber seinem Lebenspartner der Unterhaltspflicht aus § 5 LPartG in gleicher Weise wie Ehegatten.
Hinsichtlich dieser Unterhaltspflicht besteht eine im Vergleich zu Verheirateten vergleichbare Situation. Der
Kläger erfährt aber durch das Vorenthalten des Familienzuschlags eine weniger günstige Behandlung, die auf
seiner sexuellen Ausrichtung beruht. Diese verwehrt ihm einerseits, eine Ehe einzugehen, weswegen er nach §
40 Abs. 2 Nr. 1 BBesG keinen Familienzuschlag Stufe 1 erhalten kann, und stellt andererseits ein
unabänderliches persönliches Merkmal dar. Diese sexuelle Ausrichtung, die ihm ein Eingehen der Ehe
verwehrt, und nicht der Familienstand ist es, wegen der der Kläger diskriminiert wird. Diese Auffassung wird
gestützt durch das Urteil des EuGH vom 01.04.2008 (Rechtssache C-267/05 - Maruko -, ZBR 2008, 375). Darin
bejaht der EuGH eine Diskriminierung des Lebenspartners durch Vorschriften, die zwischen Ehe und
Lebenspartnerschaft unterscheiden, falls sich der überlebende Lebenspartner in einer vergleichbaren Situation
in Bezug auf die dort streitige Hinterbliebenenversorgung der deutschen Bühnen befindet.
22 Eine solche mit Ehegatten vergleichbare Situation ist auch beim Kläger im Hinblick auf den fraglichen
Familienzuschlag Stufe 1 gegeben: Dieser Familienzuschlag ist ein Besoldungsbestandteil, dem eine soziale,
nämlich familienbezogene Ausgleichsfunktion zukommt. Der Familienzuschlag Stufe 1 soll einen pauschalen
Beitrag zur Deckung des Mehrbedarfs leisten, der bei verheirateten Beamten aufgrund des gemeinsamen
Hausstandes mit dem Ehegatten anfällt. Der kinderbezogene Teil des Familienzuschlags (Stufe 2) ist dazu
bestimmt, den von Kindern verursachten Mehrbedarf zu decken (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., Rn.
12 zu § 40). Der ehegattenbezogene Anteil nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG knüpft an die gegenseitige
Unterhaltspflicht der Ehegatten an. Dies zeigt sich im Hinblick auf geschiedene Beamte, die nur dann
Anspruch auf einen Familienzuschlag haben, wenn sie aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind (§ 40 Abs.
1 Nr. 3 BBesG), die Unterhaltspflicht also fortbesteht. Die Gewährung des Familienzuschlags ohne Rücksicht
auf einen konkreten bestehenden Bedarf des Ehegatten stellt eine Maßnahme zur Förderung der ehelichen
Lebensgemeinschaft dar, als Ausdruck des besonderen staatlichen Schutzes nach Art. 6 Abs. 1 GG.
Hinsichtlich dieses pauschal unterstellten Mehraufwandes und hinsichtlich der Förderung der Unabhängigkeit
des Beamten, die mit dem ehegattenbezogenen Anteil nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG erreicht werden soll,
befinden sich Lebenspartner aber in einer vergleichbaren Situation wie Eheleute. Eine Ungleichbehandlung ist
daher nicht gerechtfertigt, denn die gegenseitige Unterhaltspflicht besteht grundsätzlich im Hintergrund fort.
Maßgeblich ist, wie sich aus dem Urteil Maruko (a.a.O. Rn. 72) ergibt, nur, ob sich die Lebenspartner und
Ehegatten konkret im Hinblick auf die fragliche Leistung in einer vergleichbaren Situation befinden. Es führt
daher nicht weiter, die beiden familienrechtlichen Institute abstrakt hinsichtlich ihrer Unterschiede zu
untersuchen, wie es das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15.11.2007 ( - 2 C 33.06 -, ZBR 2008, 381)
tut. Denn der streitige Zuschlag wird allein wegen der bestehenden Ehe gezahlt (vgl. hierzu insgesamt
Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 22.07.2008 - 3 LB 13/06 -).
23 Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 06.05.2008 - 2 BvR
1830/06 -, ZBR 2008, 379), dass der Zuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG aufgrund des in der
Lebenswirklichkeit anzutreffenden typischen Befundes gewährt werde, dass in der Ehe ein Ehegatte
namentlich wegen der Aufgabe der Kindererziehung und hierdurch bedingte Einschränkungen bei der eigenen
Erwerbstätigkeit tatsächlich Unterhalt vom Ehegatten erhalte und so ein erweiterter Alimentationsbedarf
entstehe. Der Familienzuschlag wird nämlich nur wegen der bestehenden, auf Dauer angelegten Partnerschaft -
die aber bei Lebenspartnern in der gleichen Erwartung der Dauerhaftigkeit wie bei Ehegatten eingegangen wird -
gewährt und hat nichts mit der Erwartung zu tun, dass aus der Ehe einmal Kinder hervorgehen oder adoptiert
werden. Er knüpft auch nicht daran an, dass früher in der Ehe Kinder gelebt haben, die inzwischen nicht mehr
unterhaltsbedürftig sind, als Folge der Kindererziehung der Ehegatte des Beamten aber in seinen
Erwerbschancen gemindert ist. Das Bild einer Ehe, die automatisch und im Regelfall auf Kinder angelegt ist, ist
mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen in dieser Pauschalität nicht mehr vereinbar. Auf eine
konkrete Bedürftigkeit kommt es bei der Gewährung des Familienzuschlags ohnehin nicht an. Damit befinden
sich die Partner der eingetragenen Lebenspartnerschaft in Bezug auf den Familienzuschlag Stufe 1 in der
gleichen Situation wie Eheleute, so dass eine Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt ist.
24 Aus Nr. 22 der Begründungserwägungen der Richtlinie 2000/78/EG folgt nichts anderes. Dort heißt es, die
Richtlinie lasse die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige
Leistungen unberührt. Aus der Rechtsprechung des EuGH im Fall Maruko (a.a.O.) ergibt sich aber, dass die
Mitgliedstaaten zwar die Zuständigkeit für den Familienstand und davon abhängige Leistungen haben, bei der
Ausübung dieser Zuständigkeit aber das Gemeinschaftsrecht zu beachten ist, insbesondere die Bestimmungen
in Bezug auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung (Rn. 59 der Entscheidung vom 01.04.2008, m.w.N.). Dies
heißt aber, dass die tragende Erwägung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 26.01.2006 (2 C 43/04,
NJW 2006, 1828 = ZBR 2006, 251) nicht zutrifft, es handle sich bei dem Familienzuschlag der Stufe 1 um eine
Leistung, die allein wegen des Familienstandes gewährt werde. Vielmehr handelt es sich um eine Leistung, die
den Mehraufwand wegen einer lebenslangen Partnerschaft mit der damit gesetzlich verbundenen
Unterhaltspflicht ausgleichen soll. Diese Partnerschaft und nicht der Familienstand ist der Anknüpfungspunkt,
so dass eine Diskriminierung insoweit nicht zulässig ist.
25 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
26 Die Berufung war gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen.
27
Beschluss vom 05.02.2009
28 Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf
29
2.708,39 EUR
30 festgesetzt.
31 Dieser Betrag ergibt sich aus dem Betrag des Familienzuschlags Stufe 1 in Höhe von 105,28 EUR monatlich
für zwei Jahre zzgl. 7,19 % dieses Bezugs gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 des
Landessonderzahlungsgesetzes in Anwendung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
(NVwZ 2004, 1327, Ziffer 10.4).