Urteil des VG Stuttgart vom 13.12.2012

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VGH Baden-Württemberg Urteil vom 13.12.2012, 2 S 1010/12
Leitsätze
Zur Zulässigkeit des in einer Vergnügungssteuersatzung für das Bereithalten von Spielgeräten
mit Gewinnmöglichkeit festgesetzten Steuersatzes von 18. v. H. bezogen auf das
Einspielergebnis in Form der Nettokasse.
Tenor
Die Anträge werden abgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Antragsteller sind Betreiber von Spielhallen auf dem Gebiet der Antragsgegnerin und
wenden sich gegen die Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung einer
Vergnügungssteuer vom 10.5.2011.
2 Der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloss am 11.5.2010 eine neue
Vergnügungssteuersatzung, nach der Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit nicht mehr, wie
bisher, nach einem festen Steuerbetrag (Stückzahlmaßstab), sondern nach der Höhe des
Einspielergebnisses besteuert werden. Zugleich beschloss er, die Verwaltung zu
beauftragen, ein Jahr nach dem Inkrafttreten der neuen Satzung einen Bericht über die
finanziellen und strukturellen Auswirkungen der Satzung auf Spielhallen und Gaststätten
vorzulegen.
3 Die am 1.7.2010 in Kraft getretene Satzung enthält u. a. folgende Bestimmungen:
4
§ 2 Steuergegenstand
5
(1) Der Vergnügungssteuer unterliegen:
6
1. das Bereithalten von Spiel-, Geschicklichkeits-, Unterhaltungs- und ähnlichen Geräten
in Gastwirtschaften, Spielhallen, Vereins- und ähnlichen Räumen sowie an anderen der
Öffentlichkeit zugänglichen Orten. Als öffentlich zugänglich gelten auch Orte, die nur
gegen Entgelt gleich welcher Art oder nur von einem bestimmten Personenkreis betreten
werden dürfen;
2. …
7
(2) Geräte im Sinne von Abs. 1 Nr. 1 sind
8
1. Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit im Sinne des § 33 c der Gewerbeordnung
2. Spielgeräte ohne Gewinnmöglichkeit
3. Billardtische, Dartspielgeräte, Tischfußball.
9
(3) …
10 …
11 § 6 Bemessungsgrundlage
12 (1) Für Steuergegenstände nach § 2 Abs. 2 Ziff. 1 wird die Steuer nach der Höhe des
Einspielergebnisses erhoben (Wirklichkeitsmaßstab § 7).
(2) Für Steuergegenstände nach § 2 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 sowie § 2 Abs. 2 Ziff. 2 und 3
wird die Steuer nach einem festen Steuersatz nach der Anzahl der Geräte erhoben
(Stückzahlmaßstab § 8).
(3) Für Steuergegenstände nach § 2 Abs. 1 Ziff. 4 und 5 wird die Steuer nach der Fläche
des benutzten Raumes erhoben (Flächenmaßstab § 9).
13 § 7 Wirklichkeitsmaßstab
14 Der Steuersatz für das Bereithalten eines Spielgerätes mit Gewinnmöglichkeit (§ 2 Abs. 2
Ziff. 1) beträgt 15 v. H. je Kalendermonat des elektronisch gezählten Einspielergebnisses.
Einspielergebnis ist die elektronisch gezählte Kasse zuzüglich Röhrenentnahmen,
abzüglich Röhrenauffüllungen, Falschgeld, Fehlgeld, Prüftestgeld und gesetzlicher
Umsatzsteuer (Nettokasse).
15 …
16 § 10 Steueranmeldung bei Geldspielgeräten, Festsetzung
17 (1) Der/die Steuerschuldner/in hat der Stadt Freiburg i. Br. - Stadtkämmerei - für Geräte
mit Gewinnmöglichkeit (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1) für jeden Kalendermonat eine unterschriebene
Steueranmeldung abzugeben, in der die Steuer für den Steueranmeldezeitraum selbst zu
berechnen ist (Steueranmeldung nach § 150 Abs. 1 Satz 3 Abgabenordnung). Die
Steueranmeldung ist auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum 10. Kalendertag
des übernächsten Monats nach dem Anmeldemonat einzureichen. In der
Steueranmeldung sind für jedes einzelne Gerät mit Gewinnmöglichkeit getrennt nach
Aufstellort (mit Angabe der Gerätenamen, Gerätenummern, laufenden Nummern und
Daten der Zählwerkausdrucke) die monatlich festgestellten Einspielergebnisse
aufzuführen und die Steuer zu berechnen. Die Zählwerksdaten sind mindestens einmal
im Kalendermonat auszulesen. Die Steueranmeldung hat lückenlos an den
Auslesezeitpunkt (Tag und Uhrzeit des Ausdrucks) des letzten Auslesetages der
Anmeldung für den Vormonat anzuschließen. Ein negatives Einspielergebnis ist mit dem
Wert 0,00 EUR anzusetzen.
(2) …
18 Mit der vom Gemeinderat der Antragsgegnerin am 10.5.2011 beschlossenen und am
1.7.2011 in Kraft getretenen Änderungssatzung wird § 7 S. 1 der Satzung vom 11.5.2010
geändert und der Steuersatz für das Bereithalten eines Spielgeräts mit Gewinnmöglichkeit
auf 18 v. H. je Kalendermonat des elektronisch gezählten Einspielergebnisses erhöht.
19 Die Antragsteller haben am 9.5.2012 einen Normenkontrollantrag gestellt. Sie machen
geltend, die Erhöhung des Steuersatzes von 15 v. H. auf 18 v. H. der Nettokasse sei
treuwidrig. Vor dem Erlass der Satzung vom 11.5.2010 habe die Antragsgegnerin zu einer
Diskussionsrunde geladen, die am 25.2.2010 stattgefunden habe. Von den Vertretern der
Antragsgegnerin sei dabei geäußert worden, dass die Stadt spätestens ein Jahr nach dem
Erlass der Satzung die finanziellen Auswirkungen auf die Automatenaufsteller überprüfen
werde. Eine solche Überprüfung sei entgegen dieser Zusage vor dem Erlass der Satzung
vom 10.5.2011 nicht durchgeführt worden. Ein solches Vorgehen sei mit dem Grundsatz
von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren. Die Antragsgegnerin mache auch kein Hehl
daraus, dass sie mit der Erhöhung des Steuersatzes das Ziel verfolge, die Zahl der
Spielhallen und Automaten einzudämmen. Die Änderungssatzung verstoße zudem gegen
das Verbot der Erhebung von Erdrosselungssteuern. Eine Steuer dürfe keine solche Höhe
erreichen, dass es einem Gewerbetreibenden unmöglich gemacht werde, sein durch Art.
12 GG geschütztes Gewerbe mit Gewinn auszuüben, wobei in die betriebswirtschaftliche
Berechnung sowohl ein angemessener Unternehmerlohn als auch eine angemessene
Kapitalverzinsung einzuberechnen seien. Nach einer von der deutschen
Automatenwirtschaft in Auftrag gegebenen Studie der KPMG
Wirtschaftsprüfergesellschaft, die auf den Zahlen des Jahres 2009 beruhe, hätten bereits
8,82 % der Bruttokasse bzw. 10,05 % der Nettokasse eine erdrosselnde Wirkung, da sie
es dem Automatenaufsteller unmöglich mache, die Vergnügungssteuer auf die Spieler
abzuwälzen. Selbst bei Zugrundelegung regionaler Unterschiede liege auf der Hand, dass
ein Vergnügungssteuersatz von 18 % der Nettokasse, wie ihn die Antragsgegnerin
beschlossen habe, erdrosselnde Wirkung habe. Die angefochtene Satzung sei auch
deshalb nichtig, weil eine Vergnügungssteuer, die nicht mehr nach dem früher üblichen
Stückzahlmaßstab, sondern nach dem Einspielergebnis erhoben werde, mit der
bundesrechtlichen Mehrwertsteuer gleichartig sei und ihre Erhebung deshalb sowohl
gegen Art. 105 Abs. 2a GG als auch gegen die Richtlinie 2006/112 EG verstoße. Die
Satzung der Antragsgegnerin verletze ferner den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Eine
Bestimmung, zu welchem Zeitpunkt das Einspielergebnis abgelesen werden müsse, fehle
in der Satzung. Da eine negative Bemessungsgrundlage in der Satzung nicht vorgesehen
sei, könne sich ein Automatenaufsteller deshalb durch zeitliche Verschiebungen Vorteile
verschaffen, nämlich dann, wenn er erkenne, dass ein Gerät zu einem bestimmten
Zeitpunkt ein negatives Ergebnis aufweise, und er die Ablesung in einem solchen Fall
solange verzögere, bis ein Nullstand erreicht sei. Durch die Definition der Bezugsgröße
der elektronisch gezählten Kasse würden ferner einzelne Aufsteller benachteiligt, wenn an
einem Geldspielgerät mehr Geld gewechselt werde als an anderen Geräten. Auch fehle es
insoweit an einem Bezug zum Aufwand des Spielers. Zu beanstanden sei weiter, dass
nach der Satzung vergleichbare Vergnügungen wie das Platzieren von Wetten in Spiel-
und Wettbüros nicht besteuert würden. Bedenken gegen die Höhe des Steuersatzes
bestünden auch deshalb, weil Automatenaufsteller, die Automaten in Gaststätten
betrieben, und die Betreiber von Spielhallen gleich behandelt würden, obwohl die
Kostenstrukturen völlig andere seien.
20 Die Antragsteller beantragen,
21 die Satzung der Antragsgegnerin zur Änderung der Satzung über die Erhebung einer
Vergnügungssteuer vom 10. Mai 2011 für unwirksam zu erklären.
22 Die Antragsgegnerin beantragt,
23 die Anträge abzuweisen.
24 Sie erwidert: Die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf Spielgeräte mit einem
bestimmten Anteil am Nettospielergebnis verstoße nicht gegen das Verbot der
Gleichartigkeit mit Bundessteuern gemäß Art. 105 Abs. 2a GG und § 9 Abs. 4 KAG, da
dieses Verbot nicht die herkömmlichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern erfasse.
Zu diesen Steuern gehöre eine Automatensteuer auch dann, wenn sich die Steuer nach
dem Einspielergebnis bemesse. Die Erhöhung des Steuersatzes von 15 % auf 18 % sei
nicht treuwidrig. Verbindliche Zusagen oder Versprechungen über die Höhe des
Steuersatzes seien von ihren Mitarbeitern nicht gemacht worden. Die
Entscheidungskompetenz liege im Übrigen nicht bei der Verwaltung, sondern beim
Gemeinderat, worauf bei dem von den Antragstellern genannten Informationsgespräch
vom 25.2.2010 mehrfach hingewiesen worden sei. Das Vertrauen auf den Fortbestand
einer Rechtsnorm werde nicht geschützt. Im vorliegenden Fall gelte nichts anderes.
Insbesondere folge aus dem der Verwaltung erteilten Auftrag, ein Jahr nach dem
Satzungsbeschluss über die finanziellen und strukturellen Auswirkungen der neuen
Satzung zu berichten, keine rechtliche Bindung, den Steuersatz zumindest bis zur Vorlage
dieses Berichts nicht zu erhöhen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und
Glauben liege auch nicht darin, dass mit einer Steuer eine Lenkungsabsicht verfolgt
werde. Die Bekämpfung und Eindämmung der Spielsucht sei ein zulässiger
Lenkungszweck. Ein Steuersatz von 18 % verletze nicht die Berufsfreiheit der
Antragsteller. Eine erdrossende Wirkung sei nicht ersichtlich. Seit der Einführung des
Steuersatzes von 15 % sei die Zahl der Automatenaufsteller, die Zahl der Spielgeräte mit
Gewinnmöglichkeit sowie die Zahl der Spielhallen konstant geblieben. Die Erhöhung des
Steuersatzes auf 18 % habe daran nichts geändert. Auf die Ausführungen in der von den
Antragstellern angeführten Studie komme es deshalb nicht an. Bei der Studie handele es
sich zudem um eine bloße Umfrage unter Automatenaufstellern, die nicht repräsentativ sei.
Die angefochtene Satzung verstoße ferner nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine
einfachgesetzliche oder verfassungsrechtliche Bestimmung, die es einer Gemeinde
gebiete, beim Erlass einer Steuersatzung Datenmaterial dazu zu sammeln und in einem
Abwägungsprozess zu gewichten, bestehe nicht. Die Auswirkungen auf die betroffenen
Betriebe seien im Übrigen berücksichtigt worden. Die in der Satzung gewählte
Bezugsgröße verstoße nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil moderne Automaten
eine Geldwechselfunktion besäßen. Geldwechsel sei ein summenmäßig neutraler
Vorgang, da dabei gleichzeitig eine Röhrenentnahme sowie eine Röhrenauffüllung
stattfinde. Besteuert werde der Spielaufwand des Spielers. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG
sei deshalb auch nicht darin zu erkennen, dass der Steuersatz einheitlich für Geräte in
Spielhallen und Gaststätten gelte. Einen Verstoß gegen Art. 3 GG stelle es ferner nicht dar,
dass von der Satzung Einsätze in Spiel- und Wettbüros nicht erfasst würden. Das Fehlen
einer Bestimmung in der Satzung, die den Zeitpunkt für die Ablesung des
Einspielergebnisses festlege, könne im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht gerügt
werden, da sich der Einwand nicht gegen den in § 7 der Satzung geregelten Steuersatz,
sondern gegen das in § 10 geregelte Steueranmeldungsverfahren richte. Die Rüge greife
zudem auch in der Sache nicht durch. Darin, dass die Satzung aus Gründen der
Verwaltungspraktikabilität keinen bestimmten Zeitpunkt für das Ablesen des monatlichen
Einspielergebnisses vorschreibe, könne eine unzulässige Ungleichbehandlung nicht
gesehen werden. Die Rüge, dass die Satzung gegen Unionsrecht verstoße, richte sich
gegen die Art der Besteuerung und sei daher gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO verfristet. Sie
sei auch sachlich unbegründet.
25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der
Antragsgegnerin sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26 Die Anträge sind zulässig, aber unbegründet.
I.
27 Die Anträge sind zulässig. Bei der angefochtenen Satzung handelt es sich um eine im
Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2
VwGO in Verbindung mit § 4 des baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung der
Verwaltungsgerichtsordnung. Die Antragsteller können als Betreiber von Spielhallen, in
denen sich unter die Satzung fallende Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit befinden,
geltend machen, durch die Satzung sowie deren behördlichen Vollzug unmittelbar in ihren
Rechten verletzt zu sein, und besitzen daher die erforderliche Antragsbefugnis (§ 47 Abs.
2 S. 1 VwGO). Die Anträge sind ferner fristgerecht gestellt.
28 Die am 20.11.2012 beschlossene und am 1.1.2013 in Kraft tretende erneute Änderung der
Vergnügungssteuersatzung, mit welcher der Steuersatz auf nunmehr 22 v. H. erhöht
werden soll, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Nichtigerklärung der
Satzung vom 10.5.2011 nicht entfallen, da sich die Höhe der von den Antragstellern in der
Zeit vom 1.7.2011 bis 31.12.2012 zu bezahlenden Vergnügungssteuern weiterhin nach §
7 der Vergnügungssteuersatzung in ihrer Fassung durch die Satzung vom 10.5.2011
richtet.
II.
29 Die Anträge haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Satzung vom
10.5.2011 verstößt entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht gegen höherrangiges
Recht.
30 1. Die Antragsteller begründen ihre Anträge in erster Linie damit, dass die Erhöhung des
Steuersatzes von 15 v. H. auf 18 v. H. des Einspielergebnisses in Form der Nettokasse
treuwidrig sei, da die Antragsgegnerin vor dem Erlass der Satzung vom 11.5.2010
angekündigt habe, dass sie spätestens ein Jahr nach dem Erlass der Satzung die
finanziellen Auswirkungen auf die Automatenaufsteller überprüfen werde. Eine solche
Überprüfung sei aber vor dem Erlass der Satzung vom 10.5.2011 nicht erfolgt.
31 Der Einwand ist unbegründet. Eine einfachgesetzliche oder verfassungsrechtliche
Bestimmung, die die Gemeinde dazu verpflichtete, vor dem Erlass einer Steuersatzung die
davon berührten Interessen der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen und sie mit ihren
eigenen gemeindlichen Interessen abzuwägen, besteht nicht. Die Erhöhung des
Steuersatzes kann unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen auch nicht als
treuwidrig angesehen werden.
32 a) Nach § 9 Abs. 4 KAG können die Gemeinden örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern
erheben, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig
sind, nicht jedoch Steuern, die vom Land erhoben werden oder den Stadt- und
Landkreisen vorbehalten sind. Der Landesgesetzgeber hat damit einen Teil der ihm
gemäß Art. 105 Abs. 2a GG zustehenden Gesetzgebungskompetenz für die örtlichen
Verbrauch- und Aufwandsteuern, die nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern
gleichartig sind, an die Gemeinden weitergegeben und den Gemeinden insoweit ein
prinzipielles Steuerfindungsrecht eingeräumt. Mit diesem Recht ist die Befugnis der
Gemeinden verbunden, sich selbst eigene Steuerquellen zu erschließen. Die Befugnis
steht unter den sich aus § 9 Abs. 4 KAG ergebenden Vorbehalten. Bei ihrer Ausübung
haben die Gemeinden ferner die aus verfassungsrechtlichen und anderen höherrangigen
Vorschriften folgenden Grenzen für die Erhebung von Steuern und anderen Abgaben zu
beachten. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist es aber der einzelnen Gemeinde
überlassen, ob und gegebenenfalls welche örtliche Verbrauch- oder Aufwandsteuern sie
zur Deckung ihres Finanzbedarfs erheben möchte sowie den jeweiligen Steuersatz und
damit die Höhe der Steuer nach ihrem Ermessen zu bestimmen.
33 Die Erhöhung des in der Satzung der Antragsgegnerin festgesetzten Steuersatzes ist
danach nicht deshalb zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin es unterlassen hat, vor
der Beschlussfassung die mit einem solchen Steuersatz verbundenen Auswirkungen auf
die Aufsteller von Geldspielgeräten zu ermitteln. Die in einer gemeindlichen
Steuersatzung festgesetzten Steuersätze müssen sich hinsichtlich ihrer Höhe nicht daran
messen lassen, wie die kommunale Willensbildung zustande gekommen ist. Auf die
Erwägungen und Beweggründe des Satzungsgebers kommt es deshalb bei der
Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit nicht an. Soweit im Zusammenhang mit § 9 Abs. 4 KAG
von einem „Besteuerungsermessen“ der Gemeinden gesprochen wird, ist damit lediglich
gemeint, dass die Gemeinden hinsichtlich der Erhebung einer Steuer sowie der Höhe des
Steuersatzes eine weitreichende Gestaltungsfreiheit haben, bei deren Ausübung vor allem
kommunal- und finanzpolitische Überlegungen eine Rolle spielen. Eine
einfachgesetzliche oder verfassungsrechtliche Bestimmung, die die Gemeinde dazu
verpflichtete, vor dem Erlass einer Steuersatzung die davon berührten Interessen der
Steuerpflichtigen zu berücksichtigen und sie mit ihren eigenen gemeindlichen Interessen
abzuwägen, besteht nicht (VGH Bad.-Württ., NK-Urt. v. 11.7.2012 - 2 S 2995/11 - Juris;
ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.6.2010 - 14 A 597/09 - DVBl 2010, 1255;
OVG Niedersachsen, Beschl. v. 8.11.2010 - 9 LA 199/09 - NordÖR 2011, 79; OVG
Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23.8.2011 - 4 L 323/09 - KStZ 2012, 31).
34 b) Die Erhöhung des Steuersatzes kann unter den im vorliegenden Fall gegebenen
Umständen auch nicht als treuwidrig angesehen werden.
35 Über die Höhe des Steuersatzes entscheidet nicht die Verwaltung, sondern allein der
Gemeinderat als das zuständige Rechtssetzungsorgan. Die von den Antragstellern
behaupteten Erklärungen, die seitens der Verwaltung der Antragsgegnerin vor dem Erlass
der Satzung vom 11.5.2010 abgegeben worden sein sollen, sind schon aus diesem Grund
nicht in der Lage, ein Vertrauen der Antragsteller darauf zu begründen, dass es bei dem
einmal festgelegten Steuersatz in der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin
bleiben wird.
36 Der zusammen mit dem Satzungsbeschluss vom 11.5.2010 gefasste Beschluss des
Gemeinderats, mit dem die Verwaltung beauftragt wurde, ein Jahr nach dem Inkrafttreten
der neuen Satzung einen Bericht über die finanziellen und strukturellen Auswirkungen der
Satzung auf Spielhallen und Gaststätten vorzulegen, vermag ein solches Vertrauen
ebenfalls nicht zu stützen. Einem guten Politikstil hätte es zwar besser entsprochen, wenn
der Gemeinderat der Antragsgegnerin zunächst den erbetenen Bericht der Verwaltung
abgewartet und erst dann über eine Erhöhung des Steuersatzes befunden hätte. Die
Antragsteller hatten jedoch keine Gewähr dafür, dass der erbetene Bericht die
Auswirkungen der neuen Satzung auf Spielhallen und Gaststätten als so dramatisch
schildern würde, dass sich Überlegungen über eine Erhöhung des Steuersatzes von
vornherein erübrigten. Aufgrund des Beschlusses konnten die Antragsteller deshalb
allenfalls darauf vertrauen, dass es bis zum Ablauf des genannten Jahres bei dem in der
Satzung vom 11.5.2010 festgelegten Steuersatz bleiben werde. Da die Änderungssatzung
erst zum 1.7.2011 in Kraft getreten ist, wurde ein Vertrauen darauf jedoch nicht enttäuscht.
37 2. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang weiter rügen, dass die
Antragsgegnerin mit der Erhöhung des Steuersatzes das Ziel verfolge, die Zahl der
Spielhallen und Automaten einzudämmen, wird von ihnen übersehen, dass der
Steuergesetzgeber bei der Auswahl des Besteuerungsgegenstands sowie der Höhe des
Steuersatzes auch weitere Ziele verfolgen darf (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 AO). In der
Rechtsprechung ist dementsprechend geklärt, dass die Gemeinden mit der
Spielautomatensteuer auch außerfiskalische Lenkungszwecke verfolgen dürfen, solange
sie sich damit nicht in Widerspruch zur Rechtsordnung im Übrigen setzen (BVerwG, Urt. v.
13.4.2005 - 10 C 5.04 - BVerwGE 123, 218; Urt. vom 22.12.1999 - 11 C 9.99 - BVerwGE
110, 248).
38 Die Bekämpfung und Eindämmung der Spielsucht ist danach ein zulässiges
Lenkungsziel. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung steht fest, dass
Glücksspiele zu einem krankhaftem Suchtverhalten führen können. Ein solches Verhalten
kann zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für den Betroffenen selbst führen, sondern
auch für seine Familie und die mit den Folgekosten belastete Gemeinschaft. Bei der
Bekämpfung und Eindämmung der Spielsucht handelt es sich deshalb um ein besonders
wichtiges Gemeinwohlziel (BVerfG, Beschl. v. 3.9.2009 - 1 BvR 2384/08 - NVwZ 2010,
313; Urt. v. 28.3.2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276). Dies gilt auch oder gerade für
die Verfolgung dieses Ziels durch eine Eindämmung der Zahl der in Spielhallen und
Gaststätten aufgestellten Geldspielgeräte. Denn die meisten Spieler mit problematischem
oder pathologischem Spielverhalten spielen nach derzeitigem Erkenntnisstand an
Automaten, die nach den Vorschriften der Gewerbeordnung betrieben werden dürfen
(BVerfG, Beschl. v. 3.9.2009, aaO; Urt. v. 28.3.2006, aaO).
39 3. Der Einwand der Antragsteller, die Änderungssatzung verstoße gegen das Verbot der
Erhebung von Erdrosselungssteuern, ist ebenfalls unbegründet.
40 a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u. a. BVerfG, Beschl. v. 1.3.1997 - 2 BvR 1599/89 -
NVwZ 1997, 573; BVerwG, Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 1.99 - BVerwGE 110, 237; BVerwG,
Beschl. v. 7.1.1998 - 8 B 228.97 - NVwZ-RR 1998, 672) verstößt die Erhebung einer
Vergnügungssteuer gegen Art. 12 GG, wenn die Steuerbelastung es für sich genommen
unmöglich macht, im Gebiet der steuererhebenden Körperschaft den Beruf des
Spielautomatenbetreibers ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der
Lebensführung zu machen, und die Steuer damit in diesem Sinn „erdrosselnd“ wirkt. Den
Maßstab bildet dabei ein durchschnittlicher Betreiber im Gemeindegebiet, da die
negativen Betriebsergebnisse nur eines Unternehmens nicht zu der Annahme zwingen,
die Erhöhung der Vergnügungssteuer sei allgemein geeignet, dem Betrieb von
Spielautomaten im Satzungsgebiet die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen.
Entscheidend ist somit, ob der durchschnittlich von den Aufstellern von Spielgeräten
erzielte Bruttoumsatz die durchschnittlichen Kosten unter Berücksichtigung aller
anfallenden Steuern einschließlich eines angemessenen Betrags für
Eigenkapitalverzinsung und Unternehmerlohn abdecken kann (BVerwG, Urt. v.
10.12.2009 - 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367).
41 Die Entwicklung der Anzahl der entsprechenden Betriebe im Gemeindegebiet und der
aufgestellten Spielgeräte seit Erlass der Vergnügungssteuersatzung bzw. ihrer Änderung
ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Indiz (BVerwG, Beschl. v. 26.10.2011 - 9 B
16.11 - NVwZ-RR 2012, 38). Die Erhebung einer Spielgerätesteuer hat nach den
genannten Grundsätzen nur dann erdrosselnde Wirkung, wenn sie den aus der Ausübung
des Berufs eines Spielgeräteaufstellers erzielten Gewinn so weit mindert, dass nicht nur
einzelne Unternehmer sich zur Aufgabe ihres bisherigen Berufs veranlasst sehen, sondern
die gesamte Branche bedroht. Läge eine erdrosselnde Wirkung vor, müsste deshalb eine
Tendenz zum Absterben der gesamten Branche erkennbar werden, indem die
schwächeren Anbieter aus dem Markt scheiden, ohne dass neue ihren Platz einnehmen.
42 Für eine solche Entwicklung ist im vorliegenden Fall nichts zu erkennen. Die neue
Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin, nach der Spielgeräte mit
Gewinnmöglichkeit nicht mehr, wie bisher, nach dem Stückzahlmaßstab, sondern nach
der Höhe des Einspielergebnisses besteuert werden, ist am 1.7.2010 in Kraft getreten.
Nach den - von den Antragstellern nicht bestrittenen - Angaben der Antragsgegnerin
waren ein halbes Jahr zuvor im Gebiet der Antragsgegnerin insgesamt 484 Spielgeräte mit
Gewinnmöglichkeit aufgestellt, von denen sich 315 in Spielhallen und 169 in sonstigen
Aufstellungsorten befanden. Zum 1.2.2011 hat sich nach den Angaben der
Antragsgegnerin die Zahl der Spielgeräte auf 533 (369 in Spielhallen, 164 in sonstigen
Aufstellungsorten), zum 1.12.2011 noch einmal auf 563 (363 in Spielhallen, 200 in
sonstigen Aufstellungsorten) erhöht. Ende Juni 2012 soll es nach einem Pressebericht
586 Geldspielgeräte gegeben haben (367 in Spielhallen, 219 in sonstigen
Aufstellungsorten). Die Zahl der Spielhallen beträgt gegenwärtig 36 und hat sich seit dem
1.2.2011 nicht verändert. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin wurden aber in den
letzten zweieinhalb Jahren sechs Bauanträge bzw. Bauvoranfragen für die Errichtung
neuer Spielhallen sowie zwei Bauanträge für die Erweiterung bestehender Spielhallen
gestellt. Wie die Antragsgegnerin zu Recht bemerkt, sind diese Anträge zumindest ein
Indiz dafür, dass die in der Branche tätigen Unternehmen auch in Anbetracht der örtlichen
Gegebenheiten einschließlich der in der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin
festgelegten Besteuerungsgrundlagen erwarten, dass zumindest nach dem Ausscheiden
einzelner Marktteilnehmer im Gebiet der Antragsgegnerin Spielhallen wirtschaftlich
erfolgreich betrieben werden können.
43 Dafür, dass der von der Antragsgegnerin gewählte Steuersatz die Ausübung des Berufs
des Spielhallenbetreibers in aller Regel wirtschaftlich unmöglich machte, gibt es danach
keine Anzeichen. Ein Vergleich mit der Stadt Stuttgart, nach deren
Vergnügungssteuersatzung für Geldspielgeräte in der Zeit vom 1.1.2010 bis 31.12.2011
ebenfalls ein Steuersatz von 18 % auf die Nettokasse galt (und der zum 1.1.2012 auf 22 %
der Nettokasse erhöht wurde), unterstreicht dies. 1999 gab es in Stuttgart 13 Spielhallen.
Im Jahre 2010 betrug die Zahl 88, Mitte 2010 gab es 97 Spielhallen, derzeit sind es ca.
130. Die Erhöhung des Steuersatzes auf 18 % auf die Nettokasse ab dem 1.1.2010 hat
also zu keiner Verringerung geführt. Sie war noch nicht einmal in der Lage, das schnelle
Wachstum der Branche zu verlangsamen.
44 Zu der von den Antragstellern beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens
zu der Frage, ob ein Steuersatz von 18 % bezogen auf die Nettokasse dazu führt, dass die
Antragsteller nur ein negatives Betriebsergebnis erzielen können, sieht der Senat keine
Veranlassung. Ob die Erhebung einer Spielgerätesteuer erdrosselnde Wirkung hat, hängt,
wie ausgeführt, nicht von ihren Auswirkungen auf einzelne Unternehmen ab, sondern von
den Auswirkungen auf die Branche insgesamt. Was die Auswirkungen der
Änderungssatzung der Antragsgegnerin auf die Branche der Betreiber von Spielhallen
insgesamt betrifft, haben aber auch die Antragsteller in der mündlichen Verhandlung
eingeräumt, dass trotz des von der Antragsgegnerin erhöhten Steuersatzes Spielhallen je
nach der Struktur des Betriebs sowie des Auslastungsgrads der aufgestellten Spielgeräte
gewinnbringend betrieben werden können.
45 4. Die weiteren Einwendungen der Antragsteller richten sich nicht gegen die
Änderungssatzung vom 10.5.2011, sondern gegen die ursprüngliche Satzung vom
11.5.2010. Mit diesen Einwendungen können die Antragsteller deshalb im Rahmen des
vorliegenden Verfahrens nicht gehört werden.
46 Satzungen zur Änderung bestehender Satzungen sind formell selbständige Satzungen.
Sie stehen zwar mit der Satzung, die durch sie geändert werden soll, in einem inhaltlichen
Zusammenhang. Dies führt aber nicht dazu, dass das Normenkontrollgericht auf einen
gegen eine solche Satzung gerichteten Normenkontrollantrag hin die Ursprungssatzung in
das Verfahren einbeziehen darf. Die Ursprungssatzung kann nicht zum Gegenstand der
Entscheidung gemacht werden, solange nicht dem Antragserfordernis genügt und auch
die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen, wie z.B. die Einhaltung der Antragsfrist gemäß
§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, gegeben sind. Was die Satzung vom 11.5.2010 betrifft, fehlt es
daran, da sich die Normenkontrollanträge der Antragsteller nur gegen die
Änderungssatzung vom 10.5.2011 richten. Bezogen auf die Satzung vom 11.5.2010 war
zudem die gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO einzuhaltende einjährige Antragsfrist beim
Eingang der Normenkontrollanträge der Antragsteller am 9.5.2012 bereits abgelaufen. Die
Änderungssatzung hat im Hinblick auf ihre beschriebene Eigenständigkeit auch nicht zu
einem „Wiederaufleben“ der Frist geführt. Eine Prüfung der Satzung vom 11.5.2010 kann
deshalb von den Antragstellern im Rahmen des vorliegenden Normenkontrollverfahrens
nicht beansprucht werden.
47 Die von den Antragstellern erhobenen weiteren Einwendungen greifen davon abgesehen
auch in der Sache nicht durch.
48 a) Der von den Antragstellern geltend gemachte Verstoß gegen Art. 105 Abs. 2a GG liegt
nicht vor. Wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach entschieden hat, verstößt eine
landesrechtliche Regelung der örtlichen Vergnügungssteuer für Spielgeräte, für die der
Landesgesetzgeber das ausschließliche Gesetzgebungsrecht hat, nicht gegen das
Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG, da dieses Verbot nicht die herkömmlichen
örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern erfasst, selbst wenn diese dieselbe Quelle
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausschöpfen wie Bundessteuern (BVerfG, Beschl. v.
23.3.1976 - 2 BvL 11/75 - BVerfGE 42, 38; Beschl. v. 4.6.1975 - 2 BvR 824/74 - BVerfGE
40, 56). Zu den herkömmlichen Steuern in diesem Sinne gehören die bei Inkrafttreten des
Finanzreformgesetzes am 1.1.1970 üblicherweise bestehenden örtlichen Verbrauch- und
Aufwandsteuern, die nach der erkennbaren Vorstellung des Verfassungsgebers mit
bundesrechtlich geregelten Steuern nicht gleichartig sind. Die Vergnügungssteuer zählt zu
diesen Steuern. Auch sie gilt demnach als nicht mit bundesrechtlich geregelten Steuern
gleichartig im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG (BVerwG, Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 3.99 -
NVwZ 2000, 933).
49 b) Eine Verletzung von Unionsrecht kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Die Satzung
der Antragsgegnerin verstößt insbesondere nicht gegen die Richtlinie 2006/112/EG vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, die am 1.1.2007 in Kraft
getreten ist und die 6. Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abgelöst hat.
50 Nach Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG hindert die Richtlinie unbeschadet anderer
gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf
Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie
ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von
Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser
Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit
Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist. Die Vergnügungssteuer in der Form der
Spielautomatensteuer wäre danach als „Abgabe auf Spiele“ allenfalls dann unzulässig,
wenn sie den Charakter von Umsatzsteuern hätte. Das ist jedoch, wie das
Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden hat, nicht der Fall (BVerwG, Urt. v.
10.12.2009 - 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367; Beschl. v. 21.3.1997 - 8 B 51.97 - Buchholz
401.68 Vergnügungssteuer Nr. 30 S. 21 f.; Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 1.99 - BVerwGE 110,
237 zu der mit Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG übereinstimmenden Regelung in Art.
33 der Richtlinie 77/388/EWG).
51 Die Frage, ob eine Steuer, Abgabe oder Gebühr den Charakter einer Umsatzsteuer im
Sinne des Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG hat, hängt vor allem davon ab, ob sie das
Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems dadurch beeinträchtigt, dass sie
den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Art
und Weise belastet (EuGH, Urt. v. 31.3.1992 - Rs. C-200/90 - Slg. 1992 I-2217 zu Art. 33
der Richtlinie 77/388/EWG). Das ist nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs immer dann der Fall, wenn Steuern, Abgaben und Gebühren die
wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen. Die wesentlichen Merkmale der
Mehrwertsteuer sind: Allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und
Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis,
den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen
erhält; Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der
Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze; Abzug der auf den
vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen
geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf
dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher
getragen wird.
52 Ob die Vergnügungssteuer das Merkmal der Proportionalität erfüllt, kann dahinstehen.
Jedenfalls fehlen der Vergnügungssteuer die weiteren den Charakter der Mehrwertsteuer
bestimmenden Merkmale. Insbesondere ist weder der Steuerpflichtige noch der
Steuerschuldner zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dem kann nicht entgegengehalten
werden, dass nur ein einstufiger Vorgang vorliege wie bei einem Verkauf unmittelbar
durch den Erzeuger. Abgesehen davon, dass dieser vorsteuerabzugsberechtigt ist, ist die
Vergnügungssteuer strukturell nicht auf einen Vorsteuerabzug angelegt. Sie wird darüber
hinaus nicht allgemein, sondern nur für Geld- und Unterhaltungsspielgeräte sowie
sonstige Vergnügungen in einer Gemeinde erhoben (BVerwG, Urt. v. 10.12.2009, aaO;
OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.6.2010 - 14 A 597/09 - Juris).
53 Der von den Antragstellern genannte Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom
21.9.2012 - 3 K 104/11 - (DStR 2012, 2005) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Mit dem
Beschluss hat das Finanzgericht dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur
Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend
auszulegen ist, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf Glücksspiele nur
alternativ und nicht kumulativ erhoben werden dürfen. Das Finanzgericht ist selbst nicht
dieser Meinung. Zu der Vorlage hat es sich aber deshalb veranlasst gesehen, weil der
Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen in der beim Europäischen Gerichtshof
anhängigen Rechtssache C-58/09 „Leo-Libera“ ausgeführt habe, dass die Mitgliedstaaten
die Möglichkeit hätten, jedes Glücksspiel entweder einer Sonderabgabe oder der
Mehrwertsteuer zu unterwerfen (Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 11.3.2010,
Rn. 43 und 44).
54 Die so begründeten Auslegungszweifel vermag der Senat nicht zu teilen. Wie erwähnt,
stellt Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG ausdrücklich klar, dass die Richtlinie -
unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften - einen Mitgliedstaat nicht
daran hindert, Abgaben auf (u. a.) Spiele und Wetten beizubehalten, die nicht den
Charakter von Umsatzsteuern haben. Die Frage, ob Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG
dahingehend auszulegen ist, dass Mehrwertsteuer und nationale Sonderabgabe auf
Glücksspiele nur alternativ und nicht kumulativ erhoben werden dürfen, ist danach
zweifelsfrei zu verneinen. Ausgeschlossen sind nach Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG
vielmehr nur solche (zusätzlichen) Abgaben, die den Charakter von Umsatzsteuern haben.
In dem in der Rechtssache C-58/09 ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs
vom 10.6.2010 haben die Überlegungen des Generalanwalts dementsprechend auch
keinen Niederschlag gefunden.
55 c) Die Satzung der Antragsgegnerin verstößt auch nicht gegen Art. 3 GG.
56 aa) Die Vergnügungssteuer in Form der Spielgerätesteuer knüpft an die gewerbliche
Veranstaltung von Automatenspielen an. Steuerschuldner ist der Veranstalter des
Vergnügens. Eigentliches Steuergut ist gleichwohl der Vergnügungsaufwand des
einzelnen Spielers, weil die Vergnügungssteuer darauf abzielt, die mit der
Einkommensverwendung für das Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit zu belasten. Damit ist der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand
der sachgerechteste Maßstab für eine derartige Steuer. Der Gesetzgeber ist aber von
Verfassungs wegen nicht auf einen derartigen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Wählt er
statt des Wirklichkeitsmaßstabs einen Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab, so ist er
allerdings auf einen solchen beschränkt, der einen bestimmten Vergnügungsaufwand
wenigstens wahrscheinlich macht, weil ein anderer Maßstab mit dem Grundsatz der
Belastungsgleichheit nicht zu vereinbaren wäre. Der Ersatz- oder
Wahrscheinlichkeitsmaßstab einer Spielgerätesteuer muss deshalb einen zumindest
lockeren Bezug zu dem Vergnügungsaufwand des Spielers aufweisen, der die Erfassung
seines Vergnügungsaufwands wenigstens wahrscheinlich macht. Der von der
Antragsgegnerin gewählte Maßstab des Einspielergebnisses genügt diesen
Voraussetzungen (BVerfG, Beschl. v. 4.2.2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1).
57 Als Einspielergebnis gilt nach § 7 S. 2 der Satzung der Antragsgegnerin die elektronisch
gezählte Kasse zuzüglich Röhrenentnahmen, abzüglich Röhrenauffüllungen, Falschgeld,
Fehlgeld, Prüftestgeld und gesetzlicher Umsatzsteuer (Nettokasse). Auch gegen diese
Regelung bestehen keine Bedenken, da der Inhalt der Nettokasse das widerspiegelt, was
die Spieler durch die eingeworfenen Spieleinsätze für ihr Spielvergnügen investiert, also
„aufgewendet“ haben. Der Aufwand der einzelnen Spieler, um dessen Besteuerung es bei
der als Aufwandsteuer erhobenen Spielgerätesteuer geht, wird so hinreichend
wirklichkeitsgerecht erfasst (ebenso zu dem Begriff der Bruttokasse, der sich von dem
Begriff der Nettokasse nur insoweit unterscheidet, als die gesetzliche Umsatzsteuer nicht
abgezogen wird: OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23.8.2011 - 4 L 323/09 - KStZ 2012, 31;
OVG HessVGH, Urt. v. 13.1.2010 - 5 A 1794/09 - ZKF 2010, 142; OVG Schleswig-
Holstein, Urt. v. 10.8.2009 - 2 LB 38/08 - Juris). Die von den Antragstellern genannte
Möglichkeit, dass Geldspielgeräte zum Geldwechseln verwendet werden und das
Einspielergebnis dadurch gewissermaßen verfälscht wird, ändert daran nichts, da diese
Möglichkeit sich statistisch gleichmäßig auf alle Geldspielgeräte verteilt. Für eine
Benachteiligung einzelner Aufsteller ist daher nichts zu erkennen. Auch der zumindest
lockere Bezug des Steuermaßstabs zu dem Vergnügungsaufwand des Spielers bleibt
gewahrt.
58 bb) Die Behauptung der Antragsteller, in der Satzung werde nicht geregelt, zu welchem
Zeitpunkt das Einspielergebnis abgelesen werden müsse, trifft in dieser Form nicht zu.
Nach § 10 Abs. 1 der Satzung hat der Steuerschuldner für Geräte mit Gewinnmöglichkeit
für jeden Kalendermonat eine unterschriebene Steueranmeldung abzugeben, in der die
Steuer für den Steueranmeldezeitraum selbst zu berechnen ist. In der Steueranmeldung
sind für jedes einzelne Gerät mit Gewinnmöglichkeit getrennt nach Aufstellort die
monatlich festgestellten Einspielergebnisse aufzuführen und die Steuer zu berechnen. Die
Zählwerksdaten sind mindestens einmal im Kalendermonat auszulesen. Die
Steueranmeldung hat lückenlos an den Auslesezeitpunkt des letzten Auslesetags der
Anmeldung für den Vormonat anzuschließen.
59 Nach dieser Regelung ist es allerdings dem Aufsteller eines Geldspielgeräts bis zu einem
gewissen Grad gestattet, den Auslesezeitpunkt selbst zu bestimmen. Wie den
Antragstellern zuzugeben ist und auch von der Antragsgegnerin eingeräumt wird, steht
den Aufstellern damit insoweit die Möglichkeit offen, in Fällen, in denen ein Gerät zu
einem bestimmten Zeitpunkt ein negatives Ergebnis aufweist, den Versuch zu
unternehmen, sich durch ein Hinauszögern des Ablesens Vorteile zu verschaffen. Diese
Möglichkeit ist jedoch eng begrenzt. Sie steht ferner allen Aufstellern gleichermaßen offen.
Ob der Versuch Erfolg hat, hängt zudem von Zufälligkeiten ab und ist aus diesem Grund
unsicher. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist daher auch insoweit zu verneinen.
60 cc) Die Satzung der Antragsgegnerin ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil sie bei
der Besteuerung von Geldspielgeräten nicht danach unterscheidet, ob das Gerät in einer
Spielhalle oder an einem sonstigen Ort aufgestellt ist. Eine nach Art. 3 Abs. 1 GG
unzulässige Gleichbehandlung bedeutete dies nur dann, wenn damit Ungleiches nicht
seiner Eigenart entsprechend verschieden behandelt würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.3.2004
- 1 BvR 1778/01 - BVerfGE 110, 141, 167). Das ist jedoch nicht der Fall. Ob
Geldspielgeräte in Spielhallen intensiver benutzt werden und dementsprechend ein
höheres Einspielergebnis erzielen als Geldspielgeräte an anderen Aufstellungsorten,
kann dabei dahinstehen, da sich bei dem hier in Rede stehenden Ersatzmaßstab nach
dem Einspielergebnis eine geringere Spielintensität mit der Folge eines geringeren
Spieleraufwands oder Einspielergebnisses in einer entsprechend geringeren Steuer
niederschlägt. Es handelt sich deshalb bei Spielgeräten in Spielhallen und solchen an
anderen Aufstellungsorten nicht um wesentlich ungleiche Sachverhalte, die ungleich
behandelt werden müssten (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23.8.2011, aaO). Die
angeblichen Unterschiede in den Kostenstrukturen ändern daran nichts (OVG NRW, Urt. v.
23.6.2010, aaO). Die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang genannte
„Aufstellprämie“ von 50 % (der Nettokasse), die von den Automatenaufstellern an den
Gastwirt abgegeben werden müssen, kann im Übrigen nicht als unveränderlich
angesehen werden. Die Höhe dieser Prämie ist vielmehr eine Frage der
Vertragsgestaltung im Einzelfall.
61 dd) Ein Verstoß gegen Art. 3 GG kann schließlich auch nicht darin gesehen werden, dass
nach der Satzung der Antragsgegnerin sowohl in ihrer ursprünglichen als auch in ihrer
derzeit noch geltenden Fassung das Platzieren von Wetten in Spiel- und Wettbüros nicht
ebenfalls besteuert wird, da keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen.
62 Das gilt unabhängig von der Frage, ob das Betreiben eines Spiel- und Wettbüros nach
dem bis zum 30.6.2012 geltenden Glücksspielsstaatsvertrag und nach dem am 1.7.2012 in
Kraft getretenen Ersten Glücksspielsänderungsstaatsvertrag als rechtmäßig zu erachten
ist (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 31.8.2011 - 6 S 1695/11 - ESVGH 62, 70 und
Beschl. v. 19.11.2012 - 6 S 342/12 - Juris). Denn jedenfalls sind die für die
Glücksspielaufsicht zuständigen Behörden bisher davon ausgegangen, dass das
Betreiben eines privaten Spiel- und Wettbüros rechtswidrig ist, und sind deshalb gegen
deren Betreiber regelmäßig mit Untersagungsverfügungen eingeschritten. Diese
Unterschiede rechtfertigen eine unterschiedliche Besteuerung.
63 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO.
64 Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision
liegen nicht vor.
65
Beschluss
66 Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird auf 135.000 EUR (15.000 EUR je
Antragsteller) festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
67 Der Beschluss ist unanfechtbar.