Urteil des VG Stuttgart vom 03.04.2009

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VG Stuttgart Beschluß vom 3.4.2009, 6 K 1058/09
Erstattungsfähigkeit von Kopierkosten eines Rechtsanwalts
Leitsätze
Auslagen der Rechtsanwälte für die Ablichtung der ihnen übersandten Behördenakten sind in der Regel nicht
bereits mit den Gebühren abgegolten, sondern erstattungsfähig.
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 03. März 2009 wird teilweise
geändert. Die von der Antragsgegnerin - Erinnerungsgegnerin - an die Antragstellerin - Erinnerungsführerin - zu
erstattenden Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden auf 257,27 EUR festgesetzt.
Dieser Betrag ist gemäß § 104 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO ab 19.02.2009 mit 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB zu verzinsen.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Die Erinnerungsbeteiligten tragen die Kosten des Erinnerungsverfahrens je zur Hälfte.
Gründe
1 Die Erinnerung ist gemäß §§ 164, 165, 151 VwGO zulässig, sie ist aber nur teilweise begründet. Der
Antragstellerin - Erinnerungsführerin - steht ein Erstattungsanspruch für gefertigte Fotokopien zu, aber nicht in
der durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.02.2009 beantragten Höhe.
2 Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts zwar stets
erstattungsfähig. Dennoch gilt der Vorbehalt, dass sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO notwendig sind; auch für die Anwaltskosten gilt nämlich
der das gesamte Kostenrecht beherrschende Grundsatz, dass die Kosten so niedrig wie möglich zu halten sind
(vgl. hierzu z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 162 RdNr. 10).
3 Ob Auslagen der Rechtsanwälte für Fotokopierkosten erstattungsfähig sind, richtet sich nach der Anlage 1 zu §
2 Abs. 2 RVG, Teil 7. Bei den Auslagen für Ablichtungen aus Behördenakten handelt es sich danach nicht um
allgemeine Geschäftskosten, die mit den Gebühren entgolten werden. Dies ergibt sich aus der Vorbemerkung 7
Abs. 1 von Teil 7 der Anlage 1, denn Nr. 7000, Auslagentatbestand 1.a) setzt eine gesonderte Pauschale für
Ablichtungen aus Behördenakten fest, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache
geboten war. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des Rechtsanwalts,
sondern nach der allgemeinen Verkehrsanschauung im Prozessrechtsverkehr. Dabei ist die
Eigenverantwortlichkeit des Prozessbevollmächtigten für die Prozessführung zu berücksichtigen; eine kleinliche
Handhabung bei der erforderlichen Glaubhaftmachung der Entstehung der Kosten und ihrer Notwendigkeit ist im
Hinblick auf die Entwicklung des gegenwärtigen Rechtsverkehrs zu vermeiden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 18.10.2006 - 7 E 1339/05 -, Juris). Nach diesem Maßstab war die Herstellung der Fotokopien
geboten. Wie die Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin vorträgt und durch Vorlage der Fotokopien
belegt, hat sie die ihr vom Gericht durch Schreiben vom 25.09.2008 überlassenen Behördenakten teilweise
kopiert. Dies war zur sachgemäßen Prozessvertretung erforderlich, weil der dem Eilverfahren zugrundeliegende
Sachverhalt komplex war. Die Prozessbevollmächtigte brauchte daher Ablichtungen der relevanten
Behördenvorgänge, zumal zum damaligen Zeitpunkt nicht sicher war, ob nicht auch ein Beschwerdeverfahren
notwendig würde. Es verbietet sich in diesem Zusammenhang in aller Regel, nach Abschluss des Eilverfahrens
einzelne Bestandteile der zum Verfahren beigezogenen und kopierten Vorgänge auf ihre
Entscheidungserheblichkeit hin zu überprüfen, denn bereits mit der Wahrnehmung und Übernahme des Mandats
entsteht für den beauftragten Rechtsanwalt das mit der Führung des Verfahrens einhergehende Haftungsrisiko.
Dieses kann er nur wirksam ausschließen, wenn er denselben Kenntnisstand hat wie die Behörde (ebenso
Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Auflage, § 162 RdNr. 12 und Schleswig-Holsteinisches
Verwaltungsgericht, Beschluss vom 15.06.2007 - 11 A 47/06 -, Juris).
4 Die Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin kann auch nicht etwa darauf verwiesen werden, die
Behördenakten stets dann zur Einsichtnahme beim Verwaltungsgericht anzufordern, wenn sie sie braucht, statt
sie zu kopieren, denn für jede Aktenübersendung fallen Gerichtsgebühren in Höhe von 12 EUR an (Nr. 9003 des
Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zum GKG).
5 Statt der 55,40 EUR, die im Kostenfestsetzungsantrag angegeben werden, betragen die Auslagen nach Nr. 7000
der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG aber lediglich 37,90 EUR, nämlich für die ersten 50 Kopien je 0,50 EUR = 25
EUR; für die restlichen 86 Kopien sodann jeweils 0,15 EUR = 12,90 EUR.
6 Für die Kostenfestsetzung ergibt sich sonach folgende
Rechnung
7 Der Erinnerungsführerin sind insgesamt 534,55 EUR erstattungsfähige Kosten erwachsen und der
Erinnerungsgegnerin 20,00 EUR, insgesamt also 554,55 EUR. Davon trägt die Erinnerungsführerin die Hälfte =
277,28 EUR. Da sie eigene Kosten in Höhe von 534,55 EUR hat, sind ihr von der Erinnerungsgegnerin 257,27
EUR zu erstatten; weil die Urkundsbeamtin ihr aber nur 234,00 EUR zugesprochen hat, ist die Erinnerung in
Höhe von 23,27 EUR erfolgreich; erfolglos bleibt die Erinnerung hingegen, soweit im Kostenfestsetzungsantrag
ein höherer Betrag verlangt wird. Dies sind 20,42 EUR.
8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.