Urteil des VG Stuttgart vom 18.12.2014

VG Stuttgart: aufschiebende wirkung, wissenschaft und forschung, überwiegendes interesse, stadt, bebauungsplan, universität, hauptsache, kontrolle, vollziehung, neubau

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 18.12.2014, 5 S 1444/14
Leitsätze
1. Der Hinweis im Planfeststellungsbeschluss, dass sich keine andere Alternative als die vom Vorhabenträger beantragte "als eindeutig
vorzugswürdig aufgedrängt" habe, vermag eine nachvollziehbare Begründung der von der Planfeststellungsbehörde zu treffenden
Auswahlentscheidung nicht zu ersetzen.
2. Die eingeschränkte gerichtliche Kontrolle der eigentlichen (endgültigen) Auswahlentscheidung ändert nichts daran, dass die
Planfeststellungsbehörde zuvor alle ernsthaft in Betracht kommenden Planungsalternativen auch ernsthaft in Betracht zu ziehen und zu prüfen
hat. Ihre Pflicht zur Ermittlung, Bewertung und Gewichtung einzelner Belange ist im Rahmen der Variantenprüfung in keiner Weise
zurückgenommen.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage - 5 S 1443/14 - der Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums
Karlsruhe vom 10. Juni 2014 für den Neubau der Straßenbahn im Neuenheimer Feld („Universitätslinie“ - Jahnstraße, Kirschnerstraße,
Hofmeisterweg, Tiergartenstraße und Straße Im Neuenheimer Feld) wird angeordnet.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die diese allein trägt.
Der Streitwert wird auf EUR 60.000,-- festgesetzt.
Gründe
I.
1 Die Antragstellerin - eine staatliche Hochschule des Landes - begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den
Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Karlsruhe für den Neubau der Straßenbahn im Neuenheimer Feld
(„Universitätslinie“ - Jahnstraße, Kirschnerstraße, Hofmeisterweg, Tiergartenstraße und Straße Im Neuenheimer Feld).
2 Mit Schreiben vom 03.12.2010 beantragte die Beigeladene beim Regierungspräsidium Karlsruhe die Durchführung eines
Planfeststellungsverfahrens und den Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses für die „Universitätslinie Straßenbahn Neuenheimer Feld“.
Beabsichtigt ist der Bau einer 2,5 km langen, zweigleisigen Straßenbahntrasse durch den Universitätscampus mit fünf neuen Haltestellen.
Sie soll an das bestehende, in der Berliner Straße verlaufende Straßenbahngleis nördlich der Haltestelle „Jahnstraße“ anschließen und nach
Westen in die in Ost-West-Richtung verlaufende Kirschnerstraße abbiegen. Dort soll sie parallel zur Fahrbahn bis in Höhe des Deutschen
Krebsforschungszentrums (DKFZ) verlaufen. Nach Durchfahrung einer Grünfläche vor dem Gästehaus der Universität soll die Trasse in
Randlage des Botanischen Gartens verlaufen, sodann vorbei am Zoologischen Garten und an der Kinderklinik. Dann soll sie Richtung
Osten in die Straße „Im Neuenheimer Feld“ abbiegen, deren Verlauf sie in südlicher Randlage - an NCT und Kopfklinik vorbei - folgen
soll. Danach soll sie in Nordlage schwenken und - vorbei an der Pädagogischen Hochschule, dem Max-Planck-Institut, dem
Rechenzentrum, dem Physikalisch-Chemischen-Institut und dem Institut für Geowissenschaften (Mineralogisches Institut) - wieder die
Berliner Straße erreichen, wo sie an das bestehende Straßenbahnnetz anschließen soll.
3 Nachdem der Beigeladenen unter dem 15.04.2011 bestätigt worden war, dass auf der Grundlage der bis dahin überlassenen Unterlagen
das Anhörungsverfahren eingeleitet werden könne, reichte sie ihre Planunterlagen mit Schreiben vom 20.04.2011 bei der Stadt Heidelberg
als der zuständigen Anhörungsbehörde ein und beantragte die Durchführung des Anhörungsverfahrens.
4 Mit Schreiben vom 27.04.2011 bat die Anhörungsbehörde die betroffenen Eigentümer, (Umwelt-)Verbände und Träger öffentlicher
Belange, bis einschließlich 30.06.2011 bzw. 29.07.2011 zu dem Planvorhaben umfassend Stellung zu nehmen.
5 Am 04.05.2011 gab sie die Auslegung der Planunterlagen vom 16.05 bis 16.06.2011 öffentlich bekannt. Dabei wurde darauf hingewiesen,
dass jeder, dessen Belange durch die Planung berührt würden, bis einschließlich 30.06.2011 schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stadt
Heidelberg Einwendungen gegen den Plan erheben oder sich zu den Umweltauswirkungen des Vorhabens äußern könne.
6 Die Antragsunterlagen lagen in der Zeit vom 16.05. bis 16.06.2011 bei der Stadt Heidelberg öffentlich aus.
7 Mit - offenbar noch am gleichen Tage per Kurierpost bei der Stadt Heidelberg eingegangenem - Anwaltsschreiben vom 29.06.2011 erhob
die Antragstellerin Einwendungen gegen das Planvorhaben.
8 Am 20. und 21.03.2012 führte die Anhörungsbehörde den am 29.02.2012 öffentlich bekannt gemachten Erörterungstermin durch.
9 Aufgrund vorgebrachter Einwendungen und Stellungnahmen sah sich die Beigeladene veranlasst, den zur Planfeststellung eingereichten
Plan in verschiedener Hinsicht zu ändern.
10 Die Anhörungsbehörde führte daraufhin ergänzende Anhörungen durch, indem sie unter dem 19.11.2012 den von der Planänderung
Betroffenen bzw. berührten Stellen jeweils Gelegenheit gab, zu den entsprechenden Planänderungen bis zum 06.12.2012 Stellung zu
nehmen. Von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit sah die Anhörungsbehörde ab.
11 Die Antragstellerin hielt mit Schreiben vom 06.12.2012 ihre bisherigen Einwendungen aufrecht und erhob darüber hinaus weitere
Einwendungen.
12 Am 28.02.2013 übersandte die Anhörungsbehörde die bis dahin angefallenen Verfahrensunterlagen dem Regierungspräsidium Karlsruhe
zur weiteren Veranlassung. Diesen waren ein Protokoll über den Erörterungstermin sowie der unter dem 07.02.2013 erstellte
Anhörungsbericht beigefügt.
13 In der Folge gab die Anhörungsbehörde den hiervon Betroffenen noch Gelegenheit, zu der von der Beigeladenen beabsichtigten
Änderung des Grunderwerbsplans sowie des Grunderwerbsverzeichnisses Stellung zu nehmen.
14 Mit Beschluss vom 10.06.2014 stellte das Regierungspräsidium Karlsruhe den Plan für den Neubau der Straßenbahn Im Neuenheimer
Feld („Universitätslinie“ - Jahnstraße, Kirschnerstraße, Hofmeisterweg, Tiergartenstraße und Straße Im Neuenheimer Feld) fest (A. I., S.
21). Dabei wurden unter A. III. (S. 30 ff.) zahlreiche Nebenbestimmungen beigefügt und unter IV. (S. 50 ff.) zahlreiche Zusagen der
Beigeladenen in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen. Die vorgebrachten Einwendungen - auch die der Antragstellerin - wurden,
soweit ihnen nicht Rechnung getragen oder entsprochen wurde, zurückgewiesen (vgl. A. VI., S. 65, 448 ff.). Eine Ausfertigung des
Planfeststellungsbeschlusses lag vom 03.07. bis zum 17.07.2014 zur Einsichtnahme aus.
15 Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 30.06.2014 zugestellten Planfeststellungsbeschluss hat die Antragstellerin am 30.07.2014
Klage - 5 S 1443/14 - zum beschließenden Verwaltungsgerichtshof erhoben. Gleichzeitig hat sie die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung dieser Klage beantragt.
II.
16 Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage hat Erfolg.
17 1. Er ist nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da der erhobenen Anfechtungsklage gegen den personenbeförderungsrechtlichen
Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10.06.2014 keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 80 Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V. m. § 29 Abs. 6 Satz 2 PBefG).
18 Für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist als Gericht der Hauptsache der beschließende
Gerichtshof sachlich zuständig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht bzw. der
Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die ein Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die
Änderung der Strecken von Straßenbahnen betreffen.
19 Der rechtzeitig innerhalb eines Monats nach der (Individual-)Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses gestellte und begründete Antrag
(vgl. § 29 Abs. 6 Satz 3 PBefG) ist auch sonst zulässig.
20 Der Antragstellerin fehlt entgegen der Auffassung der anderen Beteiligten nicht schon die erforderliche Antragsbefugnis; insbesondere
steht kein unzulässiger „In-sich-Prozess“ in Rede. Denn in der Hauptsache kann die Antragstellerin als rechtsfähige Körperschaft des
öffentlichen Rechts ungeachtet dessen, dass sie zugleich eine staatliche Einrichtung des Landes ist (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 LHG), geltend
machen (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO), dass ihre Forschungseinrichtungen durch das planfestgestellte Vorhaben nachteiligen Wirkungen -
insbesondere durch Erschütterungen und elektromagnetische Felder - ausgesetzt sind, welche ihrer derzeitigen und künftigen, zudem durch
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG besonders geschützten Betätigung auf dem Gebiete der Forschung abträglich wären (vgl. BVerfG, Urt. v.
10.03.1992 - 1 BvR 454/91 u. a. -, BVerfGE 85, 360, juris Rn. 78; auch § 3 Abs. 1 Satz 1 LHG). An dem durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG
gewährleisteten Funktionsschutz ihrer Einrichtungen - insbes. des Physikalisch-Chemischen Instituts und des Instituts für
Geowissenschaften mit ihren hochempfindlichen Geräten - ändert nichts, dass die betroffenen Dienstgebäude, -räume und -grundstücke
nicht im Eigentum der Antragstellerin stehen, sondern ihr im Wege der Zuweisung vom Land bereit gestellt wurden, und jene keinen
Bestandsschutz genießen.
21 2. Das Interesse der Antragstellerin, vor einer Entscheidung in der Hauptsache von Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses verschont
zu bleiben, die ihrer freien Betätigung auf dem Gebiete der Forschung abträglich wären, überwiegt das (besondere) öffentliche Interesse
des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung und das private Interesse der Beigeladenen, von dem Planfeststellungsbeschluss sofort
Gebrauch machen zu dürfen. Denn einstweilen spricht alles dafür, dass die Klage der Antragstellerin entweder mit dem Aufhebungs- (I.
1.) oder aber mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses (I. 2) Erfolg
haben wird (a). Eine andere Abwägungsentscheidung wäre freilich auch dann nicht gerechtfertigt gewesen, wenn die Erfolgsaussichten
noch als offen anzusehen wären (b).
22 a) Der Planfeststellungsbeschluss dürfte an erheblichen Mängeln leiden, die auf die Klage der in abwägungserheblichen Belangen
betroffenen Antragstellerin zumindest die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigten; denn jene dürften
sich durch eine bloße Planergänzung nicht beheben lassen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 29 Abs. 8 PBefG).
23 So ist der Belang der Antragstellerin, von ihrer Forschungstätigkeit abträglichen Wirkungen verschont zu bleiben, aller Voraussicht nach
nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht in der Abwägung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 PBefG berücksichtigt worden.
24 Zu Recht beanstandet die Antragstellerin, dass die Planfeststellungsbehörde diesen Belang bereits bei der Prüfung ernsthaft in Betracht
kommender Planungsalternativen nicht im gebotenen Umfange berücksichtigt hat.
25 Die Planfeststellungsbehörde begründet ihre Entscheidung zugunsten der beantragten Trasse A 2, soweit sich im
Planfeststellungsbeschluss hierzu überhaupt eigenständige Erwägungen finden, zusammenfassend damit, dass sich bei der
Auseinandersetzung mit den angesprochenen Alternativlösungen im Ergebnis keine Alternative als „eindeutig vorzugswürdig“ bzw. die
Antragsvariante „aus verkehrlicher Sicht“ aufgedrängt habe. Auch wenn bei der Trasse A 1 deutlich weniger Einrichtungen den von dem
Vorhaben ausgehenden Wirkungen ausgesetzt wären, wäre dies nicht der allein ausschlaggebende Gesichtspunkt gewesen. Aufgrund der
konkreten Zielsetzungen des Vorhabenträgers und der vorgesehenen Schutzmaßnahmen dränge sich ihr nicht auf, dass die Vorteile der
Variante A 1 die Vorteile des beantragten Neubaus „in einer Weise“ überwögen, dass sie sich als „eindeutig vorzugswürdig“ erweise.
26 Damit hat die Planfeststellungsbehörde - auch bei Berücksichtigung ihrer weiteren Ausführungen zu den Planungsalternativen,
insbesondere zur Variante A 1 („Klausenpfad“) - ihre Planungsaufgabe verfehlt. Denn eine eigenständige Planungsentscheidung hat sie,
obwohl sie selbst und nicht die Beigeladene Trägerin des Planungsermessens ist, nicht getroffen.
27 Die von der Planfeststellungsbehörde mehrfach gebrauchte Wendung, dass sich eine andere Alternative „nicht als eindeutig vorzugswürdig
aufgedrängt“ habe, vermag, da damit nur auf die eingeschränkte gerichtliche Kontrolle Bezug genommen wird, eine nachvollziehbare
Begründung der von ihr zu treffenden Auswahlentscheidung nicht zu ersetzen (vgl. auch Nieders. OVG, Beschl. v. 29.06.2011 - 7 MS
72/11 -). Die Prüfung, ob diese gerichtlich Bestand haben wird, obliegt nicht der Planfeststellungsbehörde, sondern ggf. dem
Verwaltungsgerichtshof. Die Planfeststellungsbehörde verwechselt hier den gerichtlichen Prüfungsmaßstab mit ihrem eigenen
Prüfungsauftrag (vgl. Nieders. OVG, Beschl. v. 29.06.2011, a.a.O.).
28 Einer im Hinblick auf den planerischen Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde derart eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle
unterliegt auch nur die eigentliche planerische Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Alternativen (vgl. BVerwG, Urt. v.
18.03.2009 - 9 A 35.07 -). Diese entbindet die Planfeststellungsbehörde indes nicht von ihrer Pflicht, zuvor alle ernsthaft in kommenden
Planungsalternativen auch ernsthaft in Betracht zu ziehen und zu prüfen, und zwar unabhängig davon, ob sie sich ihr aufdrängten oder
nicht (vgl. Steinberg, Fachplanung, 4. A. 2012, § 3 Rn. 183 f.). Ihre Pflicht zur Ermittlung, Bewertung und Gewichtung einzelner Belage
im Rahmen der Variantenprüfung ist damit für die Planfeststellungsbehörde in keiner Weise zurückgenommen (vgl. BVerwG,
Gerichtsbesch. v. 21.09.2010 - 7 A 7.10 -, juris, Rn. 17 unter 2.d; Urt. v. 16.03.2006 - 4 A 1075/04 -, BVerwGE 125, 116, juris Rn. 98;
Nieders. OVG, Beschl. v. 29.06.2011, a.a.O.). Erst bei der eigentlichen bzw. endgültigen Auswahlentscheidung ist sie auf die Prüfung
beschränkt, ob die Erwägungen des Vorhabenträgers vertretbar und damit geeignet sind, die Trassenwahl zu rechtfertigen und ob sie sich
diese zu eigen machen will (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.2009, a.a.O.). Nach dem auch für sie geltenden Untersuchungsgrundsatz (vgl. §
24 LVwVfG; hierzu Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 8. A., 2014 § 74 Rn. 8) hat die Planfeststellungsbehörde zunächst die
eine sachgerechte Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange erst ermöglichenden tatsächlichen Feststellungen zu
treffen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.06.1992 - 4 B 1.92 u. a., Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89; Beschl. v. 02.04.2009 - 7 VR 1.09 -).
29 Diesen Anforderungen des Abwägungsgebots entspricht die von der Planfeststellungsbehörde getroffene Entscheidung nicht. So begnügte
sich die Planfeststellungsbehörde damit, den gegen die Antragstrasse vorgebrachten, durchaus substantiierten Einwendungen jeweils die
gegenteilige Sicht der Vorhabenträgerin entgegenzuhalten, um im Anschluss daran - ohne eine eigenständige Begründung - auszuführen,
dass die Annahmen der Einwender und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen „nicht geteilt“ würden, sie „sich die Ausführungen des
Vorhabenträgers zu eigen mache“, sie „keine belastbaren Anhaltspunkte bzw. Erkenntnisse“ dafür habe, dass sich dessen
Ausgangsüberlegungen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen „(eindeutig) unzutreffend oder fehlgewichtet“ darstellen könnten
und daher „nachvollziehbar und plausibel“ und „nicht zu beanstanden“ seien. Diese im Beschluss immer wiederkehrenden Wendungen
erweisen, dass sich die Planfeststellungsbehörde von vornherein - jedenfalls ganz überwiegend - auf eine bloße Plausibilitätskontrolle der
von der Vorhabenträgerin der Planung zugrunde gelegten Annahmen beschränkte und sie - nach einer ebenfalls nur eingeschränkten
Prüfung - auch dessen Bewertungen und Gewichtungen der Einzelbelange - auch derjenigen der Antragstellerin - übernahm. Dies ist mit
der Aufgabe einer Planfeststellungsbehörde, die als Trägerin des Planungsermessens eine eigenständige, abwägende Entscheidung zu
treffen hat, nicht vereinbar.
30 Diese Mängel betreffen gerade auch die Ermittlung, Bewertung und Gewichtung der Auswirkungen des Vorhabens, insbesondere im
Hinblick auf die von ihm ausgehenden Erschütterungen und elektromagnetischen Felder, gegen die sich die Antragstellerin wegen ihrer
davon betroffenen Forschungseinrichtungen bzw. der darin eingesetzten hochempfindlichen Geräte - vor allem an der Straße Im
Neuenheimer Feld - hauptsächlich wendet.
31 So verweist die Planfeststellungsbehörde bei ihrer Auswahlentscheidung hinsichtlich der Beurteilung jener Wirkungen zunächst auf ihre
Ausführungen unter Abschnitt B. III. 2.3 „Zwingendes Recht“, wo sie den Einwendungen - auch denen der Antragstellerin - jeweils die
gegenteilige Sichtweise der Vorhabenträgerin bzw. deren Gutachters entgegensetzt, um sich sodann immer wieder auf die Wendung
zurückzuziehen, dass sie „keine belastbaren Anhaltspunkte“ dafür habe, dass sich die gutachterlichen Einschätzungen, Annahmen und
Schlussfolgerungen „im Ergebnis als unzutreffend“ oder „unvertretbar“ darstellten bzw. die Überlegungen, Ansätze und
Schlussfolgerungen des Fachgutachters „in einer Weise erschüttert“ würden, dass sich daraus ein „zwingender“ weitergehender
Handlungsbedarf ergäbe.
32 Vor diesem Hintergrund entbehrt auch das von der Planfeststellungsbehörde gezogene Fazit einer tatsächlichen Grundlage, wonach die
Erschütterungswirkungen dem Vorhaben „nicht zwingend“ entgegenstünden und mit den vom Vorhabenträger aufgrund umfangreicher
fachgutachterlicher Expertisen vorgesehenen Schutzmaßnahmen den berechtigten Belangen der betroffenen Einrichtungen im Hinblick auf
eine elektro-magnetische Verträglichkeit „angemessen Rechnung“ getragen werde.
33 Diese Ausführungen lassen darüber hinaus erkennen, dass es der Planfeststellungsbehörde letztlich nur darauf ankam, zwingendes Recht,
nämlich die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) einzuhalten, sie jedoch für eine sachgerechte
Abwägung mit dem schutzwürdigen Interesse der Antragstellerin daran, dass ihr Forschungsstandort im Neuenheimer Feld auch im
Hinblick auf künftige Entwicklungen möglichst von weiteren nachteiligen Einwirkungen verschont bleibt, nicht offen war. Dies zeigt auch
der Umstand, dass sie es dahinstehen ließ, ob bei einer Trassenführung über den „Klausenpfad“ (Variante A 1) deutlich weniger
empfindliche Einrichtungen betroffen wären, und es erkennbar nicht für aufklärungsbedürftig ansah, ob in dem dort gelegenen
„Technologiepark“ überhaupt in vergleichbarer Entfernung ebenso empfindliche Nutzungen stattfinden. Ohne entsprechende
Feststellungen erweist sich die von der Planfeststellungsbehörde wiedergegebene Sichtweise der Vorhabenträgerin, wonach beide
Varianten hinsichtlich der EMV-Verträglichkeit und der Erschütterungen „nahezu vergleichbar“ seien, keineswegs als „nachvollziehbar
und plausibel“, sondern als kaum vertretbar. Auch ihr Hinweis auf eine fehlende Bestandsgarantie und den im Neuenheimer Feld
und plausibel“, sondern als kaum vertretbar. Auch ihr Hinweis auf eine fehlende Bestandsgarantie und den im Neuenheimer Feld
weiterhin möglichen Wissenschaftsbetrieb belegt, dass die Planfeststellungsbehörde den Belang der Antragstellerin, ihre
Forschungseinrichtungen vor ihre weitere Forschung möglicherweise gefährdenden Beeinträchtigungen möglichst zu verschonen, nicht
ernsthaft abgewogen hat.
34 Es ist demgegenüber nicht Aufgabe eines Gerichts - schon gar nicht in einem Verfahren des vorliegenden Rechtsschutzes -, die
vorliegenden Fachgutachten selbst einer ersten Prüfung zu unterziehen, um festzustellen, ob die von der Planfeststellungsbehörde lediglich
auf ihre Plausibilität untersuchten Annahmen und Schlussfolgerungen der Vorhabenträgerin im Ergebnis gerechtfertigt sein könnten.
35 Ähnlich defizitär erweist sich im Übrigen auch die Behandlung der Einwendungen betreffend den Botanischen Garten der Antragstellerin.
Auch hier begnügte sich die Planfeststellungsbehörde im Anschluss an die Ausführungen des Vorhabenträgers - ohne eigene Begründung
- jeweils mit der Feststellung, dass für sie „kein weiterer Handlungsbedarf zu erkennen“ bzw. gegen die Sicht des Vorhabenträgers „nichts
zu erinnern“ sei bzw. „keine belastbaren Anhaltspunkte“ vorlägen, dass sich die geplanten Maßnahmen „von vornherein als unzureichend“
erwiesen.
36 Dass demgegenüber eine andere als die planfestgestellte Variante, insbesondere die von der Antragstellerin als vorzugswürdiger
angesehene Variante A 1 derartige Abstriche an den verkehrlichen Zielsetzungen des Vorhabenträgers bedingte, dass sie ungeachtet der
betroffenen gegenläufigen Interessen, insbesondere der nachteiligen Auswirkungen auf deren Forschungseinrichtungen, und ungeachtet
des von der Planfeststellungsbehörde zu beachtenden Trennungsgrundsatzes (vgl. § 50 Satz 2 BImSchG) jedenfalls nicht hinzunehmen
wären, lässt der Planfeststellungsbeschluss nicht erkennen. Entsprechende Abstriche wären daher umso eher gerechtfertigt gewesen, je
gewichtiger die gegenläufige Belange sind, insbesondere je einschneidender sich die nachteiligen Auswirkungen auf die betroffenen
Forschungseinrichtungen erweisen. Darüber hatte sich die Planfeststellungsbehörde selbst Gewissheit zu verschaffen.
37 Die Planfeststellungsbehörde hat auch die bestehende bauplanungsrechtliche Situation, die von der Antragstellerin ebenfalls gegen die
Auswahlentscheidung angeführt wurde, nicht abwägungsfehlerfrei berücksichtigt, indem sie auch hier - wiederum ohne erkennbar
eigenständige Prüfung - die Sichtweise der Vorhabenträgerin zugrunde legte und diese darüber hinaus erheblichen Zweifeln begegnet.
38 Jene ist noch durch den aufgrund des Aufbaugesetzes vom 18.08.1948 (RegBl. S. 127) erlassenen Bebauungsplan „Neues
Universitätsgebiet“ vom 28.07.1960 geprägt, auf den sich die Antragstellerin auch berufen kann, da er seinerzeit für ihre universitären
Zwecke aufgestellt worden war (vgl. unter A. 1 des Erläuterungsberichts). Selbst wenn sich die Beigeladene auf das Fachplanungsprivileg
des § 38 BauGB n. F. berufen könnte (vgl. dazu sogleich), wäre die bestehende bauplanungsrechtliche Situation bei der Abwägung als
wesentlicher städtebaulicher Belang und gleichzeitig - im Hinblick auf die ihre Forschung begünstigenden Festsetzungen - als
schutzwürdiger Belang der Antragstellerin mit dem ihr zukommenden besonderen Gewicht zu berücksichtigen gewesen (vgl. Senatsurt. v.
03.07.1998 - 5 S 1/98 -, BRS 60 Nr. 13). Dies ist jedoch nicht geschehen, da sich die Planfeststellungsbehörde, nachdem sie die vom
Vorhabenträger geteilte Auffassung der Stadt Heidelberg „nicht zu beanstanden“ vermochte, auf die Feststellung zurückzog, dass keine
Belange zu erkennen seien, die dem berechtigten öffentlichen Verkehrsinteresse „zwingend“ entgegenstünden. Dass die Stadt Heidelberg
als Träger der kommunalen Planungshoheit das Vorhaben ausdrücklich unterstützte, ist in diesem Zusammenhang entgegen der
Auffassung der Planfeststellungsbehörde nicht entscheidend, nachdem der von ihr erlassene Bebauungsplan ungeachtet der Fortschreibung
des Flächennutzungsplans nach wie vor Geltung beanspruchen dürfte, insbesondere durch die Widmung der Straße Im Neuenheimer Feld
für den öffentlichen Durchgangsverkehr nicht funktionslos geworden war. Dies gilt umso mehr, als die „Nordtrasse“ (Straße Im
Neuenheimer Feld) nach dem Vertrag zwischen der Stadt Heidelberg und dem Antragsgegner v. 06.11.1969 i.V.m. der Erklärung des
Finanzministeriums v. 17.07.1970 nach Fertigstellung des Ausbaus des Kurpfalzrings („Klausenpfad“) wieder entwidmet werden soll.
39 Dass das Planvorhaben von den Festsetzungen des Bebauungsplans gar nicht abweiche, trifft schließlich nicht zu. Die
Planfeststellungsbehörde übersieht, dass die von ihr planfestgestellte Straßenbahntrasse nicht nur die im Bebauungsplan festgesetzte
„Bauvorbehaltsfläche“ für die Universität durchschneidet, sondern innerhalb der Baugrenzen der dort vorgesehenen baulichen Anlagen
verläuft, die mittelbar oder unmittelbar den Zwecken der Universität und des Studienbetriebs dienen. Das planfestgestellte Vorhaben stellt,
anders als die Planfeststellungsbehörde meint, offensichtlich keine „öffentliche Versorgungsanlage“ dar. Dass weder die für die innere
Erschließung - nach Einziehung der Tiergartenstraße - nur mehr vorgesehenen Privatstraßen (vgl. hierzu Erläuterungsbericht, A. 3.) noch
die außerhalb der Baugrenzen (vgl. Erläuterungsbericht A. 3), aber noch in der Bauvorbehaltsfläche enthaltenen zukünftigen öffentlichen
Verkehrsflächen für den Ausbau des Kurpfalzrings und den Ersatz der wegfallenden Strecke der Tiergartenstraße (vgl. Erläuterungsbericht
A. 1) festgesetzt worden waren (vgl. hierzu den Durchführungserlass zum Aufbaugesetz v. 29.10.1948 zu den §§ 7 u. 9 des
Aufbaugesetzes sowie § 5 der Vollzugsverfügung zur Bauordnung v. 10.05.1911), bedeutete keineswegs, dass nun gar innerhalb der
Baugrenzen weitere öffentliche Verkehrsflächen ermöglicht werden sollten. Vielmehr spricht alles dafür, dass solche entsprechend den im
Erläuterungsbericht niedergelegten Planungszielen bewusst nicht festgesetzt worden waren, um „das Gebiet in sich geschlossen“ zu halten
und es „vom öffentlichen Verkehr freizuhalten“ (vgl. hierzu das ebenfalls unter Beteiligung des Antragsgegners ergangene Senatsurt. v.
15.10.2004 - 5 S 2586/03 -, BRS 67 Nr. 87) und - jedenfalls insoweit - eine abschließende Regelung getroffen werden sollte (vgl. hierzu
VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.03.1998 - 8 S 315/98 -, BRS 60 Nr. 140). Dies ist umso mehr anzunehmen, als nach § 8 Abs. 2 des
Aufbaugesetzes ohnehin nur die Grenzen und Eigenschaften der künftigen ö f f e n t l i c h e n Straßen, Wege und Plätze enthalten sein
mussten. Dass schließlich die Voraussetzungen für eine Befreiung vorlagen, erscheint mehr als zweifelhaft, da jedenfalls die Grundzüge
der Planung berührt sein dürften (vgl. § 31 Abs. 2 BauGB). Daran änderte auch nichts, sollte es sich hinsichtlich der von Baugrenzen
umschlossenen überbaubaren Fläche lediglich um einen einfachen Bebauungsplan i. S. des § 30 Abs. 3 BauGB handeln. Denn auch eine
ergänzende Beurteilung anhand des Maßstabs des § 34 Abs. 1 BauGB („Einfügensgebot“) rechtfertigte keine andere planungsrechtliche
Beurteilung. Denn öffentliche Verkehrsflächen stellen kein Vorhaben dar, das mangels Festsetzungen über die örtlichen Verkehrsflächen
auch nach § 34 BauGB zugelassen werden könnte.
40 Ob letzteres nicht nur auf einen Abwägungsfehler, sondern darüber hinaus auf einen Verstoß gegen zwingendes Recht führte, mag hier
dahinstehen, dürfte jedoch im Hinblick darauf anzunehmen sein, dass Straßenbahnvorhaben nach dem Personenbeförderungsgesetz nach
der insoweit gebotenen typisierenden Betrachtungsweise keine Vorhaben von überörtlicher Bedeutung sind (vgl. Senatsurt. v. 15.10.2004,
a.a.O.; Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielen-berg, BauGB , § 38 Rn. 37, 152). Denn Straßenbahnen sind - in Abgrenzung zu
Eisenbahnen - definitionsgemäß nur solche Schienenbahnen, die ausschließlich oder überwiegend der Beförderung von Personen im Orts-
Eisenbahnen - definitionsgemäß nur solche Schienenbahnen, die ausschließlich oder überwiegend der Beförderung von Personen im Orts-
und Nahverkehr dienen (vgl. § 4 Abs. 1 PBefG). Dass es sich hier allein deshalb anders verhalten sollte, weil mit der Straßenbahn auch
Einrichtungen von überörtlicher Bedeutung erschlossen werden sollen, erscheint kaum überzeugend.
41 Erweist sich der Planfeststellungsbeschluss danach aller Voraussicht nach als - auch gegenüber der Antragstellerin - rechtswidrig, besteht
auch kein überwiegendes Interesse an der gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehung.
42 b) Unabhängig davon führte, sähe man die Erfolgsaussichten noch als offen an, auch eine Abwägung der wechselseitigen Interessen der
Beteiligten dazu, dem Interesse der Antragstellerin, von den Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses einstweilen verschont zu bleiben,
Vorrang zu geben vor dem Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Planfeststellungsbeschlusses und dem
Interesse der Beigeladenen, von diesem sofort Gebrauch machen zu können. Denn solange offen ist, ob die Auswahlentscheidung
zugunsten der Variante A 2 Bestand haben wird, sind ihr auch die bereits während des Baus zu gewärtigenden erheblichen Wirkungen
nicht zuzumuten, zumal mit diesen bereits für Zwecke der Wissenschaft und Forschung genutzte Teilflächen - wie etwa Teile des
Botanischen Gartens - unmittelbar in Anspruch genommen werden müssten. Dies gilt umso mehr, als sich einstweilen nicht von der Hand
weisen lässt, dass mit dem konkret planfestgestellten Straßenbahnvorhaben - ungeachtet der vorgesehenen Schutzmaßnahmen -
unzumutbare Wirkungen auf ihre Forschungseinrichtungen einhergehen. Insbesondere erscheint nicht ausgeschlossen, dass die im Zuge
der Bauausführung zum Schutze der Einrichtungen der Antragstellerin teilweise vorgesehene (hoch)elastische Schienenlagerung nicht
ausreicht, um die weitere Funktionsfähigkeit ihrer Forschungseinrichtungen zu gewährleisten. All dies hat umso mehr Gewicht, als ein
dringender Bedarf an einer Straßenbahnverbindung Im Neuenheimer Feld nicht dargetan ist.
43 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1 u. 3, 162 Abs. 3 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs.
1 i.V.m. Nrn. 1.5, 34.2.2 u. 34.3 des Streitwertkatalogs 2013.
44 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.