Urteil des VG Sigmaringen vom 20.12.2016

ablauf der frist, mangel des verfahrens, einstellung des verfahrens, anhörung

VG Sigmaringen Entscheidung vom 20.12.2016, DL 10 K 3173/16
Leitsätze
Die dem Beamten nach § 20 Satz 1 LDG einzuräumende Gelegenheit, sich nach Abschluss der Ermittlungen zur
Sache zu äußern, stellt ein qualifiziertes, dem Schutz des Beamten dienendes Verfahrensrecht dar. Der Verstoß
gegen die Verpflichtung zur abschließenden Anhörung führt zu einem absoluten Verfahrensfehler, der in der
Regel weder nach § 2 LDG i.V.m. § 45 LVwVfG heilbar noch nach § 2 LDG i.V.m. § 46 LVwVfG unbeachtlich ist.
Tenor
Die Disziplinarverfügung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 25. Juli 2016 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Der Kläger, Studienrat im Schuldienst des Beklagten, setzt sich gegen eine Disziplinarverfügung zur Wehr,
mit der gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 1.500,- EUR verhängt wurde.
2 1. Der am ...1965 geborene, verheiratete Kläger absolvierte sein Referendariat ab dem ...1995. Nach dem 2.
Staatsexamen ... arbeitete er als Religionslehrer im Kirchendienst bei der Diözese R.. Hierbei unterrichtete
er an verschiedenen Gymnasien in M., R., B., S., P. und T.. Nach zunächst erfolglosen Bewerbungen wurde
er zum ...2005 in öffentlichen Schuldienst des Beklagten übernommen. Seine Ernennung zum Studienrat
und die Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit erfolgten am ...2006. Er war als
Gymnasiallehrer für Geschichte und katholische Religionslehre an der Schule in T., ..., tätig, zuletzt mit
einem Teildeputat von 18/25 Stunden. Auf seinen Antrag wurde er mit Bescheid vom ...2015 für die Zeit
vom ...2015 bis ...2016, später verlängert bis zum ...2017, gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 LBG ohne Dienstbezüge
beurlaubt.
3 2. Die Schulleiterin der ... gewährte dem Kläger mit Wirkung vom ...2010 ein Grundgehalt aus der
nächsthöheren Stufe als Leistungsstufe gemäß § 2 der Leistungsstufenverordnung für eine herausragende
besondere Leistung. Mit Anlassbeurteilung vom ...2010 erhielt der Kläger von der Schulleiterin die
Gesamtnote gut bis befriedigend (2,5). Hierzu führte sie aus, der Kläger verdiene höchste Anerkennung für
seine Aktivitäten im Rahmen des UNESCO-Profils der ... (Klimaschutz). Er trete auch kontinuierlich für eine
Kultur der Erinnerung an die ... andere Opfer der NS-Diktatur ein. Seinen Unterricht, besonders in
Geschichte, müsse der Kläger jedoch deutlich zielgerichteter, klarer strukturiert, inhaltlich fundierter und
methodisch breiter planen und durchführen. Unterricht sei das Kerngeschäft des Lehrers. Mit einer aktuellen
Leistungsfeststellung vom ...2010 erhielt der Kläger dann das Gesamturteil Übertrifft die
Leistungserwartungen. Zur Unterrichtsgestaltung und zum Unterrichtserfolg führte die Schulleiterin aus,
der Unterrichtserfolg, beruhe - bei mehrfach erschwerten Bedingungen - auf vielfältigen, kreativen und
schülerzentrierten Projekten, die er durch aktuelle Ereignisse, Besuche von Vorlesungen, Ausstellungen und
interessante Begegnungen anreichere. Das erzieherische Wirken des Beamten und seine Zusammenarbeit
mit den am Schulleben Beteiligten wurden in der aktuellen Leistungsfeststellung vom ...2010 positiv
hervorgehoben. Mit Anlassbeurteilung vom ...2014, korrigierte Fassung vom ...2014, erteilte die
Schulleiterin der ... dem Kläger die Gesamtnote befriedigend bis ausreichend (3,5). Zu seiner
Unterrichtsgestaltung und zum Unterrichtserfolg wurde ausgeführt, die besuchten Unterrichtsstunden seien
zwar inhaltlich vorbereitet, nicht aber didaktisch und methodisch durchgeplant gewesen. Der Kläger habe
sich fast ausnahmslos auf eine sehr kurzschrittiges fragenentwickelndes Verfahren verlassen, wobei er
dauernd neue Fragen nachgeschoben habe. Er habe stets nur Stichworte oder knappe Halbsätze erwartet
und die Schüler häufig bei vorbereiteten Präsentationen unterbrochen. Es habe in seinem Unterricht keine
Leitfragen und nur in Ansätzen einen roten Faden, der durch die Materialfülle geführt habe, gegeben.
Autoren und Daten benutzter Quellen seien zwar formal benannt, nicht aber in ihrem Kontext eingeordnet
und sachlich angemessen interpretiert, sondern mehrheitlich als „Steinbruch“ für einige wenige Aussagen
(Worte) benutzt worden. Die Schüleraktivitäten hätten sich auf das Zuhören, Lesen (und „das Wichtigste“
unterstreichen), Lehrerfragen kurz beantworten oder den Tafelanschrieb abschreiben beschränkt. Die
Tafelanschriebe seien von Ausnahmen abgesehen assoziativ und unstrukturiert und für eine systematische
Wiederholung nicht geeignet gewesen. In allen Klassenstufen seien die Schüler weitgehend unterfordert
gewesen. Zur Zusammenarbeit mit den am Schulleben Beteiligten wurde von der Schulleiterin ausgeführt,
die wertvollen Initiativen des Klägers könnten besser mit den Fachschaften und der Schulleitung abgestimmt
sein. Die Zusammenarbeit mit dem Kläger gelinge nicht immer. Bei Konflikten habe der Kläger Mühe, die
Position der anderen Seite nachzuvollziehen und einen Interessenausgleich zu suchen.
4 Die Bewerbung des Klägers um eine Stelle als Oberstudienrat (A 14) blieb in der Folge ohne Erfolg.
5 3. Der Kläger ist nach den vorgelegten Akten strafrechtlich nicht vorbelastet. In disziplinarrechtlicher
Hinsicht wird berücksichtigt, dass nach der vorgelegten Personalakte durch die Schulleiterin der ... mit
Schreiben vom ...2013 gegen den Kläger ein „förmlicher Verweis“ ausgesprochen wurde. Das Schreiben
wurde dem Kläger am ...2014 ausgehändigt (BAS 250). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe
die Urkunde für den Religionspreis 2013 der ... entsprechend dem Beschluss der Fachkonferenz Religion an
den Preisträger H. aushändigte. Die Urkunde sei nicht wie üblich der Schulleiterin zur Unterzeichnung
vorgelegt worden. Die Bedenken der Schulleiterin und ihres Stellvertreters gegen den Preisträger seien
auch nicht berücksichtigt worden. Es gehe bei der Missbilligung nicht um die Frage der Eignung des
Preisträgers und nicht um die Frage, ob der Fachbereich Religion in seiner Entscheidung frei sei. Vielmehr
gehe es darum, dass der Kläger sich mehrfach einem ausdrücklichen Gesprächswunsch der Schulleiterin
entzogen habe, obwohl er gewusst habe, dass die Schulleiterin das mit der Preisverleihung ausgesandte
Signal bedenklich gefunden habe. Dies sei ein Zeichen mangelnder Kooperationsbereitschaft. Das Schreiben
vom ...2013 wurde von der Schulleiterin erst am ...2015 an das Regierungspräsidium T. gesandt und von
diesem zur Akte genommen. Der Kläger erhob mit E-Mail vom ...2014 Einwände gegen den „förmlichen
Verweis“. Ob hierzu eine Entscheidung ergangen ist, ergibt sich aus den vorgelegten Akten nicht.
6 4. Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens ist das Verhalten des Klägers im Rahmen seiner vom
Regierungspräsidium Tübingen ab dem ...2014 angeordneten fachlichen Beratung und Begleitung durch
Studiendirektor Dr. B., Fachberater für Katholische Religion
7 Mit Schreiben des Regierungspräsidiums T. vom ...2014 wurde Dr. B. unter Bezugnahme auf die
Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums vom ...2006 über die Aufgaben und Stellung der Fachberater
für Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen und Sonderschulen sowie für allgemein bildende Gymnasien
und berufliche Schulen beauftragt, einen Unterrichtsbesuch in mindestens zwei Unterrichtsstunden im Fach
Katholische Religionslehre beim Kläger durchzuführen und hierüber bis ...2014 einen Bericht vorzulegen. Ob
und wie der Kläger über diese Beauftragung von Dr. B. informiert wurde, ergibt sich aus der Akte nicht. Der
Bericht von Dr. B. vom ...2014 stellte zusammenfassend fest, dass beim Kläger dringender Beratungsbedarf
gegeben sei. Ziel der Beratung müsse es sein, dass der Kläger eine klar strukturierte, schriftlich fixierte
Vorbereitung des Unterrichts erarbeite. Diese Unterlagen müsse der Kläger dem begleitenden Fachberater
jeweils per E-Mail zwei Tage vor den vom Fachberater in regelmäßigen Abständen besuchten Schulstunden
vorlegen. Im Anschluss an diese Schulstunden müssten diese mit dem Kläger besprochen und gegebenenfalls
weitere Zielvereinbarungen getroffen werden. Zu den bisherigen Unterrichtsleistungen und Erfolgen,
insbesondere zum Kenntnisstand der besuchten Religionsklassen verhielt sich der Bericht nicht. Mit
weiterem Schreiben des Regierungspräsidiums Tübingen vom ...2014 wurde Dr. B. mit weiteren zwei bis drei
Unterrichtsbesuchen mit Beratung und Zielvereinbarung im Fach Katholische Religionslehre beauftragt und
darum gebeten, besonderen Wert auf eine klar strukturierte und schriftlich fixierte Unterrichtsvorbereitung
zu legen. Um einen Bericht zum Ende des Schuljahres wurde gebeten.
8 Mit Schreiben des Regierungspräsidiums Tübingen an den Kläger vom ...2014 wurde darauf hingewiesen,
dass es mit dem Kläger eine Zielvereinbarung vom ...2014 gebe und dass er danach mit Dr. B. wegen eines
Unterrichtscoachings Kontakt aufnehmen und diesem die Unterrichtsplanung für das Schuljahr 2014/15
zuleiten müsse. Diese Vereinbarung sei bindend und der Kläger begehe eine Dienstpflichtverletzung, wenn
er ihr nicht nachkomme.
9 Mit Schreiben vom ...2014 bedankte sich Dr. B. beim Kläger für die Zusendung des Plans, mit dem einige
Themen und deren Aufgliederung für den Unterricht in der gymnasialen Kursstufe dargelegt worden seien.
Unter Hinweis auf den Schwerpunktthemenerlass bat Dr. B. den Kläger, ihm zusätzlich die Planung des
Themas „Jesus Christus“ und die im aktuellen Kurs gestellten Klausuren in digitaler Form zukommen zu
lassen. Die Planung zum Thema „Kirche“ entspreche nicht dem Bildungsplan, weswegen der Kläger diese
entsprechend überarbeiten und anpassen müsse. Die für die Zeit nach den Weihnachtsferien geplanten
Doppelstunden seien zu dicht geplant und müssten entzerrt werden. Der Kläger wurde um Zusendung der
erbetenen Dokumente an Dr. B. und einer E-Mail-Kopie an die Sachbearbeiterin des Regierungspräsidiums
Tübingen bis zum ...2015 gebeten.
10 Mit Schreiben vom ...2015 teilte der Kläger nach Ausführungen zu seiner Ausbildung, seiner Vita und seiner
Erfahrungen und Leistungen als Lehrer mit, er empfinde es als demütigend, sich nach 20 Berufsjahren von
Dr. B. die Kompetenz einer Jahresplanung absprechen zu lassen. Seine Arbeit sei bei älteren und jungen
Kollegen geschätzt und im Fachbereich respektiert. Der mit den Aufsichtsmaßnahmen an den Tag gelegte Stil
führe zu Schlaflosigkeit und beeinträchtige seine Unterrichtsqualität. Deswegen habe er sich nun, nach
leidenschaftlich und intrinsisch motivierter Lehrtätigkeit über 19 Jahre hinweg, entschlossen, ab September
eine Beurlaubung zu beantragen. Das Erfahrene mache ihn krank. Es gehe um seinen grundsätzlich anderen
Unterrichtsansatz, der gegenwartsbezogen und kreativ sei. Dieser passe nicht zu einer Zusammenarbeit mit
Dr. B.. Die Vorgehensweise widerspreche auch der Fürsorgepflicht des Regierungspräsidiums T. gegenüber
dem Kläger, der daher ernsthaft mit dem Gedanken spiele, ganz aus dem Landesdienst auszuscheiden.
Dabei gehe es um grundsätzliche Unterrichtsansätze, bei denen der Kläger keinen Platz finde.
11 Mit Schreiben vom ...2015 wurde der Kläger vom Regierungspräsidium T. aufgefordert, die von Dr. B. am
...2014 geforderten Dokumente vorzulegen. Mit Schreiben vom ...2015 teilte der Kläger daraufhin mit, er
habe mit Dr. B. Kontakt aufgenommen und ihm am ...2015 eine aktualisierte bzw. überarbeitete Fassung
zugesandt.
12 Weiterer Schrift- und E-Mail-Verkehr schloss sich an.
13 5. Mit Schreiben des Regierungspräsidiums vom ...2015, zugestellt am ...2015, wurde dem Kläger die
Einleitung des Disziplinarverfahrens mitgeteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger
sei Weisungen von Dr. B. nicht zeitgerecht nachgekommen. Er habe zuvor bereits gegen eine Weisung der
Schulleiterin verstoßen und gegen ihn sei deswegen am ...2013 eine schriftliche Missbilligung ausgesprochen
worden.
14 Mit Bericht vom ...2015 teilte Dr. B. dem Regierungspräsidium T. mit, der formalvollständige Eingang der
vom Kläger angeforderten Unterlagen sei nach mehreren Fristverletzungen und mehrfacher Aufforderung
am ...2015 erfolgt. Planung, Tagebuch, Klausuren sowie ein unangekündigter Unterrichtsbesuch am ...2015
hätten jedoch weiterhin Mängel in der Umsetzung der Bildungsplanvorgaben und der Schwächen in der
Strukturierung des Unterrichts gezeigt. Nach einer Verlagerung des Coachings auf die 10. Klasse habe sich
gezeigt, dass der Kläger nicht im Stande gewesen sei, die für den Unterricht notwendige Planung orientiert
am Bildungsplan umzusetzen. Seit Beginn des Coachings im Frühjahr 2014 könne aufgrund der
Arbeitsweise, der Schreiben und der Beratungsgespräche festgestellt werden, dass der Kläger seine
Fähigkeiten zu lehren im Hinblick auf das Fach Katholische Religionslehre als ungleich bessere Alternative
zum gültigen Bildungsplan ansehe und dass seine Defizite im Wesentlichen dadurch verursacht seien. Dies
führe nach Einschätzung von Dr. B. zu einer Geringschätzung der rechtlichen Rahmenvorgaben durch den
Kläger, bzw. dazu, dass er diese Vorgaben im Wesentlichen ignoriere und eine geringe Motivation zeige,
seine Planungen zu optimieren.
15 Der Klägervertreter schlug daraufhin mit Schreiben vom ...2015 vor, das Disziplinarverfahren zum Ruhen zu
bringen und dem Kläger Gelegenheit zu geben, nach seinem Sabbatjahr mit einem anderen, kollegial und
weniger hierarchisch vorgehenden Fachberater zusammenzuarbeiten. Dies wurde vom Regierungspräsidium
abgelehnt.
16 Am ...2016 wurde der Kläger zur Beweisaufnahme durch Vernehmung von Dr. B. als Zeugen am ...2016
geladen. Mit Schreiben vom ... und ...2016 bat der Klägervertreter wegen seiner Verhinderung um
Verlegung des Termins. Mit Schreiben vom ...2016 lehnte der Beklagte die Verlegung ab. Zur Begründung
wurde ausgeführt, der Termin diene im Wesentlichen nur dazu, dass sich der Sachbearbeiter des
Regierungspräsidiums ein Bild vom Zeugen mache, den er bisher nicht kenne. Außerdem müsse der Zeuge
im Fall der Verlegung des Termins extra aus R. anreisen, was einen vollen Arbeitstag in Anspruch nehme. Die
maßgeblichen Weisungen und Aufforderungen lägen wie deren Erfolglosigkeit in Urkundenform vor. Die
Vernehmung des Zeugen Dr. B. wurde am ...2016 in Abwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten
durchgeführt und auf zwei Seiten protokolliert (BAS 129).
17 Mit Schreiben vom ...2016, zugestellt am ...2016, teilte der Beklagte dem Kläger das wesentliche
Ermittlungsergebnis mit (BAS 156). Abschriften der Niederschrift über die Zeugenvernehmung und der
vorgelegten Urkunden erhielt der Kläger nicht. Zur abschließenden Stellungnahme setzte der
Sachbearbeiter des Regierungspräsidiums dem Kläger eine Frist bis zum ...2015.
18 Bereits am ...2016 leitete der Sachbearbeiter des Regierungspräsidiums seinen Vorschlag zur weiteren
Verfahrensweise, nämlich Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 1.500,- EUR wegen mehrfacher und
wiederholter Verletzung der innerdienstlichen Pflicht zur Ausführung dienstlicher Anordnungen, dem
Regierungspräsidenten zur Genehmigung zu.
19 Die Genehmigung wurde bereits am ...2016 durch die Abteilungsleiterin Schule und Bildung erteilt.
20 Mit Schreiben vom ...2016 beantragte der Kläger die Beteiligung der Personalvertretung. Dem Personalrat
wurde daraufhin die Absicht mitgeteilt, gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 1.500,- EUR wegen
beharrlicher Missachtung von Weisungen zu verhängen. Mit E-Mail vom ...2016 stimmte der
Bezirkspersonalrat Gymnasien der beabsichtigten Maßnahme zu.
21 Mit hier streitgegenständlicher Disziplinarabschlussverfügung vom ...2016, dem Klägervertreter zugestellt
am ...2016, setzte das Regierungspräsidium T. gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 1.500,- EUR
fest (Ziffer 1) und ordnete an, dass der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen habe (Ziffer 2). Zur
Begründung wurde auf die Fachberatung durch Dr. B. verwiesen und zusätzlich auf den Verstoß gegen eine
Weisung der Schulleiterin wegen der Vergabe des Religionspreises, der am ...2013 zu einer schriftlichen
Missbilligung geführt habe. Der Kläger habe sich damit dienstlichen Weisungen wiederholt und massiv
wiedersetzt. Er habe die vom Fachberater verlangten Unterlagen nicht bzw. nicht rechtzeitig oder
unvollständig vorgelegt und sich der Weisung zur Zusammenarbeit mit dem Fachberater entzogen. Der
Kläger habe bislang beharrlich jegliche Planung zum Aufbau der im Bildungsplan 2004 geforderten
Schülerkompetenzen im Fach Katholische Religion verweigert. Ein Kompetenzplanungsraster habe der
Kläger, obwohl von ihm verlangt, bis heute nicht vorgelegt. Stattdessen habe er sich auf seine Freistellung
im nächsten Schuljahr berufen. Da der Kläger mehrfach und wiederholt gegen seine innerdienstliche Pflicht
zur Ausführung dienstlicher Anordnungen nach § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen habe, sei die Verhängung
einer Geldbuße in Höhe von 1.500,- EUR erforderlich. Der Kläger habe sich nicht nur den Weisungen des
Fachberaters widersetzt sondern auch den im Bildungsplan enthaltenen Weisungen des Kultusministeriums.
Angesichts der Beharrlichkeit des Klägers erscheine eine deutliche Pflichtenmahnung erforderlich.
22 6. Der Kläger hat am ...2016 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor,
die Verfügung sei bereits deswegen aufzuheben, weil die vom Gesetz vorgesehene abschließende Anhörung
nicht durchgeführt worden sei. Ausgehend von einem offensichtlichen Schreibfehler sei davon auszugehen,
dass die vom Sachbearbeiter gesetzte Anhörungsfrist am ...2016 ablaufen sollte. Bevor der Kläger in dieser
Frist habe Stellung nehmen können, sei ihm die Disziplinarverfügung am ...2016 zugegangen. Es komme
hinzu, dass dem Kläger keine Abschrift der Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen Dr. B. überlassen
worden sei. Dies sehe das Gesetz aber vor. Auch dies stelle einen Verstoß gegen das LDG dar. Schließlich sei
auch die Beteiligung des Personalrats in fehlerhafter Weise erfolgt, weil diese ohne abschließende Anhörung
des Klägers und ohne die Möglichkeit einer Stellungnahme zum Zeugenvernehmungsprotokoll durchgeführt
worden sei. In seiner Stellungnahme habe der Kläger Beweisanträge stellen und ausführen wollen, warum
keine Verstöße gegen die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen vorgelegen hätten.
23 Der Kläger beantragt,
24 die Disziplinarabschlussverfügung des Regierungspräsidiums T. vom ...2016 aufzuheben.
25 Der Beklagte beantragt (sachdienlich gefasst),
26 das verwaltungsgerichtliche Verfahren bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde im
Ergänzungsverfahren auszusetzen.
27 Der Beklagte räumt die Verfahrensfehler bezüglich der fehlerhaften Abschlussanhörung und der
pflichtwidrigen Unterlassung der Übersendung der Niederschrift über die Zeugenvernehmung ein. Er stellte
deswegen am ...2016 einen Ruhensantrag, um die fehlenden Verfahrensschritte in einem
„Ergänzungsverfahrens“ nachholen zu können. Hierzu wurde eine Mehrfertigung des Schreiben des
Regierungspräsidiums vom ...2016 an den Klägervertreter vorgelegt, mit dem diesem eine Kopie der
Vernehmungsniederschrift übersandt wurde. In dem Schreiben wurde ausgeführt, der Kläger könne sich in
der gesetzten Frist zum Ergebnis der Vernehmung äußern. Nach Ablauf dieser Frist werde eine erneute
abschließende Anhörung erfolgen.
28 Mit Schreiben des Gerichts vom ...2016, den Beteiligten zugegangen am ...2016, erging ein Hinweis zur
Rechtslage und wurde angefragt, ob auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet wird.
Weiter wurden die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört.
29 Mit weiterem Schreiben vom ...2016 nahm der Beklagte den Ruhensantrag zurück und beantragte
stattdessen die Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens bis zur erneuten Entscheidung der
Verwaltungsbehörde. Zur Begründung wird ausgeführt, die Aussetzung sei sinnvoll, weil in die
streitgegenständliche abschließende Entscheidung bisher lediglich die ausstehende Stellungnahme nicht
eingearbeitet worden sei, was aktuell nachgeholt werde.
30 Der Kläger ist dem Ruhensantrag und dem Aussetzungsantrag entgegen getreten.
31 Dem Gericht liegen Personalakten des Regierungspräsidiums Tübingen (Band I und II) vor; bezüglich weiterer
Einzelheiten wird auf deren Inhalt und auf die Ausführungen der Beteiligten in ihren Schriftsätzen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
32 Das Gericht kann nach § 2 LDG in Verbindung mit § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entscheiden.
Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der
Sachverhalt ist geklärt. Eine Anhörung der Beteiligten ist erfolgt. Einer Zustimmung bedarf es nicht.
33 1. Der Aussetzungsantrag des Beklagten ist unbegründet und bleibt daher ohne Erfolg. Die Ablehnung der
Aussetzung bedarf keines gesonderten Beschlusses. Sie kann zusammen mit der abschließenden
Sachentscheidung erfolgen (vgl. Rudisile in Schoch, Schneider, Bier, VwGO, 31. Ergänzungslieferung Juni
2016, § 94 Rdnr. 38 m.w.N.). Die vom Beklagten beantragte Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens
unterbleibt, weil die Voraussetzungen des § 94 VwGO nicht vorliegen. Nach der Regelung kann das Gericht,
wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines
Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von
einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen
Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Eine Vorgreiflichkeit eines
„anderen“ Verfahrens im Sinne des § 94 VwGO liegt hier nicht vor. Das vom Beklagten beabsichtigte (vom
Gesetz nicht vorgesehene) Ergänzungsverfahren stellt kein anderes sondern, wegen des identischen
disziplinaren Gegenstandes, das gleiche Verfahren dar. Davon abgesehen lässt § 94 VwGO die beantragte
förmliche Aussetzung zum Zweck der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern nicht zu (vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, 22. Auflage, § 94 Rdnr. 1, m.w.N.). Hinzu kommt, dass die Aussetzung im vorliegenden Fall auch
deswegen nicht angezeigt erscheint, weil sie dem disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz
widerspricht. Dieser lässt die Anordnung des Stillstands eines Disziplinarverfahrens, das bereits vor ca. 1,5
Jahren wegen eines nach Einschätzung der Disziplinarbehörde „leichten“ Dienstvergehens (vgl. § 28 Abs. 1
Satz 1 LDG) eingeleitet wurde, nicht zu. Hinzu kommt, dass die Aussetzung des Disziplinarverfahren im
vorliegenden Fall keine Maßnahme darstellt, mit der die aufgeworfenen Fragestellungen bewältigt werden
können. Das behördliche Disziplinarverfahren ist grundsätzlich mit der Disziplinarverfügung abgeschlossen.
Daher lässt sich die Heilung der dem bisherigen Verfahren anhaftenden formellen und materiellen
Rechtsmängel durch die Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens nicht erreichen. Eine Rechtsgrundlage für
das vom Regierungspräsidium Tübingen beabsichtigten „Ergänzungsverfahren“ ergibt sich aus dem LDG
nicht. Soweit ein Aussetzungsermessen eröffnet ist, übt das Gericht dieses dahingehend aus, dass von einer
Aussetzung abgesehen wird.
34 Danach bleibt der Aussetzungsantrag ohne Erfolg und ist daher über die Anfechtungsklage zu entscheiden.
35 2. Die Anfechtungsklage ist zulässig und begründet und hat daher Erfolg. Die Disziplinarverfügung des
Regierungspräsidiums Tübingen vom 25.7.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sie ist daher aufzuheben.
36 Für die Beurteilung maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der
Disziplinarverfügung am ...2016.
37 a. Formelle Fehler
38 aa. Die Disziplinarverfügung verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit durch das Regierungspräsidium
Tübingen nach Abschluss der Ermittlungen keine abschließende Anhörung durchgeführt wurde. Nach § 20
Satz 1 LDG ist dem Beamten nach Abschluss der Ermittlungen Gelegenheit zu geben, sich zu äußern.
Nähere Vorgaben, wie dies zu erfolgen hat, enthält die Vorschrift nicht. Ihr Zweck besteht darin, dem
Beamten nochmals vor Abschluss des Disziplinarverfahrens eine wirksame Verteidigung zu ermöglichen.
Dazu ist erforderlich, dem Beamten mitzuteilen, welche schuldhaften Pflichtverletzungen ihm konkretisiert
nach Art, Zeit und Ort des Geschehens vorgeworfen werden, welche Beweise erhoben wurden und wie
diese gewürdigt werden sollen sowie anzugeben, welchen Sachverhalt die Disziplinarbehörde derzeit als
erwiesen ansieht (Nonnenmacher, in: von Alberti u.a., Landesdisziplinargesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl.,
§ 20 RdNr. 1). Ferner ist hierfür auch der Hinweis erforderlich, welche Disziplinarmaßnahme ergriffen
werden soll (Nonnenmacher, a.a.O., § 20 RdNr. 1).
39 Dem entspricht die vom Regierungspräsidium T. durchgeführte Abschlussanhörung nicht. Dem Kläger wurde
das Ergebnis der Beweisaufnahme und seiner Würdigung nicht eröffnet und es wurde ihm keine Gelegenheit
zur Stellungnahme gegeben. Wird das zur Fristsetzung angegebene Datum „...2015“ wegen eines
offensichtlichen Schreibfehlers umgedeutet, wurde dem Kläger mit Schreiben des Regierungspräsidiums T.
vom ...2016 eine Frist zur abschließenden Stellungnahme gesetzt bis zum ...2016. Die damit zunächst
eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme wurde dem Kläger durch Erlass der Disziplinarverfügung am
...2016 wieder entzogen. Der Kläger konnte sich nicht vor Erlass der Disziplinarverfügung zu den Vorwürfen
und zum Beweisergebnis äußern. Der dadurch bewirkte Anhörungsfehler stellt einen schwerwiegenden
Verfahrensmangel dar (vgl. Nonnenmacher in von Alberti u.a., § 20 LDG Rdnr. 5 und 6 m.w.N.). Wegen des
rechtlichen Charakters eines qualifizierten Mitwirkungsrechts ist es nicht möglich, den Mangel des
Verfahrens gemäß den §§ 45, 46 VwVfG zu heilen. Die unmittelbare Anwendbarkeit der §§ 45, 46 LVwVfG
ist im vorliegenden Fall aufgrund von Besonderheiten der verletzten Vorschrift (§ 20 Satz 1 LDG) ohnehin
ausgeschlossen. Die Regelung des § 46 LVwVfG findet keine Anwendung auf Verstöße gegen solche
Vorschriften, die zu sogenannten absoluten Verfahrensfehlern führen. Dies ist bei Verfahrensnormen
anzunehmen, in denen sich nach ihrem Sinn und Zweck eine vom Gesetzgeber gewollte Schutzfunktion
zugunsten eines Beteiligten äußert (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.11.1997 - 11 A 49.96 -, BVerwGE 105, 348,
und Beschluss vom 28.4.2009 - 1 WB 29.08 -, Juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.2.1994 - 4
S 2757/92 -, Juris; Nonnenmacher, a.a.O., § 20 RdNr. 5; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 46 RdNr. 18
m.w.N.). Dies ist bei der abschließenden Anhörung des Beamten grundsätzlich anzunehmen. Aus demselben
Grund kommt eine Nachholung der Anhörung nach § 45 LVwVfG, die nach Absatz 2 grundsätzlich noch bis
zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz erfolgen kann, bei einem Anhörungsmangel im Rahmen des §
20 LDG in der Regel nicht in Betracht, da die Anhörung ihren Zweck, dem Beamten die Möglichkeit zu
geben, durch die Abgabe seiner Stellungnahme Einfluss auf die Entscheidung der Disziplinarbehörde zu
nehmen und sie gegebenenfalls sogar zur Einstellung des Verfahrens zu veranlassen, nach Erlass der
Entscheidung nicht mehr erfüllen kann. Der Mangel ist hier auch nicht unwesentlich, nachdem sich nicht
ausschließen lässt, dass er sich auf die Abschlussverfügung und auf das Ergebnis des gerichtlichen
Disziplinarverfahrens auswirkt (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 27.2.2013 - DL 11 K 572/10 -, Juris m.w.N.).
Im vorliegenden Fall liegt es auf der Hand, dass Beweisanträge und Einwände des Klägers unberücksichtigt
blieben, weil die Behörde dem Beamten die Äußerungsmöglichkeit vor Erlass der Disziplinarverfügung
überraschend entzogen hat (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 3.6.2014 - DL 13
S 150/14 -, Rn. 31, Juris; Beschluss vom 12.9.2013 - DL 13 S 1541/13 -, jeweils mit weitere Nachweisen).
40 Die Behörde ist im Übrigen nach dem LDG verpflichtet, bei der Bemessung der Maßnahme die abschließende
Stellungnahme des Beamten zu berücksichtigen. Soweit die Behörde durch die interne Genehmigung der
verhängten Maßnahme (Geldbuße von 1.500,- EUR) am ...2016, also vor dem Ablauf der Frist zur
abschließenden Stellungnahme am ...2016, signalisiert haben sollte, dass bei der Behörde keine Bereitschaft
zur Berücksichtigung der abschließenden Äußerung des Beamten besteht, stünde diese Haltung im
Widerspruch zu den disziplinarrechtlichen Verpflichtungen und wäre daher in Zukunft zu korrigieren.
41 Die Disziplinarverfügung unterliegt bereits wegen der unterbliebenen abschließenden Anhörung der
Aufhebung.
42 bb. Überlassung einer Abschrift der Niederschrift
43 Die Disziplinarverfügung verletzt den Kläger auch in seinen Rechten, soweit dem Kläger keine Abschrift der
Niederschrift der Vernehmung des Zeugen Dr. B. zugesandt und ihm keine Gelegenheit zur Stellungnahme
angeboten wurde (vgl. §§ 18 Abs. 2 Satz 1, 11 Abs. 3 LDG). Nach § 18 Abs. 2 LDG erhält der Beamte
Abschriften der Niederschriften und wird über die Einholung oder Beiziehung unterrichtet, sobald dies
möglich ist, ohne die Aufklärung des Sachverhalts zu gefährden. Damit hätte der Beklagte dem Kläger die
Abschrift der Niederschrift zur Zeugenvernehmung spätestens am ...2016 zusenden müssen. Dass dies
unterblieb und bis zum Erlass der Disziplinarverfügung nicht nachgeholt wurde, verletzt den Kläger in
seinen Rechten.
44 cc. Verhinderung der Anwesenheit des Klägers und seines Vertreters bei der Zeugenvernehmung Dr. B. am
...2016
45 Die Verhinderung der Anwesenheit des Klägers bei der Zeugenvernehmung Dr. B. steht im Widerspruch zur
gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 1 und 2 LDG und verletzt den Kläger daher ebenfalls in seinen
Rechten. Dem Beamten ist nach dieser Vorschrift Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung teilzunehmen
und hierbei sachdienliche Fragen zu stellen. Auf die Verlegung eines Termins zur Zeugenvernehmung wegen
Verhinderung besteht zwar kein Anspruch. Die Ablehnung der beantragten Terminverlegung steht danach
jedoch nicht im Belieben sondern im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (vgl. Düsselberg in von Alberti
u.a., Kommentar zum LDG, § 16, Rdnr. 23 m.w.N.). Ob das Ermessen vom Sachbearbeiter des
Regierungspräsidiums T. im vorliegenden Fall gesehen und ausgeübt wurde, erscheint bereits zweifelhaft.
Jedenfalls vermögen die in seinem Schreiben vom ...2016 angeführten Gründe die Ablehnung der Verlegung
nicht zu rechtfertigen. Die Ankündigung, der Termin diene im Wesentlichen dazu, dass sich der
Sachbearbeiter ein Bild vom Zeugen, den er bisher nicht kenne, machen könne, trifft nicht zu. Dies belegt
bereits der Umstand, dass die umfangreichen Angaben des Zeugen auf zwei einzeilig bedruckten
Schreibmaschinenseiten protokolliert wurden. Danach diente die Zeugenvernehmung nicht zum
Kennenlernen, sondern es wurde der Zeuge bezüglich der aus Sicht der Disziplinarbehörde relevanten
Einzelheiten zum Vorgehens des Fachberaters und zu den Reaktionen des Klägers eingehend befragt. Eine
Anwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten wäre daher, anders als möglicherweise bei einem
Gespräch zwischen Sachbearbeiter und Fachberater „zum Kennenlernen“, sachgerecht gewesen. Die
Befürchtung des Sachbearbeiters des Regierungspräsidiums, dass durch die Anreise des Zeugen von R. ein
Arbeitstag verloren gehen könnte, stellt im Hinblick auf die Bedeutung des Disziplinarverfahrens für den
Beamten und den Schuldienst keinen hinreichenden Grund für eine Versagung der nach § 16 Abs. 2 Satz 1
LDG vorgesehenen Teilnahme- und Fragemöglichkeit des Beamten dar. Anhaltspunkte für eine versuchte
Verfahrensverzögerung durch den Kläger oder seinen Vertreter bestanden nicht. Es handelte sich um einen
erstmaligen Verlegungsantrag. Die Gründe hierfür wurden benannt und erschienen tragfähig. Der Termin
zur Zeugenvernehmung war auch nicht mit dem Klägervertreter abgesprochen. Werden diese Aspekte, der
Zweck der gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 LDG und die Begründung im Ablehnungsschreiben
berücksichtigt, überschreitet die vom Regierungspräsidium vorgenommene Ablehnung der Terminverlegung
die für die Ermessensentscheidung geltenden gesetzlichen Grenzen. Die Entscheidung entzieht dem
Beamten das vom Gesetz vorgesehene Teilnahme- und Fragerecht ohne einen sachlich und rechtlich
hinreichenden Grund.
46 Ob die Disziplinarverfügung zusätzliche Rechtsfehler aufweist, weil dem angehörten Personalrat die
Äußerungen des Klägers zur Schlussanhörung nicht vorgelegt wurden und weil die Begründung der
Disziplinarverfügung keine hinreichende Darstellung des beruflichen und persönlichen Werdegangs des
Klägers enthält, bedarf keiner Entscheidung.
47 b. Materielle Fehler
48 Nachdem die Disziplinarverfügung bereits wegen der dargestellten, gravierenden formellen Mängel
aufzuheben ist, bedarf es keiner Entscheidung zur Frage, ob die Verfügung auch unter materiellen Mängeln
leidet. Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten weist das Gericht jedoch auf folgende Punkte hin:
49 aa. Die Disziplinarverfügung dürfte wohl, was aber erforderlich wäre, die Dienstpflichtverstöße nicht
hinreichend konkret benennen. Damit ist nicht überprüfbar, welche Handlungen und Unterlassungen das
Regierungspräsidium T. dem Kläger im Einzelnen vorwirft. Es ist damit auch nicht überprüfbar, ob es sich bei
den konkreten Handlungen und Unterlassungen tatsächlich um Verletzungen von Dienstpflichten des
Beamten handelt.
50 bb. Es ist im Einzelnen nicht geklärt, ob die in Bezug auf den Katholischen Religionsunterricht angeordneten
Maßnahmen der Dienst- und Fachaufsicht zulässig und vom Kläger zu befolgen waren. Die Dienstpflichten
des Klägers und die Befugnisse zur Fachaufsicht ergeben sich für das Unterrichtsfach Katholische
Religionslehre aus Art. 18 Landesverfassung, §§ 38 Abs. 2 Satz 4, Abs. 6, 96 ff SchG. Der Religionsunterricht
wird danach nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften und unbeschadet des allgemeinen
Aufsichtsrechts des Staates von den Beauftragten der Kirchen erteilt und beaufsichtigt. Ob die
Grenzziehung zwischen allgemeiner und besonderer Fachaufsicht bei den Aufträgen des
Regierungspräsidium T. an Dr. B., bei der Ausführung dieser Aufträge durch Dr. B. und bei der
Disziplinarverfügung beachtet wurde, ist nicht geklärt. Die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen des vom
Regierungspräsidium bestellten staatlichen Fachberaters griffen nicht nur formal sondern auch inhaltlich
massiv in den vom Kläger zu verantwortenden Katholischen Religionsunterricht ein.
51 cc. Die Disziplinarverfügung sieht den Kläger möglicherweise zu Unrecht als einschlägig vorbelastet an,
indem sie ihm vorhält, er habe wegen der Nichtbefolgung einer Weisung am ...2013 eine schriftliche
Missbilligung der Schulleiterin erhalten. Zweifelhaft erscheint auch, ob die Vorgehensweise und die
verhängte Maßnahme (förmlicher Verweis) einer rechtlichen Überprüfung standhält. Sollte es sich,
entsprechend der eindeutigen Benennung (förmlicher Verweis), um eine Disziplinarmaßnahme nach § 27
LDG handeln, käme auch eine Nichtigkeit der Maßnahme in Betracht.
52 dd. Das mit der Disziplinarverfügung auszuübende Ermessen entspricht nur dann dem gesetzlichen Auftrag,
wenn die Dienstvergehen, die Persönlichkeit und die Einwände des Beamten in den Blick genommen und
bewertet werden. Eine Maßnahmezumessung, die sich mit den Einwänden erst gar nicht auseinandersetzt,
widerspräche dem Gesetz.
53 Nach alldem ist der Klage stattzugeben.
54 Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, weil er unterliegt (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO).