Urteil des VG Sigmaringen vom 29.11.2016

finanzausgleich, zahl, überprüfung, gleichbehandlung

VG Sigmaringen Urteil vom 29.11.2016, 4 K 1431/13
Kommunaler Finanzausgleich; Ermittlung der Einwohnerzahl
Leitsätze
Allein aufgrund der (erheblichen) Differenz der Einwohnerzahl beim Vergleich der statistischen
Bevölkerungsfortschreibung mit dem Melderegister einer Gemeinde lässt sich kein Systemfehler bei den für den
kommunalen Finanzausgleich maßgebende Bestimmungen feststellen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Die klagende Gemeinde wendet sich gegen die vom Beklagten für Leistungen im kommunalen
Finanzausgleich 2011 zugrunde gelegte Einwohnerzahl und erstrebt, dass für den Finanzausgleich 2011 die
Einwohnerzahl nach ihrem Melderegister herangezogen wird.
2 Die Klägerin erhält, wie andere Gemeinden auch, über den kommunalen Finanzausgleich Landesmittel.
Hierfür ist u.a. die Einwohnerzahl maßgeblich. Stichtag ist gemäß § 143 Satz 1 Gemeindeordnung hierfür
der 30. Juni des vorangegangenen Jahres. Zugrunde zu legen ist dabei das fortgeschriebene Ergebnis der
jeweils letzten allgemeinen Zählung der Bevölkerung.
3 Mit Bescheid des Statistischen Landesamtes vom 25.05.2012 über die Leistungen im kommunalen
Finanzausgleich für das Jahr 2011 wurde dort als Bemessungsgrundlage eine Einwohnerzahl von 1504
ausgewiesen (ohne Berücksichtigung nicht kasernierter Mitglieder der Stationierungsstreitkräfte). Hiergegen
legte die Klägerin mit Schreiben vom 13.06.2012, beim Statistischen Landesamt am 18.06.2012
eingegangen, Widerspruch ein. Nach ihren Meldeunterlagen betrage die Einwohnerzahl zum maßgeblichen
Zeitpunkt 1661. Die Differenz von 157 Personen führe allein bei den Schlüsselzuweisungen zu einem
Verlust von 134.588,44 EUR. Im weiteren Verfahrensverlauf wurde geltend gemacht, die in der amtlichen
Bevölkerungsfortschreibung zugrunde gelegte Einwohnerzahl sei falsch. Die erhebliche Differenz der
Einwohnerzahl zwischen dem kommunalen Rechenzentrum ... und der amtlichen
Bevölkerungsfortschreibung bestünde seit Jahrzehnten. So sei etwa auch im Jahr 2008 eine Berichtigung
erfolgt. Der Gesamtschaden über die Jahre liege bei über 700.000 EUR. Die Bevölkerungsfortschreibung seit
1987 sei fehlerhaft und unvollständig.
4 Nach weiteren Erörterungen wurde dann der Widerspruch mit Bescheid des Statistischen Landesamtes vom
27.03.2013 mit der Begründung zurückgewiesen, der angefochtene Bescheid sei entsprechend den
Regelungen des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich (FAG) und des Gesetzes über die Statistik
der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes (BevStatG) nicht zu
beanstanden. Zur Ermittlung der maßgeblichen Einwohnerzahl sei unter Berücksichtigung des geltenden
Melderechts die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes als maßgeblich berücksichtigt worden (§ 143
GemO und § 30 FAG). Danach seien zum 30.06.2010 genau 1504 Einwohner bei der Klägerin zugrunde zu
legen. Dieses Ergebnis sei aufgrund der Wanderungsbewegungen der Bevölkerung durch Zu- und Fortzüge
und der natürlichen Bevölkerungsbewegung (Geburten- und Sterbefälle) auf der Basis der letzten
Volkszählung ermittelt worden. Bei der von der Klägerin geltend gemachten Einwohnerzahl von 1661
handle es sich um die Zahl der Personen, die nach ihrem Melderegister zum 30.06.2010 mit (Haupt-)
Wohnsitz gemeldet gewesen seien. Diese Zahl sei jedoch nach der gesetzlichen Regelung gerade nicht für
die Ermittlung der Einwohnerzahl im kommunalen Finanzausgleich zugrunde zu legen. Für die Auffassung
der Klägerin, andere als die in der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung festgestellten Ergebnisse zu
berücksichtigen, fehle es an der gesetzlichen Grundlage. Das gelte auch dann, wenn die Personenzahl nach
dem Melderegister möglicherweise eher der tatsächlichen Einwohnerzahl der klagenden Gemeinde
entspreche. Eine Berichtigung der entsprechend der Bevölkerungsfortschreibung festgestellten
Einwohnerzahl sei nur möglich, wenn Nachweise für die falsche Verbuchung von Personen vorgelegt
würden. Die Klägerin erhalte daher seit dem 3. Quartal 1994 vierteljährlich Wanderungslisten zur
Überprüfung. Bis 1999 sei jedoch eine Korrektur unterblieben, da keine Fehlbuchungen nachgewiesen
worden seien. Konkrete Nachweise in Form von Meldeunterlagen seien für eine Berichtigung deshalb
erforderlich, weil nicht nur der Bestand in einer Gemeinde um die bestehende Differenz erhöht werden
könne, sondern die entsprechenden Personen auch in dem eigentlichen Herkunftsort, aus dem der Zuzug in
eine andere Gemeinde erfolge, in Abzug gebracht werden müssten. Seit 2001 seien regelmäßig
Berichtigungen in Einzelfällen aufgrund von konkreten Nachweisen vorgenommen worden. Ebenso wenig
könne der Stand des Melderegisters zum Stichtag des Zensus 2011 Berücksichtigung finden. Der Bescheid
wurde am 02.04.2013 zugestellt.
5 Am 02.05.2013 hat die Klägerin hiergegen beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erheben lassen. Sie
trägt im Wesentlichen vor, die vom Statistischen Landesamt zugrunde gelegten Werte seien falsch. Zwar sei
nach den gesetzlichen Regelungen die letzte allgemeine Zählung der Bevölkerung als Ermittlungsgrundlage
maßgebend. Das sei hier die im Jahr 1987 erfolgte Volkszählung. Nach Sinn und Zweck des § 143 GemO sei
dieses Ergebnis aber jährlich fortzuschreiben. Dabei seien Änderungen, etwa durch Zuzug und
Abwanderung, zu berücksichtigen. Es sei nun auffällig, dass das kommunale Rechenzentrum, das die Zu-
und Fortzüge sowie die Geburten- und Sterbefälle erfasse, eine völlig andere Einwohnerzahl ermittle als das
Statistische Landesamt. Beispielsweise habe die Differenz im Jahr 2000 etwa 125 Personen ergeben. Das
Statistische Landesamt habe selbst mit Schreiben vom 21.07.2011 darauf hingewiesen, dass nach der
Datenlieferung aus dem Melderegister zum Stichtag 09.05.2011 insgesamt 1630 Personen registriert
gewesen seien. Damit reduziere sich die Differenz für das Jahr 2011 auf 31 Personen. Dies belege auch die
Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Bevölkerungsfortschreibung seit 1987. Es müssten daher für den
Finanzausgleich auch jedenfalls 1630 Einwohner zugrunde gelegt werden. Das grundsätzliche Verfahren
einer Fortschreibung des Bevölkerungsstandes werde nicht infrage gestellt. Es sei jedoch nicht einzusehen,
dass eine fehlerhafte Fortschreibung durch Ablauf der Jahresfrist zum vorangegangenen 30.06. nicht mehr
möglich sein solle. Da auch Änderungen möglich seien, wie bei einer Änderung des Gemeindegebiets, müsse
auch eine Änderung der Fortschreibung in ihrer konkreten Zahl möglich sein, wenn die vom Statistischen
Landesamt als amtlich eingestufte Einwohnerzahl nachweislich falsch sei und im Laufe der Jahre
Änderungen nicht entsprechend berücksichtigt worden seien.
6 Es werde auch bestritten, dass die Gemeinde für die unrichtigen Zahlen über den jeweiligen Stand der
Einwohner verantwortlich sei. Versäumnisse bei der Fortführung der Einwohnerstatistik habe es bei ihr nicht
gegeben. Berichtigungsanzeigen seien hinsichtlich einzelner Einwohner immer wieder vorgenommen
worden. So habe es etwa Berichtigungsanzeigen in den Jahren 2001, 2004, 2005, 2006 und 2008 gegeben.
Das Statistische Landesamt mache es sich zu einfach, indem es darauf verweise, dass sie die Zahl
hinzunehmen habe und selbst nachweisen müsse, dass diese falsch sei. Es sei vielmehr zu ihren Gunsten
eine Beweislastumkehr vorzunehmen. Allein die Bezugnahme auf gesetzliche Bestimmungen reiche nicht
aus, pauschal auf den vorgegebenen Rahmen der Wanderungsstatistik Bezug zu nehmen.
7 Die Klägerin lässt beantragen,
8
den Bescheid des Statistischen Landesamtes für Leistungen im kommunalen Finanzausgleich 2011 vom
25.05.2011 und dessen Widerspruchsbescheid vom 27.03.2013 aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, die für den Finanzausgleich 2011 maßgebenden Einwohnerzahlen nach dem Melderegister der
Klägerin festzustellen und den Finanzausgleich 2011 auf dieser Grundlage neu zu bescheiden, sowie die
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
9 Das beklagte Land beantragt,
10 die Klage abzuweisen.
11 Zur Begründung wird in Ergänzung zu den ergangenen Bescheiden ausgeführt, die Klägerin habe keinen
Anspruch darauf, für den Finanzausgleich 2011 die Einwohnerzahlen nach ihrem Melderegister zugrunde zu
legen. Die Ermittlung der Einwohnerzahlen als Grundlage für finanzielle Leistungen des Landes erfolge
entsprechend § 30 FAG i.V.m. § 143 GemO und dem Bevölkerungsstatistikgesetz. Diese Regelungen seien
verbindlich und abschließend. Daher sei Maßstab für die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes nicht das
Melderegister der Gemeinde, sondern die Faktoren und Methoden, die durch das Bevölkerungsstatistikgesetz
vorgegeben seien. Die maßgebende Einwohnerzahl der klagenden Gemeinde sei danach zum 30.06.2010
unter Berücksichtigung der Wanderungsbewegungen und der natürlichen Bevölkerungsbewegung mit 1504
korrekt ermittelt worden. Die An- und Abmeldungen, die Zu- und Fortzüge, sowie die Änderungen im
Wohnungsstatus seien laufend erfasst worden. Zu diesem Zweck sei monatlich eine Ausfertigung der
Meldescheine an das Statistische Landesamt zu übersenden. Für die Erstellung der Wanderungsstatistik und
der darauf fußenden Fortschreibung der Bevölkerungsstatistik seien ausschließlich die von den Gemeinden
übermittelten Meldescheine maßgeblich. Andere Erkenntnisquellen seien nicht vorgesehen. Es sei in
Betracht zu ziehen, dass die möglichen Fehlerquellen hier von der klagenden Gemeinde und anderen
Meldeämtern verursacht worden seien. Abweichungen seien durch fehlerhaftes Ausfüllen durch
Meldepflichtige und durch unvollständige oder fehlerhafte Bearbeitung der Meldefälle entstanden. Dies
könne dem Beklagten aber nicht angelastet werden.
12 In den meisten Berichtigungsfällen sei der richtige Herkunftsort die Stadt ... gewesen. Es seien daher von
den Einwohnermeldeämtern der Zuzugsgemeinden Fortzüge aus ... versehentlich der klagenden Gemeinde
zugeordnet worden. Dies beruhe aber nicht auf einer falschen Erfassung durch das Statistische Landesamt,
sondern auf falsch ausgefüllten Meldescheinen. Würde die Einwohnerzahl nach dem Melderegister der
Klägerin festgestellt, so würde die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes bundesweit nicht nur
methodisch, sondern auch materiell unrichtig. Denn die Klägerin erstrebe nur eine Erhöhung ihrer eigenen
Einwohnerzahl an, ohne dass die Einwohnerzahlen der fälschlich nicht ausgewiesenen Herkunftsorte wie
etwa ... nicht verringert würden. Dadurch entstünde ein Bevölkerungszuwachs, der tatsächlich gar nicht
vorhanden sei.
13 Eine Berichtigung der Bevölkerungsfortschreibung sei nur möglich, wenn etwa im Fall von Fortzügen unklare
Fälle mit der aufnehmenden Gemeinde geklärt würden und entsprechende Nachweise in Form von
Meldescheinen und Korrekturmeldungen seitens der Zuzugsgemeinden vorgelegt würden. So sei im
vorliegenden Fall eine Korrektur der Einwohnerzahlen bis 2001 unterblieben, obwohl seit Ende 1994
vierteljährlich Wanderungslisten zur Überprüfung übersandt worden seien. Seit 2001 seien regelmäßig
Berichtigungen von Einzelfällen erfolgt. Das Verfahren biete eine hohe Richtigkeitsgewähr. Die
Stichtagsregelung (30.06. des Vorjahres) sei für eine Finanzausgleichsplanung notwendig. Schließlich könne
auch aus der Tatsache, dass die letzte Volkszählung von 1987 nahezu 25 Jahre zurückgelegen habe, nicht
gefolgert werden, dass die amtliche Bevölkerungsfortschreibung willkürlich sei und nicht mehr als
Bemessungsgrundlage für den Finanzausgleich dienen könne. Es könnten auch nicht die zwischenzeitlich
vorliegenden Ergebnisse des Zensus 2011 zugrunde gelegt werden. Diese seien erst ab 2014 zu
berücksichtigen (§ 39 Abs. 36 FAG).
14 Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten in dieser Sache vor. Hierauf und auf die Gerichtsakte wird
wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
15 Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Statistischen
Landesamts für Leistungen im kommunalen Finanzausgleich 2011 vom 25.05.2011 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 27.03.2013 sind betreffend die für den Finanzausgleich streitgegenständlichen
maßgebenden Einwohnerzahlen rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine
Verpflichtung des Beklagten, die maßgebenden Einwohnerzahlen nach dem Melderegister der Klägerin
festzustellen und den Finanzausgleich 2011 für die Klägerin auf dieser Grundlage neu zu bescheiden, kommt
daher nicht in Betracht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16 Maßgeblicher Zeitpunkt für die materiell-rechtliche Sach- und Rechtslage ist der 30.06.2010. Dies ist der
Stichtag für die maßgebende Einwohnerzahl für den kommunalen Finanzausgleich des Jahres 2011 (vgl. zur
Relevanz der Sach- und Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage
2016, § 113 RdNr. 220 f.). Denn nach § 143 Satz 1 GemO ist das auf den 30. Juni des vorangegangenen
Jahres fortgeschriebene Ergebnis der jeweils letzten allgemeinen Zählung der Bevölkerung maßgebend,
sofern - wie im vorliegenden Fall - nichts anderes bestimmt ist, wenn nach einer gesetzlichen Vorschrift der
Einwohnerzahl einer Gemeinde rechtliche Bedeutung zukommt.
17 Weitere Rechtsgrundlage zur Prüfung der angefochtenen Bescheide ist § 30 Abs. 1 Satz 1 FAG (in der
Fassung vom 01.01.2000, GBl. 14, 24). Danach sind für die Ermittlung der Einwohnerzahl nach § 143 GemO
unter Zugrundelegung des jeweils geltenden Melderechts die Ergebnisse der vom Statistischen Landesamt
geführten Fortschreibung des Bevölkerungsstandes maßgebend. Nach § 5 BevStatG in der für das Jahr 2010
gültigen Fassung vom 18.07.2008 (BGBl. I, 1290) sind bei der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes auf
der Grundlage der jeweils letzten allgemeinen Zählung der Bevölkerung nach den Ergebnissen der Statistik
der natürlichen Bevölkerungsbewegung und der Wanderungsstatistik die Bevölkerung insgesamt sowie die
deutsche Bevölkerung nach Geschlecht, Alter und Familienstand festzustellen. § 4 BevStatG regelt für die
Wanderungsstatistik die Zu- und Fortzüge (Wohnungswechsel) nach den Meldescheinen. Die
Einwohnerermittlung für die Klägerin erfolgt damit auf der Grundlage der Volkszählung 1987 mit der
weitergeführten Bevölkerungsfortschreibung. Der Zensus 2011 spielt hier schon wegen des erwähnten
Stichtags keine Rolle (vgl. dazu auch § 39 Abs. 36 FAG in der aktuellen Fassung).
18 Die Frage, wie die Bemessungsgrundlagen für den kommunalen Finanzausgleich festzustellen sind, ist,
soweit es um die Einwohnerzahl geht, entsprechend der genannten gesetzlichen Vorgaben verbindlich und
abschließend beantwortet. Maßstab für die Fortschreibung der Einwohnerzahl ist daher nicht das
Melderegister der Gemeinde, über welches übrigens das Statistische Landesamt keinerlei Kontrolle hätte,
sondern sind Faktoren und Methoden, die dem Statistischen Landesamt im Einzelnen durch das Gesetz über
die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes (vom 14.03.1980,
BGBl. I, 308 mit späteren Änderungen) vorgegeben sind (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.06.1989 - 10 S
138/89 -, juris, RdNr. 13). Das Verfahren der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes wird von der Klägerin
grundsätzlich auch nicht infrage gestellt. Der Gesetzgeber hat sich bei der Frage der maßgeblichen
Einwohnerzahl dafür entschieden, die vom Statistischen Landesamt auf den Stichtag des jeweiligen
Vorjahres fortgeschriebenen Ergebnisse der letzten Volkszählung unabhängig davon zur Grundlage der
Mittelzuweisung zu machen, ob diese Zahlen mit denen des Melderegisters der Gemeinde übereinstimmen.
Damit sollte ausgeschlossen werden, dass die individuell von den Gemeinden erfassten Einwohnerzahlen für
den kommunalen Finanzausgleich in Betracht kommen. Dieses Verfahren gewährleistet die
Gleichbehandlung aller Gemeinden. Dies wäre nicht der Fall, wenn im Einzelfall von den gesetzlichen
Maßgaben abgewichen würde und die Zahlen der Gemeindestatistik zugrunde gelegt werden könnten (vgl.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2007 - OVG 12 N 22.07 - sowie VG Schleswig, Urteil vom
29.01.1998 - 6 A 522/95 -, den Beteiligten jeweils bekannt, letzteres bestätigt durch OVG Schleswig,
Beschluss vom 29.10.1999 - 2 L 80/98 -, juris). Ein derart von den Gemeinden zusammengestelltes
Zahlenwerk würde überdies bei landesweiter Betrachtung zu erheblichen Unstimmigkeiten führen. Es
wurde demgegenüber vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass die auf Meldeunterlagen
basierende Statistik und die gesetzlich bestimmte fortgeschriebene Bevölkerungsstatistik des Statistischen
Landesamtes schon im Ansatz nicht völlig deckungsgleich sind.
19 Das gesetzlich vorgegebene System der Einwohnerfeststellung durch das Statistische Landesamt führt zur
landesweiten Gleichbehandlung aller Gemeinden. Die Funktionalität des vorgegebenen Systems hängt
allerdings auch davon ab, dass sich die Gemeinden selbst an die Regularien halten, insbesondere die
übermittelten Wanderungslisten für ihren Bereich kontrollieren und - falls nötig – nach jeweiliger Klärung
von Fehlbuchungen auch Korrekturmitteilungen dem Statistischen Landesamt übermitteln. Eine pauschale
Korrektur der Einwohnerzahl ohne konkreten, einzelfallbezogenen Fehlernachweis ist systemfremd und
nicht möglich.
20 Der Klägerin ist es nicht gelungen, zur Überzeugung des Gerichts das Vorhandensein systematischer Fehler
aufzuzeigen. Allein aufgrund der von ihr für das Jahr 2011 festgestellten Differenz von 157 Einwohnern
beim Vergleich der vom Statistischen Landesamt festgestellten Einwohnerzahl aufgrund der
Bevölkerungsbewegung seit der Volkszählung 1987 mit den Zahlen nach dem Melderegister der Klägerin
lässt sich kein Systemfehler feststellen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat sich ergeben, dass die
Klägerin schon längere Zeit eine erhebliche Differenz festgestellt hat, die möglicherweise schon seit der
Volkszählung 1987 besteht. Eine Erklärung, warum dieser Differenz, die vor über 20 Jahren bereits in einer
Größenordnung von etwa 120 Einwohner bestanden hat, nicht zeitnah nachgegangen wurde, konnte nicht
gegeben werden. So betrug etwa im Jahr 2000/2001 die Differenz 129 Einwohner. Demgegenüber erhielt
die Klägerin nach unwidersprochenen Angaben des Statistischen Landesamtes seit 1994 (dort für den
Zeitraum ab 1992) Wanderungslisten über den Zu- und Fortzug von Personen in vierteljährlichen Abständen
zur etwaigen Korrektur. Diese Daten sind zwar anonymisiert, der Größenordnung nach aber leicht erfassbar.
Diese Wanderungslisten wurden wohl auch, wie aus dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen
Aktenvermerk „Ablauf der Datenerfassung und Führung des Einwohnermeldeamts und Kontrollaufgaben
früher und heute“ vom 21.06.2011 ersichtlich, laufend kontrolliert. So kam es auch immer wieder zu
Berichtigungsanzeigen der Klägerin gegenüber dem Statistischen Landesamt. Dabei ist es einleuchtend, dass
eine Korrektur erst dann vorgenommen werden kann, wenn die möglicherweise unrichtig bei der Klägerin in
Abzug gebrachte Person dann auch korrekt bei der Gemeinde, von der sie tatsächlich fortgezogen ist,
abgezogen wird. Dies betraf in der Vergangenheit in Einzelfällen Personen, die von ..., nicht jedoch von der
Klägerin fortgezogen sind. Es stellt aber keinen systematischen Fehler dar und betrifft auch nicht die vom
Statistischen Landesamt zu verantwortende Sphäre, wenn vorgesehene Kontrollmechanismen von den
Meldeämtern der Gemeinden nicht effektiv ergriffen worden sind. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass die
Klägerin mit der Überprüfung der Wanderungslisten überfordert gewesen wäre und aus diesem Grund in der
Vergangenheit etwaige Berichtigungsmitteilungen gegenüber dem Statistischen Landesamt unterlassen
hätte. Auch in diesem Fall wäre es aber an der Klägerin gelegen, sich zeitnah um Hilfe und Erläuterung zu
bemühen.
21 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da der Klägerin kein Kostenschuldner
gegenübersteht, erübrigt sich auch eine Entscheidung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Das Gericht sieht
keine Veranlassung, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2
VwGO). Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§§ 124, 124 a Abs. 1
VwGO).
22
Beschluss vom 19. Dezember 2016
23 Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt auf
134.588,44 EUR.