Urteil des VG Sigmaringen vom 22.11.2016

bvo, beihilfe, fürsorgepflicht, medizinisches gutachten

VG Sigmaringen Urteil vom 22.11.2016, 3 K 2905/14
Beihilfefähigkeit des Präparat Uniselen 200 Ne TAB
Tenor
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt zuletzt noch die Gewährung einer weiteren Beihilfe zu den Aufwendungen für das
ärztlich verordnete Präparat Uniselen 200 Ne TAB 100 Stück.
2 Die Klägerin ist verbeamtete Grund- und Hauptschullehrerin im Dienst des Beklagten und beihilfeberechtigt
mit einem Bemessungssatz von 50 Prozent. Sie leidet u. a. an CRP-Erhöhung, chronisch-inflammatorischem
Erschöpfungszustand, Gelenkschmerzen, Leaky-Gut-Syndrom, Mitochondriopathie, Selen-, Vitamin-B6- und
Vitamin-D-Mangel. Am 06.05.2014 erhielt sie von Dr. R. M. das Präparat Uniselen 200 Ne TAB 100 Stück
verordnet, das sie am 17.05.2014 zum Preis von 32,40 EUR erwarb. Am 28.05.2014 beantragte sie beim
Beklagten deshalb u. a. die Erstattung von 16,20 EUR. Darüber hinaus beantragte sie die Erstattung von
Aufwendungen (u. a. für Ibuprofen) aufgrund eines Rezepts vom 09.05.2014, das ihr infolge einer
Knieoperation nach einem Unfall ausgestellt worden war.
3 Mit Bescheid vom 03.06.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin zwar eine anderweitige Beihilfe, versagte
aber die Beihilfe zu Aufwendungen für das Uniselen 200 Ne in Höhe von 16,20 EUR. Zur Begründung der
Nichterstattung dieses Präparats führte er im Wesentlichen aus, Aufwendungen für
Nahrungsergänzungsmittel seien nicht beihilfefähig, weil es sich um keine Arzneimittel im Sinne der BVO
handele. Sie seien ausnahmsweise nur dann beihilfefähig, wenn die medizinische Notwendigkeit anhand
eines begründeten medizinischen Gutachtens (Amtsarzt) nachgewiesen werde. Aufwendungen nach der
Knieoperation – (u. a.) diejenigen aufgrund des Rezepts vom 09.05.2014 in Höhe von 38,01 EUR – seien
nicht berücksichtigt worden, weil die entsprechenden Belege auf ein schädigendes Ereignis hinwiesen, so
dass die Klägerin zunächst einen Unfallfragebogen ausfüllen müsse.
4 Mit Schreiben vom 06.06.2014 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein und reichte den ausgefüllten
Unfallfragebogen nach. Daraufhin gewährte der Beklagte weitere Beihilfe für Aufwendungen nach der
Knieoperation mit Ausnahme derjenigen aufgrund des Rezepts vom 09.05.2014. Zudem forderte er die
Klägerin mit Schreiben vom 17.06.2014 auf, zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit des Präparats
Uniselen 200 Ne ein amtsärztliches Gutachten einzureichen.
5 Mit Schreiben vom 16.07.2014 nahm das Gesundheitsamt des Landkreises R. Stellung und teilte im Ergebnis
mit, dass das Präparat Uniselen nicht beihilfefähig sei. Mit Stellungnahme vom 04.08.2014 ergänzte
außerdem der behandelnde Arzt Dr. R. M., der bei der Klägerin diagnostizierte Mangelzustand könne nicht
durch eine ausgewogene Ernährung ausgeglichen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2014 wies
der Beklagte den Widerspruch zurück.
6 Hiergegen hat die Klägerin am 04.09.2014 Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, ihre Blutwerte
hätten sich durch die Einnahme des Präparats Uniselen 200 Ne nachhaltig verbessert; dies zeige, dass das
Präparat medizinisch notwendig sei. Der Beklagte habe außerdem das ebenfalls im o. g. Rezept enthaltene
Präparat Dekristol 20.000 I.E. WKA N2 erstattet; die Versagung der Beihilfe für das Präparat Uniselen 200
Ne sei deshalb willkürlich. Die Stellungnahme des Gesundheitsamts argumentiere fehlerhaft, weil sie allein
auf die Verschreibungspflicht abstelle. Die medizinische Notwendigkeit müsse demgegenüber anhand der
medizinischen Wirkung beurteilt werden; diese habe der behandelnde Arzt in der Stellungnahme vom
04.08.2014 beschrieben: Die Klägerin habe unter einem akuten Selenmangel gelitten, der zu verschiedenen
Beschwerden führte. Durch Gabe einer hohen Dosierung von Selen habe diese Symptomatik behoben
werden können. Die (restlichen) Aufwendungen für die Knieoperation seien nicht erstattet worden, obwohl
die Klägerin den geforderten Unfallbericht eingereicht habe.
7 Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2014 Beihilfe für die restlichen Aufwendungen aufgrund des
Rezepts vom 09.05.2014 in Höhe von 38,01 EUR gewährte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit
übereinstimmend für erledigt erklärt.
8 Die Klägerin beantragt zuletzt (sachdienlich gefasst),
9
ihr für das Präparat Uniselen 200 Ne TAB 100 eine weitere Beihilfe i. H. v. 16,20 EUR zu bewilligen und
den Bescheid des Beklagten vom 03.06.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 06.08.2014
aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
10 Der Beklagte beantragt,
11 die Klage abzuweisen.
12 Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf seine Bescheide und die Stellungnahme des
Gesundheitsamts R.
13 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorliegenden
Behördenakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14 Die Kammer entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2
VwGO).
I.
15 Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit – hinsichtlich des Betrags von 38,01 EUR für restliche Aufwendungen
anlässlich der Knieoperation – in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das
Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
II.
16 Die im Übrigen als Verpflichtungsklage statthafte und auch sonst zulässige Klage ist nicht begründet. Die
Klägerin hat weder aufgrund beihilfe- (nachfolgend 1.) noch aufgrund sonstiger beamtenrechtlicher
Vorschriften (nachfolgend 2.) einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe zu den Aufwendungen für
das Präparat Uniselen 200 Ne. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage
im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (st. Rspr., vgl. z.
B. BVerwG, Urteil vom 08.11.2012 – 5 C 4/12 –, Rn. 12, m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
10.10.2011 – 2 S 1369/11 –, Rn. 25, beide nach juris). Für die am 06.05.2014 entstandenen Aufwendungen
ist somit die Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Beihilfe in
Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) in der zuletzt durch
Änderungsverordnung vom 20.12.2013 (GBl. S. 53) geänderten, am 01.04.2014 in Kraft getretenen
Fassung (nachfolgend BVO) maßgebend.
18 a) Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO. Nach § 5 Abs.
1 Satz 1 BVO sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach
notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO bestimmt, dass aus
Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete, von Ärzten, Zahnärzten
oder Heilpraktikern bei Leistungen nach Nummer 1 verbrauchte oder nach Art und Menge schriftlich
verordnete
Arzneimittel beihilfefähig sind.
19 Dieser Vorschrift zufolge sind die Aufwendungen der Klägerin für das Präparat Uniselen 200 Ne nicht
beihilfefähig, denn es handelt sich dabei nicht um ein Arzneimittel. Zwar sind unter „Arzneimitteln“ im
Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften grundsätzlich Stoffe
oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im
menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu
lindern, zu verhüten oder zu erkennen; maßgeblich ist insoweit ihr „materieller Zweckcharakter“ (vgl.
ausführlich zum Ganzen nach altem Recht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.08.2012 – 2 S 2631/10
–, Rn. 17 (m. w. N.), juris). Nach dem insoweit inzwischen – abweichend von der Rechtslage bis zum
31.03.2014 – eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO sind aber
keine Arzneimittel im
beihilferechtlichen Sinne u. a. Nahrungsergänzungsmittel nach § 1 Abs. 1 der
Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV), die als solche gekennzeichnet sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2
Buchstabe b) BVO). Bei systematischer Betrachtung stellt die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO eine
abschließende Sonderregelung gegenüber der allgemeinen, vor die Klammer gezogenen Vorschrift über die
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel im Eingangssatz der Bestimmung dar.
20 Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe b) BVO ist das Präparat Uniselen 200 Ne kein Arzneimittel. Vielmehr
handelt es sich dabei ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 16.07.2014 um ein
Nahrungsergänzungsmittel, das als Lebensmittel eingestuft ist. Es ist dazu bestimmt, die allgemeine
Ernährung zu ergänzen, stellt ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit
ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung dar (200 µg Selen pro
Tablette) und wird als Tablette, d. h. in dosierter Form in den Verkehr gebracht (§ 1 Abs. 1 NemV). Das
Präparat ist darüber hinaus entsprechend § 4 Abs. 1 NemV mit der Verkehrsbezeichnung
„Nahrungsergänzungsmittel mit Natriumselenit“ gekennzeichnet. Damit scheidet eine Beihilfefähigkeit der
hierfür erbrachten Aufwendungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO aus.
21 b) Die Aufwendungen der Klägerin sind auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Buchstabe a) BVO
beihilfefähig. Nach dieser Vorschrift sind von den in Satz 2 genannten Aufwendungen ausnahmsweise
Nahrungsergänzungsmittel beihilfefähig, wenn nach begründetem medizinischen Gutachten die
medizinische Notwendigkeit nachgewiesen ist; das Finanz- und Wirtschaftsministerium kann bestimmen,
unter welchen Voraussetzungen von der medizinischen Notwendigkeit ohne gesonderten Nachweis
auszugehen ist. Eine derartige Bestimmung durch das Ministerium ist für das hier streitgegenständliche
Präparat nicht ersichtlich, so dass die Beihilfefähigkeit den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit nach
begründetem medizinischen Gutachten voraussetzt.
22 Dieser Nachweis ist für das streitige Präparat nicht geführt. Nach Auffassung der Kammer ist es im Gegenteil
sogar ausgeschlossen, das Präparat als medizinisch notwendig anzusehen: Soweit für Beihilfezwecke
medizinische Gutachten ohne Bezeichnung der Gutachterstelle vorgesehen sind, soll ein – bezüglich des
anzugebenden Zwecks ausreichend begründetes – amtsärztliches Zeugnis des Gesundheitsamts eingeholt
werden (§ 18 Abs. 5 BVO). Dieses Gutachten liegt hier in Gestalt der amtsärztlichen Stellungnahme vom
16.07.2014 vor und kommt zu dem Ergebnis, dass das Präparat gerade
nicht medizinisch notwendig ist.
23 Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Gutachten nicht fehlerhaft begründet worden, weil es allein
auf die Verschreibungspflicht von Präparaten abstelle. Zwar nimmt das Gutachten für
Vitamine und
Mineralstoffpräparate ersichtlich auf die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft
zur Beihilfeverordnung (VwVBVO) vom 24.04.2012 Bezug, die zu § 6 BVO in der damals noch geltenden
Fassung unter Ziff. 2.5 bestimmt, dass Vitamine und Mineralstoffpräparate nur dann beihilfefähig sind, wenn
sie verschreibungspflichtig sind, und abweichend davon auch dann, wenn sie bei Behandlung
schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Bei dem vorliegend streitgegenständlichen
Präparat handelt es sich indes um ein
Nahrungsergänzungsmittel. Für diese hält das Gutachten fest, dass
zum einen von ihnen ein über eine ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehender therapeutischer
Nutzen nicht zu erwarten ist und dass zum anderen für eine positive Einschätzung der Wirksamkeit und
Geeignetheit dieser Mittel keine kontrollierten, wissenschaftlichen Standards genügenden Studien vorliegen.
Vor dem Hintergrund dieser klaren, in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Aussage des Gutachtens hält
die Kammer es für ausgeschlossen, dass die medizinische Notwendigkeit des Präparats nach begründetem
medizinischen Gutachten noch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Buchstabe a) BVO nachgewiesen werden
kann.
24 Da somit bereits ein hinreichend aussagekräftiges, begründetes medizinisches Gutachten nach § 18 Abs. 5
BVO vorliegt, besteht unter dem Gesichtspunkt des Amtsermittlungsgrundsatzes kein Anlass, auf die
Beweisanregungen der Klägerin hin ein (weiteres) Sachverständigengutachten zu den Fragen des
Therapiestandards, etwaig vorliegender Studien über die Wirksamkeit und Geeignetheit sowie der
medizinischen Notwendigkeit des Präparats einzuholen. Dies gilt zumal, da die Klägerin das vorliegende
Gutachten – wie dargelegt – im entscheidenden Punkt nicht substantiiert in Frage gestellt hat. Sie hatte
dem Amtsarzt zudem die maßgeblichen Befunde und Diagnosen zur Verfügung gestellt, so dass auch der
Hinweis auf die pauschale Bescheinigung ihres behandelnden Arztes, der zufolge diverse Mangelzustände
vorgelegen hätten, die durch ausgewogene Ernährung nicht beseitigt werden könnten und sich
zwischenzeitlich gebessert hätten, hierzu nicht ausreicht. Ebenso wenig gibt der Hinweis auf das
Patienteninformationsblatt des C.f.I.M. und darin erwähnte Studien zur sogenannten Mitochondrienmedizin
zur Einholung eines (weiteren) Gutachtens Anlass, denn dieses Informationsblatt ist allgemein gehalten und
lässt keinen spezifischen Bezug zum vorliegend streitigen Präparat erkennen. Die Beweisanregung gibt
insbesondere keinerlei Aufschluss darüber, inwiefern das Präparat nach diesen Studien – entgegen dem
Gutachten des Amtsarztes – die Voraussetzungen medizinischer Notwendigkeit erfüllen könnte, zu denen u.
a. gehört, dass eine Behandlungsmethode bzw. verordnete Arzneimittel wissenschaftlich allgemein
anerkannt sind, also von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen
Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden (vgl.
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2010 – 4 S 1816/07 –, Rn. 26, juris).
25 c) Soweit die Klägerin schließlich die Beihilfefähigkeit des Präparats Uniselen aus der Gewährung von
Beihilfe für das Präparat Dekristol 20.000 I.E. herleiten will, überzeugt dies ebenfalls nicht. So handelt es
sich bei Dekristol 20.000 I.E. um ein völlig anderes Präparat, das nicht Gegenstand des Gutachtens vom
16.07.2014 war. Zudem sind die Bewilligungsvoraussetzungen für jedes einzelne Präparat gesondert zu
prüfen. Abgesehen davon, könnte die Klägerin sich nicht einmal dann auf Vertrauensschutz berufen, wenn
der Beklagte ihr in der Vergangenheit – ggfls. rechtswidrig – Beihilfe für das Präparat Uniselen 200 Ne
gewährt hätte. Denn grundsätzlich kann aus einer rechtswidrigen Bewilligung keine Selbstbindung des
Beklagten hergeleitet werden, derartige Aufwendungen auch zukünftig ohne Berücksichtigung der
gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten (vgl. zum Ganzen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom
16.06.2003 – 4 S 804/01 –, Rn. 21, juris). Wenn schon die rechtswidrige, bestandskräftige Gewährung einer
Beihilfeleistung kein Vertrauen dahin gehend begründet, diese weiterhin zu erhalten, muss dies erst recht
für die Bewilligung eines völlig anderen Präparats gelten.
26 2. Die Klägerin hat auch keinen sich aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach Art. 33 Abs. 5
GG, § 78 BBG ergebenden Beihilfeanspruch, der über die vorgenannten Beihilfevorschriften hinausginge.
Denn die Fürsorgepflicht in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen wird grundsätzlich abschließend
durch die Beihilfevorschriften konkretisiert (st. Rspr. BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12
–, Rn. 25, m. w. N., juris). Aus der Fürsorgepflicht ergeben sich nur dann Leistungsansprüche, wenn diese
andernfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Den Wesenskern der Fürsorgepflicht können allenfalls
unzumutbare Belastungen des Beamten berühren (st. Rspr. BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C
32.12 –, Rn. 25, m. w. N., juris).
27 Eine derartige Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht liegt nicht vor. Denn es ist weder erkennbar
noch von der Klägerin dargetan, dass ihre amtsangemessene Lebensführung unzumutbar beeinträchtigt
wird, weil ihr die begehrte Beihilfe als Folge ihrer Erkrankung vorenthalten wird (vgl. zu diesem Maßstab
BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 26, juris). Die Beihilfe ist lediglich als eine die
Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Leistung konzipiert; sie soll den Beamten von den durch die
Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen (vgl. nur
BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 – 2 BvR 1053/98 –, juris). Eine lückenlose Erstattung jeglicher
Aufwendungen in Ergänzung der zumutbaren Eigenvorsorge verlangt die Fürsorgepflicht jedoch nicht
(BVerfG, Beschluss vom 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 –, juris).
28 Dementsprechend besteht auch kein Anspruch auf die beantragte Beihilfe aus der Härtefallregelung des § 5
Abs. 6 Satz 1 BVO. Nach dieser Vorschrift kann bei Anlegung eines strengen Maßstabs in besonderen
Härtefällen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde und nur im Einvernehmen mit dem Finanz- und
Wirtschaftsministerium zu Aufwendungen im Sinne des § 78 LBG ausnahmsweise abweichend von den in
der BVO genannten Voraussetzungen Beihilfe gewährt werden. Damit hat der Verordnungsgeber eine
Vorschrift geschaffen, um ganz besonderen Fällen gerecht werden zu können, in denen die durch die BVO
erfolgte typisierende, pauschalisierende und abschließende Konkretisierung der gesetzlich und
verfassungsrechtlich gebotenen Fürsorgepflicht ausnahmsweise nicht ausreichend ist, um den Wesenskern
der Fürsorgepflicht gegenüber dem beihilfeberechtigten Beamten und seinen Angehörigen zu gewährleisten.
In derartigen Einzelfällen, in denen in Folge eines die Beihilfeberechtigung hervorrufenden Tatbestands eine
unerträgliche Beeinträchtigung der Möglichkeit zur amtsangemessenen Lebensführung auftritt, kann eine
Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht gegeben sein und einen Anspruch auf weitergehende
Beihilfe im Einzelfall begründen (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.2008 – 4 S 2725/06
–, Rn. 29, juris). Weder aus dem eigenen Sachvortrag der Klägerin noch aus dem Akteninhalt ergeben sich
Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten für das Präparat Uniselen 200 Ne die Klägerin finanziell übermäßig
belasten könnten und insbesondere die Voraussetzung des § 5 Abs. 6 Satz 4 BVO erfüllt wären. Auch
sonstige Umstände, bei deren Vorliegen es sich aufdrängen müsste, dass der Fürsorgegrundsatz zur
ausnahmsweisen Anerkennung der Beihilfefähigkeit – hier der Einbeziehung des im Streit stehenden
Nahrungsergänzungsmittels – führt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
29 3. Im Ergebnis hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Beihilfe, so dass die Klage
abzuweisen war.
III.
30 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, soweit die Klage abgewiesen wurde. Soweit das
Verfahren eingestellt wurde, war nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§
161 Abs. 2 VwGO). Da die insoweit zunächst eingeklagten Aufwendungen erstattungsfähig waren und der
Beklagte deshalb dem Begehren der Klägerin abhalf, entsprach es billigem Ermessen, die Kosten des
Verfahrens anteilig in entsprechender Höhe dem Beklagten aufzuerlegen.
31 Das Gericht sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig
vollstreckbar zu erklären. Die Berufung war nicht gemäß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, weil keiner der
Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt.