Urteil des VG Sigmaringen vom 29.10.2009
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VG Sigmaringen Urteil vom 29.10.2009, 8 K 2267/07
Parkerleichterungen für schwerbehinderte Menschen ohne außergewöhnliche Gehbehinderung
Leitsätze
1. Es spricht vieles dafür, dass infolge der Änderung der VwV-StVO vom 04.06.2009 auch die gesundheitlichen
Merkmale, die für das sog. "aG-light" nach den Randnummern 136 bis 139 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 von
Bedeutung sind, in einem förmlichen Feststellungsverfahren nach § 69 Abs. 4 SGB IX ermittelt werden müssen
(hier offen gelassen; vgl. Dau, jurisPR-SozR 15/2009 Anm. 6).
2. Für eine Gleichstellung von Erkrankungen, die nicht in den Randnummern 136 bis 139 VwV-StVO zu § 46 Abs.
1 Nr. 11 aufgeführt sind, kommt es nicht darauf an, ob die Erkrankungen der Schwere nach vergleichbar sind,
sondern allein darauf, ob eine vergleichbare funktionelle Behinderung beim Gehen gegeben ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt Parkerleichterungen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO für schwerbehinderte Menschen
ohne Merkzeichen „aG“ („außergewöhnliche Gehbehinderung“).
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Der am … geborene Kläger ist schwerbehindert. Mit Bescheid des Versorgungsamts Rottweil vom 06.11.1998
wurde bei ihm für die Zeit ab 22.07.1998 der Grad der Behinderung (GdB) mit 100 sowie die gesundheitlichen
Voraussetzungen für eine erhebliche Gehbehinderung (Merkzeichen „G“), für Hilflosigkeit (Merkzeichen „H“)
sowie für die Notwendigkeit einer ständige Begleitung (Merkzeichen „B“) festgestellt. Nach diesem Bescheid
liegen folgende Behinderungen vor: mehrfache Operationen bei Morbus Hirschsprung, Anastomosenstenose,
geistige Retardierung und Sprechentwicklungsstörung.
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Mehrere Anträge des Klägers auf Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen „aG“)
wurden abgelehnt; auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.04.2007 - …/… -, der den
Beteiligten bekannt ist, wird insoweit wegen der Einzelheiten verwiesen.
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Mit Schreiben vom 26.04. und 18.05.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO zur Bewilligung von Parkerleichterungen für besondere
Gruppen schwerbehinderter Menschen in Baden-Württemberg. Zur Begründung gab er an, dass er an Morbus
Hirschsprung leide, was einer Erkrankung an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa gleich stehe.
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Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 04.07.2007 ab. In der Begründung heißt es, dass nach
einer Mitteilung des Landratsamts Tübingen - Abteilung Soziales - vom 13.06.2007 die Voraussetzungen für die
Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung nicht vorliegen würden.
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Den hiergegen fristgerecht eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass es für
ihn unzumutbar sei, längere Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen. Er müsse Windeln tragen, da bei ihm eine
Harn- und Stuhlinkontinenz bestehe. Er sei bei allen Arzt- und Therapiebesuchen auf ständige Begleitung
angewiesen. Deshalb könne er vor den Praxen nicht einfach abgesetzt und dort wieder aufgenommen werden.
Die Wege zu den Arzt- und Therapiepraxen seien zu weit. Bei der Parkplatzsuche komme es zu Harn- und
Stuhlentleerung, was sich bei kurzen Wegstrecken durch rechtzeitiges Aufsuchen der Toilette kontrollieren
lasse. Die erforderlichen medizinischen Voraussetzungen würden ausweislich der ärztlichen Atteste von Dr. G.-
T. und Dr. B. vorliegen.
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Mit Bescheid vom 29.10.2007 wies das Regierungspräsidium Tübingen den Widerspruch als unbegründet
zurück. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass man erneut bei der versorgungsärztlichen Stelle des
Landratsamts Tübingen nachgefragt habe. Von dort sei wiederum geantwortet worden, dass die
Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht vorliegen würden. Der Kläger könne
aufgrund seiner Erkrankung nicht mit den Personen gleichgestellt werden, die zum anspruchsberechtigten
Personenkreis zählen würden. Die verschiedenen Erkrankungen seien - auch im Hinblick auf die jeweiligen
Auswirkungen - nicht miteinander vergleichbar. Die Straßenverkehrsbehörde sei an diese versorgungsärztlichen
Stellungnahmen gebunden, zumal da diese in ihrem Ergebnis eindeutig seien.
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Am 14.11.2007 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben. Zu deren Begründung
wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Morbus Hirschsprung sei mit Morbus Crohn oder Colitis
ulcerosa vergleichbar, da alle diese Krankheiten vor allem im chronisch-rezidivierenden Stadium eine
lebensbedrohliche Darmerkrankung bedeuten würden. Wegen der bei ihm bestehenden Inkontinenz müssten
die Wege zu den behandelnden Ärzten möglichst kurz gehalten werden. Die bisherigen Erfahrungen hätten
gezeigt, dass er erheblichen Gefährdungen und Beeinträchtigungen ausgesetzt sei, wenn er auf die übliche
öffentliche Parkraumbenutzung angewiesen sei, also nicht direkt an die Praxisräumlichkeiten der behandelnden
Ärzte vorfahren könne.
9
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 04.07.2007 und des Widerspruchsbescheids des
Regierungspräsidiums Tübingen vom 29.10.2007 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Erteilung
einer Ausnahmegenehmigung neu zu entscheiden.
11 Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
12
die Klage abzuweisen.
13 Zur Begründung wird u. a. vorgetragen, dass Morbus Hirschsprung nicht mit Morbus Crohn oder Colitis
ulcerosa vergleichbar sei. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa seien geprägt von Durchfällen, von oft
imperativen Stuhlgängen, bei akuten Stuhlfrequenzen von etwa 40 Mal innerhalb von 24 Stunden, regelmäßig
verbunden mit Durchfällen. Die beim Kläger vorliegende Erkrankung Morbus Hirschsprung sei dagegen geprägt
von schweren Verstopfungen. Soweit in der ärztlichen Stellungnahme von Dr. B. davon gesprochen werde,
dass im Fall des Klägers immer wieder rasche, unvorhergesehene Toilettenbesuche erforderlich seien, könne
diese Beeinträchtigung in einem allenfalls nur sehr geringen Ausmaß gegeben sein. Denn in der ärztlichen
Stellungnahme werde auch davon berichtet, dass der Kläger Fußball- und Tennisspielen sowie Schwimmen
könne. Dem entspreche auch die gutachtliche Stellungnahme von Dr. D.-W. vom 13.09.2006, in der es heiße,
dass sich der Kläger in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand befinde und das Stuhlverhalten normal
sei.
14 Im Hinblick auf die Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO)
vom 04.06.2009 hat das Gericht mit Verfügung vom 29.09.2009 die Beklagte gebeten, bei der
Versorgungsverwaltung eine aktuelle ergänzende ärztliche Stellungnahme einzuholen, ob der Kläger aufgrund
seiner Erkrankung einer der Personengruppen gleichzustellen ist, die in den Randnummern 136 bis 139 VwV-
StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 aufgeführt sind. Die Beklagte hat hierauf mit Schriftsatz vom 19.10.2009 eine
versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. P. vom 15.10.2009 vorgelegt. Danach liegen die Voraussetzungen
für die beantragte Ausnahmegenehmigung nicht vor. Zur Begründung wird ausgeführt, dass nach den
Unterlagen immer wieder rasche, unvorhergesehene Toilettenbesuche erforderlich seien. Diese
Beeinträchtigung könne aber nur von sehr geringem Ausmaß sein, da laut ärztlicher Stellungnahme noch
Fußball- und Tennisspielen sowie Schwimmen möglich seien. Der Grad der Schwerbehinderung betrage zwar
insgesamt 100, auf die Darmerkrankung selbst entfalle jedoch ein wesentlich geringerer Grad als 60.
15 Dem Gericht haben die einschlägigen Behördenakten vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird
wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe
16 Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, auch wenn in der mündlichen Verhandlung niemand
anwesend war. Die Beteiligten sind darauf in der Ladung gesondert hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
17 Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
18 Die streitigen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen
Anspruch darauf, dass diese die von ihm beantragte Ausnahmegenehmigung erteilt oder über seinen Antrag
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheidet (§ 113 Abs. 5 VwGO).
19 Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO. Nach dieser Vorschrift
können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller
Ausnahmen genehmigen von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen, Richtzeichen,
Verkehrseinrichtungen oder Anordnungen erlassen sind. Die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung
steht im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde. Deren Ermessensentscheidung kann das Gericht nur
eingeschränkt darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem
Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114
Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG).
20 Das der Straßenverkehrsbehörde durch § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO eingeräumte Ermessen wird in einer
rechtlich zulässigen Weise durch die einschlägigen Regelungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur
Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 22.10.1998 in der Fassung vom 04.06.2009 (BAnz 2009, Nr. 84 S.
2050) konkretisiert (s. a. BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R -, juris).
21 Die Randnummern 118 bis 132 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 betreffen die Ausnahmegenehmigung
(Parkerleichterungen) für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung. Der Kläger kann
derzeit diesem Personenkreis bereits deshalb nicht zugerechnet werden, weil die Voraussetzungen für eine
solche außergewöhnliche Gehbehinderung ausschließlich in einem förmlichen Feststellungsverfahren nach §
69 Abs. 4 SGB IX ermittelt werden können (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 09.06.2009 - 14 K 3637/07 -,
juris; VG Osnabrück, Urteil vom 13.03.2009 - 6 A 215/08 -, juris; VG Köln, Urteil vom 24.09.2004 - 11 K
4727/03 -, juris; s. a. OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.06.2009 - 4 LA 406/07 -, juris). Die für die
Durchführung des SGB IX zuständigen Behörden haben dem Kläger bisher nur das Merkzeichen „G“, nicht
jedoch das Merkzeichen „aG“ zuerkannt.
22 Der Kläger gehört auch nicht zu dem Kreis der schwer, aber noch nicht außergewöhnlich gehbehinderten
Menschen, denen nach den Randnummern 136 bis 139 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Parkerleichterungen
offen stehen. Die in diesen, neu eingeführten Randnummern genannten Personengruppen sind inhaltlich
identisch mit den Personengruppen, die bisher zum berechtigten Personenkreis im Sinne der
Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Umwelt und Verkehr über die Bewilligung von Parkerleichterungen
für besondere Gruppen Schwerbehinderter vom 20.03.2001 in der Fassung vom 09.02.2004 (GABl. S. 294)
gehörten (sog. „aG-light“). Damit ist eine eigenständige Bedeutung der auf Landesebene erlassenen
Verwaltungsvorschrift vom 20.03.2001 nicht mehr zu erkennen, was dazu führt, dass diese
Verwaltungsvorschrift insgesamt gegenstandslos geworden ist.
23 Im Hinblick auf das in die Zukunft gerichtete Klagebegehren ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
(letzten) mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. Bosch/Schmidt, Praktische Einführung in das
verwaltungsgerichtliche Verfahren, 8. Auflage, § 39 II m.w.N.; s. a. BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB
2/07 R -, juris). In der inzwischen gegenstandslos gewordenen Verwaltungsvorschrift vom 20.03.2001 war
geregelt, dass die Straßenverkehrsbehörde den Antrag auf Parkerleichterung für besondere Gruppen
Schwerbehinderter an die Versorgungsverwaltung sendet, die hierauf eine Stellungnahme durch den ärztlichen
Dienst im Wege der Amtshilfe nach Aktenlage abgibt. Randnummer 133 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11
bestimmt hingegen, dass die Randnummern 118 bis 132 sinngemäß auch auf die nachstehend aufgeführten
Personengruppen anzuwenden sind. In der somit sinngemäß anzuwendenden Randnummer 130 VwV-StVO zu
§ 46 Abs. 1 Nr. 11 wird ausdrücklich von „versorgungsärztlicher Feststellung“ gesprochen (vgl. § 69 Abs. 4
SGB IX). Daher spricht vieles dafür, dass infolge der Änderung der VwV-StVO vom 04.06.2009 auch die
gesundheitlichen Merkmale, die für das sog. „aG-light“ nach den neuen Randnummern 136 bis 139 VwV-StVO
zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 von Bedeutung sind, in einem förmlichen Feststellungsverfahren nach § 69 Abs. 4 SGB
IX ermittelt werden müssen (ebenso mit weiteren Gründen Dau, jurisPR-SozR 15/2009 Anm. 6). Es kann offen
bleiben, ob die vorliegende Klage bereits deshalb unbegründet ist, weil die Versorgungsverwaltung zugunsten
des Klägers eine entsprechende förmliche Feststellung durch Verwaltungsakt bisher nicht getroffen hat. Denn
die Voraussetzungen für Parkerleichterungen nach den Randnummern 136 bis 139 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1
Nr. 11 liegen im Fall des Klägers auch inhaltlich nicht vor, so dass er nicht zu dem Personenkreis gehört, der
von diesen Randnummern oder von den Regelungen der inzwischen gegenstandslos gewordenen
Verwaltungsvorschrift vom 20.03.2001 begünstigt wird.
24 Der Kläger ist unmittelbar keiner der Personengruppen zuzuordnen, die in den Randnummern 136 bis 139 VwV-
StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 aufgeführt sind. Indem in Randnummer 133 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 auch
auf die Randnummer 130 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 verwiesen wird, kann auch solchen
schwerbehinderten Menschen eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, die aufgrund von Erkrankungen einer
der Personengruppen gleichzustellen sind, die in den Randnummern 136 bis 139 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr.
11 aufgeführt sind. Nach dem Sinn und Zweck, der mit den Parkerleichterungen nach den Randnummern 118
bis 144 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 verfolgt wird, kommt es für eine Gleichstellung nicht darauf an, ob die
Erkrankungen der Schwere nach vergleichbar sind, sondern allein darauf, ob eine vergleichbare funktionelle
Behinderung beim Gehen gegeben ist (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 13.03.2009 - 6 A 215/08 -, juris; VG
Köln, Urteil vom 24.09.2004 - 11 K 4727/03 -, juris; s. a. BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R -, juris;
Urteil vom 06.11.1985 - 9a RVs 7/83 -, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03.2001 - L 11 SB
4527/00 -, juris). Für die Beurteilung, ob die Gehfähigkeit des Klägers in einem derartigen Ausmaß
eingeschränkt ist, wie dies bei den verschiedenen Personengruppen der Fall ist, die in den Randnummern 134
bis 139 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 aufgeführt sind, kommt den versorgungsärztlichen Stellungnahmen
ein erhebliches Gewicht zu (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 09.06.2009 - 14 K 3637/07 -, juris; VG
Osnabrück, Urteil vom 13.03.2009 - 6 A 215/08 -, juris; VG Köln, Urteil vom 24.09.2004 - 11 K 4727/03 -, juris).
Nach den eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahmen, die nach Auffassung der Kammer inhaltlich nicht
zu beanstanden sind, rechtfertigen die Erkrankungen, an denen der Kläger leidet, keine Gleichstellung mit den
in den Randnummern 136 bis 139 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 genannten Personengruppen. Seitens der
Versorgungsverwaltung ist zum Beispiel bereits am 13.09.2006 von Dr. D.-W. ausgeführt worden, dass und
warum eine analoge Bewertung der Darmerkrankung des Klägers mit einer Erkrankung an Morbus Crohn oder
Colitis ulcerosa nicht gerechtfertigt ist. Diese versorgungsärztliche Einschätzung wurde auch später stets
aufrecht erhalten (vgl. z. B. die Stellungnahme des Landratsamts Tübingen an das Regierungspräsidium
Tübingen vom 26.10.2007). Zuletzt wurde auf Anforderung des Gerichts eine versorgungsärztliche
Stellungnahme unter dem 15.10.2009 abgegeben, nach der die Voraussetzungen für eine
Ausnahmegenehmigung für schwerbehinderte Menschen (Parkerleichterungen) im Fall des Klägers nicht erfüllt
sind. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass die geltend gemachten unvorhergesehenen
Toilettenbesuche nur von sehr geringem Ausmaß sein können, da laut ärztlicher Stellungnahme auch Fußball-
und Tennisspielen sowie Schwimmen möglich sind. Außerdem betrage der Grad der Schwerbehinderung zwar
insgesamt 100, auf die Darmerkrankung selbst entfalle jedoch ein wesentlich geringer Grad als 60.
25 Diese versorgungsärztlichen Einschätzungen werden durch die Ausführungen gestützt, die in dem rechtskräftig
gewordenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.04.2007 - …/… - enthalten sind. Auf
dessen Seite 6 heißt es u. a.:
26
„Die bei dem Kläger bestehende Funktionseinschränkung ist nicht mit einem der in der VwV-StVO
ausdrücklich genannten Beispielsfälle vergleichbar, da seine Gehfähigkeit in keinster Weise
eingeschränkt ist. Dies ergibt sich aus sämtlichen aktenkundigen ärztlichen Äußerungen sowie aus
den sachverständigen Zeugenauskünften der behandelnden Ärzte. Bei dem Kläger besteht eine
Sprachstörung sowie eine psychomotorische Entwicklungsstörung. Die Steh- und Gehfähigkeit
einschließlich Treppensteigen ist hierdurch jedoch nicht eingeschränkt. Dies ergibt sich aus dem
Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI vom 17.04.2003. Ferner besteht
eine Obstipation nach mehrfacher Operation eines Morbus Hirschsprung sowie eine
Anastomosenstenose. Auch hierdurch ist das Gehvermögen des Klägers nicht eingeschränkt.
Gleiches gilt für das cerebral organische Anfallsleiden bei frühkindlichem Hirnschaden. Nach
übereinstimmender Auffassung der behandelnden Ärztinnen Dr. G.-T. sowie Dr. B. verursachen die
Erkrankungen keine schwerwiegenden Störungen der Körperbeweglichkeit bzw. der Motorik, so dass
Fußball- und Tennisspielen sowie Schwimmen zu den Hobbys des Klägers gehören. Die Tatsache,
dass der Kläger nicht in der Lage ist, selbst ein Auto zu führen und deshalb von seiner Mutter
regelmäßig zu Therapien sowie zu notwendigen Arztbesuchen gefahren wird, rechtfertigt nicht die
Zuerkennung des Merkzeichens „aG“. Dies gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger
infolge seiner psychischen Behinderung auch nicht alleine zu den Therapien und Arztbesuchen gehen
kann, da immer wieder rasche und unvorhergesehene Toilettenbesuche notwendig sind. Diese
unstreitig vorliegenden Behinderungen des Klägers sind mit der Zuerkennung der Merkzeichen „G“, „B“
sowie „H“ umfassend abgedeckt.“
27 Der Kläger hat nichts vorgetragen, dass eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen würde.
28 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nach § 167 Abs. 2 VwGO wird davon abgesehen, die
Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
29 Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 VwGO nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3
und 4 VwGO vorliegt.