Urteil des VG Sigmaringen vom 11.07.2007

VG Sigmaringen (ablauf der frist, bebauungsplan, gemeinde, zone, frist, verletzung, gutachten, analyse, versorgung, wirkung)

VG Sigmaringen Beschluß vom 11.7.2007, 9 K 732/07
Frage der Verletzung des gemeindenachbarlichen Rücksichtnahmegebots durch Baugenehmigung für
Einzelhandelsbetrieb
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag, mit welchem die Antragstellerin (sachdienlich verstanden) die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung ihres Widerspruches vom 27.06.2006 gegen die der Beigeladenen Ziffer 1 am 08.06.2006 erteilte
Baugenehmigung für den Neubau eines Geschäftshauses (Lebensmittelmarkt mit Backshop) erstrebt, ist
zulässig.
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Die Antragstellerin ist insbesondere im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt, denn sie macht
u.a. geltend, die angefochtene Baugenehmigung sei zu ihren Lasten unter Missachtung des in § 2 Abs. 2
BauGB normierten interkommunalen Abstimmungsgebotes bzw. des sich aus § 15 BauNVO ergebenden
Rücksichtnahmegebotes erteilt worden (vgl. u.a. Bay. VGH, Beschl. vom 25.04.2002 - 2 CS 02.121 -; vgl. auch
OVG Thüringen, Beschl. vom 20.12.2004 - 1 EO 1077/04 -; Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB § 2 Rn. 136, Rn.
103 m.w.N. aus der Rechtsprechung; a.A. im Blick auf § 2 Abs. 2 BauGB Uechtritz in DVBl. 2006 S. 799 ff.).
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Der Antrag ist allerdings nicht begründet. Die nach §§ 212 a BauGB, 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO
vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Beigeladenen Ziffer 1 an der Ausnutzung
der ihr erteilten Baugenehmigung bereits vor bestands- bzw. rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens in der
Hauptsache das gegenläufige Interesse der Antragstellerin schon deshalb überwiegt, weil nach der im
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die
angefochtene Baugenehmigung voraussichtlich nicht gegen solche Vorschriften des öffentlichen Rechts
verstößt, die (auch) dem Schutz der benachbarten Gemeinde - hier der Antragstellerin - zu dienen bestimmt
sind.
4
Eine Nachbargemeinde kann sich gegen die Zulassung eines Einzelvorhabens wenden, wenn die -
rechtswidrige - Zulassungsentscheidung auf einer Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes nach
§ 2 Abs. 2 BauGB beruht und von dem Vorhaben unmittelbar negative Auswirkungen gewichtiger Art auf die
städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde ausgehen können - „gemeindenachbarliches
Rücksichtnahmegebot“ (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschluss vom 03.04.2007 - 8 S 2835/06 -, BVerwG, Urteil vom
15.12.1989 - 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209; BVerwG, Urteil vom 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25 zur
Baugenehmigung nach § 35 BauGB; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, DVBl. 1993, 658;
zur Voraussetzung der Rechtswidrigkeit der Zulassungsentscheidung nach der jeweiligen
Genehmigungsschranke vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Bd. 1, § 2 RdNr. 103 und Uechtritz, NVwZ
2003, 176;).
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Diese Voraussetzungen liegen aller Voraussicht nach im Blick auf die Antragstellerin nicht vor.
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Das Bauvorhaben der Beigeladenen Ziffer 1 beurteilt sich bauplanungsrechtlich nach dem Bebauungsplan
“G.A. I“ der Beigeladenen Ziffer 2 vom 30.07.1998, der vom Landratsamt Z. am 03.11.1998 genehmigt und im
Amtsblatt der Beigeladenen Ziffer 2 am 11.11.1998 bekannt gemacht worden ist. Der Bebauungsplan setzt ein
Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO (1990) fest und enthält lediglich die Einschränkung, dass die nach § 8
Abs. 3 Nr. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Vergnügungsstätten nicht zugelassen werden. Sonstige
Beschränkungen bezüglich der Art der baulichen Nutzung enthält der Bebauungsplan nicht. Hiernach sind in
dem Plangebiet zulässig Gewerbebetriebe aller Art (…). Dazu zählt insbesondere der streitgegenständliche
Einzelhandelsbetrieb, ein Lebensmittel-„Soft“Discounter mit einer genehmigten Verkaufsfläche von insgesamt
799,36 m
2
. Bei diesem Betrieb handelt es sich auch nicht um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb i.S.v.
§ 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO, der lediglich in einem Kerngebiet oder in einem Sondergebiet zulässig wäre,
da es - wenn auch knapp - an dem selbständigen Tatbestandmerkmal der 800 m
2
überschreitenden
Verkaufsfläche fehlt (so nun BVerwG, Urteile vom 24.11.2005 - 4 C 10/04 -, - 4 C 14/04 -, - 4 C 3/05 - ).
Ein derartiger Einzelhandelsbetrieb, auch wenn nur wenige Quadratzentimeter zur Großflächigkeit fehlen, darf
bauplanungsrechtlich, sofern der Bebauungsplan - wie vorliegend - keine entsprechenden Einschränkungen
enthält, ohne weiteres in einem Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO errichtet werden.
7
Soweit im vorhergehenden Verfahren der Stadt B. noch Bedenken an der tatsächlichen Größe der genehmigten
Verkaufsfläche des Vorhabens geäußert wurden, wurden solche im vorliegenden Verfahren nicht mehr geltend
gemacht. Vorsorglich kann insoweit aber auf die den Beteiligten - auch der Antragstellerin über ihre
Prozessbevollmächtigten - bekannten Ausführungen der Kammer in ihrem im Verfahren 9 K 876/06 ergangenen
Beschluss vom 09.11.2006 verwiesen werden, gerade auch bezüglich der Möglichkeit der Klarstellung der
tatsächlich genehmigten Verkaufsfläche.
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Sofern seitens der Antragstellerin unter dem Aspekt der Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebot
nach § 2 Abs. 2 BauGB Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplan der Beigeladenen Ziffer 2 „G.A.
I“ geltend gemacht werden, dürften diese aller Voraussicht nach schon aufgrund der Regelung des § 215 Abs.
1 BauGB a.F. ins Leere gehen. Insoweit hat die Kammer in ihrem Beschluss vom 09.11.2006 - 9 K 876/06 -
ausgeführt:
9
Gemäß § 233 Abs. 2 BauGB i.d.F. von Art. 1 Nr. 71 des Gesetzes zur Anpassung des
Baugesetzbuches an EU-Richtlinien vom 24.06.2004 (BGBl. I S. 1359) sind die Vorschriften des
dritten Kapitels, zweiter Teil, vierter Abschnitt zur Planerhaltung auch auf Flächennutzungspläne und
Satzungen entsprechend anzuwenden, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen dieses Gesetzes in
Kraft getreten sind. Unbeschadet des Satzes 1 sind auf der Grundlage bisheriger Fassungen dieses
Gesetzes unbeachtliche oder durch Fristablauf unbeachtliche Fehler bei der Aufstellung von
Flächennutzungsplänen und Satzungen auch weiterhin für die Rechtswirksamkeit dieser
Flächennutzungspläne und Satzungen unbeachtlich. Abweichend von Satz 1 sind für vor dem
Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und Satzungen die vor
dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der
Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und sonstigen
Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden.
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Mithin ist für die Frage der Beachtlichkeit eventueller Abwägungsfehler vorliegend § 215 BauGB in der
bisher geltenden Fassung anzuwenden (vgl. auch Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB § 233 Rn. 44b).
Auf § 215 BauGB a.F. wurde in der Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde D. am 11.11.1998
auch ausdrücklich hingewiesen. Nach § 215 BauGB a.F. wurden Mängel der in § 214 Abs. 1 Satz 1
und 2 BauGB bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn sie nicht binnen
eines Jahres gegenüber der Gemeinde schriftlich geltend gemacht wurden. Mängel der Abwägung
wurden unbeachtlich, wenn sie nicht binnen sieben Jahren geltend gemacht wurden. Mit dem
Europarechtsanpassungsgesetz Bau 2004 wurde die Rügefrist auf einheitlich zwei Jahre festgesetzt,
zugleich aber wurden Mängel des Abwägungsergebnisses aus der Unbeachtlichkeitsregelung
herausgenommen, die daher nicht mehr verfristen können (vgl. Dürr in Brügelmann, BauGB, § 215 Rn.
3, 4). Selbst wenn also vorliegend ein Fehler im Abwägungsvorgang oder im Abwägungsergebnis
festgestellt werden könnte, könnte er dem Vorhaben der Beigeladenen Ziffer 1 nicht mehr
entgegengehalten werden, denn die siebenjährige Rügefrist lief am 11.11.2005 ab. Innerhalb dieser
Frist wurde seitens der Antragstellerin eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes
indes nicht geltend gemacht.
11 Auch nach erneuter Befassung mit der Sache dürften aufgrund des Ablaufes der Sieben-Jahres-Frist nach §
215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a.F. voraussichtlich keine Bedenken an der Unbeachtlichkeit (etwaiger)
Abwägungsfehler beim Erlass des Bebauungsplans bestehen.
12 Soweit - im vorliegenden Verfahren vertiefend - geltend gemacht wird, die Sieben-Jahres-Frist sei überhaupt
nicht anwendbar auf Fehler im Abwägungsergebnis, steht dies im klaren Widerspruch zu den insoweit
eindeutigen Planerhaltungsvorschriften der §§ 214, 215 BauGB a.F., die nach dem ausdrücklichen Willen des
Gesetzgebers für Fehler gerade auch im Abwägungsergebnis alter Bebauungspläne weiterhin anzuwenden sind
( vgl. die oben zitierte Übergangsregelung des § 233 Abs. 2 BauGB).
13 Soweit weiter geltend gemacht wird, § 215 BauGB a.F. begegne - in der Literatur geäußerten -
verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu u.a. Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB 3. Aufl. § 215
Rn. 12 ), hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 02.01.2001 - 4 BN 13/00 - insoweit
folgendes ausgeführt:
14
Es kann offen bleiben, ob sich insbesondere aus Art. 19 Abs. 4 GG gegen die Sieben-Jahres-Frist
durchgreifende Bedenken ergeben können, wenn ein Bebauungsplan zunächst nicht verwirklicht wird.
Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Frist erst mit der Realisierung des Plans in Lauf gesetzt
werden könnte, weil der Bürger zuvor keinen Anlass habe, sich gegen den Plan zu wehren, so kann
dies aber jedenfalls nicht für den Regelfall gelten, dass mit der Umsetzung des Bebauungsplans
alsbald nach seiner Bekanntmachung oder sogar - wie nach den Feststellungen des
Normenkontrollgerichts im vorliegenden Fall - mittels nach § 33 BauGB erteilter Baugenehmigungen
schon während des Aufstellungsverfahrens begonnen wird. Zu Recht wird im Schrifttum von
niemandem die Auffassung vertreten, dass ein Planbetroffener auch bei einem weitgehend realisierten
Bebauungsplan darauf vertrauen könne, dass eine weitere plankonforme Bebauung unterbleiben werde.
Solange der Bebauungsplan nicht aufgehoben oder geändert worden ist, bleibt er geltendes Ortsrecht
und steht weiterhin als Rechtsgrundlage für eine künftige Bebauung und Nutzung des Plangebiets zur
Verfügung.
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Ebenso braucht hier nicht geprüft zu werden, ob besonders schwere Abwägungsmängel auch nach
rügelosem Ablauf der Sieben-Jahres-Frist beachtlich bleiben können. Ernsthaft diskutiert werden kann
dies nur für schwere Mängel im Abwägungsergebnis. Ein solcher Mangel wird hier jedoch von der
Beschwerde selbst nicht geltend gemacht. (…).
16 Bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich aller
Voraussicht nach aber kein Sachverhalt feststellen, der zu einer Durchbrechung der hier einschlägigen
gesetzlichen Regelung des § 215 BauGB a.F. führen könnte. Zwar lässt sich nach den vorgelegten
Verfahrensakten des Bebauungsplanverfahrens „G.A. I“ nicht feststellen, dass die Antragstellerin als
Nachbargemeinde gem. § 4 BauGB am Verfahren beteiligt worden wäre (vgl. zur Beteiligung der
Nachbargemeinde als Träger öffentlicher Belange gem. § 4 BauGB u.a. Gaentzsch in Berliner Kommentar zum
BauGB § 4 Rn. 5). Dies dürfte im Blick auf eine Anstoßwirkung für den Beginn des Fristlaufes der
Unbeachtlichkeitsregelung nach § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a.F., um die es insoweit alleine geht, aller
Voraussicht nach aber unschädlich sein (zur Anstoßwirkung vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.12.1999 - 1 BvR
17476/97 -; BVerwG Urteil vom 16.08.1995 - 11 A 2 /95 -). Denn ungeachtet der Frage, ob gerade im Blick auf
die materielle Position einer Nachbargemeinde aus § 2 Abs. 2 BauGB, auf welche sich die Antragstellerin
beruft, die benachbarte Gemeinde bereits eine Obliegenheit zur Kenntnisnahme der Bekanntmachungen im
Amtsblatt der Nachbargemeinde trifft, wofür manches sprechen dürfte, wurde und wird vorliegend über den
Gemeindeverwaltungsverband O. S., dem sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene Ziffer 2
angehören, der Austausch der jeweiligen Amtsblätter praktiziert, sodass von einer Kenntnisnahme der
maßgeblichen und im Amtsblatt jeweils bekannt gemachten Beschlüsse betreffend das
Bebauungsplanverfahren „G.A. I“ der Beigeladenen durch die Antragsstellerin, jedenfalls aber der Möglichkeit
einer solchen, auszugehen ist. Schon angesichts dieser von der Antragstellerin auch nicht bestrittenen
Verfahrenspraxis dürfte es daher fraglich sein, ob diese überhaupt ein Vertrauen auf eine zusätzliche,
individuelle Beteiligung aufbauen durfte und zwar ungeachtet ihres Vorbringens, dass nicht nachvollzogen
werden könne, ob tatsächlich eine Kenntnisnahme der wiederholten - insgesamt fünf - Veröffentlichungen im
Amtsblatt (vgl. die Bekanntmachungen der Aufstellungsbeschlüsse vom 08.02.1989 sowie vom 04. und
11.3.1998, der Offenlage 17.06.1998 und der Satzung vom 11.11.1998) erfolgt ist. Zum anderen aber wurde der
Gemeindeverwaltungsverband O. S., dessen Verbandsvorsitzender seinerzeit - nach dem nicht bestrittenen
Vorbringen des Antragsgegners - der damalige Bürgermeister der Antragstellerin war, am
Bebauungsplanverfahren gem. § 4 BauGB förmlich als Träger öffentlicher Belange beteiligt. Gem. § 2 Abs. 1
S. 2 der Verbandssatzung des Gemeindeverwaltungsverbandes haben sich die Mitgliedsgemeinden bei
Angelegenheiten, die andere Mitgliedsgemeinden berühren und eine gemeinsame Abstimmung erfordern, der
Beratung durch den Verband zu bedienen. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 Ziffer 3.1. der Verbandssatzung erledigt der
Verband für seine Mitgliedsgemeinden in deren Namen aus dem Gebiet des Planungs- und Bauwesens die
verwaltungsmäßigen und technischen Angelegenheiten bei der verbindlichen Bauleitplanung. Auch angesichts
dieser, die interkommunale Zusammenarbeit auch bei Planungsverfahren nach dem BauGB betreffenden
Regelungen des Verwaltungsverbands dürfte daher vieles dafür sprechen, dass - unter dem hier maßgeblichen
Aspekt der Anstoßwirkung für den Fristlauf nach § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a.F. - eine förmliche Beteiligung
am Bebauungsplanverfahren der Antragstellerin nicht mehr erforderlich war, eine solche vielmehr auch in der
Beteiligung des Gemeindeverwaltungsverbands zu sehen ist, mithin der Fristlauf entsprechend der
gesetzlichen Regelung ab Bekanntmachung des Bebauungsplans begonnen hat. Mit anderen Worten dürfte bei
der vorliegende Sachlage - im Blick auf die Anstoßwirkung - ein schützenswertes Vertrauen auf eine
individuelle Beteiligung der Antragstellerin nach § 4 BauGB bzw. entsprechend § 73 Abs. 5 S. 3 VwVfG aller
Voraussicht nach nicht gegeben sein. Anzumerken ist zudem, dass wohl (auch) die Stellungnahmen des
(wiederholt) förmlich beteiligten Gemeindeverwaltungsverbands (vgl. dessen Stellungnahmen vom 04.05.1998
und 30.07.1998) letztlich zu einer nicht wesentlichen Überschreitung der Bruttobaufläche des Plangebiets mit
ca. 10 ha geführt haben dürften und dieser gegen die beabsichtigten Festsetzungen des Bebauungsplanes,
namentlich die Überplanung als Gewerbegebiet ohne (teilweisen) Einzelhandelsausschluss ausdrücklich auch
keine Bedenken geäußert hat.
17 Hinzu kommt ein weiteres: Der Bebauungsplan „G.A. I“ wurde vorliegend im Amtsblatt der Beigeladenen Ziffer
2 am 11.11.1998 entsprechend der Regelung des § 10 Abs. 3 BauGB ortsüblich bekanntgemacht. Nach dem
unwidersprochenen Vorbringen der Antragsgegnerin wurde mit der Realisierung des Bebauungsplanes bereits
wenige Monate nach Bekanntmachung des Planes, im Januar 1999, begonnen. Der im Plangebiet errichtete L.-
Discounter wurde wohl im Mai 2001 eröffnet. Mittlerweile befinden sich dort - neben dem vorhanden L. - vier
weitere Gewerbebetriebe. Auch wenn das Plangebiet bislang nur zu einem Teil bebaut ist, wurde mit der
Realisierung des Bebauungsplanes doch alsbald nach dessen Bekanntmachung begonnen. Unerheblich dürfte
dabei sein, dass der L.-Discounter erst 2 ¼ Jahre nach Satzungsbekanntmachung eröffnet worden ist. Denn
bereits mit Beginn der (ersten) Baumaßnahmen im Plangebiet Anfang 1999 hätte die Antragstellerin - sofern sie
nicht bereits während des Planverfahrens Kenntnis von der konkreten Planung erlangt hat - sich über die
genauen Festsetzungen im Bebauungsplan kundig machen können bzw. müssen, nicht zuletzt auch deshalb,
weil die betroffenen Flächen im (gemeinsamen) Flächennutzungsplan des Gemeindeverwaltungsverbandes als
gewerbliche Flächen dargestellt waren und damit - wie geschehen - eine nahezu uneingeschränkte Überplanung
(hier nur mit dem Ausschluss von Vergnügungsstätten) denkbar war. Eine (weitere) Anstoßwirkung dürfte daher
jedenfalls nicht erst in der Errichtung des L.-Discounters, vielmehr bereits in den bereits Anfang 1999
begonnenen Baumaßnahmen im Plangebiet zu sehen sein.
18 Aufgrund der vorliegenden Gegebenheiten ist daher unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 02.01.2001 - 4 BN 13/00 - aller Voraussicht nach von einer hinreichenden
Anstoßwirkung bereits der Satzungsbekanntmachung auch gegenüber der Antragstellerin, mithin dem Beginn
des Fristlaufes am 11.11.1998, auszugehen.
19 Aber auch besonders schwere Mängel im Abwägungsergebnis, für welche das Bundesverwaltungsgericht die
„Diskussionsmöglichkeit“ einer Durchbrechung der Sieben-Jahres-Frist des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB a.F.
angedeutet hat, lassen sich vorliegend nicht feststellen. Allein in dem Umstand, dass den Verfahrensakten des
Planverfahrens, namentlich der Abwägung sowie der Begründung des Plans keine Aussage zu eventuellen
Auswirkungen der Planung auf Nachbargemeinden entnommen werden kann, kann kein Abwägungsausfall,
insbesondere kein offensichtlicher Abwägungsausfall gesehen werden. Das Plangebiet soll nach dem (positiv
feststellbaren) Willen des Gemeinderates den Schwerpunkt der Ansiedlung von Gewerbebetrieben darstellen.
Bewusst sollte kein Industriegebiet festgesetzt werden. Daher ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der
Gemeinderat der Beigeladenen Ziffer 2 sämtliche in § 8 BauNVO 1990 genannten zulässigen Vorhaben im
Blick hatte, was sich insbesondere auch aus dem ausdrücklichen Ausschluss der in einem solchen Plangebiet
an sich auch ausnahmsweise zulässigen Vergnügungsstätten (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO) ergeben dürfte. Ob
der Gemeinderat an die Ansiedlung von in einem Gewerbegebiet allgemein zulässigen Einzelhandelsbetrieben
gar nicht gedacht hat, was durchaus möglich wäre, lässt sich jedenfalls nicht positiv feststellen. Dies beträfe
jedoch nur die „innere“ Seite des Abwägungsvorgang. Was aber zur „inneren“ Seite des Abwägungsvorgangs
gehört, was also die Motive, die etwa fehlenden oder irrigen Vorstellungen der an der Abstimmung beteiligten
Mitglieder des Planungsträgers betrifft, gehört im Sinne des hier einschlägigen § 214 Abs. 3 BauGB (1987) zu
den nicht offensichtlichen Mängeln; und diese Mängel lassen die Gültigkeit des Planes unberührt (vgl. nur
BVerwG, Urteil vom 21.08.1981 - 4 C 57/80 - zum wortgleichen § 155 b Abs. 2 S. 2 BBauG 1979). Hinzu
kommt ein weiteres: § 11 Abs. 3 BauNVO liegt die Wertung zugrunde, dass die in dieser Vorschrift
bezeichneten Betriebe typischerweise ein Beeinträchtigungspotential aufweisen, das es rechtfertigt, sie einem
Sonderregime zu unterwerfen (vgl BVerwG, Urt. vom 24.11.2005 - 4 C 10/04 -). Im Umkehrschluss hieraus ist
zu folgern, dass der Gesetzgeber ein derartiges Beeinträchtigungspotential für in einem Gewerbegebiet nach §
8 BauNVO zulässige Betriebe grundsätzlich nicht als gegeben sieht. Aufgrund dessen dürfte es sehr fraglich
erscheinen, dass die in § 11 Abs. 3 BauNVO aufgeführten (möglichen) Auswirkungen, hier die Auswirkungen
auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in anderen Gemeinden, ohne dass solche Auswirkungen in
einem ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO betreffenden Planverfahren konkret geltend gemacht worden sind,
von der planenden Gemeinde von sich aus berücksichtigt und in die Abwägung eingestellt werden müssten.
Wegen der unterschiedlichen „Prüfungsregime“, einerseits des § 11 Abs. 3 BauNVO, andererseits des § 8
BauNVO dürfte eine unterbliebene Abwägung jedenfalls keinen besonders schweren Mangel im
Abwägungsergebnis begründen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden
Bebauungsplanverfahren sowohl das Regierungspräsidium T. - Raumordnungsbehörde - als auch der
Regionalverband N.-A. beteiligt waren. Nachdem die Beigeladene Ziffer 2 im Bebauungsplanverfahren die
ursprünglich zur Bebauung vorgesehene Fläche von 13,5 Hektar auf 10,5 Hektar reduziert hatte, der - nach
Aktenlage - einzige Umstand, der sowohl vom Regionalverband als auch vom Regierungspräsidium für
problematisch erachtet worden war, äußerten weder der Regionalverband noch das Regierungspräsidium T.
Bedenken an der Festsetzung eines Gewerbegebiets. Insbesondere wurden seinerzeit im Blick auf die
Möglichkeit von Beeinträchtigungen der Versorgungsfunktion des Mittelzentrums B. und des Kleinzentrums S.
die nun von der Antragstellerin geforderten Einschränkungen nicht für notwendig erachtet.
20 Lassen sich daher keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Überwindung der Sieben-
Jahres-Frist feststellen und wurde bis zum Ablauf der Frist am 11.11.2005 bei der Beigeladenen Ziffer 2 auch
nicht eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots zu Lasten der Antragstellerin schriftlich
gerügt, dürfte es der Antragstellerin aller Voraussicht nach verwehrt sein, sich auf eine Verletzung des
interkommunalen Abstimmungsgebotes nach § 2 Abs. 2 BauGB zu berufen.
21 Bei der gebotenen summarischen Betrachtungsweise ist aber auch nicht feststellbar, dass von dem
streitgegenständlichen Vorhaben unmittelbar negative Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche
Ordnung und Entwicklung der Antragstellerin ausgehen können, ohne dadurch „gerechtfertigt“ zu sein, dass es
eine Versorgungslücke in der Standortgemeinde deckt.
22 Sofern die Antragstellerin meint, dass hinsichtlich des geplanten Vorhabens die Auswirkungen des § 11 Abs. 3
S. 1 Nr. 2 BauNVO zu berücksichtigen seien, scheidet - wie ausgeführt - eine direkte Anwendung des § 11
Abs. 3 BauNVO aus. Für die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO bedürfte es des Vorliegens
eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes. Von einem solchen kann bei dem geplanten Vorhaben aber nicht
ausgegangen werden. Aber auch unter Berücksichtigung des benachbarten „L.“-Marktes, der wohl auf ca. 700
m² bzw. 750 m
2
Verkaufsfläche betrieben wird, ist § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO in direkter Anwendung nicht
einschlägig. Eine Agglomeration mehrerer kleinerer, nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe (Ziffer 2.3.3 des
Einzelhandelserlasses vom 21.02.2001, GABl. vom 30.03.2001, 290) ist von § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO
nicht erfasst (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.09.2005 - 3 S 1061/04 -, BVerwG, Urteil vom
24.11.2005 - 4 C 14/04 -).
23 Sofern in einer Fallkonstellation wie dem Vorliegenden im Blick auf eine geordneten städtebaulichen
Entwicklung letztlich § 15 BauNVO als geeignetes, die örtlichen Verhältnisse berücksichtigendes
Rechtsinstrument gesehen wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.09.2005 - 3 S 1061/04 -, der sich
mit überzeugenden Ausführungen ausdrücklich mit der eine Heranziehung von § 15 BauNVO bei städtebaulich-
funktionalen Bezügen (noch) verneinenden Entscheidung des BVerwG, Urteil vom 3.2.1984 - 4 C 17.82 - < vgl.
auch Ziffer 5.1.5. des Einzelhandelserlasses > auseinandersetzt), liegen dessen Voraussetzungen aller
Voraussicht nach nicht vor.
24 Nach § 15 Abs. 1 BauNVO ist ein in einem Baugebiet allgemein zulässiges Vorhaben im Einzelfall gleichwohl
unzulässig, wenn es nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets
widerspricht. Hiervon kann im zu beurteilenden Fall nicht ausgegangen werden. Dies bedarf keiner näheren
Erläuterung, zumal dies auch von der Antragstellerin nicht behauptet wird. Allerdings sind nach § 15 Abs. 1
Satz 2 BauNVO derartige Anlagen auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen
können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar
sind, oder wenn sie solche Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
25 Vom Vorliegen derartiger Belästigungen oder Störungen kann hier aber ebenfalls nicht ausgegangen werden.
Insbesondere wurden seitens der Antragstellerin keine vorhabenbedingten unzumutbaren Auswirkungen für ihr
Gemeindegebiet substantiiert dargelegt. Auch sonst sind solche nicht erkennbar.
26 Die Antragstellerin legt eine Auswirkungsanalyse zur geplanten Ansiedlung eines Lebensmitteldiscounters in D.
der G. mbH (G.) vom Juli 2006 vor. Ungeachtet der im vorgehenden Verfahren der Stadt B. aufgefallenen
Ungereimtheiten dieser Analyse der G. im Blick auf die (angeblich beeinträchtigte) Versorgungsstruktur (auch)
der Stadt S. und der hiervon noch abweichenden Formulierung im Entwurf des Gutachtens „zur Abstimmung“,
die mit im Beschwerdeverfahren der Stadt B. eingeführten Schreiben des Gutachters vom 13.12.2006 eine
Erläuterung fanden, ist dieses Gutachten einschließlich seiner ergänzenden Stellungnahmen vom 18.05.2007
und vom 15.06.2007 nicht geeignet, unzumutbare städtebauliche Auswirkungen, namentlich für die örtliche
Versorgungsstruktur der Antragstellerin, zu belegen.
27 Zum einen spricht selbst die Analyse der G. nicht von unzumutbaren, unmittelbaren negativen Auswirkungen
gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung der Antragstellerin. Vielmehr geht die G. von
Umsatzrückgängen in einer Größenordnung von insgesamt 1,5 Mio. EUR zu Lasten der Betriebe im Gebiet der
Antragstellerin aus, die nach ihrer Einschätzung „kaum nur als normale Wettbewerbswirkungen innerhalb einer
marktwirtschaftlichen Ordnung zu bewerten sind“ (S.16). An anderer Stelle (S. 17) wird allerdings ausgeführt,
dass durch das Zusammenwirken mit der Verkaufsfläche von L. mit ca. 800 m² VK erhebliche Auswirkungen
gegenüber der zentralen Versorgungslage in B. und S. vorliegen. Die Umsatzumverteilungsquote gerade in S.
liege auf erheblichem Niveau und mit 18 - 19% deutlich über dem Schwellenwert von 10% (…) die
Lebensmittelangebote bildeten den Kern der Versorgungsfunktion des Kleinzentrums S., welches in
erheblichem Umfang in seiner Versorgungsfunktionen beeinträchtigt werde (S. 21). Die Analyse schließt
sodann wieder mit der Aussage: (…)„die Funktionsfähigkeit der Versorgung und ihrer Ausbaumöglichkeiten im
Kleinzentrum S. (…) beeinträchtigt“ (S. 22). Die Analyse der G. spricht folglich selbst nur von (an
zwei Stellen allerdings als erheblich bezeichneten) Beeinträchtigungen der Versorgungsfunktion in S., lässt
aber nicht erkennen, dass diese auch als unzumutbar, weil unverträglich und verdrängenden Wettbewerb
auslösend anzusehen sein könnten.
28 Die Auswirkungsanalyse der G. begegnet sodann Bedenken, weil sie die Beurteilung der Auswirkungen des
Vorhabens anhand des § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sowie des Einzelhandelserlasses des
Wirtschaftsministeriums vom 21.02.2001, GABl. 2001, 290 ff., vornimmt. Das Gutachten bejaht dabei in
raumordnerischer Hinsicht eine Verletzung des Integrationsgebots, des Kongruenzgebotes sowie des
Beeinträchtigungsverbotes. Vorliegend im Streit steht aber kein großflächiger Einzelhandelsbetrieb, vielmehr
ein sogenannter „Soft“-Discounter mit einer Anzahl von ca. 4.500 Artikeln auf knapp 800 m² Verkaufsfläche,
der in einer Gemeinde mit 1.800 Einwohnern errichtet werden soll. Schon angesichts der Einwohnerzahl und
der dort bisher fehlenden einschlägigen Angebotsstruktur (vgl. auch G. S. 17) werden bei der Errichtung eines
marktfähigen, zeitgemäßen Nahversorgers in der beabsichtigten Größenordnung jedoch relativ schnell die
Werte des Kongruenzgebotes und möglicherweise auch des Beeinträchtigungsverbotes des
Einzelhandelserlasses erreicht. Ob allein dem Erreichen der im Einzelhandelerlass genannten Werte eine
hinreichende Aussagekraft auch für raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen durch einen nicht
großflächigen Einzelhandelsbetrieb zuzusprechen ist, erscheint jedoch sehr fraglich, zumal - wie ausgeführt -
selbst eine Agglomeration mehrerer kleinerer, nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe von § 11 Abs. 3 S. 1
Nr. 2 BauNVO nicht erfasst ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.09.2005 - 3 S 1061/04 -).
29 Erheblichen Bedenken begegnet dann die Ausgangsbasis der Analyse der G., nämlich die ihr zugrunde
gelegten zwei Einzugsgebiete sowie die jeweiligen Marktanteile dieser Einzugsgebiete. Für die Zone I, die
Gemeinde D., wird im Blick auf das Bauvorhaben lediglich ein Marktanteil von 20 % angenommen und
gemeinsam mit dem vorhandenen L.-Discounter ein Marktanteil von 45 - 50%. Für die Zone II, welche die
Balinger Stadtteile E., R., W. sowie die Gemeinden D., D. und S. (einschließlich des Ortsteils S.) mit einem
Bevölkerungspotential von ca. 11.300 Einwohnern umfasst (S. 8), wird ein Kaufkraftpotenzial von 19,8 Mio.
EUR (S.10) errechnet und ein Marktanteil von 12 - 13 % bezogen auf das Bauvorhaben und ein Marktanteil von
25 - 27% bezogen auf das Bauvorhaben einschließlich des bestehenden L.-Discounters angenommen. Hieraus
errechnet sich dann eine Umsatzerwartung des Vorhabens von 3,1 Mill. EUR aus Zone I und II im
Lebensmittelbereich bzw. eine Gesamtumsatzleistung von 4,1 Mill. EUR. Gemeinsam mit dem L. geht die
Analyse der G. von einer Gesamtumsatzleistung von ca. 7,0 - 7,6 Mill. EUR aus.
30 Die Aufteilung in zwei Zonen begegnet aber schon deshalb erheblichen Bedenken, weil hierbei die genauen
örtlichen Verhältnisse, die Verkehrswege und die vorhandene Wettbewerbssituation erkennbar nicht
(hinreichend differenzierend) berücksichtigt werden. Angesichts der örtlichen Verhältnisse und der vorhandenen
Wettbewerbssituation, die in der Analyse allerdings dargestellt wird, erscheint die Aufteilung in drei Zonen, wie
sie im Rahmen der Standortbeurteilung des Bauherrn vom 04.07.2006 vorgenommen wird, hingegen wesentlich
überzeugender (Zone 1: D., D.; Zone 2: D., R.; Zone 3: S. Kernort, Z. u.d.B., T., W. und E.). Weiterhin
begegnet es Bedenken und bedürfte zumindest einer substantiierten und überzeugenden Begründung, den
Ortsteil S. der Gemeinde S. - angesichts der am südöstlichen Ortsrand von S. gelegenen, für S. idealen
Lebensmittelversorgung durch den Vollsortimenter E. N. mit 1500 m² Verkaufsfläche und ca. 15.000 bis 20.000
Artikeln (vgl. die Strukturanalyse der E. betreffend den Versorgermarkt in S. vom Mai 2004) sowie einem N.-
Discounter mit ca. 850 m² Verkaufsfläche - in den zu prognostizierenden Einzugsbereich des Vorhabens
einzubeziehen.
31 Ist schon die Aufteilung in zwei Zonen, mithin die „Gleichstellung“ beispielsweise der Gemeinden D. und des
Ortsteils S. bedenklich bzw. nicht nachvollziehbar, gilt solches erst recht für die prognostizierten Marktanteile.
Warum der das Vorhaben betreffende Marktanteil aus D. nur 20% (nach der Standortbeurteilung der
Beigeladenen vom 04.07.2006 hingegen 25 %) betragen soll, erscheint angesichts der örtlichen Verhältnisse
und der Wettbewerbssituation nicht einleuchtend. Gleiches gilt für die Annahme eines Marktanteils von 12 - 13
% betreffend den Einzugsbereich der Zone II. Es erscheint vielmehr sehr naheliegend, dass der Marktanteil
aus D. dem der Gemeinde D. nahekommen wird. Warum der Marktanteil aus S. einschließlich S. bezogen auf
das Vorhaben bei 12 - 13% und zusammen mit dem L. - Discounter bei 25 - 27% liegen soll, ist ebenfalls nicht
nachvollziehbar und bedürfte einer substantiierten Erklärung, zumal die Standortbeurteilung des Bauherrn für
die Zone 3 (u.a. S.) nur einen Marktanteil von 5% und für die Zone 2 von 15 % annimmt mit der Folge einer
Umsatzprognose von „nur“ 2,4 Mio. EUR im Gegensatz zu dem von der G. prognostizierten Umsatz von 3,4
bzw. 4,1 Mio. EUR. Unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse sowie der vorhandenen
Wettbewerbsituation erscheint die Annahme der Standortbeurteilung des Bauherrn durchaus plausibler.
32 Angesichts der in S. vorhandenen, im Lebensmittelbereich offensichtlich idealen und zeitgemäßen Versorgung
mit einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb mit ca. 1500 m² Verkaufsfläche und einem Discounter mit ca.
850 m² Verkaufsfläche, bedürfte es im Blick auf die vorliegend beabsichtigte Ansiedlung eines nicht
großflächigen „Soft“-Discounters in D. mit ca. 4.500 Produkten neben einem vorhanden L.-Discounter mit ca.
2000 Produkten zudem aber auch unter den Aspekten einer grundsätzlich wohl relativ hohen Kaufkraftbindung
im Lebensmittelbereich (Gutachten der K. von 1997, S. 15 f: 80 - 90%; Strukturanalyse der E. 2004 S. 26 - 28 :
65 - 67%) und der durch die Größe der beiden Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe sowie der Anzahl der dort
geführten Artikel diesen zukommenden „Magnetfunktion“ substantiierter Darlegungen dazu, dass durch das
Vorhaben mit im Vergleich hierzu deutlich begrenztem Angebot auf wesentlich kleinerer Fläche gleichwohl mit
unzumutbaren, verdrängenden Umsatzumverteilungseffekten zu Lasten S.s zu rechnen sein könnte.
33 Hinzu kommt, dass die Wettbewerbskennziffer im Verflechtungsbereich S. auch derzeit und ohne das
Bauvorhaben noch rund 19 % unter dem Bundesdurchschnitt liegt. So ist nach der Strukturanalyse der E. vom
Mai 2004 nach der Errichtung des großflächigen Versorgermarktes in S. von einer Wettbewerbskennziffer von
248 auszugehen, der ein Bundesdurchschnitt von 305 gegenübersteht. Auch angesichts der im Vergleich zum
Bundesdurchschnitt offenbar noch nicht gesättigten Wettbewerbssituation bedürfte der geltend gemachte, die
Versorgung S.s gefährdende Wettbewerb daher substantiierterer Darlegungen.
34 Schließlich berücksichtigt die Auswirkungsanalyse der G. nicht, dass die Lebensmittelversorgung der
Antragstellerin auch einen anderen Verflechtungs- bzw. Einzugsbereich hat als der (nach vorgenannten
Ausführungen zum Teil schon in Frage zu stellende) von der G. angenommene Einzugsbereich des streitigen
Vorhabens. Zum Verflechtungsbereich der S.er Versorgung zählt nach der Strukturanalyse der E. vom Mai
2004 auch H., R., W. u.d.R., S. und Z. u.d.B. (vgl. auch das Gutachten der K. von 1997 S. 12). Die von der G.
angenommene Umsatzverlagerung von 18 - 19 % zu Lasten von S. berücksichtigt diese Orte nicht, sie hat
vielmehr nur den Einzugsbereich des Vorhabens im Blick, in dem es zu den angeführten Umsatzverlagerungen
kommen soll. Um aber Umsatzeinbußen mit der Gefahr eines Verdrängungseffekts plausibel und sachgerecht
darzustellen, müssten zunächst die tatsächlichen Umsatzzahlen des „belasteten“ Versorgungsbereiches S.
ermittelt werden und diese dann den (umfassend) ermittelten, infolge des Vorhabens zu prognostizierenden
Umsatzabflüssen gegenübergestellt werden. Angesichts dessen, dass im (erweiterten) Verflechtungsbereich
von S. (ohne S. mit ca. 1400 Einwohnern) ca. 2.500 Einwohner leben, die bei der Berechnung der G. nicht
Berücksichtigung fanden, und dies ca. ¼ des erweiterten Verflechtungsbereichs von S. ausmacht, ist eine
erhebliche Verringerung der prozentual zu erwartenden vorhabenbedingten Umsatzreduzierung sehr realistisch.
35 Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass die Beigeladene Ziffer 2 in ihrem Gemeindegebiet lediglich über
den vorhandenen L.- Discounter mit einer Artikelanzahl von ca. 2000 Produkten, eine kleine Bäckerei, eine
Metzgerei und eine temporär geöffnete Konditorei verfügt. Auch wenn die G. den Tatbestand einer
Unterversorgung nicht festzustellen vermag ( S. 17) besteht derzeit im Gemeindegebiet der Beigeladenen Ziffer
2 jedenfalls kein Angebot eines „Soft“-Discounters im Übergang zum Supermarkt bzw. Vollsortimenter mit ca.
4500 Artikeln. Dementsprechend erwartet die Auswirkungsanalyse der G. aufgrund der fehlenden
Angebotstruktur in der Ansiedlung des beabsichtigen Nettomarktes für D. (trotz des L.-Discounters!) keine
unmittelbaren wesentlichen städtebaulichen und nahversorgungsrelevanten Auswirkungen (S. 17). Die
Optimierung der örtlichen Versorgung ist aber durchaus ein legitimes Interesse der Beigeladenen Ziffer 2. Auf
der anderen Seite lässt sich zudem auch nicht erkennen, dass die Antragstellerin ein Einzelhandelskonzept -
jedenfalls im hier relevanten Lebensmittelbereich - hätte, welches durch das Bauvorhaben in gewichtiger Weise
betroffen sein könnte. Fraglich ist, ob in dem Gutachten der K. „Stadtentwicklung und Einzelhandel Stadt S.“
vom Mai 1997 und der „Umsetzungsvereinbarung“ vom 13.03.1998 in Verbindung mit den diesbezüglichen
Gemeinderatsbeschlüssen, namentlich dem Beschluss vom 11.02.1998 überhaupt ein solches Konzept
gesehen werden kann. Aus dem Gutachten der K. ergibt sich, dass die wohnortnahe Versorgung in S. (im Jahr
1997) als gut bezeichnet wird (S. 48), die Lebensmittelbetriebe allerdings an nicht integrierten Standorten im
Gewerbegebiet liegen (S. 15) und die Innenstadt von diesen Betrieben nur in geringem Maße profitiert ( S. 25).
Die Lage der Betriebe wurde sogar als Konkurrenz für die Innenstadt angesehen (S. 48). Als anzustrebende
Maßnahmen nannte das Gutachten - soweit vorliegend relevant - die Ansiedlung eines Lebensmittelbetriebs mit
der Funktion eines innerstädtischen Magnetbetriebes in guter verkehrlicher Lage ohne negative Auswirkung auf
die Innenstadt (S. 56). Als konkrete Maßnahme wurde in der Innenstadt die Neubebauung im Bereich des Z.
angesprochen, deren Variante 2 u.a. die Errichtung eines Lebensmittelmarktes im EG ( mit ca. 600 qm )
beinhaltete (S. 57).
36 Tatsächlich aber wurden in den Jahren 2002 und 2004 die beiden im Gewerbegebiet gelegenen
Lebensmittelbetriebe aus dem Gewerbegebiet in ein noch weiter von der Innenstadt der Antragstellerin
entferntes Mischgebiet verlagert und dabei nicht unerheblich vergrößert. Zwar kann insoweit von einer - wohl
„teilintegrierten“ - Magnetfunktion gesprochen werden, fraglich erscheint aber, ob dies als innerstädtische
Magnetfunktion bezeichnet werden kann. Schließlich kam es offensichtlich auch nicht zu einer Realisierung der
im Gutachten der K. angesprochenen Maßnahme „Variante 2“ im Bereich des Z., jedenfalls im Blick auf den
avisierten Lebensmittelbetrieb. Angesichts all dessen erscheint sehr fraglich, ob (im Bereich der
Lebensmittelversorgung) von einer nachdrücklich verfolgten Einzelhandelskonzeption der Antragstellerin
ausgegangen werden kann.
37 Nach alledem gilt folgendes: Auch wenn es angesichts der sehr verkehrsgünstigen Lage des Vorhabens an der
B, des Umstandes zahlreicher Pendler aus dem Verflechtungsbereich S. nach B. und schließlich des nur
„teilintegrierten“ Standortes der Lebensmittelversorgung in S. am süd-östlichen Ortsrand der Stadt, ca. 1 km
außerhalb der Stadtmitte gelegen durchaus zu einer Umsatzverlagerung zu Lasten des Versorgungsstandortes
S. kommen wird, vermag das Gericht bei der gebotenen summarischen Betrachtung jedoch nicht festzustellen,
dass es durch das die Angebotsstruktur im Gebiet der Beigeladenen Ziffer 2 erkennbar verbessernde Vorhaben
der Beigeladenen Ziffer 1 zu unzumutbaren Auswirkungen auf die Versorgung der Antragstellerin im
Lebensmittelbereich kommen könnte.
38 Der Antrag ist hiernach mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Es entsprach der Billigkeit,
der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der beiden Beigeladenen aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3
VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG (vgl.
Streitwertkatalog 2004, Ziffer 9.7.2., wobei der Streitwert von 30.000 EUR angesichts des vorliegenden
vorläufigen Rechtschutzverfahrens zu halbieren war (Ziffer 1.5. des Streitwertkataloges 2004).