Urteil des VG Sigmaringen vom 26.07.2010

VG Sigmaringen (treu und glauben, allgemeines verwaltungsrecht, satzung, auflage, klinik, baden, württemberg, chirurgie, öffentlich, vertrag)

VG Sigmaringen Beschluß vom 26.7.2010, 8 K 273/10
Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine Organisationsentscheidung
Leitsätze
Zur Unwirksamkeit einer Entwicklungs- und Anpassungsklausel in einem Chefarztvertrag zwischen
Universitätsklinikum und beamteten Hochschulprofessor
Tenor
Dem Antragsgegner wird vorläufig untersagt, den Organisationsbeschluss seines Klinikumsvorstands vom
18.06.2008 in der Fassung des Umlaufbeschlusses vom 08./11.02.2010 zu vollziehen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Organisationsentscheidung des
Antragsgegners.
2
Die Antragstellerin ist im Jahr 2001 vom Beigeladenen Ziff. 2 zur Universitätsprofessorin ernannt worden und
ist seitdem Inhaberin der C4-Professur für Viszerale Chirurgie an der Medizinischen Fakultät der Beigeladenen
Ziff. 1. Gleichzeitig wurde ihr vom Antragsgegner die Leitung der Abteilung Viszeral- und
Transplantationschirurgie übertragen (heute: Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie).
3
Der Klinikumsvorstand des Antragsgegners hat am 18.06.2008 die Errichtung eines Departments für
Allgemeine und Viszeralchirurgie und damit zusammenhängend eine Umstrukturierung der von der
Antragstellerin geleiteten Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie beschlossen.
Leitungsfunktionen und Aufgabenbereich der Antragstellerin im Universitätsklinikum würden mit Inkrafttreten
des Beschlusses zur Errichtung des Departments erheblich eingeschränkt (z. B. Leitung des Departments
durch einen Vorstand, dem die Professoren der Besoldungsgruppe W3, C4 und C3 angehören; Untergliederung
des Departments in „Klinik für Allgemeine Chirurgie“, „Klinik für Onkologische Chirurgie“ und „Abteilung für
Kinderchirurgie“ sowie Herausnahme der Transplantationschirurgie, da diese der „Klinik für Urologie und
Kinderurologie“ zugeordnet werden soll; der Antragstellerin verbliebe nur noch die Leitung der neu geschaffenen
„Klinik für Allgemeine Chirurgie“). Der streitige Organisationsbeschluss enthält den Schlusssatz, dass die
Organisationsmaßnahmen nach Zustimmung des Aufsichtsrats mit der Annahme eines Rufs auf eine
auszuschreibende W3-Professur für Onkologische Chirurgie in Kraft treten. Nach Zustimmung des
Aufsichtsrats und Feststellung der Funktionsbeschreibung für die neu zu schaffende Stelle der Professur für
Onkologische Chirurgie ist im Deutschen Ärzteblatt vom 20.02.2009 eine W3-Professur für Allgemeine und
Viszeralchirurgie ausgeschrieben worden.
4
Bereits im August 2009 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen einstweiligen
Rechtsschutz beantragt, gerichtet gegen die Universität (Beigeladene Ziff. 1) und gegen das Land
(Beigeladener Ziff. 2). Dieser Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO blieb ohne Erfolg, da die Antragstellerin
einen Anordnungsanspruch auf die von ihr begehrte vorläufige Untersagung einer Berufung,
Einvernehmenserteilung hierzu oder Ernennung eines Bewerbers auf die ausgeschriebene W3-Professur für
Allgemeine und Viszeralchirurgie nicht glaubhaft gemacht hat (vgl. den Beschluss der Kammer vom
09.11.2009 - 8 K 1946/09 - sowie den hierzu ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, juris).
5
Die Antragstellerin hat am 10.09.2009 beim Arbeitsgericht Ulm Klage gegen den Antragsgegner erhoben. Ziel
der Klage ist u. a. die Feststellung, dass der Beschluss des Antragsgegners vom 18.06.2008 unwirksam ist.
Das Arbeitsgericht Ulm hat mit Beschluss vom 03.02.2010 - 4 Ca 440/09 - entschieden, dass der Rechtsweg
zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig ist und hat den Rechtsstreit zuständigkeitshalber an das
Verwaltungsgericht Sigmaringen verwiesen. Die hiergegen von der Antragstellerin erhobene sofortige
Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 02.06.2010 - 3 Ta 10/10 -
Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 02.06.2010 - 3 Ta 10/10 -
als unbegründet zurückgewiesen. Die Klage wird seitdem beim Verwaltungsgericht Sigmaringen unter dem
Aktenzeichen 8 K 1362/10 fortgeführt.
II.
6
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist zulässig und begründet.
7
Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist als gegeben anzusehen. Der Beschluss des
Arbeitsgerichts Ulm vom 03.02.2010 - 4 Ca 440/09 -, juris, mit dem das Hauptsacheverfahren
zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht Sigmaringen verwiesen worden ist, ist rechtskräftig geworden.
Die Verweisung ist nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich des Rechtswegs bindend, so dass das
Verwaltungsgericht Sigmaringen als das Gericht der Hauptsache nach § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch für den
Erlass einer einstweiligen Anordnung zuständig ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.08.2005
- 12 E 860/05 -, NVwZ-RR 2006, 365).
8
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund für den Erlass einer
Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §
920 Abs. 2 und § 294 ZPO). Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand und der im vorläufigen
Rechtschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass eine (weitere)
Umsetzung der vom Klinikumsvorstand am 18.06.2008 beschlossenen Organisationsmaßnahmen Rechte der
Antragstellerin aus dem Vertrag vom 22.02./14.03.2001 (sog. Chefarztvertrag) verletzt.
9
Durch den Vertrag vom 22.02./14.03.2001 sind im Verhältnis zum Antragsgegner die Leitungsfunktion, der
Aufgabenbereich und die Liquidationsbefugnis der Antragstellerin begründet worden. Der Chefarztvertrag regelt
die einzelnen Bedingungen des Dienstverhältnisses zwischen dem Antragsgegner und der Antragstellerin.
Diese Bedingungen betreffen nicht nur das Liquidationsrecht, die Mittelausstattung für medizinische Forschung
und Lehre, sondern auch die sonstigen Arbeitsbedingungen, die fachlichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie
insgesamt das „Standing“ des betroffenen Chefarztes im Gesamtgefüge von Klinikum und Universität (vgl.
Böhmann, MedR 2007, 465). Indem solche Bedingungen eingeräumt werden, wird die Attraktivität der zu
besetzenden Stelle erhöht und damit auch die Chancen von Universität und Klinikum verbessert, im
Wettbewerb der Hochschulen untereinander qualifiziertes akademisches Personal zu gewinnen; entsprechende
Angebote sind in der Praxis nicht selten ausschlaggebend für die Standortentscheidung qualifizierter
Professoren (vgl. zur Ausstattungszusage VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2008 - 9 S 1507/06 -,
VBlBW 2009, 69). Das Liquidationsrecht beamteter Klinikdirektoren ist außerdem als notwendige Kehrseite des
Verbots, eine eigene Praxis außerhalb der Klinik zu betreiben, bezeichnet worden (vgl. Blümel/Scheven, in:
Flämig u. a., Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Auflage, Bd. 1, S. 478). Zudem wurde das
Liquidationsrecht als Ausgleich für die besonderen Dienstleistungsbedingungen und die ungewöhnliche
Verantwortungslast des Amtes eines beamteten Chefarztes angesehen (vgl. Wahlers, ZBR 2006, 221, 227).
Die Möglichkeit, ein persönliches Behandlungsrecht zu vereinbaren oder zuzusichern, sowie die Ausübung der
entsprechenden Nebentätigkeit unter Inanspruchnahme der sachlichen und personellen Infrastruktur der Klinik
sind als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Artikel 33 Abs. 5 GG gewährleistet
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513, 558/74 -, BVerfGE 52, 303; BVerwG, Urteil vom
27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 130, 252; Blümel/Scheven, in: Flämig u. a., Handbuch des
Wissenschaftsrechts, 2. Auflage, Bd. 1, S. 478; Böhmann, WissR 2007, 403, 416 ff.). Auf die
Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material besteht im Rahmen des im Chefarztvertrag
festgelegten Umfangs ein Rechtsanspruch, denn anderenfalls liefe das Recht auf Eigenliquidation, das
beamteten Klinikdirektoren kraft eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums rechtswirksam
eingeräumt werden kann, leer (vgl. Blümel/Scheven, in: Flämig u. a., Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2.
Auflage, Bd. 1, S. 478). Die einzelnen Regelungen im Chefarztvertrag vom 22.02./14.03.2001, insbesondere
die Übertragung der Leitung der „Abteilung für Viszeral- und Transplantationschirurgie“, beziehen sich somit auf
eine bestimmte oder zumindest bestimmbare Abteilung, wie sie insbesondere im gemeinsamen
Berufungsangebot von Klinikum und Medizinischer Fakultät vom 13.02.2001 im Einzelnen beschrieben worden
ist. Nur ein solches Verständnis wird dem Vertragstext und den damaligen Interessen der Vertragsparteien
gerecht; anderenfalls würden auch einige Regelungen des Vertrages, wie etwa die Entwicklungs- und
Anpassungsklausel (§ 4) oder der Ausschluss von Ausgleichsansprüchen (§ 5 Abs. 8) keinen Sinn machen.
10 Der Antragsgegner ist zu einer unmittelbaren Anpassung oder Änderung der vertraglich geregelten
Rechtsbeziehungen nur dann befugt, wenn ihm eine entsprechende einseitige Vertragsänderungsbefugnis
zustehen würde. Als Grundlage für die mit der streitigen Organisationsentscheidung einhergehende einseitige
Vertragsänderung kommt derzeit nur die in § 4 des Chefarztvertrages vom 22.02./14.03.2001 enthaltene
Entwicklungs- und Anpassungsklausel in Betracht. Diese Entwicklungs- und Anpassungsklausel ist jedoch
unwirksam und fällt ersatzlos weg. Außerdem würde sie auch einer Ausübungskontrolle nicht Stand halten, da
die streitige Organisationsentscheidung voraussichtlich weder dem Satzungsvorbehalt nach § 13 Abs. 1 Satz 2
und 3 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 bis 4 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UKG noch dem Erfordernis „Im Benehmen mit
der Abteilungsleiterin“, welches in der Entwicklungs- und Anpassungsklausel enthalten ist, genügt.
11 Dabei kann offen bleiben, ob die Vereinbarung vom 22.02./14.03.2001 zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher
Natur ist. Die Verweisung der Hauptsache an das Verwaltungsgericht (ArbG Ulm, Beschluss vom 03.02.2010 -
4 Ca 440/09 -, juris; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.06.2010 - 3 Ta 10/10 -) ist nur hinsichtlich
des Rechtswegs, nicht aber in Bezug auf das materielle Recht bindend (vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO,
3. Auflage, § 17a GVG Rdnr. 21). Für die Abgrenzung eines öffentlich-rechtlichen von einem zivilrechtlichen
Vertrag kommt es auf dessen Gegenstand und Zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrags bestimmt sich
danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 26.05.2010 - 6 A 5/09 -, juris). Es steht außer Frage, dass der Vertrag vom
22.02./14.03.2001 sich auf Rechtsnormen bezieht, die einen öffentlich-rechtlichen Charakter aufweisen,
nämlich solche des Hochschulrechts, des Beamtenrechts und des Universitätsklinika-Rechts. Allerdings ist
nach dem Grundsatz der Wahlfreiheit der Verwaltung die Verwaltung berechtigt, sich der Organisations- und
Handlungsform des Privatrechts zu bedienen, sofern die Rechtsordnung dies nicht verbietet. Das Prinzip der
Wahlfreiheit lässt gerade auch dann privatrechtliche Handlungsformen zu, wenn es darum geht, unmittelbare
öffentliche Aufgaben zu erfüllen, und die öffentliche Hand öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt.
Hinsichtlich der Qualifizierung von Verträgen ist deshalb von dem Grundsatz auszugehen, dass nicht allein aus
der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf den öffentlich-rechtlichen Charakter der betreffenden Maßnahme
geschlossen werden darf. Maßgeblich für die Zuordnung eines Rechtsverhältnisses zum öffentlichen Recht
oder zum Privatrecht ist nicht das Ziel, sondern die Rechtsform staatlichen Handelns und damit letztlich der
Wille der vertragsschließenden Parteien (zum Ganzen vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.05.2007 - 6 B 10/07 -,
BVerwGE 129, 9; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, § 40 Rdnr. 396; Battis, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S. 5, 215 f.). Der Wille, einen privatrechtlichen Vertrag abschließen zu wollen,
kann zum Beispiel in einer vertraglichen Gerichtsstandsklausel zu erblicken sein (vgl. Sodan, in:
Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, § 40 Rdnr. 396; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S. 216;
einschränkend BGH, Beschluss vom 20.05.2009 - XII ZB 166/08 -, NVwZ 2009, 1054, wonach eine
Gerichtsstandsvereinbarung dem öffentlich-rechtlichen Charakter nicht zwingend entgegen stehe). In dem
Positionspapier der Kultusministerkonferenz zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des
Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom
19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell
vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein
Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung
ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der
Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten
„Bericht über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers der KMK vom 19.11.1999 in den Ländern“ vom
20.06.2003). Vor diesem Hintergrund wird in dem einschlägigen Schrifttum nahezu einhellig davon
ausgegangen, dass auch im Fall eines beamteten Hochschulprofessors die Leitungsaufgaben und die
Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen privatrechtlichen Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum
übertragen werden (vgl. z. B. Böhmann, WissR 2007, 403, 411 ff.; Wahlers, ZBR 2006, 221, 223, 227 ff.;
Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Auflage, Kapitel 4 Rdnr. 1205; derselbe,
in: Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Band 2, Hochschulmedizin und Universitätsklinika,
Rdnr. 214). Hinzu kommt, dass zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner kein Beamtenverhältnis
besteht (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 -, juris). Die Vereinbarung vom
22.02./14.03.2001 ist im Vorfeld des Vertragsschlusses vom Antragsgegner als Chefarztvertrag (vgl. den
Vermerk des Kaufmännischen Vorstands des Antragsgegners vom 03.01.2001) bzw. als Chefarztvereinbarung
(vgl. das gemeinsame Berufungsangebot des Antragsgegners und der Medizinischen Fakultät vom 13.02.2001)
bezeichnet worden. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg hat
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufgaben in der Krankenversorgung am Universitätsklinikum U. „in
einem besonderen Vertrag von dem rechtlich selbständigen Universitätsklinikum übertragen“ werden und hat
zugleich diesen Vertrag mit dem Universitätsklinikum als Dienstvertrag bezeichnet (vgl. das
Berufungsschreiben des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg vom
04.12.2000; das an die Antragstellerin gerichtete Schreiben des Ministeriums vom 26.03.2001; die zwischen
dem Land und der Antragstellerin getroffene Berufungsvereinbarung vom 26.04./30.04.2001). Schließlich
enthält die Vereinbarung vom 22.02./14.03.2001 in § 12 Abs. 3 eine Gerichtsstandsklausel, wonach der
Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung U. ist. Diese Gerichtsstandsvereinbarung macht nur
Sinn, wenn die Vertragsparteien ein privatrechtliches Dienstverhältnis haben begründen wollen (vgl. VG
Freiburg, Urteil vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 -, juris; aus dem Tatbestand dieser Entscheidung geht hervor,
dass in dem dort streitgegenständlichen Chefarztvertrag ausdrücklich geregelt war, dass das Dienstverhältnis
zwischen dem beamteten Hochschulprofessor und dem Universitätsklinikum bürgerlich-rechtlicher Natur sei;
das zunächst angerufene Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit gleichwohl an das Verwaltungsgericht Freiburg
verwiesen). Rückschlüsse auf die Rechtsnatur der Vereinbarung vom 22.02./14.03.2001 lassen auch die
ursprünglichen Äußerungen des Antragsgegners und der Universität zu: So hat der Vorstandsvorsitzende des
Antragsgegners in einem Schreiben an den Präsidenten der Universität U. vom 01.09.2009 ausgeführt, dass
„die dem Änderungsbedarf zugrunde liegenden Prognosen eines Krankenhausträgers in solchen Fällen nur
einer eingeschränkten (arbeits-)gerichtlichen Kontrolle“ unterliegen würden, ferner, dass die Einschränkung des
Liquidationsrechts der Antragstellerin „nicht Gegenstand des verwaltungsrechtlichen Verfahrens sein kann“. Die
Universität hat in ihrem Schriftsatz vom 03.09.2009 im Verfahren 8 K 1946/09 ausgeführt, dass eine
Übertragung der Aufgaben als Ärztliche Direktorin der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und
Transplantationschirurgie nicht durch Berufungsangebot oder Berufungsvereinbarung erfolgt sei, sondern die
Antragstellerin diese Aufgaben „vielmehr aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit und für das (rechtlich
selbständige) Universitätsklinikum“ wahrnehme. Bei einer Gesamtbetrachtung ist deshalb die Kammer in ihrem
Beschluss vom 09.11.2009 - 8 K 1946/09 - (S. 5 f.) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Leitungsaufgaben und
die Aufgaben in der Krankenversorgung der Antragstellerin durch einen gesonderten privatrechtlichen
Chefarztvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen worden seien. Die Kammer geht in der folgenden
Prüfung jedoch davon aus, dass der Chefarztvertrag bzw. Dienstvertrag zwischen der Antragstellerin und dem
Antragsgegner vom 22.02./14.03.2001 öffentlich-rechtlicher Natur ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss
vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, juris). Das Ergebnis dieser Prüfung gilt erst recht dann, wenn der
Chefarztvertrag privatrechtlicher Natur wäre.
12 Die in § 4 des Chefarztvertrags vom 22.02./14.03.2001 enthaltene Entwicklungs- und Anpassungsklausel
verstößt gegen § 308 Nr. 4 und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 62 Satz 2 LVwVfG. Auf öffentlich-rechtliche
Verwaltungsverträge finden nach § 62 Satz 2 LVwVfG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
ergänzend entsprechende Anwendung. Der Verweis auf das BGB ist dynamischer Natur. Nach Eingliederung
des AGB-Gesetzes in das BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sind nunmehr die §§ 305 bis
310 BGB über § 62 Satz 2 LVwVfG auf öffentlich-rechtliche Verträge anzuwenden (vgl. z. B. Schliesky, in:
Knack/Henneke, VwVfG, 9. Auflage, § 62 Rdnr. 29; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage, § 62
Rdnr. 59; Grüneberg, in: Palandt, 69. Auflage, Vorb v § 307 Rdnr. 4; Wolff/Bachof/Stober/Kluth,
Verwaltungsrecht, Band 1, 12. Auflage, § 54 Rdnr. 24; Gurlit, in: Erichsen/Ehlers/Burgi, Allgemeines
Verwaltungsrecht, 13. Auflage, § 29 Rdnr. 11; Christmann, Der öffentlich-rechtliche Vertrag mit privaten Dritten
im Lichte der Schuldrechtsreform, 2010, S. 75 ff., 105, 109; Geis, NVwZ 2002, 385, 386; SG Wiesbaden,
Gerichtsbescheid vom 24.09.2008 - S 17 KR 296/07 -, juris). Der vorliegende Fall verdeutlicht, dass der Bürger
im Verhältnis zum Staat unabhängig von der Wahl der Rechtsform gleichermaßen schutzbedürftig ist, weil in
vielen Fällen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Vertrag austauschbar bzw. funktionsgleich sind. Der in
§ 62 Satz 2 LVwVfG enthaltene Verweis auf die §§ 305 ff. BGB erstreckt sich zwangsläufig auch auf den
Artikel 229 § 5 EGBGB, da dieser als „Allgemeine Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Modernisierung des
Schuldrechts vom 26.11.2001“ lediglich die Anwendung der neuen §§ 305 ff. BGB auf bestehende
Rechtsverhältnisse regelt. Solche Übergangsvorschriften treffen keine eigenständigen Regelungen in Bezug
auf einen bestimmten Sachbereich, sondern sind unzertrennlicher Teil der neuen Regelungen, deren
Anwendung sie insbesondere im Hinblick auf bereits bestehende Rechtsverhältnisse regeln. Sie sind daher Teil
dieser Vorschriften, auf die sie sich beziehen, auch wenn sie - wie im vorliegenden Fall - aus Gründen der
Übersichtlichkeit bei einer Kodifikation wie dem BGB nicht in diesem, sondern in einem eigenen
Einführungsgesetz zusammengefasst werden. Im Übrigen beruht die in Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB für
Dauerschuldverhältnisse getroffene Übergangsregelung auf dem allgemeinen Grundsatz, dass für
Rechtsverhältnisse, die auf Dauer angelegt sind, im Zweifel das neue Recht anzuwenden ist (vgl. Handbuch
der Rechtsförmlichkeit, hrsg. vom Bundesministerium der Justiz, 3. Auflage, Rdnr. 412 ff., 684 f, 756 ff.).
13 Die in § 4 des Chefarztvertrags vom 22.02./14.03.2001 enthaltene Entwicklungs- und Anpassungsklausel
verstößt gegen § 308 Nr. 4 und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und fällt damit im vorliegenden Fall ersatzlos weg.
Die Entwicklungs- und Anpassungsklausel in § 4 stellt eine vorformulierte Vertragsbedingung dar, die der
Antragsgegner der Antragstellerin bei Abschluss des Chefarztvertrags stellte (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies
ergibt sich eindeutig aus den Behördenakten, z. B. heißt es in einem Aktenvermerk des Antragsgegners vom
03.01.2001, dass der Antragstellerin am 12.01.2001 das „Muster eines Chefarztvertrages“ ausgehändigt werde
(zur Verwendung von Chefarztvertragsmustern im Bereich der Hochschulmedizin vgl. z. B. Böhmann, WissR
2007, 403, 419 ff.; Wahlers, ZBR 2006, 221, 229). Der Chefarztvertrag datiert auf den 22.02./14.03.2001.
Gemäß Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB finden auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem Inkrafttreten des
Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 01.01.2002 begründet worden sind, vom 01.01.2003 an das
Bürgerliche Gesetzbuch und somit auch die §§ 305 ff. BGB Anwendung. Damit hat Artikel 229 § 5 Satz 2
EGBGB dem Dienstherrn eine Schutzfrist zur Umstellung seiner vorformulierten Dienstverträge bis zum
31.12.2002 gewährt. Mit Ablauf dieser Schutzfrist verlagert sich der Prüfungsschwerpunkt von der Ausübungs-
zur Inhaltskontrolle. Anders als bei der früheren Prüfung im Rahmen des § 242 BGB ist bei zu weit gefassten
Klauseln nicht mehr zu prüfen, ob sich der Dienstherr im konkreten Einzelfall Treu und Glauben oder billigem
Ermessen entsprechend verhalten hat. Die Inhaltskontrolle nach den §§ 307, 308 BGB zwingt zu einer
generellen, typisierenden Prüfung. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das
Stellen inhaltlich unangemessener allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst den unangemessenen
Gebrauch einer Klausel im konkreten Einzelfall. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tragen auch solche
Klauseln, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im
Entscheidungsfall nicht realisiert hat (vgl. BAG, Urteil vom 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -, juris; Urteil vom
19.12.2006 - 9 AZR 294/06 -, juris; Hümmerich/Bergwitz, BB 2005, 997 ff.).
14 Im vorliegenden Fall verstößt die vom Antragsgegner vorformulierte Entwicklungs- und Anpassungsklausel
bereits deshalb gegen § 308 Nr. 4 und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da nicht angegeben ist, unter welchen
Voraussetzungen tatsächlich das einseitige Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt werden kann.
Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderungen müssen möglichst konkretisiert werden. Die
widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein, damit der Betroffene erkennen kann, was ggf.
auf ihn zukommt. Der Kalkulierbarkeit und Vorhersehbarkeit hinsichtlich der Ausübung des einseitigen
Vertragsänderungsrechts kommt ein besonderes Gewicht zu, weil der Betroffene die Möglichkeit haben muss,
den Eintritt der Voraussetzungen für das vorbehaltene Vertragsänderungsrecht zu verhindern oder sich
zumindest auf eine drohende Änderung rechtzeitig einzustellen. Bei einer gänzlich unbestimmten
Entwicklungs- und Anpassungsklausel ist es für den Empfänger eines Anpassungsverlangens überdies kaum
möglich festzustellen, ob die geltend gemachte Anpassung berechtigt ist. Keinesfalls genügt der in der
Entwicklungs- und Anpassungsklausel enthaltene Passus „wenn dies sachlich geboten ist“, da diese
Voraussetzung völlig unbestimmt ist, nichts zur Reichweite des Änderungsrechts aussagt und letztlich nur eine
Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringt. In Rechtsprechung und Schrifttum ist geklärt, dass eine
Entwicklungs- und Anpassungsklausel in der Art, wie sie in § 4 des Chefarztvertrags vom 22.02./14.03.2001
enthalten ist, gegen § 308 Nr. 4 und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt (vgl. ArbG Heilbronn, Urteil vom
04.09.2008 - 7 Ca 214/08 -, juris; ArbG Hagen, Urteil vom 05.09.2006 - 5 (2) Ca 2811/05 -, juris; ArbG
Paderborn, Urteil vom 12.04.2006 - 3 Ca 2300/05 -, juris; Gaul/Ludwig, BB 2010, 55; Häcker, ArbRB 2009, 51;
Maus, KHR 2007, 6; Böhmann, MedR 2007, 465; derselbe, WissR, 2007, 403; Junker, BB 2007, 1274;
Hümmerich/Bergwitz, BB 2005, 997; Reinecke, NJW 2005, 3383; s. a. BAG, Urteil vom 11.02.2009 - 10 AZR
222/08 -, juris; Urteil vom 19.12.2006 - 9 AZR 294/06 -, juris; Urteil vom 12.01.2005 - 5 AzR 364/04 -, juris). Es
kann offen bleiben, ob die streitige Entwicklungs- und Anpassungsklausel auch deshalb unwirksam ist, weil sie
nicht erkennen lässt, welcher Anteil am Gesamtverdienst dem Chefarzt nach den Änderungen in jedem Fall
verbleiben muss.
15 Der Verstoß gegen § 308 Nr. 4 und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB führt zur Unwirksamkeit der Entwicklungs- und
Anpassungsklausel, während der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt; ebenso entspricht es allgemeiner
Auffassung, dass eine geltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht kommt. Zunächst wurde erwogen, bei
Verträgen, die vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 geschlossen worden
sind, die durch die Unwirksamkeit der Klausel entstandene Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu
schließen (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 364/04 -, juris; Reinecke, NJW 2005, 3383).
Inzwischen wird jedoch nahezu einhellig davon ausgegangen, dass auch in einem solchen Altfall eine
ergänzende Vertragsauslegung ausscheidet. Teils wird dies damit begründet, dass ein Arbeitgeber nur dann
schutzwürdig sei, wenn er die ihm in Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB eingeräumte einjährige Übergangsfrist bis
zum 01.01.2003 dazu genutzt hat, zu versuchen, die im Dienstvertrag enthaltene Entwicklungs- und
Anpassungsklausel auf das nach dem neuen Recht zulässige Maß zurückzuführen. Teils wird eine ergänzende
Vertragsauslegung bereits deshalb ausgeschlossen, weil die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel
keine systemwidrige Lücke hinterlassen würde. Die ersatzlose Streichung der Entwicklungs- und
Anpassungsklausel führe nicht dazu, dass der Dienstherr auf Dauer den bisherigen Aufgabenbereich des
Chefarztes nicht ändern könne. Zur Durchsetzung der von dem Dienstherrn angestrebten
Organisationsmaßnahmen sei er auf die arbeitsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten zu verweisen, nämlich
einvernehmliche Änderungen oder - aus betriebsbedingten oder verhaltensbedingten Gründen - eine
Änderungskündigung; daneben sind Modifikationen möglich, wenn die Geschäftsgrundlage gestört ist (§ 60
LVwVfG, § 313 BGB) oder wenn das disziplinarrechtliche Instrumentarium greift. Teils wird darauf hingewiesen,
dass bei der ergänzenden Vertragsauslegung anders als bei der geltungserhaltenden Reduktion nicht nach dem
„gerade noch Zulässigen“ zu suchen sei. Vielmehr sei zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn
ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Abänderungsklausel bekannt gewesen wäre.
Entscheidend sei dabei nicht die subjektive Vorstellung einer Vertragspartei, sondern welche Regelung von den
Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Klausel nach dem Vertragszweck und angemessener
Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als redliche Vertragspartner
gewählt worden wäre. Von diesem Ausgangspunkt wird die Auffassung vertreten, dass es verschiedene
Gestaltungsmöglichkeiten gebe, um die infolge der unwirksamen Klausel entstandene Lücke auszufüllen, und
regelmäßig kein Anhaltspunkt dafür bestehe, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich
angeordnete Unwirksamkeit der Abänderungsklausel bekannt gewesen wäre. Dabei wird vor allem darauf
hingewiesen, dass die Variationsbreite der möglichen Änderungen groß und nicht nur finanziell zu messen sei
(siehe zum Ganzen: BAG, Urteil vom 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -, juris; Urteil vom 19.12.2006 - 9 AZR
294/06 -, juris; BGH, Urteil vom 03.11.1999 - VIII ZR 269/98 -, juris; ArbG Heilbronn, Urteil vom 04.09.2008 - 7
Ca 214/08 -, juris; ArbG Hagen, Urteil vom 05.09.2006 - 5 (2) Ca 2811/05 -, juris; ArbG Paderborn, Urteil vom
12.04.2006 - 3 Ca 2300/05 -, juris; Gaul/Ludwig, BB 2010, 55; Häcker, ArbRB 2009, 51; Maus, KHR 2007, 6;
Böhmann, MedR 2007, 465; derselbe, WissR, 2007, 403; Junker, BB 2007, 1274; Hümmerich/Bergwitz, BB
2005, 997).
16 Die salvatorische Klausel in § 12 Absatz 2 des Chefarztvertrags führt zu keinem anderen Ergebnis. Die §§ 305
ff. BGB können im Ergebnis nicht durch eine formularmäßige Klausel abbedungen werden. Eine solche Klausel
ist selbst nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 25.05.2005 - 5
AZR 572/04 -, juris). Jedenfalls hat eine solche Klausel neben der - hier allerdings nicht gegebenen -
Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung keine eigenständige Bedeutung (vgl. Junker, BB 2007, 1274,
1281).
17 Unterstellt, die in § 4 des Chefarztvertrags enthaltene Entwicklungs- und Anpassungsklausel wäre anwendbar,
wäre hier jedenfalls davon auszugehen, dass das einseitige Vertragsänderungsrecht vom Antragsgegner
fehlerhaft ausgeübt worden ist. Im vorliegenden Fall sind die streitigen Organisationsmaßnahmen nicht - wie
vertraglich vereinbart - „Im Benehmen mit der Abteilungsleiterin“ vorgenommen bzw. beschlossen worden.
Außerdem ist voraussichtlich dem Satzungsvorbehalt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 bis 4
i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UKG nicht genügt worden. Offen bleiben kann dagegen, ob die vom
Antragsgegner beschlossene Vertragsänderung billigem Ermessen entspricht, was zum einen voraussetzt,
dass die Ausübung des Vertragsänderungsrechts nicht zu einer grundlegenden Störung des Gleichgewichts
zwischen Leistung und Gegenleistung und damit zu einer Umgehung des Kündigungsschutzrechts führt, und
dass zum anderen die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen
berücksichtigt worden sind (zum Erfordernis des billigen Ermessens vgl. z. B. BAG, Urteil vom 12.01.2005 - 5
AZR 364/04 -, juris; Böhmann, MedR 2007, 465; Hümmerich/Bergwitz, BB 2005, 997; Reinecke, NJW 2005,
3383).
18 Unter dem Begriff des Benehmens ist eine Mitwirkungsform zu verstehen, die schwächer ist als das
Einvernehmen oder die Zustimmung. Benehmen bedarf zwar keiner Willensübereinstimmung, verlangt wird
jedoch ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung des anderen. Dadurch soll sichergestellt
werden, dass der von einem solchen Erfordernis Begünstigte eigene Vorstellungen vor einer endgültigen
Entscheidung des anderen einbringen und damit deren Inhalt beeinflussen kann. Danach erschöpft sich die
Herstellung des Benehmens nicht in einer bloßen Information oder Anhörung. Stärker als die Anhörung setzt
das Benehmen eine Fühlungnahme voraus, die von dem Willen getragen wird, auch die Belange der anderen
Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen. Erhebliche Einwände oder Bedenken dürfen deshalb
nicht einfach übergangen werden. Vielmehr ist auf den Ausgleich aufgetretener Differenzen hinzuwirken. Bei
dennoch verbleibenden Meinungsunterschieden ist jedoch der Wille des Regelungsbefugten ausschlaggebend.
Als derart spezifische Form eines Zusammenwirkens hat das Benehmen schon bei der zu treffenden
Sachentscheidung vorzuliegen, d. h. seine bezeichnenden Merkmale - Informierung, Abgabe und
Entgegennahme der Äußerung, ggf. Bemühung um Konsens - müssen als äußere Akte prinzipiell bereits vor
der entsprechenden Beschlussfassung über die angestrebten Änderungen erfolgen (vgl. z. B. BAG, Urteil vom
13.03.2003 - 6 AZR 557/01 -, juris; Urteil vom 24.08.1994 - 6 RKa 15/93 -, juris; Urteil vom 15.12.1976 - 5 AZR
600/75 -, juris; Hümmerich/Bergwitz, BB 2005, 997). Die Abrede, dass das Universitätsklinikum strukturelle
und organisatorische Änderungen im Klinikum „Im Benehmen mit der Abteilungsleiterin“ vornehmen kann, stellt
somit ein Korrektiv der hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen und Reichweite unbestimmten
Entwicklungs- und Anpassungsklausel in § 4 des Vertrages vom 22.02./14.03.2001 dar.
19 Nach dem eigenen Verständnis des Antragsgegners ist der maßgebende und bindende Organisationsbeschluss
von seinem Klinikumsvorstand am 18.06.2008 gefasst worden (vgl. z. B. den Schriftsatz des seinerzeit
beigeladenen Universitätsklinikums an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Verfahren - 9 S
2586/09 - vom 14.01.2010; ferner den Beschluss der Kammer vom 09.09.2009 - 8 K 1946/09 - sowie den
Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, juris). Nach dem
Vortrag der Antragstellerin hat diese von den am 18.06.2008 beschlossenen Organisationsmaßnahmen
erstmals am 20.06.2008 Kenntnis erlangt; eine wie auch immer geartete Anhörung fand bis dahin nicht statt.
Auch den einschlägigen Sitzungsunterlagen, die dem Klinikumsvorstand bei seiner Beschlussfassung am
18.06.2008, dem Aufsichtsrat bei seiner Beschlussfassung am 09.07.2008 und dem Fakultätsrat bei seiner
Sitzung am 22.07.2008 vorgelegen haben, kann nichts entnommen werden, was darauf hindeuten könnte, dass
das Benehmen mit der Antragstellerin gesucht worden wäre. Insbesondere enthält das vom Antragsgegner
verfasste „Positionspapier zur Gründung eines Departments Allgemeine und Viszeralchirurgie“, welches dem
Gericht in zwei unterschiedlichen Versionen, jeweils ohne Datum, vorliegt, keinen Hinweis auf eine vorherige
Anhörung oder gar Stellungnahme der Antragstellerin; es werden dort auch nicht die Folgen der
Organisationsmaßnahmen für die Antragstellerin, deren betroffenen Interessen oder etwaige Alternativen
dargestellt. Wie ausgeführt, soll das Erfordernis „im Benehmen“ sicher stellen, dass der betroffene Chefarzt
seine Vorstellungen über Inhalt und Umfang der angestrebten Maßnahmen wirksam einbringen kann, bevor ein
endgültiger Beschluss gefasst wird. Dieser Zweck wurde hier verfehlt, ohne dass eine Heilung oder Nachholung
in Betracht kommt. Nach der Auffassung des Antragsgegners ist der Organisationsbeschluss vom 18.06.2008
maßgebend und spätestens seit der Zustimmung seines Aufsichtsrates am 09.07.2008 und der im gleichen
Monat erfolgten Einvernehmenserteilung durch die Medizinische Fakultät auch bindend. Rechtlich kommt es
daher nicht auf den Umstand an, dass in der Folgezeit „die Umstrukturierung der Allgemein- und
Viszeralchirurgie nunmehr seit über einem Jahr zwischen der Antragstellerin und dem Universitätsklinikum
wiederholt und ausführlich - sowohl in persönlichen Gesprächen wie auch schriftlich - diskutiert wurde“ (vgl. das
Schreiben des Vorstandsvorsitzenden des Antragsgegners an die Universität U. vom 01.09.2009). Die Kammer
vermag auch nicht der vom Antragsgegner vertretenen Ansicht zu folgen, dass es für das Benehmen rechtlich
auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts ankomme, also außer auf die Zustimmung des Aufsichtsrats auch
auf die Annahme eines Rufs auf eine W3-Professur für Onkologische Chirurgie. Für die Frage, ob die auferlegte
Beteiligungspflicht erfüllt worden ist, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen und nicht auf den
Zeitpunkt, an dem die bereits getroffene Entscheidung wirksam wird. Es liegt auf der Hand, dass die durch das
Benehmen bezweckte Einflussnahme der Antragstellerin auf die Willensbildung des Antragsgegners geringer
ausfällt, wenn die maßgebliche Entscheidung bereits getroffen wurde, die Zustimmung des Aufsichtsrates und
das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät bereits erteilt wurden und parallel zu den Gesprächen, die der
Antragsgegner mit der Antragstellerin geführt hat, bereits das Besetzungsverfahren für den künftigen Leiter der
neu geschaffenen Klinik für Onkologische Chirurgie im Gange ist. Außerdem könnte die Antragstellerin im Fall
einer Nachholung des Benehmens keinen Einfluss mehr nehmen auf die bereits erfolgte Zustimmung des
Aufsichtsrates und das bereits erteilte Einvernehmen der Medizinischen Fakultät. Insbesondere die nach § 7
Abs. 1 Satz 3 UKG zu Organisationsentscheidungen des Universitätsklinikums erforderliche
Einvernehmensentscheidung der Medizinischen Fakultät kann nach Auffassung der Kammer sachgerecht
überhaupt nur dann getroffen werden, wenn der Antragstellerin zuvor ausreichend Gelegenheit eingeräumt
worden ist, ihre Interessen geltend zu machen (zur Bedeutung des Einvernehmens der Medizinischen Fakultät
vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 -, juris; Beschluss vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -
, juris; Beschluss vom 27.11.2007 - 1 BvR 1736/07 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, juris).
20 Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UKG werden im Rahmen dieses Gesetzes die Rechtsverhältnisse des
Universitätsklinikums durch Satzung geregelt. In der Satzung sind die Grundsätze für die Gliederung des
Universitätsklinikums in medizinische und sonstige Einrichtungen, ihre Aufgaben, Nutzung und weitere
Untergliederung gemäß den Belangen der Krankenversorgung unter Berücksichtigung der Erfordernisse von
Forschung und Lehre festzulegen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 UKG). Darüber hinaus bestimmt die Satzung
insbesondere Näheres über die Errichtung, Änderung, Aufhebung und die Leitung der dem Universitätsklinikum
angehörenden Einrichtungen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UKG). Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 UKG wird die Satzung
vom Wissenschaftsministerium erlassen. Für die Gliederung des Universitätsklinikums gelten die bis zu
diesem Zeitpunkt getroffenen Festlegungen, die der Satzung als Anlage beizufügen sind (§ 13 Abs. 2 Satz 2
und 3 UKG). § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UKG regelt, dass der Aufsichtsrat über die Änderung der Satzung
entscheidet. Änderungen der Satzung und der Gliederung bedürfen der Genehmigung des
Wissenschaftsministeriums, wobei die Genehmigung aus rechtlichen Gründen oder dann versagt werden darf,
wenn die Gliederung des Universitätsklinikums nicht mit den Zielen und Vorgaben des Landes in
krankenversorgerischer Hinsicht übereinstimmt (§ 13 Abs. 2 Satz 4 und 5 UKG). Die Satzung wird gemäß der
von der Universität aufgrund von § 8 Abs. 6 LHG getroffenen Regelung bekannt gemacht (§ 13 Abs. 2 Satz 6
UKG). Der Antragsgegner hat dem Gericht ein Exemplar der zur Zeit geltenden „Satzung des
Universitätsklinikums U.“ mit Stand 15.11.2007 vorgelegt. Dieser Satzung ist die „Anlage zur Satzung des
Universitätsklinikums U.“ beigefügt, die die weitere Überschrift „Gliederung gemäß § 7“ trägt. Unter „2. Zentrum
für Chirurgie“ heißt es unter Ziff. 2.1. „Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie“.
21 Zunächst ist davon auszugehen, dass die Organisationssatzung nach § 13 UKG die innere Aufbauorganisation
des Klinikums regelt, soweit diese nicht bereits durch das Universitätsklinika-Gesetz vorgegeben ist (vgl.
Sandberger, in: Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Band 2, Baden-Württemberg, Rdnr.
223; derselbe, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Auflage, Kapitel 4 Rdnr. 1169). Anlagen
dienen der Entlastung des Vorschriftentextes und teilen dessen Rechtsqualität. Damit sieht die Satzung des
Universitätsklinikums derzeit als Organisationseinheit eine „Klinik für Allgemein-, Viszeral- und
Transplantationschirurgie“ vor. Fraglich ist, ob die in der Satzung getroffenen Festlegungen hinsichtlich der
Gliederung des Klinikums auch ohne Satzungsänderung geändert werden können. Dafür könnte sprechen, dass
nach § 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UKG die Satzung u. a. Näheres über die Errichtung, Änderung, Aufhebung und
die Leitung der dem Universitätsklinikum angehörenden Einrichtungen bestimmt. Außerdem wird in § 13 Abs. 2
Satz 4 UKG geregelt, dass Änderungen „der Satzung und der Gliederung“ der Genehmigung des
Wissenschaftsministeriums bedürfen. Könnte die Gliederung nur im Wege der Satzungsänderung geändert
werden, hätte es dieser „und“-Konjunktion nicht bedurft.
22 Wenn allerdings die in der Anlage zur Satzung enthaltenen Festlegungen zur Gliederung des
Universitätsklinikums dauerhaft geändert werden könnten, ohne dass dies entsprechende Änderungen der
Satzung voraussetzen würde, würde dies die konkrete Gefahr in sich bergen, dass die normativ festgelegte
Gliederung des Universitätsklinikums mit der Zeit immer weniger mit der tatsächlich vorhandenen Gliederung
übereinstimmt und damit die Organisationssatzung letztlich ihre Regelungsfunktion einbüßen würde. Diese
Frage kann offen bleiben, da die Satzung selbst eine Abweichung von ihren Bestimmungen nur „in Einzelfällen“
für zulässig erklärt, nämlich um neue Organisations- und Leitungsstrukturen zu erproben (§ 7 Abs. 4 der
Satzung). Eine Organisationsmaßnahme, die bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung auf Dauer angelegt
ist, erfolgt bereits begriffsnotwendig nicht „zur Erprobung“. Im Gegensatz zu einer endgültigen Regelung soll bei
einer Erprobungsregelung erst noch ermittelt werden, ob die konkrete Regelung notwendig oder erforderlich ist
(vgl. z. B. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO; § 20 LHeimG). Stellt sich also erst nach einer Erprobungsphase
heraus, ob sich die Regelung - hier: die neue Organisationsstruktur - bewährt hat, so macht es in einem
solchen Einzelfall auch keinen Sinn, die in der Satzung festgelegte Gliederung des Universitätsklinikums durch
Satzungsbeschluss zu ändern, bevor nicht fest steht, dass sich die neue Organisationsstruktur bewährt hat
und deshalb auf Dauer angelegt sein soll. Nach Aktenlage spricht derzeit Überwiegendes dafür, dass die
Organisationsmaßnahmen, die der Klinikumsvorstand des Antragsgegners am 18.06.2008 beschlossen hat,
nicht lediglich erprobt werden sollten, sondern bereits auf Dauer angelegt waren. In den Behördenakten findet
sich insbesondere kein Hinweis darauf, dass die streitigen Organisationsmaßnahmen nur vorläufiger Natur sein
sollen; einer solchen Betrachtungsweise würde im Übrigen auch die geplante Bestellung eines Leiters für die
geplante neue Klinik für Onkologische Chirurgie entgegenstehen. Der in dem „Positionspapier zur Gründung
eines Departments Allgemeine und Viszeralchirurgie“ enthaltene Hinweis, dass das Organisationsmodell „bei
Eignung auf andere Kliniken des Chirurgischen Zentrums übertragen werden“ soll, relativiert nicht die
Endgültigkeit der konkret beschlossenen Errichtung eines Departments für Allgemeine und Viszeralchirurgie,
sondern trifft lediglich eine Aussage darüber, unter welcher Voraussetzung eine Übertragung dieses
Organisationsmodells auf andere Kliniken des Chirurgischen Zentrums in Betracht kommt.
23 Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund, also die Dringlichkeit der Sache glaubhaft gemacht. Ohne
den von ihr beantragten einstweiligen Rechtsschutz würde die Rechtsverwirklichung wesentlich erschwert
werden. Würde - so wie beschlossen - das Department für Allgemeine und Viszeralchirurgie mit seiner neuen
Leitung und Binnenstruktur, insbesondere mit dem neuen Leiter der neu geschaffenen Klinik für Onkologische
Chirurgie, eingerichtet werden, wäre nach einem Hauptsacheerfolg eine vollständige Rückabwicklung aufgrund
der inzwischen geschaffenen Fakten nur noch schwer zu erreichen. Darüber hinaus ist es der Antragstellerin
nicht zuzumuten, für die unter Umständen mehrjährige Dauer des Hauptsacheverfahrens so schwerwiegende
Eingriffe in ihre vertraglich vermittelten Rechtspositionen hinzunehmen, wie sie nach dem Gesagten aufgrund
der streitigen Organisationsmaßnahmen zu befürchten wären.
24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO.