Urteil des VG Schleswig-Holstein vom 29.03.2017

VG Schleswig-Holstein: schüler, treu und glauben, abkommen, sonderschule, kreis, verein, schulbesuch, öffentliche schule, gleichbehandlung, heim

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Verwaltungsgericht
9. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 A 215/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 111 Abs 2 SchulG SH, § 71
Abs 3 SchulG SH, § 76 SchulG
SH
Schulkostenausfallbeitrag
Leitsatz
Besucht ein in Schleswig-Holstein untergebrachtes Heimkind mit auswärtigem Wohnsitz
eine Sonderschule in der Trägerschaft eines Kreises, besteht kein Anspruch gegen den
Heimträger auf Erstattung ausgefallener Schulkostenbeiträge (für die Zeit bis zum 31.
Dezember 2007).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Schulkostenbeiträgen, die von der
Klägerin für die Beschulung Hamburger Kinder in Winnemark, Kreis Rendsburg-
Eckernförde während des Jahres 2004 an den St. Nicolaiheim Sundsacker e.V.
gezahlt wurden. Gestützt wird der geltend gemachte Anspruch auf ein im Jahr
1963 geschlossenes „Abkommen über die Verbürgung der Gegenseitigkeit und
Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“, das am 01.04.1963 in Kraft
trat und in welchem Klägerin und Beklagter für den Besuch der öffentlichen
Schulen in ihren Ländern gegenseitige Schulgeldfreiheit und Gleichbehandlung
ihrer Schülerinnen und Schüler vereinbarten - aktualisiert und bis heute gültig
aufgrund eines weiteren Abkommens vom 09.01./11.01.2004.
Der St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. mit Sitz in Kappeln ist dem Diakonischen
Werk angeschlossen und im Bereich der Jugend- und Behindertenhilfe tätig. Er
unterhält u.a. Jugendhilfeeinrichtungen sowie Einrichtungen für Schwerst- und
Mehrfachbehinderte. Die Wohnhäuser des Schwerstbehindertenbereiches sind
Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach dem heutigen SGB XII. Eines dieser
Häuser liegt in Winnemark (OT Sundsacker) im Kreis Rendsburg-Eckernförde.
Dieser Wohneinrichtung angegliedert ist die Albert-Schweitzer-Schule, ein
vereinseigenes Förderzentrum mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung für
behinderte Menschen. Träger des Förderzentrums (nach altem Schulrecht:
Sonderschule, § 25 SchulG SH idF der Bekanntmachung v. 2.8.1990, im
Folgenden: „SchulG a.F.“) ist der beigeladene Kreis, der dem St. Nicolaiheim
Sundsacker e.V. wiederum seine Aufgaben als Schulträger durch öffentlich-
rechtlichen Vertrag vom 30.06.1980, ergänzt und aktualisiert in 1994 und 1998,
übertragen hat. Danach trägt der Verein sämtliche mit dem Schulbetrieb
anfallenden Kosten und stellt den Kreis von jeglicher Inanspruchnahme frei. Der
Verein soll die Aufgabenwahrnehmung über Pflegesätze finanzieren, wobei der
Kreis Pflegesätze zahlt „für die aus dem Kreisgebiet stammenden Kinder, die im
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Kreis Pflegesätze zahlt „für die aus dem Kreisgebiet stammenden Kinder, die im
Heim aufgenommen werden und die Sonderschule besuchen“ (§ 3 des Vertrages
von 1980). In Fortführung dieser Regelungen wurde durch weitere Vereinbarung in
1998 klargestellt, dass die Aufgabenübertragung nunmehr auf § 71 Abs. 4 SchulG
a.F. beruhe (§ 1). Insgesamt sollten in der Schule max. 70 geistig behinderte und
verhaltensgestörte Kinder beschult werden (§ 4). Während die Finanzierung der
laufenden Kosten für Schüler aus Schleswig-Holstein durch die Erhebung von
Schulkostenbeiträgen nach den Bestimmungen des Schulgesetzes erfolge (wozu
der Verein ermächtigt wurde), gelte für Schüler aus anderen Bundesländern der
mit der zuständigen Pflegesatzkommission zu vereinbarende kalendertägliche
Schulkostenbeitrag (§ 2 Nr. 1-3). Eine solche Vereinbarung über den „Schulbeitrag
für den Besuch der Heim-Sonderschule“ für die beim Verein „untergebrachten
Kinder, die die Heim-Sonderschule besuchen“ schloss der Verein mit der
Pflegesatzkommission Ost, vertreten durch den Kreisausschuss des Beigeladenen
im Jahre 1995. Der Beitrag belief sich im G-Bereich auf 48,40 DM, aktuell 24,75 €,
im H-Bereich auf 29,57 DM, aktuell 15,12 €.
Während des Jahres 2004 waren 14 behinderte Menschen mit Hamburger Wohnsitz
in der Einrichtung St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. in Winnemark voll- bzw.
teilstationär untergebracht und besuchten von dort aus die Albert-Schweitzer-
Schule. Die Unterbringung erfolgte auf Kosten der Klägerin im Rahmen der
Eingliederungshilfe. Die der Klägerin vom Verein monatsweise erteilten
Heimkostenabrechnungen beinhalteten neben dem Tagespflegesatz und
Bettengeld jeweils auch einen Schulbeitrag in Höhe von 24,75 € / Tag. Dieser
Schulbeitrag war zuvor vom Beigeladenen als Schulkostenausfallbeitrag iSd § 76
Abs. 3 iVm § 76 Abs. 2 S. 2 SchulG a.F. gegenüber dem Verein als Heimträger
geltend gemacht worden.
Entsprechend war im Fall des seit September 2003 in Winnemark untergebrachten
Schülers ... verfahren worden. Der Verein hatte die Übernahme des Schulbeitrags
bereits für das Schuljahr 2003/2004 unter Berufung auf § 76 SchulG a.F. bei der
Klägerin beantragt, woraufhin diese die Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe
übernommen hatte. Der Beklagte wiederum erstattete der Klägerin diese
Schulbeiträge für das Jahr 2003 und für das erste Halbjahr 2004 mit Schreiben
vom 25.10.2004. Eine weitere Erstattung für die Zeit ab 01.08.2004 lehnte er
hingegen mit Schreiben vom 08.08.2005 ab. Ebenso waren seit Mai 2005
Ablehnungen erfolgt in den Fällen anderer Schülerinnen und Schüler aus Hamburg.
Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass es sich bei der Albert-
Schweitzer-Schule um eine Sonderschule gem. § 71 Abs. 3 SchulG a.F. handele,
für die der Schulträger einen Anspruch auf Erstattung der Schulkostenbeiträge
gem. § 76 Abs. 3 SchulG a.F. nur gegenüber den Kreisen bzw. kreisfreien Städten
geltend machen könne, nicht aber gegenüber dem Heimträger. Mit dem Hinweis,
dass sich der Erstattungsanspruch aus dem „Abkommen über die Verbürgung der
Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“ ergebe
und das SchulG SH keine entgegenstehenden Rechtswirkungen zwischen den
Ländern entfalten könne, forderte die Klägerin den Beklagten nochmals auf, die
ausstehenden Schulbeiträge für ... anzuerkennen und bezifferte diese mit
Schreiben vom 28.11.2007 für die Zeit bis zum 05.07.2007 auf 28.526,72 €. Mit
weiterem Schreiben vom 05.12.2007 forderte die Klägerin den Beklagten auf, für
weitere 13 gleichgelagerte Fälle die ebenfalls ab 2004 bis 2007 an den St.
Nicolaiheim Sundsacker e.V. gezahlten Schulbeiträge spätestens bis zum
13.12.2007 zu erstatten oder zumindest erst einmal auf die Einrede der
Verjährung zu verzichten. Mit Schreiben vom 21.12.2007 teilte der Beklagte der
Klägerin und dem Beigeladenen unter Verweis auf einen Erlass von 2004 mit, dass
der Beigeladene seiner Ansicht nach nicht berechtigt sei, den Heimträger auf
Zahlung von Schulkostenbeiträgen in Anspruch zu nehmen, da § 76 Abs. 3 SchulG
a.F. dafür keine Grundlage biete.
Am 27.12.2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie begehrt die Erstattung der an
den St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. gezahlten Schulbeiträge für das Jahr 2004 in
Höhe von insgesamt 93.898,72 € für 14 behinderte Kinder aus Hamburg, die im
Einzelnen namentlich mit entsprechendem Zeitraum aufgeführt werden. Der
Anspruch ergebe sich aus dem „Abkommens über die Verbürgung der
Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“ von
1963. In Ziffer I. hätten die Klägerin und der Beklagte für den Besuch von
öffentlichen Schulen in ihren Ländern gegenseitige Schulgeldfreiheit vereinbart.
Der Begriff „öffentliche Schule“ umfasse auch solche Schulen, die staatlich
unterstützt würden, auch wenn sie formell eine private Rechtsform aufwiesen.
Darüber hinaus ergebe sich aus Ziffer VIII. des Abkommens ein
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Darüber hinaus ergebe sich aus Ziffer VIII. des Abkommens ein
Erstattungsanspruch. Damit habe der Beklagte die Freistellung von Schulbeiträgen
auch für Schüler zugesichert, die in sonstigen Bildungseinrichtungen auf schleswig-
holsteinischem Gebiet untergebracht seien und für die die Klägerin bisher
Schulbeiträge gezahlt habe.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 93.898,72 € nebst Zinsen in
Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
06.12.2007 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, als Rechtsgrundlage komme zwar das „Abkommen zwischen
dem Land Schleswig-Holstein, … und der Freien und Hansestadt Hamburg, … zum
grenzüberschreitenden Schulbesuch“ vom 09.01./11.01.2004 in Verbindung mit
dem weiter geltenden „Abkommen über die Verbürgung der Gegenseitigkeit und
Gleichbehandlung für den öffentlichen Schulbesuch“ von 1963 in Betracht. Aus
Ziffer VIII. des Abkommens von 1963 ergebe sich aber kein Erstattungsanspruch,
sondern lediglich ein Freistellungsanspruch. Danach könne die Klägerin, wenn
diese auf Zahlung von Schulbeiträgen durch einen Heimträger in Anspruch
genommen werde, von dem Beklagten verlangen, von diesen Zahlungen
freigestellt zu werden. Nur so habe der Beklagte die Möglichkeit, die
Rechtmäßigkeit der Forderung des Heimträgers zu überprüfen und ggf.
abzuwehren. Gerade um zu verhindern, dass der Beklagte bei einem
Erstattungsanspruch einen zu Unrecht geltend gemachten Zahlungsanspruch des
Heimträgers gegen den Heimträger im Wege des Regresses - mit zweifelhaften
Erfolgsaussichten - geltend machen müsste, sei lediglich ein Freistellungsanspruch
und kein Erstattungsanspruch in dem Abkommen vereinbart worden. Hätte die
Klägerin rechtzeitig einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Beklagten
geltend gemacht, wäre es zu einer Zahlung von Schulbeiträgen an den
Heimträger nicht gekommen, weil die Geltendmachung solcher Ansprüche
unterbunden worden wäre. Dem Beigeladenen stehe nach dem für 2004 geltenden
Schulrecht ein Anspruch auf Zahlung von Schulbeiträgen gegen den Heimträger
St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. tatsächlich nicht zu; folglich habe auch der
Heimträger keinen entsprechenden Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin.
Grundsätzlich könne der Schulträger gem. § 76 Abs. 2 S. 2 SchulG a.F. zwar
gegenüber einem Heimträger Schulkostenausfallbeiträge geltend machen für von
ihm beschulte Kinder, deren Wohnsitzgemeinde außerhalb Schleswig-Holsteins
liege mit der Folge, dass sich der Heimträger diesen Betrag von der
Wohnsitzgemeinde erstatten lasse und diese wiederum beim Land Freistellung
geltend machen könne. Handele es sich aber - wie hier - um eine Sonderschule,
die nach § 71 Abs. 3 SchulG a.F. in der Trägerschaft des Kreises liege, habe der
Kreis nach § 76 Abs. 3 SchulG a.F. den Schulbeitrag selbst zu tragen, da § 76 Abs.
3 SchulG a.F. auf einen Ausgleich der Kreise untereinander abziele.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Er ist der Auffassung, dass die Schulkostenbeiträge rechtmäßig erhoben worden
seien und deshalb auch gemäß der Freistellungsregelung im Abkommen vom
beklagten Land zu tragen seien. Entgegen der Auffassung des Beklagten verweise
§ 76 Abs. 3 SchulG a.F. für das Verhältnis der Kreise untereinander auf den
gesamten § 76 Abs. 2 SchulG a.F., mithin sei auch die Ausfallregelung in dessen
Satz 2 anzuwenden, wenn der Wohnort - wie hier - außerhalb Schleswig-Holsteins
liege. Aus dem Abkommen ergebe sich nichts anderes. Es gelte nur zwischen den
Vertragsparteien und entfalte für die Kreise keine Bindungswirkung. Eine
Erstreckung sei auch nicht gesetzlich angeordnet.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Sie ist zutreffend gegen das
Land als Rechtsträger gerichtet. Ein unmittelbares Vorgehen gegen das
Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein wäre lediglich
im Falle des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO iVm § 6 S. 2 AGVwGO zwingend vorgegeben;
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im Falle des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO iVm § 6 S. 2 AGVwGO zwingend vorgegeben;
dies gilt jedoch nur bei Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen.
Die Klage ist aber unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der an den
St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. gezahlten Schulkostenausfallbeiträge. Ein solcher
Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus dem „Abkommen über die
Verbürgung der Gegenseitigkeit und Gleichbehandlung für den öffentlichen
Schulbesuch“ von 1963 idF des Abkommen zwischen dem Land Schleswig-
Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg zum grenzüberschreitenden
Schulbesuch vom 09.01./11.01.2004.
Im Abkommen von 1963 ist u.a. geregelt:
I.
„(1) Die Vertragsschließenden vereinbaren im Rahmen der vorhandenen
Aufnahmemöglichkeiten ihrer Schulen und soweit sich nicht aus den
nachfolgenden Bestimmungen etwas anderes ergibt für den Besuch der
öffentlichen Schulen in ihren Ländern gegenseitige Schulgeldfreiheit und
Gleichbehandlung der Schüler.
(2) ….“
IV.
„(1) Schulgeld (Gebühren für den Schulbesuch) wird für Schüler, die ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in einem der beiden Länder haben, nicht erhoben. …
(2) Gastschulbeiträge werden gegenseitig nicht erhoben.“
VIII.
„(1) Das Land Schleswig-Holstein sichert die Freistellung von Schulkostenbeiträgen
auch für die Schüler zu, die in Heimen der Freien und Hansestadt Hamburg -
Jugendbehörde -, der Vereinigung städtischer Kinder- und Jugendheime der Freien
und Hansestadt Hamburg e.V. und in sonstigen Erziehungsheimen auf schleswig-
holsteinischem Gebiet untergebracht sind und für die die Freie und Hansestadt
Hamburg - Jugendbehörde - bisher Schulkostenbeiträge gezahlt hat.
(2) …“
Soweit der Beklagte meint, ein Erstattungsantrag könne sich aus diesen Normen,
insbesondere aus Ziffer VIII. (1) schon deshalb nicht ergeben, weil die dort
vorgesehene Freistellung (von geltend gemachten, aber noch nicht erfüllten
Ansprüchen) nicht mit einer (nachträglichen) Erstattung gleichzusetzen sei, so
mag dies jedenfalls für den Fall einer objektiven Auslegung zutreffen. Eine
Freistellungsvereinbarung im Rechtssinne verpflichtet zur Erfüllung begründeter
und idR auch zur Abwehr unbegründeter Ansprüche (Palandt-Heinrichs, BGB, 66.
Aufl., 2007, § 157, Rd. 12).
Die Willenserklärungen von Vertragsschließenden sind hingegen nicht nach rein
objektiven Kriterien auszulegen, sondern nach dem verobjektivierten
Empfängerhorizont so, wie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben mit
Rücksicht auf die Verkehrssitte die Erklärung verstehen durfte (§ 62 S. 2 VwVfG
iVm §§ 133, 157 BGB), sofern eine Auslegungsbedürftigkeit besteht und die
Willenserklärung nicht nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat
(Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., 2007, § 133, Rd. 6). Auch wenn die Regelungen
in Ziffer I., IV. und VIII. darauf hindeuten, dass die Klägerin generell und von
vornherein nicht mit Ansprüchen schleswig-holsteinischer Schulen auf
Schulgebühren, Gastschulbeiträge bzw. Schulkostenbeiträge konfrontiert werden
soll, zeigt jedenfalls die spätere Praxis, dass speziell VIII. (1) von den
Vertragspartnern auch als Erstattungsanspruch verstanden und angewandt
worden ist. Dies gilt zum einen für die Ausfallansprüche gemeindlicher Schulträger,
die Schülerinnen und Schüler mit Wohnortgemeinde außerhalb Schleswig-
Holsteins beschulen und sich gem. § 76 Abs. 2 S.2 SchulG a.F. an den Träger der
Einrichtung wenden können, in denen diese Schülerinnen und Schüler
untergebracht sind (vgl. den Schriftwechsel zwischen der Ministerin für Frauen,
Bildung, Weiterbildung und Sport des beklagten Landes, der Behörde für Arbeit,
Gesundheit und Soziales der Klägerin, dem Heilpädagogium an der Ostsee und
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Gesundheit und Soziales der Klägerin, dem Heilpädagogium an der Ostsee und
der Stadt Eckernförde aus den Jahren 1991 - 1993 im Verwaltungsvorgang). Dies
gilt zum anderen aber auch für den Fall des …., der seit dem Schuljahresbeginn
2003 in einer Wohneinrichtung des St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. untergebracht
war und eine Schule in der Trägerschaft des beigeladenen Kreises besuchte. Auch
hierfür erstattete der Beklagte der Klägerin zunächst das an den Heimträger
gezahlte Schulgeld für das Jahr 2003 und für das erste Halbjahr 2004.
Dessen ungeachtet besteht vorliegend allerdings weder ein Freistellungs- noch ein
Erstattungsanspruch, weil schon der gegenüber der Klägerin geltend gemachte
Anspruch auf Erstattung von Schulkostenausfallbeiträgen unbegründet war. Der
Verein als Heim- und damit Einrichtungsträger konnte eine solche Erstattung von
der Klägerin als Sozialhilfeträgerin nicht verlangen, weil er seinerseits bis Ende
2007 nicht verpflichtet war, dem Beigeladenen den Ausfall des
Schulkostensbeitrages gem. § 76 Abs. 3 SchulG a.F. zu erstatten.
Tatsächlich entsteht dem beigeladenen Kreis als Schulträger einer Sonderschule
iSd § 71 Abs. 3 SchulG a.F. ein Ausfall an Schulkostenbeiträgen, wenn er
Schülerinnen und Schüler beschult, die in einem schleswig-holsteinischen Heim
untergebracht sind, deren Wohnort aber - wie hier - außerhalb Schleswig-Holsteins
liegt. Während er für Schülerinnen und Schüler mit Wohnort in einem anderen Kreis
oder einer kreisfreien Stadt Schleswig-Holsteins von diesen Kommunen gem. § 76
Abs. 3 iVm § 76 Abs. 1 S. 1 und auch gem. Abs. 2 S. 1 SchulG a.F. einen
entsprechenden Schulkostenbeitrag verlangen kann, besteht ein solcher Anspruch
nicht gegenüber Wohnortkommunen außerhalb Schleswig-Holsteins. Für die
Schaffung einer solchen Anspruchsgrundlage fehlte dem Landesgesetzgeber auch
die erforderliche Gesetzgebungskompetenz (vgl. schon OVG Schleswig, Urteile v.
16.07.1992 - 3 L 366/91 - und v. 05.11.1992 - 3 L 24/92 - beide in juris).
Im Falle des Besuchs von Grundschulen, weiterführenden allgemein bildenden
Schulen oder Förderschulen durch Heimkinder sieht § 76 Abs. 2 S. 2 SchulG a.F.
vor, dass der Einrichtungsträger dem Schulträger diesen Ausfall des
Schulkostenbeitrages zu erstatten hat. Träger dieser Schulen waren zu dieser Zeit
gem. §§ 67-69 SchulG a.F. kreisangehörige Gemeinden bzw. zentrale Orte iSd 15
Abs. 2 FAG (idF vom 04.02.1999, GVOBl 1999, 47). Besucht ein Heimkind mit
auswärtigem Wohnsitz hingegen eine Sonderschule in der Trägerschaft eines
Kreises gem. § 71 Abs. 3 SchulG, sieht die Verweisung des § 76 Abs. 3 SchulG a.F.
auf Abs. 2 eine solche Ausfallerstattung nicht vor.
Auf diese Rechtslage hat der Beklagte bereits in seinen Schreiben vom 21.12.2007
verwiesen; hierauf kann Bezug genommen werden analog § 117 Abs. 5 VwGO.
Insbesondere der Beigeladene war in diesem Zusammenhang auf einen Erlass
vom 22.11.2004 (Az. III 16 - 321.1975 -) hingewiesen worden. Dieser legt dar, dass
die Kreise - ebenso wie die Gemeinden - als Schulträger keinen Anspruch auf
Schullastenausgleich gem. SchulG haben, wenn das beschulte Kind seinen
Wohnsitz in einer Gebietskörperschaft außerhalb Schleswig-Holsteins hat.
Stattdessen bestehe nach der Ausfallregelung in § 76 Abs. 2 SchulG a.F. ein
Anspruch gegen den Träger der (Heim-)Einrichtung, bei dem das Kind
untergebracht ist. Dies gelte auch dann, wenn der Schulträger-Kreis seine mit der
Trägerschaft verbundenen Aufgaben an eben diesen Heimträger übertragen habe.
Anders sei die Rechtslage aber dann, wenn es um Ausgleichsansprüche nach § 76
Abs. 3 iVm § 71 Abs. 3 SchulG a.F. im Falle des Besuchs von Sonderschulen gehe,
weil sich die Verweisung des § 76 Abs. 3 nicht auf die Regelung des § 76 Abs. 2 S.
2 SchulG a.F. beziehe.
Einen inhaltlich ähnlich lautenden Erlass wie den vom 20.11.2004 hat es vonseiten
des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein bereits im Jahre 1979 gegeben,
gerichtet an das Landesschulamt und das Landesjugendamt und bezogen auf die
Vorgängerregelung des § 76 SchulG a.F., den damaligen § 66 Abs. 1 und 2 SchulG.
Ebenso weist der bereits erwähnte Schriftwechsel zwischen Klägerin und
Beklagtem wegen der Beschulung von Hamburger Kindern im Heilpädagogium an
der Ostsee aus den Jahren 1991 - 1993 auf dieses Normverständnis hin.
Damit befindet sich der Beklagte im Einklang mit der Rechtsprechung des
Schleswig-Holsteinischen OVG. Der 3. Senat des OVG Schleswig (Az.: 3 L 815/94)
hat durch Urteil vom 24.03.1995 entschieden, dass Kreise und kreisfreie Städte als
Träger von Sonderschulen nicht verlangen können, dass ihnen der Ausfall von
Schulkostenbeiträgen entsprechend § 76 Abs. 2 SchulG von dem Heimträger
erstattet wird. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut des § 76 Abs. 3 SchulG,
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erstattet wird. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut des § 76 Abs. 3 SchulG,
nach dem weder eine Zahlungspflicht für Heimträger begründet noch die
„Erstattung des Ausfalls von Schulkostenbeiträgen“ geregelt werde als auch aus
dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, das Land Schleswig-Holstein von
finanziellen Belastungen freizuhalten, die aufgrund des Abkommens von 1963
entstünden. Zur Begründung führt es aus:
„In diesem Zusammenhang hat die Ministerin für Frauen, Bildung, Weiterbildung
und Sport des Landes Schleswig Holstein in einem an den Schleswig
Holsteinischen Landkreistag gerichteten, die Schulkostenbeiträge für Kinder aus
Heimen betreffenden Schreiben vom 12. Januar 1995 III 141/321.1966 ausgeführt:
"Die anläßlich der Anhörung der kommunalen Landesverbände am 21.09.1993
zum Haushaltsbegleitgesetz 1994 gemachte Zusage einer sofortigen Prüfung ist
eingehalten worden. Die sofortige Prüfung hat jedoch ergeben, daß eine
Gesetzesänderung zu § 76 Abs. 3 des Schulgesetzes unter Ausklammerung des
"Hamburg Problems" nicht möglich ist. Wegen des Gleichbehandlungsabkommens
mit Hamburg hätte das Land zusätzlich für Schülerinnen und Schüler aus
Hamburg, die in schleswig-holsteinischen Heimen untergebracht sind und
Sonderschulen in der Trägerschaft der Kreise und kreisfreien Städte besuchen, die
von den Heimträgern den Schulträgern zu zahlenden Schulkostenausfallbeiträge
zu erstatten. Diese würden sich auf etwa 200.000, -- DM belaufen. Wegen dieser
nicht unerheblichen finanziellen Belastungen des Landes sah ich keine Möglichkeit,
im Rahmen der Haushaltsbegleitgesetze 1994 und 1995 eine Änderung des § 76
Abs. 3 SchulG vorzuschlagen. Ich werde diesen Gedanken aber wieder aufgreifen,
wenn sich im Verhältnis zu Hamburg Möglichkeiten einer gegenseitigen
Verrechnung von aus dem Gleichbehandlungsabkommen resultierenden
finanziellen Aufwendungen ergeben sollten."
Aufgrund dieses Schreibens und mangels gegenteiliger sonstiger Anhaltspunkte
ist davon auszugehen, daß der gesetzgeberische Wille dem Wortlaut des § 76 Abs.
3 SchulG entspricht und der Gesetzgeber wegen des "Hamburg Problems" in den
Haushaltsbegleitgesetzen 1994 und 1995 vom 08. Februar 1994 (GVOBl. S. 124)
und 13. Dezember 1994 (GVOBl. S. 569) ganz bewußt von einer entsprechenden
Gesetzesänderung abgesehen hat, um auf diese Weise nicht unerhebliche
finanzielle Belastungen des Landes zu vermeiden.“
Die Kammer schließt sich der Auffassung des OVG an. Soweit sich dies feststellen
lässt, zog sich durch die verschiedenen Gesetzgebungsverfahren seit jeher der
Gedanke, dass zwar kreisangehörige Gemeinden im Falle ihrer Schulträgerschaft
durch einen umfassenden Gastschulbeitragsanspruch unterstützt werden sollen,
nicht aber die Kreise als Kommunen von größerer Wirtschaftskraft (vgl. LT-Drs.
12/546 v. 17.10.1989, S. 35, 98 zu § 66 SchulG, der nahezu wortgleich als § 76
Eingang fand in das Schulgesetz v. 2.8.1990 - GVOBl. S. 451, 474 und LT-Drs.
16/1000 v. 28.9.2006, S. 222 zu § 113, dem heutigen § 111 SchulG v. 24.1.2007 -
GVOBl. S. 39). Als Nachfolgeregelung zum § 76 Abs. 3 SchulG a.F. verweist § 111
Abs. 2 S. 3 SchulG n.F. jetzt ausdrücklich auf beide entsprechend anzuwendenden
Sätze 1 und 2 des Abs. 2 und gibt damit den nunmehr gewandelten
gesetzgeberischen Willen zu erkennen, dass ab dem 01.01.2008 auch Kreise und
kreisfreie Städte Ansprüche gegen Einrichtungsträger geltend machen können,
weil das Argument höherer Wirtschaftskraft angesichts der Situation der
kommunalen Haushalte nicht (mehr) stichhaltig sei. Für die Zeit bis zum
31.12.2007 sollte dies gerade nicht der Fall sein.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der
Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.