Urteil des VG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

VG Schleswig-Holstein: aufenthaltserlaubnis, aserbaidschan, russische föderation, eigenes verschulden, botschaft, eltern, ausländer, familiennachzug, armenien, familienangehöriger

Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Verwaltungsgericht
4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 A 1304/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 104a Abs 3 AufenthG 2004
(Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG 2004;
Zurechnung von Straftaten Familienangehöriger)
Leitsatz
1. Bei armenischen Volkszugehörigen, die ihren Angaben zufolge aus Aserbaidschan
stammen, kann aus der Tatsache, dass sie in aserbaidschanischen Verzeichnissen
nicht geführt werden und aserbaidschanische Behörden angeben, sie seien
wahrscheinlich Armenier, nicht geschlossen werden, dass sie über ihre Identität
getäuscht haben, da bekannt ist und auch vom Auswärtigen Amt bestätigt ist, dass
aserbaidschanische Behörden vielfach versuchen, den Eindruck zu vermitteln, dass
armenische Volkszugehörige nicht aus Aserbaidschan stammen und zur Verschleierung
der Herkunft sie sogar aus öffentlichen Personenregistern gelöscht wurden.
2. Mehrfache Verurteilungen wegen Diebstahls, die nicht als unerheblich angesehen
werden können, führen dazu, dass die Regelerteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus
humanitären Gründen nicht in Betracht kommt und aus ihr wieder eine
Ermessensentscheidung wird, bei der die Straftaten als einer Erteilung
entgegenstehend anzusehen sind, da es im öffentlichen Interesse liegt, straffälligen
Ausländern keine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
3. Familienangehörigen (hier minderjährige Kinder) von straffällig gewordenen
Ausländern sind bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen
diese Straftaten nicht im Wege einer familiären Gesamtschau zuzurechnen. Eine
derartige Zurechnung ist § 25 AufenthG nicht zu entnehmen. Es ist nicht angemessen,
Kindern, die einen erheblichen Teil ihres Lebens in Deutschland verbracht haben wegen
der Straffälligkeit der Eltern jede weitere Perspektive eines weiteren Lebens in
Deutschland zu nehmen.
4. Hätte der Gesetzgeber eine Verknüpfung wie in der sog. Altfallregelung des § 104 a
Abs. 3 AufenthG gewollt, hätte er das auch in § 25 AufenthG regeln können.
Systematisch handelt es sich bei der Regelung in § 104 a Abs. 3 AufenthG um eine
Ausnahme. Von daher kann in anderen Fällen eine Aufenthaltserlaubnis nicht mit der
Begründung versagt werden, dass ein anderes Mitglied der Familie Straftaten begangen
habe.
Tenor
Der Bescheid vom 14.07.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 2.10.2009
werden aufgehoben, soweit es die Kläger zu 3) und 4) betrifft.
Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern zu 3) und 4) eine Aufenthaltserlaubnis
ab dem 01.10.2009 mit einer Gültigkeitsdauer von noch sechs Monaten zu geben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Parteien tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Dem jeweiligen Kostenschuldner bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages
abzuwenden, sofern nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe geleistet hat.
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Tatbestand
Die Kläger begehren Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG.
Sie sind abgelehnte Asylbewerber, die ihren Angaben zufolge aus Aserbaidschan
stammen. Die vom Bundesamt angedrohte Abschiebung nach Aserbaidschan
wurde im Asylverfahren vom Verwaltungsgericht aufgehoben.
Bei einer Vorführung bei der aserbaidschanischen Botschaft in Berlin am
06.11.2008 kam der Konsul zu dem Ergebnis, dass die Kläger zu 1) und 2) keine
Kenntnisse von Aserbaidschan hätten und reine Armenier seien. Die Kläger haben
nach ihren Angaben sowohl bei der aserbaidschanischen als auch der
armenischen Botschaft ohne Erfolg um Personalpapiere nachgesucht. Eine
Überprüfung der Identität durch die Deutsche Botschaft in Eriwan führte zu dem
Ergebnis, dass über die Betroffenen keine Angaben im Wählerverzeichnis gefunden
werden konnten und sie mit den angegebenen Personalien nicht in Armenien
registriert waren.
Die Kläger zu 1) und 2) sind mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der
Kläger zu 1) ist wegen Diebstahls dreimal zu Geldstrafen von 15, 50 und 40
Tagessätzen verurteilt worden. Die Klägerin zu 2) ist dreimal zu Geldstrafen mit
Tagessätzen von 10, 30 und 50 Tagessätzen und zu Freiheitsstrafen von zwei und
drei Monaten jeweils auf Bewährung verurteilt worden.
Die strafmündigen Kläger zu 3) und 4) sind bisher nicht strafrechtlich in
Erscheinung getreten.
Mit Schreiben vom 10.03.2009 beantragten die Kläger eine Aufenthaltserlaubnis,
weil eine Aufenthaltsbeendigung in absehbarer Zeit nicht möglich sei.
Mit Bescheid vom 14.07.2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Den dagegen
erhobenen Widerspruch vom 28.07.2009 wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 23.10.2009 zurück. Dabei wurde in den Gründen auch
auf die Straftaten der Kläger verwiesen, die eine Aufenthaltserlaubnis
ausschlössen.
Eine am 25.09.2009 vorgenommene Botschaftsvorführung vor der armenischen
Botschaft ist bisher ohne Ergebnis.
Die Kläger haben am 13.11.2009 Klage erhoben.
Sie meinen, aus § 25 Abs. 5 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis zu haben, da sie ohne eigenes Verschulden auf unabsehbare
Zeit an einer Ausreise gehindert seien. Sie hätten sich bei den Behörden
Armeniens, Aserbaidschans und Russlands um Passersatzpapiere bemüht,
allerdings ohne Erfolg. Es sei gerichtsbekannt, dass aserbaidschanische Behörden
ethnischen Armeniern keine Papiere ausstellten. Gleiches gelte umgekehrt für
Armenien hinsichtlich der Klägerin zu 2), die aserische Volkszugehörige sei. Zu
Russland bestünden keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Beziehungen, so dass
eine Einreiseerlaubnis nicht erreichbar sei. Soweit der Beklagte darauf abstelle,
dass die Kläger zu 1) und 2) strafrechtlich in Erscheinung getreten seien, so sei
zunächst darauf hinzuweisen, dass ausländerrechtlich keine Sippenhaft stattfinden
dürfe und die Kinder, die Kläger zu 3) und 4) keine strafrechtliche Vorbelastung
aufwiesen. Im Übrigen lägen jedenfalls bezüglich die Erkenntnisse bezüglich des
Klägers zu 1) bereits längere Zeit zurück und könnten als vereinzelte Verfehlungen
angesehen werden.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 14.07.2009 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2009 zu verpflichten, ihnen mit Wirkung
vom 01.10.2009 eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von noch
sechs Monaten zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und hat
mitgeteilt, dass im Januar 2010 ein Rückübernahmeersuchen an die Russische
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mitgeteilt, dass im Januar 2010 ein Rückübernahmeersuchen an die Russische
Föderation gestellt worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens
der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nur hinsichtlich der Kläger zu 3) und 4) begründet,
hinsichtlich der Kläger zu 1) und 2) dagegen unbegründet.
Die Klage der Kläger zu 1) und 2) ist unbegründet. Die Ablehnung einer
Aufenthaltserlaubnis ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten
(§ 113 VwGO).
Dabei kann allerdings die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis nicht darauf gestützt
werden, die Kläger hätten über ihre Identität getäuscht und/oder seien ihren
Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Zwar wirft der Beklagte ihnen
mangelnde Eigeninitiative bei der Beschaffung von Passersatzpapieren vor. Das
kann die Ablehnung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG hier
aber nicht tragen.
Die Kläger sind laut ihren Angaben armenische Volkszugehörige aus
Aserbaidschan. Sie haben sich, wie sich sogar aus der Sachverhaltsdarstellung in
dem angefochtenen Bescheid ergibt, bei der aserbaidschanischen und der
armenischen Botschaft um Personalpapiere bemüht. Antworten der Botschaften
sind dem Gericht nicht bekannt geworden. Bei einer vom Landesamt organisierten
Botschaftsvorführung soll der aserbaidschanische Konsul gesagt haben, dass es
sich bei den Klägern wahrscheinlich um Armenier handele. Ob er damit die
Volkszugehörigkeit oder eine Staatsangehörigkeit meinte, ist der Aussage nicht zu
entnehmen. Jedenfalls kann daraus entnommen werden, dass die
aserbaidschanischen Behörden nicht bereit sein werden, die Kläger aufzunehmen.
Dabei kann den Klägern nicht vorgehalten werden, dass sie sich in ihren Anträgen
auf Pässe oder Passersatzpapiere als staatenlos bezeichnet haben. Nach den
Feststellungen des Gerichts im Asylverfahren ist diese Einschätzung wohl
zutreffend.
Eine Sicherheit, dass die Kläger nicht aus Aserbaidschan stammen und über ihre
Identität getäuscht haben, kann aus dem Verhalten der aserbaidschanischen
Behörden nicht geschlossen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass keine
Sicherheit besteht, ob die aserbaidschanischen Behörden bei Auskünften über
armenische Volkszugehörige zutreffende Auskünfte geben. Offensichtlich
versuchen diese Behörden vielfach den Eindruck zu vermitteln, dass Armenier
nicht aus Aserbaidschan stammen, auch wenn sie tatsächlich von dort gekommen
sind. So sind sowohl vom Auswärtigen Amt als auch vom Transkaukasus-Institut
Berichte bestätigt worden, dass armenische Volkszugehörige in Aserbaidschan
vielfach, vielleicht sogar systematisch aus öffentlichen Personenregistern gelöscht
wurden, um ihre Herkunft zu verschleiern. Von daher kann der Erklärung einer
aserbaidschanischen Botschaft in diesem Zusammenhang keine besondere
Aussagekraft zuerkannt werden.
Ebenso ist derzeit nicht erkennbar, dass die Republik Armenien bereit ist, die
Kläger als ihre Staatsangehörigen aufzunehmen. Vielmehr ist dort festgestellt
worden, dass Personen mit den angegebenen Personalien nicht registriert sind.
Wie bereits festgestellt, muss dies nicht bedeuten – wie der Beklagte
möglicherweise meint –, dass die Kläger falsche Personalien angegeben haben,
sondern kann auch bedeuten, dass sie tatsächlich aus Aserbaidschan stammen
und die aserbaidschanischen Behörden unzutreffende Angaben machen.
Von daher ist nicht erkennbar, welche konkreten weiteren Handlungen die Kläger
aus eigener Initiative hätten unternehmen können, um Personalpapiere zu
bekommen. Anhaltspunkte dafür, dass Anträge an russische Behörden erfolgreich
gewesen sein könnten, hat das Gericht nicht. Auch vom Beklagten, der diese
Möglichkeit als von den Klägern nicht wahrgenommen erwähnt, sind dazu keine
Aussagen gemacht worden. Angesichts der Tatsache, dass sich die Kläger ihren
Angaben zufolge illegal in Russland aufgehalten haben, sind die Erfolgsaussichten
eher minimal anzusehen.
Die Ablehnung des Antrags ist jedoch rechtmäßig, weil die Kläger zu 1) und 2) in
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Die Ablehnung des Antrags ist jedoch rechtmäßig, weil die Kläger zu 1) und 2) in
erheblichem Umfang straffällig geworden sind und von daher die Regelerteilung
einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG nicht in Betracht
kommt. Nach Auffassung des Gerichts führen Straftaten, wie sie die Kläger zu 1)
und 2) begangen haben, dazu, dass aus der Regelerteilung wieder eine
Ermessensentscheidung wird, bei der die Straftaten als einer Erteilung
entgegenstehende anzusehen sind, da es im öffentlichen Interesse liegt,
straffälligen Ausländern keine Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen. Der Beklagte hat
in seiner ablehnenden Entscheidung auch auf die Straftaten abgestellt. Dabei ist
nicht zu erkennen, dass ein Ermessensfehlgebrauch stattgefunden hat. Die
Straftaten liegen jeweils in einem Bereich, der nicht mehr als unerheblich
angesehen werden kann und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht hindern
könnte. Ermessensfehler sind bei der negativen Entscheidung nicht zu erkennen.
Der Klage war aber stattzugeben, soweit die Kläger zu 3) und 4) betroffen sind.
Sie erfüllen die Voraussetzungen für die Regelerteilung der Aufenthaltserlaubnis.
Sie sind nicht selber straffällig geworden. Andere Gründe, die der Regelerteilung
entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere spricht bei Ausländern, bei
denen die Ausreise auf absehbare Zeit nicht möglich ist und die dies nicht
verschuldet haben, nicht gegen die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25
Abs. 5 AufenthG, dass sie nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt ohne
Inanspruchnahme öffentlicher Hilfe zu sichern. Dieser Gesichtspunkt verliert
angesichts der Tatsache, dass diese Ausländer jedenfalls weiter zu dulden sind,
jede praktische Bedeutung. Dies gilt zumal angesichts der Tatsache, dass bei
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5
AufenthG bei Wegfall der Hindernisse für eine Ausreise oder Abschiebung die
erteilte Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich widerrufen oder nicht mehr verlängert
werden kann, um die bestehende Ausreiseverpflichtung durchzusetzen.
Den Klägern zu 3) und 4) sind auch nicht die Straftaten der Kläger zu 1) und 2) in
der Form einer familiären Gesamtschau zuzurechnen. Zwar teilen minderjährige
Kinder in der Regel aufenthaltsrechtlich das Schicksal ihrer Eltern. So müssen sie
sich auch falsche Angaben der Eltern zur Identität oder über ihre
Staatsangehörigkeit wie auch unzureichende Mitwirkungshandlungen bei der
Beschaffung von Personalpapieren oder Pässen, bzw. Passersatzpapieren
zurechnen lassen. Anders zu beurteilen ist allerdings die Frage, ob einzelne
Familienangehörige sich auch Straftaten anderer Familienmitglieder
ausländerrechtlich zurechnen lassen müssen.
Dem Wortlaut des § 25 AufenthG ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass strafbare
Handlungen, die bei einem Ausländer die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
ausschließen, auch anderen Ausländern – seien es Familienangehörige oder
andere, volljährige oder minderjährige – entgegengehalten werden können. Auch
an anderen Stellen des Aufenthaltsgesetzes ist mit einer Ausnahme, auf die noch
eingegangen wird, eine Zurechnung von Strafbarkeiten nicht vorgesehen. So ist
auch der Familiennachzug nach § 27 Abs. 3 AufenthG nur davon abhängig, dass
derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll, nicht auf Sozialleistungen
angewiesen ist. Der Familiennachzug wird dagegen nicht durch Straftaten
desjenigen ausgeschlossen, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll.
Eine Verknüpfung mit Straftaten anderer Familienangehöriger ist lediglich in § 104
a Abs. 3 AufenthG vorgesehen. Dort heißt es:
„ Hat ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied Straftaten im
Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 begangen, führt dies zur Versagung der
Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift für andere Familienmitglieder. Satz 1
gilt nicht für den Ehegatten eines Ausländers, der Straftaten im Sinne des
Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 begangen hat, wenn der Ehegatte die Voraussetzungen
des Absatzes 1 im Übrigen erfüllt und es zur Vermeidung einer besonderen Härte
erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Sofern im
Ausnahmefall Kinder von ihren Eltern getrennt werden, muss ihre Betreuung in
Deutschland sichergestellt sein.“
Diese Vorschrift ist als sog. „Altfallregelung“ nachträglich in das Gesetz eingefügt
worden. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber in diesem Fall eine derartige
Verknüpfung der Aufenthaltserlaubnis mit Straftaten auf andere Familienmitglieder
für erforderlich hielt, zeigt, dass er davon ausging, dass in den bisherigen
Regelungen eine derartige Verknüpfung nicht gegeben und daher die Zurechnung
von Straftaten Dritter nicht möglich ist. Weiterhin ist bedeutsam, dass er diese
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von Straftaten Dritter nicht möglich ist. Weiterhin ist bedeutsam, dass er diese
Verknüpfung bei dieser Gelegenheit nicht auch in andere Normen, z.B. in den § 25
AufenthG eingebaut hat. Dies kann nur so verstanden werden, dass in diesen
Fällen eben keine Verknüpfung stattfinden soll.
Systematisch handelt es sich also bei der Verknüpfung der Verweigerung einer
Aufenthaltserlaubnis für einen Ausländer mit Straftaten anderer Ausländer um
eine Ausnahme. Von daher kann in anderen Fällen als dem des § 104 a AufenthG,
also auch bei § 25 Abs. 5 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis nicht mit der
Begründung versagt werden, dass ein anderes Mitglied der Familie Straftaten, die
eine Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hindern, begangen hätten.
Schließlich können auch bei einer die Bedeutung der Grundrechte
berücksichtigenden Sicht einem Menschen nicht Straftaten eines anderen
zugerechnet werden. Die Zurechnung strafbaren Verhaltens eines Menschen bei
einem anderen Menschen ist – wenn überhaupt – nur sehr begrenzt möglich. Eine
Sippenhaft ist dem bundesrepublikanischen Rechtssystem fremd und mit dem
Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar. Unter diesem Aspekt ist es
nicht angemessen, Kindern, die bereits einen erheblichen Teil ihres Lebens in
Deutschland verbracht haben und hier ihre kindliche und/oder jugendliche
Sozialisierung erlebt haben, wegen der Straffälligkeit eines Elternteils oder der
Eltern jede weitere Perspektive eines Lebens in Deutschland zu nehmen (vgl.
insoweit zu § 104 a AufenthG Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 104 a, Rn. 58). Ob
bei jüngeren Kindern etwas anderes gilt, braucht hier nicht entschieden zu werden,
da die Kläger zu 3) und 4) bereits 13 und 16 Jahre alt sind und daher eine
erhebliche Sozialisierung in Deutschland erfahren haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.