Urteil des VG Schleswig-Holstein vom 15.03.2017

VG Schleswig-Holstein: juristische person, allgemeiner rechtsgrundsatz, öffentlich, veranstaltung, veranstalter, staat, stadt, rechtsnatur, verwaltungshandeln, organisation

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Verwaltungsgericht
12. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 B 102/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 13 GVG, § 70 GewO
Zulassung zum Weihnachtsmarkt, Rechtsweg
Tenor
Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Landgericht … verwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Gründe
Der Rechtsstreit ist gem. § 17 a Abs. 2 S. 1 GVG iVm § 173 VwGO an das
Landgericht … zu verweisen, da der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach
§ 40 Abs. 1 VwGO nicht eröffnet ist.
Nach der Bestimmung des § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen
öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben. Bei
der Unterscheidung, ob eine bürgerlich-rechtliche oder eine öffentlich-rechtliche
Streitigkeit vorliegt, ist auf die wirkliche Natur des geltend gemachten Anspruchs
abzustellen (BVerwG, Beschluss vom 02. Mai 2007 - 6 B 10/07 - juris).
Danach ist hier der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Der vom
Antragsteller geltend gemachte Anspruch basiert auf § 70 GewO; denn bei dem in
Rede stehenden Weihnachtsmarkt handelt es sich um eine nach § 69 GewO
festgesetzte Veranstaltung (vgl. den Festsetzungsbescheid vom 12. November
2010). Aus der Vorschrift des § 70 GewO folgt allerdings nicht zwingend, dass die
Rechtsnatur des Zulassungsanspruchs öffentlich-rechtlich ist, weil es sich bei der
vorgenannten Bestimmung um eine öffentlich-rechtliche Sondernorm handeln soll,
bei der es eines Rückgriffs auf die rechtliche Qualität der Teilnahmebestimmungen
nicht bedarf (vgl. OLG B-Stadt, Beschluss vom 06. Dezember 2006 - 11 W (Kart)
52/06 - juris; Schönleiter, in: Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung, § 70 Rdnr. 27).
§ 70 Abs. 1 GewO, der zwischen dem Veranstalter und dem Teilnehmer nicht
zwingend ein Subordinationsverhältnis begründet, schreibt nicht vor, dass die
Zulassung ausschließlich in den Formen des öffentlichen Rechts erteilt werden
darf. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass die Zulassung nur in den Formen des
öffentlichen Rechts erteilt werden darf, existiert nicht. Die Vorschrift richtet sich
sowohl an öffentlich-rechtliche als auch private Veranstalter der in den §§ 64 ff.
GewO genannten Messen. Zuordnungsobjekt dieser Vorschrift ist daher nicht
notwendig ein Träger hoheitlicher Gewalt. Die Beurteilung der Rechtsnatur des
Anspruchs muss sich daher aus dem Zusammenhang ergeben, in dem er im
Einzelfall steht. Bei dieser Bewertung spielen insbesondere die
Teilnahmebestimmungen und die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen
Veranstalter und Teilnehmer eine Rolle. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn es
sich um eine vom Staat gegründete und/oder beherrschte Einrichtung handelt und
der Staat durch sie Leistungen für die Bürger erbringt (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 06. März 1990 - 7 B 120/89 -, juris mwN). Wenn sich der Staat zur Erfüllung
seiner Aufgaben privatrechtlicher Gestaltungsformen bedient, wird die
Privatrechtsordnung lediglich in einzelnen Punkten durch öffentlich-rechtliche
Bindungen ergänzt, modifiziert oder überlagert, ohne dass darum das
Verwaltungshandeln selbst dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre;
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Verwaltungshandeln selbst dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre;
infolgedessen haben über derartige öffentlich-rechtliche Bindungen des
privatrechtlichen Verwaltungshandelns die ordentlichen Gerichte im Rahmen ihrer
Zuständigkeit nach § 13 GVG mit zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 06.
März 1990, aaO, mwN). Vorliegend hat die … die Organisation und Durchführung
des städtischen Weihnachtsmarktes 2010 zulässigerweise auf die A-Stadt und …
GmbH ( … ), eine juristische Person des Privatrechts, übertragen. Diese schließt
mit den Bewerbern privatrechtliche Verträge ab, die sämtliche Regelungen
bezüglich ihrer Teilnahme enthalten. Da diesen privatrechtlichen Verträgen, weil
nicht erforderlich, weder ein ausdrücklicher noch ein konkludenter
Zulassungsverwaltungsakt vorausgeht, kann das Rechtsverhältnis auch nur ein
privatrechtliches sein.
Nach Auffassung der Kammer ist die sogenannte Zwei-Stufen-Theorie vorliegend
nicht einschlägig. Diese besagt, dass die Entscheidung über das „Ob“ der
Zulassung stets in den Formen des öffentlichen Rechts zu erfolgen hat, während
die Entscheidung über das „Wie“ der Teilnahme, nämlich der weiteren Regelungen
über die Teilnahme an einer festgesetzten Veranstaltung, in den Formen des
Privatrechts erfolgen kann. Die Zwei-Stufen-Theorie hält die Kammer nur dann zur
rechtlichen Bewertung eines Vorganges für anwendbar, wenn dieser durch die
Mehrphasigkeit der Aufgabenwahrnehmung gekennzeichnet ist. Das ist etwa dann
der Fall, wenn das „Ob“ einer öffentlichen Leistung (z. B. Gewährung einer
Subvention) durch Verwaltungsakt erfolgt, während die Abwicklung, das „Wie“
mittels eines privatrechtlichen Vertrages durchgeführt wird. Das vorliegende
Zulassungsverfahren ist aber seiner Struktur nach gerade nicht zweistufig;
vielmehr erfolgt die Entscheidung über die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern
unmittelbar durch den Abschluss privatrechtlicher Verträge. Die Antragsgegnerin
trifft - wie bereits ausgeführt - vorab gerade keine Zulassungsentscheidungen in
Form von Verwaltungsakten. Insoweit fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für eine
„erste Stufe“ auf der eine - nach öffentlichem Recht zu beurteilende -
selbstständige Zulassungsentscheidung fallen könnte. Zusammenfassend ist
daher festzustellen, dass, wenn ein Hoheitsträger eine festgesetzte Veranstaltung
zur Erledigung einer Verwaltungsaufgabe an eine Körperschaft des Privatrechts
(hier: ) überträgt und diese auch die Zulassungen zu einem Markt in den Formen
des Privatrechts erteilt, das Rechtsverhältnis, das den Zulassungsanspruch nach §
70 Abs. 1 GewO begründet, insgesamt privatrechtlich ausgestaltet ist. Der
Antragsteller müsste demnach auf zivilrechtlichem Wege gegen die vorgehen.
Berechtigte Interessen des Antragstellers stehen dieser Auffassung nicht
entgegen. Denn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und der
Verwaltungsrechtsweg sind, wie sich schon aus der Auffangzuständigkeit der
ordentlichen Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG ergibt, unter dem Gesichtspunkt
des effektiven Rechtsschutzes prinzipiell gleichwertig (BVerwG, Beschluss vom 29.
Mai 1990 - 7 B 30/90 - juris im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 06. März
1990, aaO).
Auch bezüglich des Hilfsantrages ist eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts
nicht gegeben. Dies folgt daraus, dass, wenn bei mehrfacher Begründung des
einen Anspruchs der ordentliche Rechtsweg hinsichtlich eines der Anträge zulässig
und nur hinsichtlich eines weiteren Antrages unzulässig wäre, eine Zuständigkeit
des für den weiteren Anspruch (hier mit dem Hilfsantrag geltend gemacht)
zuständige Gericht nicht statthaft ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1988 -
III ZR 23/88 - juris m.w.N; BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 1992 - 5B 144/91
- juris ). Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht auch deshalb an einer Entscheidung
(nur) über den hilfsweise gestellten Antrag des Antragstellers gehindert, weil dieser
von der Entscheidung über den Hauptantrag abhängig ist und dies gerade - wie die
vorstehenden Ausführungen zeigen - der Kammer verwehrt ist.
Da nach alledem der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht gegeben ist,
kann die Kammer auch das vorliegende Eilverfahren nach § 17 a Abs. 2 S. 1 GVG
an das zuständige Landgericht … verweisen; denn die §§ 17 ff. GVG sind auch im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren analog anwendbar (VGH Mannheim, Beschluss
vom 19. November 2007 - 13 S 2355/07 -juris; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 15.
Aufl. 2007, § 41 Rdnr. 2 a mwN auch zur Gegenmeinung).
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten (§ 17 b Abs. 2 S.
1 GVG).