Urteil des VG Schleswig-Holstein vom 14.03.2017

VG Schleswig-Holstein: öffentliches interesse, lehrplan, schüler, empfehlung, unterliegen, behinderung, sicherheit, organisation, stadt, krankheit

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Verwaltungsgericht
9. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 A 7/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 6 Abs 2 GG, Art 7 Abs 1
GG, § 5 Abs 2 SchulG SH
Schulrecht - Feststellung sonderpädagogischen
Förderbedarfs; Elternwille
Leitsatz
Die Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs kann unter Beachtung des
vorgeschriebenen Verfahrens auch gegen den erklärten Willen der Eltern erfolgen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Zahlung einer Sicherheit
in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Feststellung von sonderpädagogischem
Förderbedarf bei der Klägerin zu 1).
Die Klägerin zu 1) wurde im März 1998 als drittes Kind der Kläger zu 2) und 3)
geboren. Im Schuljahr 2004/2005 wurde sie schulpflichtig und in die
Pestalozzischule, Grund- und Hauptschule in A-Stadt eingeschult. Derzeit besucht
sie die 4. Klasse.
Bereits bei der Einschulungsuntersuchung wurde festgestellt, dass die Klägerin zu
1) langsam arbeite. Die 1. Klasse durchlief sie laut Zeugnis vom 24. Juni 2005 mit
Neugierde und Fleiß. Allerdings habe sie viel Unterstützung durch die Lehrkräfte
und mehr Zeit und Anstrengung für die Aufgaben benötigt als die übrigen Kinder
der Klasse. Das zielgerichtete und konsequente Arbeiten ermüde sie oft noch
erheblich und strenge sie an. Die größten Probleme lägen im Bereich der
Mathematik. Hier müsse sie weiter fleißig üben. In Deutsch gelinge ihr das
Schreiben in Druckschrift, strenge sie aber sehr an. Das Erlernen der Schreibschrift
koste viel Einsatz und Mühe. Wörter und Sätze nach Diktat zu schreiben,
überfordere sie noch weitgehend. Im 2. Schuljahr nahm die Klägerin zu 1) an den
Frühförderstunden Mathematik teil, erhielt in einer kleinen Gruppe Förderung im
Rahmen der Differenzierung und auch im Unterricht differenziertes Material und
vereinfachte Aufgabenstellungen. Laut Halbjahreszeugnis vom 27. Januar 2006
hätten ihre Leistungen dennoch nicht den Anforderungen der Klassenstufe 2
entsprochen und es sei fraglich, ob sie das Klassenziel erreichen werde. Auf Antrag
der Kläger zu 2) und 3) trat sie daraufhin in die Klassenstufe 1 zurück und wurde
sodann im Sommer 2006 erneut in die Klassenstufe 2 versetzt. Zugleich wies die
Schule die Klägerin zu 2) auf die trotz der Wiederholung nur schwachen
Mathematikleistungen ihrer Tochter hin und empfahl die Teilnahme am
Mathematikförderunterricht. Die Zeugnisse der Klassenstufe 2 hoben
insbesondere die mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer im
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insbesondere die mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer im
Arbeitsverhalten der Klägerin zu 1) hervor sowie die Probleme insbesondere im
Fach Mathematik. Im Deutschen unterliefen der Klägerin zu 1) noch zu viele Fehler,
sie müsse hier gründlicher arbeiten. Im Februar 2007 wies die Schule die Klägerin
zu 2) darauf hin, dass eine Überprüfung auf sonderpädagogischen Förderbedarf
zwar zurzeit nicht nötig sei, es hierzu über kurz oder lang aber kommen werde.
Auf der Grundlage eines Gespräches vom 22. November 2007 wurde für die 3.
Klassenstufe für Mathematik und Deutsch ein individueller Lernplan verabredet,
weil die im Unterricht innerhalb des Klassenverbandes zu leistende „normale“
Differenzierung aufgrund der bestehenden Defizite nicht mehr ausreichte. Das
Erreichen der Lernziele der Klasse 3 sei dennoch stark gefährdet und es sei
denkbar, dass die Klägerin zu 1) später dennoch zu einer sonderpädagogischen
Überprüfung gemeldet werden müsse. Anlässlich der Zeugniskonferenzen im
Januar 2008 wurde den Klägern zu 2) und 3) eröffnet, dass die Schule nunmehr
dringenden Handlungsbedarf sehe. Die Leistungen im Bereich Grammatik und
Rechtschreibung seien mangelhaft, Rechtschreibstrategien und Regelwissen kaum
vorhanden. Lerninhalte, die nicht aktuell behandelt würden, seien nicht
durchdrungen worden. Im Fach Mathematik sei die Klägerin zu 1) in der Regel nicht
in der Lage, Arbeitsaufträge selbständig umzusetzen. Sie werde den
Anforderungen der Klassenstufe 3 nur in geringem Maße gerecht. Lernerfolge
seien nicht von bleibender Dauer. Die Mathematikzeugnisnote (4-) sei mit den
Noten der Mitschüler nicht messbar. Das Vorliegen eines sonderpädagogischen
Förderbedarfs solle deshalb überprüft werden, um herauszufinden, ob auf einem
niedrigeren Niveau unterrichtet werden müsse. Hieran hielt der Schulleiter trotz
der von den Klägern zu 2) und 3) vorgebrachten Bedenken fest.
Im Februar 2008 leitete die Schule ein Überprüfungsverfahren ein und übersandte
dem von der Schulaufsichtsbehörde bestimmten Förderzentrum einen Bericht
über die bisher durchgeführten Fördermaßnahmen, über den allgemeinen
Entwicklungsstand sowie eine Beschreibung des schulischen Leistungsstandes
nebst schulärztlichem Gutachten und Schulakte. Das daraufhin vom
Förderzentrum erstellte sonderpädagogische Gutachten vom 17. März 2008
ergab, dass sich die Klägerin zu 1) mit einem Intelligenzquotienten von 89 und den
daraus resultierenden intellektuellen Fähigkeiten im Übergangsbereich von einem
unterdurchschnittlichen zu einem durchschnittlichen Leistungsvermögen befinde.
Mit diesen Fähigkeiten erreiche sie wiederum Fähigkeiten, die in ihrer Gesamtheit
als unterdurchschnittlich zu bewerten seien. Offensichtlich sei sie durch schulische
Aufgabenstellungen und Misserfolgssituationen belastet und habe in die eigene
Leistungsfähigkeit ein sehr geringes Zutrauen. Der Leistungsstand in Mathematik
sei weit unterdurchschnittlich. Entsprechendes gelte in Hinblick auf die
Grundstrategie von Rechtschreibung. Das rechtschriftliche Können sei
unterdurchschnittlich und die festgestellte Lesestrategie könne bei zunehmender
Komplexität der Aufgabenstellung nicht mehr erfolgreich sein. Alles in allem habe
die Klägerin zu 1) in Mathematik und Deutsch trotz verlängerter Eingangsstufe und
Förderung das Ziel der Klassenstufe 3 nicht erreicht, da ihr insoweit noch basale
Lerninhalte der Klassenstufe 2 fehlten. Ein Wiederholen der 3. Klassenstufe würde
ihrem Leistungsniveau und Förderbedarf deshalb nicht gerecht; stattdessen sei sie
emotional zu entlasten und die Selbst- und Methodenkompetenz zu stärken und
aufzubauen. Festgestellt wurde daher ein sonderpädagogischer Förderbedarf mit
dem Schwerpunkt „Lernen“.
Die Kläger zu 2) und 3) lehnten sowohl das Ergebnis als auch eine Erläuterung des
Gutachtens ab. Nach Erläuterung des weiteren Ablaufs des Verfahrens sowie der
Möglichkeiten und Ziele des künftigen gemeinsamen Unterrichts weigerten sie sich
auch, eine Stellungnahme abzugeben. Das darüber hinaus vorgesehene
Koordinierungsgespräch mit dem Förderzentrum und der Schule kam ebenfalls
nicht zustande. Laut Vermerk des Leiters des Förderzentrums teilte der Kläger zu
3) telefonisch mit, dass er keine Grundlage für ein Koordinierungsgespräch sehe.
Er habe nunmehr einen Rechtsanwalt eingeschaltet sowie eine unabhängige
Kinderpsychologin beauftragt. Abgesehen von den Terminsschwierigkeiten habe er
mehrfach darauf hingewiesen, dass in einem Koordinierungsgespräch kein
einvernehmliches Ergebnis zu erzielen sei. Das vorgeschriebene
Koordinierungsgespräch wurde daraufhin als gescheitert betrachtet und der
Vorgang an das Schulamt zur weiteren Bearbeitung abgegeben.
Das Schulamt berief den Förderausschuss ein. Den Klägern zu 2) und 3) wurde am
10. Juni 2008 eine entsprechende Einladung zugestellt, sie lehnten es jedoch ab,
ihre Einwände dem Ausschuss vorzutragen. Der Förderausschuss kam zu dem
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ihre Einwände dem Ausschuss vorzutragen. Der Förderausschuss kam zu dem
Ergebnis, dass ein eindeutiger sonderpädagogischer Förderbedarf im Schwerpunkt
„Lernen“ bestehe, da die Klägerin zu 1) mit den Mitteln der Grundschule nicht
ausreichend gefördert werden könne. Sie solle deshalb nach dem
sonderpädagogischen Lernplan unterrichtet an der Pestalozzischule und integrativ
beschult werden.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2008 legte das Schulamt daraufhin unter Bezugnahme
auf das Gutachten und die Empfehlung des Förderausschusses fest, dass die
Klägerin zu 1) zieldifferent nach dem Lehrplan „sonderpädagogische Förderung“
während der Grundschulzeit mit sofortiger Wirkung in der Klassenstufe 3 zu
unterrichten sei. Es bestehe ein öffentliches Interesse daran, dass Schülerinnen
und Schüler, die aufgrund ihrer Behinderung, Entwicklung oder chronischen
Krankheit nur mit besonderen Hilfen am Unterricht der Grundschule teilnehmen
könnten, eine angemessene sonderpädagogische Förderung entsprechend ihrem
Förderschwerpunkt erhielten. Damit solle ihnen ein Abschluss ermöglicht werden,
der ihren Begabungen, Fähigkeiten und Neigungen entspreche und ihnen somit
langfristig auf der Basis einer Berufsausbildung ein selbstbestimmtes Leben in der
Gesellschaft ermögliche. Nur durch die gezielte sonderpädagogische Förderung
könne eine angemessene schulische Förderung gewährleistet werden, dies sei
auch im persönlichen Interesse der Kläger. Nach Zustellung des Bescheides wurde
mit der integrativen Beschulung nach dem entsprechenden Lehrplan begonnen.
Gegen den Bescheid ließen die Kläger am 07. Juli 2008 Widerspruch einlegen und
darauf hinweisen, dass sie gegen die sonderpädagogische Förderung seien. Der
Wille der gesetzlichen Vertreter sei übergangen worden. Darin liege ein besonders
schwerwiegender Grundrechtseingriff, zumal sich die Eltern sicher seien, dass es
keine sachliche Notwendigkeit gebe, die Klägerin zu 1) sonderpädagogisch zu
fördern, auch wenn sie in bestimmten Bereichen möglicherweise etwas langsamer
sei. Der Einschätzung der Eltern komme in diesem Verfahren ein sehr großes
Gewicht zu, dies sei stets missachtet worden. Das sonderpädagogische Gutachten
werde inhaltlich nicht anerkannt; insoweit werde ein eigenständiges Gutachten
eingeholt. Schon jetzt zeige sich, dass die Klägerin zu 1) durch die Unterrichtung
nach dem Lehrplan „sonderpädagogische Förderung“ unterfordert sei. Die
Aufgaben, die sie erhalte, könne sie ohne weiteres in kurzer Zeit erledigen. Aus
dem sodann nachgereichten Privatgutachten vom 10. November 2008 ergebe
sich, dass kein sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe. Der allgemeine
Entwicklungsstand liege zwar im unteren Durchschnittsbereich und die
schulabhängigen Fähigkeiten im Grenzbereich vom durchschnittlichen zum
unterdurchschnittlichen Bereich. Im Kern handele es sich bei der Klägerin zu 1)
aber um ein „ganz gewöhnliches Schulkind“. Es liege eine Grundintelligenz mit
einem IQ von 89 vor. In diesem Bereich lägen etwa 68 % der untersuchten
Personen. Insofern könne auch die Gutachterin die Einschätzung der Schule nicht
nachvollziehen. Die Klägerin zu 1) zeige eine altersgemäße Entwicklung und habe
eine im Normbereich liegende Intelligenz, aufgrund derer auch eine gewöhnliche
Beschulung angezeigt und notwendig sei. Die eingetretene Situation sei für sie
zwischenzeitlich unerträglich geworden. Sie werde ausgegrenzt und bekomme
keine Noten mehr, sie erhalte keine normalen Hausaufgaben mehr und müsse
auch die Klassenarbeiten zu anderen Zeitpunkten schreiben. Sie sei enttäuscht
und empfinde dies alles als absolut frustrierend. Es sei unverständlich, warum ein
gesundes 10jähriges Kind zu einem „lernbehinderten Schulkind“ degradiert werde.
Ihre positiven Seiten und Fähigkeiten würden nicht erkannt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2008 wies das Ministerium für
Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein den Widerspruch als
unbegründet zurück. Den potentiell angelegten Konflikt zwischen dem staatlichen
Erziehungsauftrag und dem elterlichen Erziehungsrecht habe der Gesetzgeber
dahingehend gelöst, dass auf Grundlage eines Gesetzes ein rechtsstaatliches
Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs geschaffen
worden sei und die Elternrechte durch weitreichende Beteiligungs- und
Anhörungsrechte und -möglichkeiten gewahrt würden. Das vorgeschriebene
Verfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden; in Übereinstimmung mit dem
angefochtenen Bescheid des Schulamtes sei festzustellen, dass ein
sonderpädagogischer Förderbedarf im Schwerpunkt „Lernen“ vorliege. Das
vorgelegte Privatgutachten bestätige die Ergebnisse des sonderpädagogischen
Gutachtens, wobei die Leistungen in Mathematik allerdings nicht überprüft worden
seien, obwohl die Klägerin zu 1) dort ihre größten Schwierigkeiten habe. Schließlich
leite sich der sonderpädagogische Förderbedarf nicht aus dem Ergebnis der
Intelligenzmessung ab, sondern aus der Analyse der gesamten Situation. Die
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Intelligenzmessung ab, sondern aus der Analyse der gesamten Situation. Die
Pestalozzischule habe langjährige Erfahrungen in der integrativen Beschulung. Der
Schulleiter habe auf Nachfrage nicht bestätigen können, dass die Klägerin zu 1)
ausgegrenzt oder verspottet werde. Vielmehr habe sie in ihrer Klasse Freundinnen
und sei im Umgang mit den Mitschülern und diese mit ihr spontan und freundlich.
Am 9. Januar 2009 haben die Kläger dagegen Klage erhoben. Auf den zusätzlich
gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (9 B 4/09) hat das Gericht auf die
fehlende Sofortvollzugsanordnung hingewiesen, woraufhin die Beschulung der
Klägerin zu 1) nach dem sonderpädagogischen Lehrplan zum zweiten
Schulhalbjahr ausgesetzt wurde.
Die Kläger behaupten, die Klägerin zu 1) verfüge über ein ausreichendes
Leistungsvermögen, das ihr eine Beschulung nach dem normalen Lehrplan ohne
weiteres ermögliche. Die erfolgte Begutachtung berücksichtige dies ebenso wenig
wie die vorhandenen Fähigkeiten und Talente und sei nicht hinreichend objektiv;
vielmehr habe man die Klägerin zu 1) von Anfang an aussortieren wollen. Zur
Überprüfung müsse deshalb ein gerichtliches Gutachten eingeholt werden. Die
Kläger zu 2) und 3) sind ferner der Ansicht, dass ihre Elternrechte übergangen
worden seien, indem man sie zu keiner Zeit in die Entscheidung über die
sonderpädagogische Überprüfung einbezogen habe. Sie befürchten zudem, dass
eine sonderpädagogische Förderung ihre Tochter ausgrenzen und ihre schulische
Zukunft nur erschweren würde.
Sie beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2008 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Ministeriums für Bildung und Frauen des Landes
Schleswig-Holstein vom 16. Dezember 2008 aufzuheben.
Das beklagte Amt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und ist der
Auffassung, dass ein neues Gutachten nicht erforderlich sei. Der
sonderpädagogische Förderungsbedarf sei unter Einhaltung des vorgeschriebenen
Verfahrens eindeutig festgestellt worden, das privatärztliche Gutachten biete
keinen Anhaltspunkt für ein weiteres Gutachten. Ergänzend wird darauf
hingewiesen, dass aufgrund der derzeitigen Noten der Klägerin zu 1) die
Möglichkeit bestehe, dass sie ohne sonderpädagogische Förderung das
Klassenziel der Klassenstufe 4 nicht erreiche. Eine zieldifferente Förderung könne
deshalb nur hilfreich sein.
Die Kammer hat den Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur
Entscheidung übertragen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf
die Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des beklagten
Amtes verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Im Falle einer Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung wäre die Klägerin zu 1) weiterhin nach den
lehrplanmäßigen Anforderungen einer Grundschule zu unterrichten. Als von der
angefochtenen Maßnahme unmittelbar Betroffene ist sie auch klagebefugt.
Entsprechendes gilt für die Kläger zu 2) und 3) als sorgeberechtigte Elternteile, da
die Möglichkeit einer Verletzung ihres Elternrechtes aus Art. 6 Abs. 2 GG besteht.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 27. Juni
2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2008 ist
rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1
VwGO).
Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 6 Abs. 1 der
Landesverordnung über sonderpädagogische Förderung vom 19.06.2002, welche
bis zum 31.07.2008 anzuwenden ist (vgl. § 10 Abs. 2 der Neufassung der SoFVO
vom 24.01.2007, GVOBl. Schl.-H. S. 39).
Die formellen Voraussetzungen liegen vor.
Zuständig für die Entscheidung über das Bestehen eines sonderpädagogischen
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Zuständig für die Entscheidung über das Bestehen eines sonderpädagogischen
Förderbedarfs und eine entsprechende Zuweisung ist die Schulaufsichtsbehörde,
vorliegend das Schulamt A-Stadt (§ 41 Abs. 2, § 125 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 iVm
§ 120 Abs. 4 und § 126 Abs. 3 SchulG a.F. bzw. § 24 Abs. 3, § 129 Abs. 1 S. 1, Abs.
2 Nr. 2 iVm § 125 Abs. 3 und § 130 Abs. 3 SchulG n.F.). Formelle Fehler im
Verfahren der Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs nach §§ 3 ff.
SoFVO sind nicht ersichtlich. Die Kläger zu 2) und 3) sind im Verwaltungsverfahren
an den in der Verordnung vorgesehenen Entscheidungsschritten durch Anhörung
und Übermittlung von Informationen beteiligt worden. Die Entscheidung nach § 6
Abs. 1 SoFVO beruht auf einer entsprechenden Empfehlung des gem. § 5 Abs. 1
SoFVO einberufenen Förderausschusses auf einem sonderpädagogischen
Gutachten iSd § 3 Abs. 5 SoFVO. Die Kläger zu 2) und 3) wurden vor Einleitung des
Verfahrens umfassend über Inhalt und Ziel der Überprüfung unterrichtet und
hatten Gelegenheit, sich sowohl zu dem Gutachten als auch vor dem
Förderausschuss zu äußern. Die Entscheidung wurde ihnen selbst und als
gesetzliche Vertreter der Klägerin zu 1) schriftlich mitgeteilt (§ 6 Abs. 3 SoFVO).
Verfahrensmäßige Fehler werden von der Klägerseite auch nicht als
entscheidungserheblich geltend gemacht.
Auch die materiellen Voraussetzungen für die angegriffene behördliche
Entscheidung sind gegeben.
Bei der Entscheidung nach § 6 Abs. 1 SoFVO über die im Falle des Bestehens
eines sonderpädagogischen Förderbedarfs zu treffenden Maßnahmen handelt es
sich um einen sog. Dauerverwaltungsakt. Die darin enthaltenen Gebote sind
zunächst auf Dauer angelegt - vorliegend allerdings begrenzt auf die
Grundschulzeit - und aktualisieren sich täglich neu (vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR
1991, 479). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage
ist demnach der der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts; etwaige seit
der letzten Behördenentscheidung eingetretene tatsächliche und rechtliche
Veränderungen wären zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, Urt. v. 18.02.1998 - 7 B
97/3171 - in juris; VG Wiesbaden, Urt. v. 19.02.2008 - 6 E 1152/07 - mwN in
BeckRS 2008, 36668).
Die Schulaufsichtsbehörde hat nach Durchlaufen des vorgeschriebenen
Verfahrens im Einzelnen den Förderschwerpunkt festzulegen, über Maßnahmen
zur Förderung des Schülers / der Schülerin zu entscheiden und ihn / sie der Schule
zuzuweisen, in der dem individuellen Förderbedarf am besten entsprochen werden
kann. Zudem wird das zuständige Förderzentrum festgelegt. Dem entsprechend
hat das beklagte Schulamt durch Bescheid vom 27. Juni 2008 für die Klägerin zu 1)
den Förderschwerpunkt „Lernen“ iSd § 2 S. 2 Nr. 1 SoFVO festgelegt, als gebotene
Maßnahme einen integrierten und zieldifferenten Unterricht nach dem Lehrplan
„Sonderpädagogische Förderung“ während der Grundschulzeit bestimmt und die
Klägerin zu 1) zu diesem Zweck der bereits jetzt von ihr besuchten Grund- und
Hauptschule zugewiesen. Das als zuständig bestimmte Förderzentrum hat
demgemäß den gemeinsamen Unterricht iSd § 5 Abs. 2 SchulG zu begleiten. Die
Entscheidung geht von einem bestehenden sonderpädagogischen Förderbedarf
aus und folgt damit inhaltlich dem Ergebnis des sonderpädagogischen Gutachtens
vom 17. März 2008 und der Empfehlung des Förderausschusses vom 13. Juni
2008. Dies ist nicht zu beanstanden.
Bei ihrer Entscheidung hat die Schulaufsichtsbehörde sowohl das Recht der
betroffenen Schülerin auf eine Bildung, die ihren Anlagen und Befähigungen
gerecht wird - Art. 2 Abs.1 GG - als auch das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG
zu beachten. Grundsätzlich können die Eltern über die Pflege und Erziehung ihrer
Kinder und über deren Bildungsweg frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen
entscheiden. Dieses Recht gewährt allerdings keine Freiheit im Sinne einer
Selbstbestimmung der Eltern. Es ist im Verhältnis zum Staat zwar als
Freiheitsrecht ausgestaltet, oberste Richtschnur seiner Ausübung muss aber stets
das Kindeswohl sein. Es wird deshalb auch als „fiduziarisches“ Recht, als
dienendes Grundrecht bezeichnet. Es ist Grundrecht und Grundpflicht zugleich
(BVerfG, Urt. v. 09.02.1982 - 1 BvR 845/79 - E 59, 360 ff.).
Die Vorstellungen der Schülerin und der Eltern darüber, an welcher Schule die
schulische Erziehung erfolgen und wie der schulische Unterricht gestaltet werden
soll, sind deshalb verfassungsrechtlich von großem Gewicht. Sie gelten allerdings
nicht unbeschränkt. Das ergibt sich zum einen aus dem in Artikel 6 Abs. 2 S. 2 GG
konstatierten "Wächteramt" des Staates über die erzieherische Betätigung der
Eltern. Zum anderen folgt dies aus dem Recht des Staates, im schulischen
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Eltern. Zum anderen folgt dies aus dem Recht des Staates, im schulischen
Bereich über die Bildungsinhalte und Erziehungsziele zu bestimmen (Schl.-Holst.
OVG, Beschl. v. 26.01.1991 - 3 L 291/91 -; BVerfG, Urt. v. 08.10.1997 -1 BvR 9/97 -
E 96, 288 ff., in juris Rd. 77, 80). Dieses Recht wird aus Art. 7 Abs. 1 GG abgeleitet,
der das gesamte Schulwesen unter die Aufsicht des Staates stellt (dazu
Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1 Schulrecht, 4. Aufl., Rd. 129).
Aufgrund seines Verfassungsrangs ist es geeignet, auch die elterlichen Rechte aus
Art. 6 Abs. 2 GG einzuschränken, die sonst keinem Gesetzesvorbehalt unterliegen
(BVerfG, Beschl. v. 15.03.2007 - 1 BvR 2780/06 - NVwZ 2008, 72). Im Bereich der
Schule treffen damit Erziehungsrecht und Erziehungsverantwortung der Eltern auf
den Erziehungsauftrag des Staates. Dieser Auftrag ist dem elterlichen
Erziehungsrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet (BVerfG, Beschl. v.
16.04.2002 - 1 BvR 279/02 - DVBl 2002, 971; Urt. v. 14.07.1998 - 1 BvR 1640/97 -
E 98, 218 ff. mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst Art. 7
Abs. 1 GG die Befugnis zur Planung und Organisation des Schulwesens mit dem
Ziel, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen jungen Menschen gemäß ihren
Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden
Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Die organisatorische Gliederung der Schule und
die strukturellen Festlegungen des Ausbildungssystems, das inhaltliche und
didaktische Programm der Lernvorgänge und das Setzen der Lernziele sowie die
Entscheidung darüber, ob und wieweit diese Ziele von dem Schüler erreicht
worden sind, gehören zu dem staatlichen Gestaltungsbereich (BVerfG, Urt. v.
09.02.1982 - 1 BvR 845/79 - E 59, 360 ff., Beschl. v. 16.04.2002 - 1 BvR 279/02 -
DVBl 2002, 971). In diesem Rahmen der staatlichen Befugnisse zur Organisation,
Leitung und Planung des Schulwesens steht dem Staat bei der inhaltlichen
Ausgestaltung des Schulsystems ein weitreichender Spielraum zu.
In Ausübung dieser Gestaltungsfreiheit hat der Landesgesetzgeber in §§ 5 Abs. 2,
25 SchulG a.F. (§§ 5 Abs. 2, 45 SchulG n.F.) bestimmt, dass Kinder und
Jugendliche, die wegen ihrer körperlichen, geistigen, seelischen oder sozialen
Entwicklung oder Behinderung einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen,
nach Möglichkeit gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schülern unterrichtet
werden sollen und dass die jeweilige Regelschule dabei von einem Förderzentrum
unterstützt wird. Durch die Einschaltung der Institution "Sonderschule" bzw.
„Förderzentrum“, die auf die Eigenart der jeweiligen Schülerinnen und Schüler in
qualifizierter Weise Rücksicht nimmt, kommt deutlich zum Ausdruck, dass gerade
das Recht des Kindes auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und
Bildung verwirklicht werden soll. Ergänzend dazu normieren § 41 Abs. 2 SchulG a.F.
bzw. § 21 Abs. 2 SchulG n.F. und die SoFVO das entsprechende Verfahren. Die im
Rahmen dieses Verfahrens zu treffende Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde
ist konstitutiv (vgl. Schl.-Holst. OVG, Beschl. v. 26.01.1991 - 3 L 291/91 - mwN; VG
Braunschweig, Urt. v. 13.10.1999 - 6 A 190/99 - in juris Rd. 22).
Hiervon ausgehend ist es letztlich die Pflicht staatlicher Schulen, im Rahmen ihrer
finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten diejenigen Schülerinnen und
Schüler durch geeignete Maßnahmen zu fördern, bei denen ein solcher
Förderbedarf besteht. Dieser Pflicht kann sich die Schule selbst dann nicht
entziehen, wenn die Erziehungsberechtigten die Notwendigkeit einer individuellen
Förderung in Abrede stellen (VG Berlin, Urt. v. 25.04.2006 - 3 A 209/06 - in juris).
Um aber bestehende gegenläufige Interessen möglichst in Einklang zu bringen,
hat die Schulaufsichtsbehörde das in der SoFVO vorgesehene Verfahren
durchzuführen. Dieses schafft den gebotenen Rahmen, in welchem die
Grundrechtspositionen angemessen zur Geltung gebracht werden können und
bindet die Erziehungsberechtigten so ein, dass nach Möglichkeit auch eine von
ihnen akzeptierte Entscheidung getroffen wird (BVerfG, Urt. v. 08.10.1997 -1 BvR
9/97 - E 96, 288 ff., in juris Rd. 82). Weiter geht das Erziehungsrecht der Eltern in
diesem Zusammenhang allerdings nicht (VG Berlin, Urt. v. 25.04.2006 - 3 A
209/06 - in juris). Hieraus folgt, dass bei Einhaltung des Verfahrens und gebotener
Würdigung sämtlicher Erkenntnisse und der vorgetragenen Positionen auch eine
Entscheidung erforderlich werden kann, mit der die Erziehungsberechtigten nicht
einverstanden sind. So liegt es hier. Die vom beklagten Amt angeordneten
Maßnahmen entsprechen den rechtlichen Vorgaben und sind nicht zu
beanstanden.
Ein sonderpädagogischer Förderbedarf liegt nach § 2 S. 1 SoFVO vor, wenn ein
Schüler oder eine Schülerin aufgrund seiner / ihrer Behinderung, Entwicklung oder
chronischen Krankheit nur mit besonderer Hilfe am Unterricht teilnehmen kann
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chronischen Krankheit nur mit besonderer Hilfe am Unterricht teilnehmen kann
und eine sonstige Förderung nicht ausreichend ist. Der Tatbestand
„sonderpädagogischer Förderbedarf“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar,
dessen Auslegung und Annahme gerichtlicherseits voll nachprüfbar ist
(Nihues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1 Schulrecht, 4. Aufl., Rd. 601). Für die
Annahme eines bei der Schulaufsichtsbehörde bestehenden
Beurteilungsspielraumes aufgrund eines wertenden oder prognostischen
Charakters der Entscheidung mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen
Kontrolle (so VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 479; VG Schleswig, Beschl. v.
17.12.2001 - 9 B 110/01 -; VG Osnabrück, Beschl. v. 12.12.2002 - 3 B 82/02 -; VG
Berlin, Urt. v. 25.4.2006 - 3 A 209/06 - alle in juris) besteht keine Veranlassung (VG
Braunschweig, Urt. v. 30.5.2001 - 6 A 1/01 - mwN.). Es ist nicht ersichtlich, dass
auf Seiten der Schulaufsichtsbehörde - etwa aufgrund einer prüfungsähnlichen
Situation - ein Erkenntnisvorsprung bestünde, der vom Gericht nicht nachvollzogen
werden könnte. Dabei muss bedacht werden, dass die maßgebliche, nach außen
wirksam werdende Entscheidung allein und letztverantwortlich durch die
Schulaufsichtsbehörde getroffen wird. Das vorgeschaltete Verfahren mit
sonderpädagogischem Gutachten und Empfehlung des Förderausschusses dient
lediglich der weitgehenden Objektivierung der Entscheidungsfindung, ohne dass
die Schulaufsichtsbehörde an deren Inhalt oder Ergebnis gebunden wäre (vgl.
BVerfG, Urt. v. 08.10.1997 -1 BvR 9/97 - E 96, 288 ff., in juris Rd. 82 f.). So ist
verfahrensseitig sichergestellt, dass die der Behörde fehlende Sachkunde durch
Heranziehung eines von qualifizierter Seite erstellten Gutachtens ersetzt wird. Von
daher kann sich das Gericht auf Grundlage dieser im Verwaltungsverfahren bereits
gewonnenen Erkenntnisse ebenso ein Bild vom Vorliegen des Tatbestandes
verschaffen wie die Schulaufsichtsbehörde und deren Entscheidung anhand der
vorliegenden Erkenntnisse auch ohne Überschreitung seiner Sachkompetenz
nachprüfen (vgl. schon BayVGH, Urt. v. 18.2.1998 - 7 B 97/3171 - und v.
11.12.1996 - 7 B 96/2568 - BayVBl 1997, 561, beide in juris). Der Bayerische VGH
weist in seinem Urteil vom 11.12.1996 zusätzlich auf die weitreichende Bedeutung
der angegriffenen Entscheidung für den Lebensweg des betroffenen Kindes hin und
auf den Anspruch der Eltern auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle.
Hier sei es Aufgabe der Gerichte, die Rechtsanwendung uneingeschränkt
nachzuprüfen.
Hiervon ausgehend hat sich das Schulamt zutreffend dem Ergebnis des
sonderpädagogischen Gutachtens und der Empfehlung des Förderausschusses
angeschlossen und bei der Klägerin zu 1) das Vorliegen eines
sonderpädagogischen Förderbedarfs im o.g. Sinne angenommen. Die
diesbezüglichen Feststellungen des Gutachtens selbst unterliegen keinen Zweifeln.
Ihnen kommt nach der SoFVO eine besondere Bedeutung zu. Das Gutachten
wertet den in der Schülerakte dokumentierten Sachverhalt umfassend aus. Nach
Durchführung umfangreicher Testverfahren zur Feststellung der intellektuellen
Fähigkeiten sowie des Leistungsstandes in den Fächern Mathematik und Deutsch
kommt es nicht zuletzt aufgrund einer Unterrichtshospitation nachvollziehbar und
plausibel zu dem Befund eines bestehenden Förderbedarfs. Bereits der schulische
Werdegang der Klägerin zu 1) von der Einschulung bis zu den zuletzt erstellten
Zeugnissen und Berichten bestätigt über die verschiedensten Phasen hinweg,
dass die Klägerin zu 1) aufgrund ihrer Entwicklung den durchschnittlichen
Anforderungen einer Regelgrundschule trotz einmaliger Rückstellung und gezielter
Fördermaßnahmen nicht gerecht zu werden vermag und nur mit besonderer Hilfe
am Unterricht teilnehmen kann.
Dieser Befund wird von den Klägern nicht substantiiert in Frage gestellt. Sie
vermochten nicht darzulegen, dass das Gutachten Mängel aufweisen könnte, die
die Einholung eines weiteren Gutachtens geböten. Sie behaupten zwar, dass das
Gutachten nicht objektiv sei, führen für diese Behauptung aber keine anderen
Belege an als die eigene Einschätzung, dass ihre Tochter ein ganz normales
Schulkind von durchschnittlicher Intelligenz sei. Zutreffend weist der
Widerspruchsbescheid insoweit darauf hin, dass es auf die gemessene Intelligenz
allein nicht ankommt. Ferner trifft es nicht zu, dass die Lehrer/innen und die
Gutachterin die positiven Seiten und Fähigkeiten der Klägerin zu 1) nicht erkannt
und gewürdigt hätten; diese sind ganz im Gegenteil wiederholt hervorgehoben
worden. Die Sachkunde der sonderpädagogischen Gutachterin steht für das
Gericht nicht in Frage und wird auch nicht angezweifelt. Die klägerische Kritik
scheint mehr von der Befürchtung getragen zu sein, dass der Förderstatus zu
einer Beeinträchtigung im schulischen Ansehen ihrer Tochter führt. Dies
rechtfertigt es aber nicht, ihr diesen Status entgegen dem festgestellten Bedarf zu
entziehen. Dass sich die Kläger zu 2) und 3) ohne die sonderpädagogische
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entziehen. Dass sich die Kläger zu 2) und 3) ohne die sonderpädagogische
Förderung für ihre Tochter eine erfolgreichere, leichtere Schulkarriere erhoffen als
bisher, ist eine lediglich subjektive Einschätzung, die durch nichts begründet ist
und deshalb der fachkundigen pädagogischen Beurteilung nicht entgegengehalten
werden kann.
Auch das klägerseitig vorgelegte Gutachten führt zu keiner anderen Einschätzung.
Außer auf einigen nicht näher erläuterten Tests beruht es im Wesentlichen auf
Schilderungen der Kläger zu 2) und 3) sowie dem Verhalten der Klägerin zu 1) in
den wenigen Sitzungen. Im Gegensatz zum sonderpädagogischen Gutachten stellt
es außerdem nur eine Momentaufnahme dar und ist auch deshalb nicht geeignet,
eine substanzielle und verlässliche Aussage zu Art und Umfang der seit Jahren im
schulischen Alltag der Klägerin zu 1) auftretenden Lernschwächen zu treffen. Im
„Problem-Fach“ Mathematik wurden erst gar keine Tests durchgeführt, deren
Ergebnisse Anlass zu Zweifeln geben könnten. Im Übrigen widerspricht es, soweit
ersichtlich, dem sonderpädagogischen Gutachten nicht; insbesondere das
Ergebnis des sog. K-ABC - Testes zur Ermittlung der intellektuellen Fähigkeiten
liegt nach beiden Gutachten mit einem Standardwert von 89 im Bereich zwischen
durchschnittlich und unterdurchschnittlich.
Soweit die Kläger zu 2) und 3) darauf verweisen, dass die zwischenzeitlich erfolgte
sonderpädagogische Förderung ihre Tochter unterfordere und gleichzeitig
zurückwerfe, spricht dies schließlich eher für die Beibehaltung des Förderstatus’ als
für dessen Abschaffung. Gerade im Hinblick auf den bevorstehenden Übergang in
die Orientierungsstufe wäre es mit der der Schule obliegenden Verantwortung für
die weitere Schullaufbahn der Klägerin zu 1) nicht zu vereinbaren, ihr die für
notwendig erkannte Förderung vorzuenthalten in der vermeintlichen Hoffnung, dies
werde zu den Lern- und Entwicklungserfolgen führen, die trotz intensiver Förderung
in der Vergangenheit ausgeblieben sind.
Nach alledem ist die gerichtlicherseits gewonnene Überzeugung von der
Richtigkeit des sonderpädagogischen Gutachtens nicht erschüttert. Das
verwaltungsseitige Gutachten ist als Urkunde in den Prozess eingeführt und kann
wie ein gerichtlich eingeholtes Gutachten verwertet werden (vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, § 98 Rd. 15a). Der Einholung eines weiteren Gutachtens bedarf es daher
nicht, weshalb auch die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge
aus den genannten Gründen abgelehnt wurden.
Da auch die übrigen Entscheidungselemente keinen rechtlichen Zweifeln
unterliegen, war die Klage vollständig abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt
aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.