Urteil des VG Saarlouis vom 16.02.2011

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VG Saarlouis Beschluß vom 16.2.2011, 3 L 2343/10
Einstweiliger Rechtsschutz vor Bürgerbegehren
Leitsätze
Ein Bürgerbegehren, das der Sache nach offensichtlich auf eine Bauleitplanung gerichtet ist
(hier: Errichtung von Windkraftanlagen im Gemeindegebiet), ist nach § 21 a Abs. 4 Nr. 6
KSVG unzulässig.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
Der am 26.11.2010 bei Gericht eingegangene Antrag,
im Hinblick auf ständig neue Planungsüberlegungen vorläufig
anzuordnen, dass seitens des Antragsgegners keine Entscheidungen
getroffen werden dürfen, die den Zielen des Begehrens
entgegenwirken können (§ 123 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO),
hat keinen Erfolg.
Einstweilige Anordnungen können immer nur dann ergehen, wenn der Antragsteller einen
Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Das heißt, er
muss die Eilbedürftigkeit der begehrten Sicherung oder Regelung und das Bestehen eines
im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden Anspruchs glaubhaft gemacht haben,
wobei letzteres nur dann gelingt, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass
der Antragsteller im Hauptsacheverfahren auch obsiegen wird.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur
möglichen summarischen Überprüfung ist die Entscheidung des Antragsgegners vom
18.10.2010, dass das von dem Antragsteller eingereichte Bürgerbegehren unzulässig ist,
rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens ergibt sich jedenfalls aus § 21 a Abs. 4 Nr. 6
KSVG. Danach ist ein Bürgerbegehren über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und
Aufhebung von Bauleitplänen unzulässig. Förmliche Verfahren der Bauleitplanung sind damit
einem Bürgerbegehren entzogen. Die planende Tätigkeit, die Berücksichtigung der
vielfältigen, in § 1 BauGB genannten öffentlichen Belange und ihre Abwägung mit den
ebenfalls einzubeziehenden privaten Belangen machen die Bauleitplanung von vorne herein
aufgrund ihrer Komplexität nicht zum tauglichen Gegenstand plebiszitärer Willensbildung
(vgl. Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, Kommentar, § 21 a KSVG, Anm. 4.;
zum insoweit im Wesentlichen jeweils gleichlautenden Landesrecht des Landes Baden-
Württemberg, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.03.2009 -1 S 419/09- und
des Landes Nordrheinwestfalen OVG NRW, Beschluss vom 11.03.2009 -15 B 329/09-,
jeweils zitiert nach juris).
Mit der Aussage 1/Frage 1 des Bürgerbegehrens "Wir sind gegen die Errichtung von
Windkraftanlagen im Wald innerhalb der Gemeinde A-Stadt, der Teil des Schwarzwälder
Hochwaldes ist (ein Kerngebiet des Naturparks Saar-Hunsrück)" und mit der Aussage
2/Frage 2 "Wir sind gegen vertragliche Regelungen mit einem möglichen Investor zur
Errichtung von Windkraftanlagen vor der Entscheidung über das Bürgerbegehren" soll die
Errichtung von Windkraftanlagen verhindert werden. Mit diesen Fragen wird im Gewand
eines Bürgerbegehrens eine bauleitplanerische Entscheidung erstrebt, weil eine Gemeinde
den Bau von Windkraftanlagen in ihrem Gemeindegebiet nur unter Ausnutzung des ihr zur
Verfügung stehenden Instrumentariums gegensteuernder Bauleitplanung unter Einhaltung
der dafür geltenden gesetzlichen Anforderungen verhindern kann (vgl. nur OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 02.09.2010 -2 B 215/10-, zit. nach juris).
Dabei ist nicht die Wortwahl der Fragestellung maßgeblich. Der Gegenstand eines
Bürgerbegehrens ergibt sich vielmehr aus seiner Zielrichtung. Bei der Ermittlung dieser
Zielrichtung kommt es in erster Linie darauf an, wie die Unterzeichner den Text verstehen
müssen, da sichergestellt sein muss, dass die Bürger bei der Leistung der Unterschrift
wissen, was Gegenstand des Bürgerbegehrens ist. Daneben ist auch das Verständnis der
Gemeindevertretung als Adressatin des Begehrens auf Durchführung eines
Bürgerbescheids für die Auslegung relevant (vgl. nur statt vieler: VGH Baden-Württemberg,
Beschluss vom 20.03.2009 -1 S 419/09-, zitiert nach juris). Ausgehend hiervon richtet sich
das Bürgerbegehren nach dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt mit hinreichender
Deutlichkeit gegen die bauleitplanerische Entscheidung der Gemeinde A-Stadt zum Bau von
Windkraftanlagen im Gemeindegebiet (vgl. zu dieser Entscheidung nur die im amtlichen
Bekanntmachungsblatt vom 14.04.2004 erfolgte Bekanntmachung der 4. Änderung des
Flächennutzungsplanes der Gemeinde A-Stadt und den Antrag vom 04.03.2008 auf
Durchführung eines Zielabweichungsverfahrens zum LEP Umwelt 2004).
Dies wird durch den Vortrag des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren auch eindeutig
bestätigt. So verweist der Antragsteller zur Begründung der Eilbedürftigkeit seines
gestellten Antrags darauf, dass ein Zielabweichungsverfahren läuft und das
Bürgerbegehren ins Leere laufen würde, wenn die planerischen Vorstellungen der
Gemeinde umgesetzt würden (vgl. Schriftsatz vom 23.11.2010 ("VIII"), Bl. 34 der
Gerichtsakte). Zur weiteren Begründung führt der Antragsteller aus, durch diese
planerischen Vorstellungen könnten dann vollendete Tatsachen geschaffen werden, da die
förmlichen Planungen durch ein Bürgerbegehren nicht einmal bekämpft werden könnten
(a.a.O., Bl. 35 der Gerichtsakte). Dies spricht für sich. Auch der Vortrag des Antragstellers,
warum ein Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinde hier nicht gegeben sei (a.a.O. ("VII
2."), Bl. 29 - 31 der Gerichtsakte), belegt, dass gerade diese Planungshoheit der Gemeinde
Gegenstand des Bürgerbegehrens ist. In diesem Zusammenhang sei nur angemerkt, dass
es für die Anwendung des § 21 a Abs. 4 Ziffer 6 KSVG unerheblich ist, ob die gemeindliche
Planung letztlich rechtlich Bestand haben wird. Entscheidend ist allein, dass in die gemäß §
1 Abs. 3 BauGB den Gemeinden obliegende Aufgabe, die Bauleitpläne aufzustellen, sobald
und soweit es für die städtische Entwicklung und Ordnung erforderlich ist, eingegriffen wird.
Nach alldem greift für das Bürgerbegehren hinsichtlich der Aussage 1/Frage 1 und der
Aussage 2/Frage 2 der Ausschlussgrund nach § 21 a Abs. 4 Nr. 6 KSVG ein.
Auf die sonstigen im Verfahren aufgeworfenen Fragen kommt es daher
entscheidungserheblich nicht mehr an. Allerdings dürfte der Antragsgegner § 88 Abs. 1
KWG verletzt haben. Nach § 88 Abs. 1 KWG ist vor einer Entscheidung über das
Bürgerbegehren den erschienenen Vertreterinnen und Vertretern des Bürgerbegehrens
Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Unter Hinweis auf diese Vorschrift hat der
Bürgermeister der Gemeinde A-Stadt den Antragsteller mit Schreiben vom 17.09.2010 zur
Sitzung des Gemeinderats am 30.09.2010 eingeladen; in diesem Schreiben wird
ausgeführt: "Unter Tagesordnungspunkt 2 (Windkraftanlagen in der Gemeinde A-Stadt)
wird Ihnen Gelegenheit gegeben, innerhalb von 15 Minuten nochmals Ihre Argumente
gegen die Errichtung von Windkraftanlagen den Gemeinderatsmitgliedern vorzutragen. Die
Thematik bezüglich der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ist hiervon jedoch
ausgenommen.". Solche zeitlichen und sachlichen Beschränkungen sieht der Wortlaut des §
88 Abs. 1 KWG aber nicht vor. Im Übrigen ist selbstverständlich, dass im Rahmen eines
Verfahrens, in dem es um die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens geht, auch Äußerungen
zu dieser Zulässigkeit möglich sein müssen. Der Verstoß gegen § 88 Abs. 1 KWG vermag
jedoch daran, dass das Bürgerbegehren von Beginn an in der Sache nach § 21 a Abs. 4 Nr.
6 KSVG unzulässig war und bleibt, nichts zu ändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.