Urteil des VG Saarlouis vom 16.01.2008

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VG Saarlouis Urteil vom 16.1.2008, 5 K 1101/07
Zulässigkeit einer Klage ohne Vorverfahren bei einer Bescheinigung nach § 7 h Abs. 2 EStG
Leitsätze
1. Eine am letzten Tag der Widerspruchsfrist ohne Widerspruchseinlegung erhobene Klage
ist unzulässig, wenn der Beklagte die Unzulässigkeit ausdrücklich rügt und sich nur
hilfsweise zur Begründetheit äußert.
2. Der Neubau eines Gebäudes in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet eröffnet
auch dann nicht die Möglichkeit zu erhöhten Abschreibungen nach § 7 h Abs. 1 EStG, wenn
Teile früherer Bebauung des Grundstückes in den Neubau einbezogen werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Bescheinigung nach § 7 h EStG (Erhöhte
Absetzungen bei Gebäuden in Sanierungsgebieten …) für ihr Neubauvorhaben in A-Stadt.
Mit Kaufvertrag vom 04.02.2005 erwarb die Klägerin von der Beklagten die Grundstücke in
A-Stadt, zusammen 4.013 qm mitsamt den darauf aufstehenden Gebäuden
Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des von der Beklagten förmlich festgelegten
Sanierungsgebietes „Struktursanierung Gewerbegebiet Ost“ vom 30.10. 1990. Ziel der
Sanierung ist nach § 2 der Satzung die Behebung der festgestellten städtebaulichen
Missstände, Mängel und Funktionsschwächen sowie die prozessbegleitende Steuerung der
mit dem Bau der Ostspange verbundenen Umstrukturierungen. Nach § 2 Abs. 2 der
Satzung erfolgt die Sanierung im sog. „klassischen Verfahren“, d. h. unter Anwendung der
besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften der §§ 151 bis 156 BauGB.
Mit Bauschein vom 20.03.2006 wurde der Klägerin die Baugenehmigung zum „Neubau
eines Autohauses“, erteilt.
Unter dem 18.08.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf den
Kaufvertrag vom 04.05.2005 und die Baugenehmigung vom 20.03.2006 die Erteilung
einer Bescheinigung nach § 7 h EStG. Die voraussichtlichen Herstellungskosten betrügen
rund 2.950.000 Euro, die Maßnahme werde voraussichtlich im September 2006 beginnen
(Mit der am 14.09.2006 bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde eingegangenen
Baubeginnsanzeige wurde der Beginn der Arbeiten auf den 04.09.2006 datiert.) und im Juli
2007 abgeschlossen sein. (Nach Angaben der Unteren Bauaufsichtsbehörde vom
20.12.2007 im Zusammenhang mit der Übersendung der Bauakte ist das Bauvorhaben
noch nicht abgeschlossen.)
Mit dem im Streit stehenden Bescheid vom 29.08.2006 teilte die Beklagte der Klägerin
mit, dass die Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Ost“
und innerhalb des förmlich festgesetzten Sanierungsgebiets O. lägen. Die eingereichten
Bauantragsunterlagen hätten den Neubau eines Autohauses mit Ausstellungsfläche und
Neubau einer Autoreparaturwerkstatt zum Inhalt. Nach den Bescheinigungsrichtlinien für
erhöhte Absetzungen nach § 7 h EStG begründe die Wieder- oder Neuerrichtung eines
Gebäudes, z.B. die Baulückenschließung nach Abbruch eines nicht mehr verwertbaren alten
Gebäudes oder die Erweiterung eines Gebäudes durch An- oder Aufbauten, keine
steuerliche Abschreibungsmöglichkeit nach § 7 h EStG. Deshalb sei die Ausstellung einer
entsprechenden Bescheinigung rechtlich nicht möglich. Der Bescheid vom 29.08.2006 ging
bei der Klägerin nach ihren Angaben am 31.08.2006 auf dem normalen Postweg ein.
Am 30.08.2007 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. In der Sache
macht sie geltend, sie habe einen Anspruch auf die Erteilung der
Sonderabschreibungsmöglichkeit des § 7 h EStG.
Mit der Eingangsverfügung hat das Gericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klage
unzulässig sein dürfte, weil gegen den Ausgangsbescheid nicht innerhalb eines Jahres
Widerspruch eingelegt wurde (§§ 68 Abs. 2, 70, 58 Abs. 2 VwGO).
Die Klägerin vertritt dazu im Schreiben vom 08.10.2007 die Auffassung, dass ein
Widerspruchsverfahren durchgeführt worden sei. Sie habe anlässlich mehrerer mündlicher
Verhandlungen im Planungsamt der Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass sie mit der
Entscheidung nicht einverstanden sei. So habe etwa die Beklagte im Schreiben vom
16.07.2007 ausgeführt, dass der Bescheid vom 29.08.2006 weiterhin Gültigkeit habe, es
ihr – der Klägerin – aber offen stehe, vor Ablauf der Einwendungsfrist (31.08.2007) gegen
die Verweigerung der Bescheinigung vorzugehen.
Das Gericht hat die Klägerin sodann mit Verfügung vom 09.10.2007 darauf hingewiesen,
dass der Widerspruch „schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde“ zu erheben sei
und der mündlich vorgetragene Ausdruck, mit der Entscheidung nicht einverstanden zu
sein, nicht ausreiche. Aus der von der Klägerin zitierten Formulierung in Ihrem Schreiben
vom 16.07.2006 ergebe sich gerade, dass bisher kein Widerspruch erhoben worden sei.
Mit Schreiben vom 17.10.2007 macht die Klägerin geltend, bei der Besprechung am
06.12.2006 um 11.00 Uhr sei im Beisein des Beigeordneten E. Widerspruch eingelegt
worden. Das könnten die Herren W. und Z. bestätigen. Der Widerspruch müsse in der
Niederschrift vom 06.12.2006 (die sich nicht in der von der Beklagten vorgelegten
Verwaltungsakte befindet) dokumentiert sein. Im Übrigen sei das Schreiben vom
16.07.2007 als neuer Verwaltungsakt (ohne Rechtsmittelbelehrung) anzusehen, gegen
den mit Schreiben vom 17.10.2007 Widerspruch eingelegt worden sei; vorsorglich sei auch
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden. Mit der Formulierung im
Schreiben der Beklagten vom 16.07.2007 „Ihnen steht die Möglichkeit offen, vor Ablauf der
Einwendungsfrist gegen die Verweigerung der Bescheinigung vorzugehen“, sei die
Einreichung einer Klage beim Verwaltungsgericht gemeint. Mit dem Schreiben vom
16.07.2007 habe die Beklagte im Übrigen über den Widerspruch in der Sache entschieden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.08.2006 zu
verpflichten, ihr die Bescheinigung nach § 7 h EStG für Gebäude in
Sanierungsgebieten für das Bauvorhaben zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dazu trägt sie vor, die Klage sei bereits wegen des fehlenden Widerspruchs unzulässig. Bei
ihr existiere keine Niederschrift über eine Besprechung am 06.12.2006. Aus der
Formulierung im Schreiben vom 16.07.2006, dass es ihr – der Klägerin – offen stehe, „vor
Ablauf der Einwendungsfrist (31.08.2007) gegen die Verweigerung der Bescheinigung
vorzugehen“, ergebe sich eindeutig, dass damit die (erstmalige) Einlegung eines
Widerspruchs gemeint sei. Dass die Klägerin gegen den Bescheid vom 29.08.2006 Klage
erheben könne oder gar müsse, sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden; die Ein-
Jahresfrist sei vom Bevollmächtigten der Klägerin eingebracht worden.
Hilfsweise macht die Beklagte geltend, die Klage wäre auch im Falle der unterstellten
Zulässigkeit unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 7 h EStG nicht vorlägen. Diese
Bestimmung stehe im Zusammenhang mit § 177 BauGB. Zur Auslegung dieser
Bestimmung habe das BVerwG (Beschluss vom 27.08.1996 – 8 B 165.96 -, Buchholz
401.1 § 7 h EStG Nr. 1) grundlegend entschieden, dass erhebliche bauliche Änderungen
eines Gebäudes wie dessen Ausbau, Umbau oder Erweiterung weder eine Instandsetzung
noch eine Modernisierung im Sinne von § 177 BauGB - und damit auch des auf diese
Vorschrift verweisenden § 7 h Abs. 1 Satz 1 EStG 1986 – darstellten. Maßnahmen dieser
Art dienten nicht der Wiederherstellung eines vormals gegebenen, sondern der erstmaligen
Herstellung eines neuen Zustandes. Die Instandsetzung (und die Modernisierung) solle die
weitere Nutzung des bisherigen Bestandes ermöglichen. Deshalb fielen erhebliche
Änderungen eines Gebäudes wie dessen Ausbau, Umbau oder Erweiterung oder gar der
Abbruch und die anschließende Neuerrichtung eines Gebäudes nicht unter den Begriff der
Instandsetzung (oder Modernisierung); denn diese dienten nicht der Wiederherstellung
eines vormals gegebenen, sondern der erstmaligen Herstellung eines neuen Zustandes.
(Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, § 177 Rdnr. 13) Der Bundesfinanzhof nehme
auf den Beschluss des BVerwG vom 27.08.1996 Bezug. (Urteil vom 18.09.2002 – X R
183/96 -, BStBl. II 2003 S. 238, 240; Beschluss vom 20.06.2005 – IX B 146/04 -, bei juris)
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der
beigezogenen Verwaltungs- und Bauakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der
mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig (I.) und wäre im Falle ihrer Zulässigkeit unbegründet (II.).
I.
vor
Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts – mit Ausnahme von hier nicht einschlägigen
Sonderfällen - in einem Vorverfahren nachzuprüfen.
Keine rechtliche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Einwand der Klägerin, der
Rechtsausschuss hätte einen erhobenen Widerspruch ohnehin zurückgewiesen. Denn das
Bestehen einer (hinreichenden) Erfolgsaussicht des Widerspruchs ist kein - auch kein
ungeschriebenes - Tatbestandsmerkmal des § 68 VwGO. Nichts anderes gilt im Übrigen für
Klage, Berufung und Revision, die auch nicht bereits dann zulässig sind, wenn
Rechtsausschuss, Kammer oder Senat auf die (voraussichtliche) Erfolglosigkeit des
Rechtsbehelfs hinweisen oder damit zu rechnen ist.
Das Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs (§ 69 VwGO), der – bei
fehlenden Rechtmittelbelehrung im angegriffenen Bescheid – binnen eines Jahres nach
Bekanntgabe des Verwaltungsakts schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu
erheben ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
Ein den §§ 68 – 73 VwGO i.V.m. den §§ 7 – 16 AGVwGO entsprechendes Vorverfahren hat
– entgegen der Einschätzung der Klägerin – nicht stattgefunden.
Im Falle eines eingelegten Widerspruchs gegen einen Verwaltungsakt hat die Behörde
zunächst darüber zu entscheiden, ob sie dem Widerspruch abhilft (§ 72 VwGO). Geht die
Abhilfeentscheidung für den Widerspruchsführer negativ aus, ist der Widerspruch dem
Stadtrechtsausschuss (vgl. §§ 7 ff. AGVwGO) vorzulegen, der aufgrund mündlicher
Verhandlung (§ 16 AGVwGO) förmlich durch Widerspruchsbescheid entscheidet. Der
Widerspruchsbescheid ist nach § 73 Abs. 4 VwGO zu begründen, mit einer
Kostenentscheidung sowie einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und nach den
Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zuzustellen. Ein solches Verfahren hat
vorliegend schon deshalb nicht stattgefunden, weil die Klägerin keinen wirksamen
Widerspruch erhoben hat.
schriftlichen
die Klägerin eigenem Bekunden zufolge nicht erhoben. Sie hat auch keinen Widerspruch zur
zur Niederschrift
bei der Behörde
die darauf hinweist, dass hier die gleichen Anforderungen wie für die Klageerhebung (§ 81
VwGO) gelten. (Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 70 Rdnr. 19;
Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 70 Rdnr. 2)
Diese erfordern die Anwesenheit des Widerspruchsführers und die „Protokollierung“ des
Widerspruchs. Das Protokoll muss dem Widerspruchsführer vorgelesen und von ihm
genehmigt werden. Die Genehmigung kann durch die Unterschrift des Widerspruchsführers
oder auf andere Weise, z.B. durch einen Vermerk im Protokoll („vorgelesen und
genehmigt“), erfolgen. Nicht ausreichend ist die mündliche Erklärung, mit dem Bescheid
nicht einverstanden zu sein, auch wenn darüber ein Aktenvermerk erstellt wird.
(Dolde/Porsch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 70 Rdnr. 7; Rennert in
Geiger, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 70 Rdnr. 2, jeweils mit weiteren Nachweisen)
Die Klägerin macht selbst nicht geltend, dass dieses Formerfordernis eingehalten wurde.
Sie trägt allein vor, mündlich (mehrfach) erklärt zu haben, dass sie mit dem
Verwaltungsakt nicht einverstanden gewesen sei. Das reicht indes – wie ausgeführt – nicht
aus.
Gegen die Einschätzung der Klägerin, sie habe am 06.12.2006 Widerspruch bei der
Beklagten eingelegt, spricht im Übrigen mit Nachdruck die von Herrn B. vom
Stadtplanungsamt gefertigte Besprechungsnotiz über ein Informationsgespräch mit den
Herren G., A., Z., E. sowie Frau K. und Frau H, am 24.05.2007, in der es heißt: „Ein
Widerspruch zu der Ablehnung des Planungsamtes endet nach einjähriger Dauer nach
Zustellung mit Datum vom 31.08.2007.“ Damit hat die Beklagte klar zum Ausdruck
gebracht, dass zu diesem Zeitpunkt bei ihr kein Widerspruch erhoben war und ein solcher
erforderlich war, um ein Widerspruchsverfahren einzuleiten.
Eine Heilung dieses Formmangels kann grundsätzlich nur innerhalb der Widerspruchsfrist
durch ordnungsgemäße Nachholung erfolgen.
Die Erhebung des Widerspruchs wird grundsätzlich auch nicht durch die Klageerhebung
ersetzt. (Kopp/Schenke, VwGO, § 70 Rdnr. 3)
Zwar kann hinsichtlich der Versäumung der Widerspruchsfrist nach § 70 Abs. 2 i.V.m. § 60
VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn eine gesetzliche
Frist ohne Verschulden versäumt wurde. Allerdings ist der Wiedereinsetzungsantrag nach §
60 Abs. 2 VwGO binnen 2 Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und die
versäumte Handlung innerhalb dieser Frist nachzuholen. Vorliegend hat das Gericht mit
Verfügung vom 03.09.2007 auf das fehlende Vorverfahren hingewiesen. Der
Wiedereinsetzungsantrag datiert indes erst vom 17.10.2007 und damit lange nach Ablauf
dieser Frist. Zwar besteht weiterhin die Möglichkeit der Wiedereinsetzung auch in diese
Frist. Allerdings ist auch dafür die Frist inzwischen abgelaufen. Deshalb bedarf es keines
Eingehens auf die Frage, ob die Klägerin „ohne Verschulden verhindert“ war, die ihr
bekannte Widerspruchsfrist einzuhalten.
Entgegen der Einschätzung der Klägerin stellt das Schreiben der Beklagten vom
16.07.2007 weder einen neuen Verwaltungsakt (Zweitbescheid) noch einen
Widerspruchsbescheid dar. Dort heißt es ausdrücklich „Das Schreiben des Planungsamtes
vom 29.08.2006 mit der Ablehnung zur Bescheinigung nach § 7 h EStG hat weiterhin
Gültigkeit. Ihnen steht die Möglichkeit offen, vor Ablauf der Einwendungsfrist (31.08.2007)
gegen die Verweigerung der Bescheinigung vorzugehen.“ Dieser Wortlaut zeigt deutlich,
dass das Schreiben vom 16.07.2007 keinen eigenen Regelungsgehalt enthält, der
erforderlich wäre, um daraus einen (ablehnenden) Verwaltungsakt zu machen.
Das Schreiben stellt auch keinen Widerspruchsbescheid dar. Widerspruchsbescheide gegen
Verwaltungsakte der Beklagten ergehen aufgrund mündlicher Verhandlung förmlich durch
den Stadtrechtsausschuss (vgl. §§ 7 ff. AGVwGO), sind nach § 73 Abs. 4 VwGO zu
begründen, mit einer Kostenentscheidung sowie einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen
und nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zuzustellen. Damit hat das
formlose Schreiben der Beklagten vom 16.07.2007 ersichtlich nichts zu tun.
Dem nach der Kommentarliteratur eindeutigen Wortlaut des § 68 VwGO zuwider hält es
das Bundesverwaltungsgericht für zulässig, dass die beklagte Behörde aus Gründen der
Prozessökonomie auf die Durchführung eines Vorverfahrens verzichtet und einen
entsprechenden Mangel nicht rügt, was bereits darin gesehen wird, dass sie
Klageabweisung beantragt. (Funke-Kaiser in Bader, VwGO, § 68 Rdnr. 29; Dolde/Porsch in
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 68 Rdnr. 28; Rennert in Geiger, VwGO, § 68
Rdnr. 29) Das ist vorliegend aber nicht geschehen. Vielmehr hat die Beklagte die
Unzulässigkeit der Klage ausdrücklich gerügt.
In einigen Entscheidungen aus den Jahren 1981 (DVBl. 1981, 502) bis 1984 (NVwZ 1984,
507) hat das BVerwG allerdings die Auffassung vertreten, das Vorverfahren sei auch dann
entbehrlich, wenn die Behörde dessen Fehlen ausdrücklich rügt und – wie vorliegend - die
Klageabweisung aus Sachgründen nur hilfsweise beantragt. Diese Auffassung wird indes –
wenn auch ohne ausdrückliche Aufgabe – seitdem nicht mehr vertreten. So heißt es bereits
etwa im Beschluss vom 26.09.1989 – 8 B 39.89 -: (Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 35)
„Zwar kann nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG u.U. in der Klageschrift der
Widerspruch und in der Klageerwiderung die Bescheidung dieses Widerspruchs gesehen
werden mit der Folge, dass ein Vorverfahren entbehrlich ist, wenn sich der Beklagte in der
Sache auf die Klage eingelassen hat. Das ist indes ausgeschlossen, wenn der Beklagte in
der Klageerwiderung zwar Ausführungen zur Sache macht, zugleich aber das Fehlen eines
Vorverfahrens und die daraus folgende Unzulässigkeit der Klage rügt.“
Damit ist die Klage unzulässig.
II.
Im Falle der – hier unterstellten – Zulässigkeit der Klage, wäre sie in jedem Falle
unbegründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Bescheinigung. Die
Ablehnung der Erteilung der Bescheinigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren öffentlich-rechtlich geschützten Rechten.
Rechtsgrundlage für die begehrte Bescheinigung ist § 7 h EStG, der in der vom
01.01.2004 bis 31.12.2006 geltenden Fassung (In der seit dem 01.01.2007 geltenden
Fassung wurde allein der Begriff „vom Hundert“ durch „Prozent“ ersetzt.) folgenden
Wortlaut hat:
§ 7 h Erhöhte Absetzungen bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und
städtebaulichen Entwicklungsgebieten
(1)
1
Bei einem im Inland belegenen Gebäude in einem förmlich
festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen
Entwicklungsbereich kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7
Abs. 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben
Jahren jeweils bis zu 9 vom Hundert und in den folgenden vier Jahren
bis zu 7 vom Hundert der Herstellungskosten für Modernisierungs-
und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 177 des
Baugesetzbuchs absetzen.
2
Satz 1 ist entsprechend anzuwenden
auf Herstellungskosten für Maßnahmen, die der Erhaltung,
Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes im
Sinne des Satzes 1 dienen, das wegen seiner geschichtlichen,
künstlerischen oder städtebaulichen Bedeutung erhalten bleiben soll,
und zu deren Durchführung sich der Eigentümer neben bestimmten
Modernisierungsmaßnahmen gegenüber der Gemeinde verpflichtet
hat.
3
Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr
des Abschlusses der Maßnahme und in den folgenden elf Jahren auch
für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Maßnahmen im
Sinne der Sätze 1 und 2 entfallen, soweit diese nach dem
rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags
oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.
4
Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen
werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten durch
Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsfördermitteln nicht
gedeckt sind.
5
Nach Ablauf des Förderzeitraumraums … .
(2)
1
Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in
Anspruch nehmen, wenn er durch eine Bescheinigung der
zuständigen Gemeindebehörde die Voraussetzungen des Absatzes 1
zuständigen Gemeindebehörde die Voraussetzungen des Absatzes 1
für das Gebäude und die Maßnahmen nachweist.
2
Sind ihm
Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsfördermitteln gewährt
worden, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten;
werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung
gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.
§ 7 h EStG wurde (zusammen mit den §§ 7 i bis 7 k) mit Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur
steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes
1990 (Wohnungsbauförderungsgesetz – WoBauFG vom 22.12.1989, BGBl. I S. 2408 =
BStBl. 1989 I S. 505) erstmals in das Einkommensteuergesetz eingefügt. Inhaltlich ist er
mit der heutigen Fassung mit Ausnahme der Beträge identisch; ursprünglich waren 10
Jahre lang 10 % jährlich absetzbar, nunmehr sind es 8 Jahre lang 9 % plus 4 Jahre lang 7 %,
zusammen somit jeweils 100 % über früher 10 und nunmehr 12 Jahre.
Zur alten Fassung hat das Bundesverwaltungsgericht in dem - auch von der Beklagten in
der Klageerwiderung im Wortlaut zitierten - Beschluss vom 27.08.1996 (- 8 B 165.96 -,
Buchholz 401.1 § 7 h EStG Nr. 1) ausgeführt:
Nach übereinstimmender Ansicht der Vorinstanzen zählen die dem
Rechtsvorgänger der Klägerin entstandenen Kosten für den Abbruch
von zwei Gebäuden und den anschließenden Neubau zweier Wohn-
und Geschäftshäuser nicht zu den nach § 7 h Abs. 1 Sätze 1 und 2
EStG steuerlich begünstigten Aufwendungen. Dem ist beizupflichten.
§ 7 h Abs. 1 Satz 1 EStG erkennt als steuerbegünstigt ausdrücklich
nur die Herstellungskosten von Modernisierungs- und
Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 177 BauGB (Der
Wortlaut hat sich seit der Fassung vom 08.12.1986 nicht geändert;
in der vorherigen Fassung vom 18.08.1976 war § 177 BauGB die
Übergangsvorschrift für den Bodenverkehr, inhaltlich war das
Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot in § 39 e BBauG, die
Kostentragung in § 43 StBauFG geregelt) an. Nach § 177 Abs. 1
Satz 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn eine bauliche Anlage nach
ihrer inneren oder äußeren Beschaffenheit Mängel oder Missstände
aufweist, deren Beseitigung oder Behebung durch Modernisierung
oder Instandsetzung möglich ist, die Beseitigung der Missstände
durch ein Modernisierungsgebot oder die Anordnung der Behebung
der Mängel durch ein Instandsetzungsgebot anordnen. Der Abbruch
eines Gebäudes und dessen Neuerrichtung fällt weder unter den
Begriff der Instandsetzung noch unter den der Modernisierung im
Sinne des § 177 BauGB. Eine Instandsetzung ist danach die
Behebung von Mängeln zur Wiederherstellung des zum
bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes des
Gebäudes gerichtet. Sie soll „nur die weitere Nutzung des bisherigen
Bestandes in der bisherigen Weise ermöglichen“. (Urteile vom
18.10.1974 – IV C 75.71 -, BVerwGE 47, 126 (128 f.) und vom
25.06.1982 – 8 C 80.81 -, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 8 S. 7
(11)) Ebenso schließt eine Modernisierung im Sinne des § 177 BauGB
nur Maßnahmen zur Beseitigung von Missständen ein, die den
bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes beeinträchtigen.
(vgl. Urteile vom 25.06.1982, a.a.O., und vom 03.07.1987 – 8 C
73.86 -, Buchholz 454.4 § 17 II. WoBauG Nr. 2 S. 1 (5)) Erhebliche
bauliche Änderungen eines Gebäudes wie dessen Ausbau, Umbau
oder Erweiterung (vgl. § 17 II. WoBauG) stellen weder eine
Instandsetzung noch eine Modernisierung dar, weil Maßnahmen
dieser Art nicht der Wiederherstellung eines vormals gegebenen
Zustandes dienen. (vgl. Urteil vom 25.06.1982, a.a.O., S. 11)
Gleiches gilt für den Abbruch eines Gebäudes und dessen
Neuerrichtung. Dass eine solche Maßnahme von Rechts wegen nicht
als Modernisierung oder Instandsetzung im Sinne des § 177 BauGB
und damit zugleich des auf diese Vorschrift verweisenden § 7 h Abs.
1 Satz 1 EStG angesehen werden kann, wird zusätzlich durch die
Regelung des Abbruchgebots in § 179 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB
unterstrichen. Danach kann der Eigentümer verpflichtet werden, die
Beseitigung einer baulichen Anlage zu dulden, wenn sie Missstände
oder Mängel aufweist, die durch eine Modernisierung oder
Instandsetzung nicht behoben werden können. Da der Erlass eines
Abbruchgebots ausdrücklich an die Voraussetzung geknüpft ist, dass
eine Instandsetzung oder Modernisierung gerade nicht mehr
durchführbar ist, kann der Abbruch eines Gebäudes den Begriffen
Modernisierung und Instandsetzung im Sinne des § 177 BauGB auch
bei deren denkbar weitester Auslegung nicht mehr zugeordnet
werden. Ebenso wenig umfasst der in § 7 h Abs. 1 Satz 2 EStG
verwendete Begriff der „Erneuerung“ eines Gebäudes dessen
Abbruch und Neubau. Denn diese Vorschrift fordert ausdrücklich,
dass das Gebäude wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder
städtebaulichen Bedeutung gerade erhalten bleiben soll. Das schließt
ihre Anwendung auf den Fall eines „Ersatzbaus“ aus. Für die
gegenteilige Annahme gibt auch der in § 7 h Abs. 1 Sätze 1 und 2
EStG verwendete Begriff der „Herstellungskosten“ nichts her. Mit
Blick auf die Verweisung des § 7 h Abs. 1 Satz 1 EStG auf § 177
BauGB und das Erhaltungsgebot des § 7 h Abs. 1 Satz 2 EStG lässt
sich aus der Verwendung dieses steuertechnischen Begriffs entgegen
dem Beschwerdevorbringen nicht herleiten, auch der Abbruch und die
Neuerrichtung eines Gebäudes seien steuerlich begünstigt. Da
vielmehr beide Vorschriften für den Abbruch und die Neuerrichtung
von Gebäuden eindeutig keinen Steuervorteil gewähren, kommt es
auf das Tatbestandsmerkmal Herstellungskosten nicht mehr an.
Diesen Ausführungen zum Sinn und Zweck der steuerlichen Förderung von
Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in förmlich festgelegten
Sanierungsgebieten im Sinne von § 177 BauGB, dessen Wortlaut sich seit der Fassung
vom 08.12.1986 nicht geändert hat, ist nichts hinzuzufügen.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass in den
Neubau des Autohauses auch Teile der früher auf dem Grundstück vorhandenen
Baulichkeiten einbezogen wurden, heißt es dazu im zitierten Beschluss des BVerwG, dass
erhebliche bauliche Änderungen eines Gebäudes wie dessen Ausbau, Umbau oder
Erweiterung weder eine Instandsetzung noch eine Modernisierung im Verständnis von §
177 BauGB darstellen, weil Maßnahmen dieser Art nicht der Wiederherstellung des vormals
gegebenen Zustandes dienen. Aus gutem Grund lautete deshalb auch das der Klägerin
baurechtlich genehmigte Vorhaben „Neubau eines Autohauses“ und nicht „Instandsetzung
von Gebäuden in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet“.
Somit hat es die Beklagte auch in der Sache zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine
Bescheinigung nach § 7 h Abs. 2 EStG für die Kosten der Beseitigung des bestehenden
Gebäudes und die Neuerrichtung eines Autohauses zu erteilen.
Folglich ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus den § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung wird nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zugelassen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung
mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG.