Urteil des VG Saarlouis vom 01.06.2010

VG Saarlouis: wiedereinsetzung in den vorigen stand, ablauf der frist, beihilfe, gesetzliche frist, datum, behandlung, stadt, tod, krankheit, einzelrichter

VG Saarlouis Urteil vom 1.6.2010, 3 K 108/10
Erlöschen der Beihilfe durch Versäumung von Ausschlussfristen und Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand
Leitsätze
1. Versäumt der Beihilfeberechtigte die Ausschlussfrist des § 17 Abs. 3 Satz 1 BhVO, ist
sein Beihilfeanspruch erloschen.
2. Die Frist des § 17 Abs. 3 Satz 1 BhVO ist eine materielle Ausschlussfrist.
3. Ob gegen die Versäumung der Ausschlussfrist nach § 32 SVwVfG den
Ausführungsrichtlinien entsprechend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt
werden kann, bleibt -mangels Vorliegens der erforderlichen Voraussetzungen - offen.
4. Innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 32 Abs. 2 SVwVfG sind unter Darlegung aller
maßgeblicher Einzelheiten die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsbegehrens
glaubhaft zu machen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; die Klägerin darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die am … 1975 geborene und als verbeamtete Grundschullehrerin (derzeit Grundschule A-
Stadt) mit einem Bemessungssatz von 50 vom Hundert beihilfeberechtigte Klägerin
begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Beihilfe nebst Zinsen.
Unter dem Datum vom 23.08.2009 beantragte die Klägerin Beihilfe zu Aufwendungen in
Höhe von insgesamt 4.194,60 Euro. Der Antrag ging am 03.09.2009 beim Beklagten ein.
Mit Beihilfebescheid vom 09.09.2009 lehnte der Beklagte eine Beihilfegewährung zu
Aufwendungen in Höhe von insgesamt 4.134,60 Euro unter Hinweis auf den Ablauf der
Jahresfrist des § 17 Abs. 3 BhVO ab. Die entsprechenden Belege tragen das Datum
18.02.2008 und älter.
Mit am 16.09.2009 beim Beklagten eingegangenem Schreiben vom 11.09.2009 erhob die
Klägerin gegen den Beihilfebescheid vom 09.09.2009 Widerspruch. Mit am 08.06.2009
beim Beklagten eingegangenem Schreiben vom 30.06.2009 hatte die Klägerin hinsichtlich
der Jahresfrist des § 17 Abs. 3 BhVO bereits in vorangegangenen Beihilfeverfahren – diese
sind Gegenstand des Verwaltungsrechtsstreits 3 K 962/09 – Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand beantragt.
Zur Begründung ihres Widerspruchs und Wiedereinsetzungsantrags trug die Klägerin vor,
ab April 2008 sei ihre Mutter schwer an Krebs erkrankt, im Februar 2009 sei sie
verstorben. Von Beginn dieser Erkrankung bis zum Tod ihrer Mutter und auch noch lange
danach habe sie, die Klägerin, keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Insbesondere
sei sie in keiner Weise in der Lage gewesen, ihre Post zu bearbeiten, Anträge zu stellen,
Überweisungen zu tätigen, eben die üblichen häuslichen Bürotätigkeiten zu erledigen. Nach
längerem Krankenhausaufenthalt sei ihre Mutter ab August 2008 zu einem Pflegefall
geworden. Deshalb habe sie, die Klägerin, von August 2008 bis Februar 2009 wieder bei
ihrer Mutter in N. gewohnt, um sich intensiv um ihre Mutter kümmern zu können. Im
August/September 2008 sei sie selbst krank geschrieben gewesen, weil sie diese ganze
Situation psychisch nicht mehr habe verkraften können. Danach sei sie zwar zeitweise
wieder arbeiten gegangen, habe sich aber gleichzeitig um ihre Mutter kümmern müssen.
Als ihre Mutter dann am 4. Februar 2009 verstorben sei, sei sie, die Klägerin, erneut bis zu
den Osterferien krank gewesen. Insbesondere seit dem Tod ihrer Mutter sei sie regelmäßig
in psychologischer und neurologischer Behandlung, um diesen Schicksalsschlag verkraften
zu können. Ihre Depressionen seien seit dem Todesfall so schlimm wie nie, so dass sie
nicht in der Lage gewesen sei, die elementarsten Dinge des Lebens zu erledigen,
geschweige denn Formulare auszufüllen bzw. Anträge zu stellen. Aus all den genannten
Gründen sei es ihr nicht möglich gewesen, den Beihilfeantrag früher zu stellen. Hinzu
gekommen sei, dass sie von August 2008 bis Anfang Februar 2009 wieder bei ihrer Mutter
gewohnt habe, ihre Post jedoch immer noch in I. erhalten habe, wo auch ihre gesamten
Unterlagen gewesen seien. Zwar habe sie von Zeit zu Zeit den Briefkasten geleert, doch
der psychische Druck und die Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter hätten es ihr nicht erlaubt,
Unterlagen zusammenzustellen. Die meisten Rechnungen habe sie dann auch mit nach N.
genommen, so dass sie dann einen Teil ihrer Unterlagen in I., den anderen in N. gehabt und
den Überblick verloren habe. Direkt nach dem Tod ihrer Mutter sei sie dann im Februar
2009 zu ihrem Lebensgefährten nach A-Stadt gezogen. Ihre Wohnung in I. habe sie aber
noch bis Ende Mai behalten. Somit seien ihre Unterlagen in drei Wohnungen verteilt
gewesen. Erst mit Hilfe ihrer Therapeutin und ihres Neurologen sei sie langsam wieder in
der Lage, ihr Leben und ihren Tagesablauf etwas zu ordnen und somit auch ihre
persönlichen Dinge zu regeln. Hinsichtlich der Rechnungen aus den Jahren 2006 und 2007
weise sie darauf hin, dass sie bereits seit vielen Jahren an Depressionen, einer
Zwangserkrankung und Ängsten leide. In Behandlung sei sie seit 2004, damals auch
erstmals in stationärer Behandlung. In den Jahren 2006 und 2007 habe sie zudem große
Schwierigkeiten im beruflichen und privaten Bereich gehabt. Sie sei psychisch so
angeschlagen gewesen, dass sie immer wieder längere Zeit krank und den beruflichen
Problemen nervlich nicht mehr gewachsen gewesen sei. Nach längerer Krankheit habe sie
die Schule wechseln müssen. Von Anfang August bis Mitte September 2007 sei sie erneut
in stationärer Behandlung und danach noch weitere Wochen krank geschrieben gewesen.
Das habe sich auch 2008 sowie 2009 nicht geändert. Seit dem 20.04.2009 gehe sie zwar
wieder regelmäßig arbeiten, sei dazu morgens aber nur aufgrund der hohen täglichen
Medikamenteneinnahme sowie der Hilfe von therapeutischer und neurologischer Seite in
der Lage. In regelmäßigen Abständen erlebe sie immer wieder extreme depressive Phasen,
in denen sie sich wie gelähmt fühle.
Zum Beleg ihrer Angaben legte die Klägerin einen „zur Vorlage bei der Beihilfe“ erstellten
nervenfachärztlichen Befundbericht ihres behandelnden Arztes Dr. E., B-Stadt, vom
09.07.2009 vor, in welchem unter anderem ausgeführt ist, die Klägerin sei erst seit dem
03.04.2009 wieder arbeitsfähig, allerdings unter der kontinuierlichen
psychopharmakologischen, psychiatrischen und auch psychologischen Behandlung. Er, Dr.
E., könne für das Jahr 2008 und zumindest die ersten drei Monate des Jahres 2009
festhalten, dass die Klägerin krankheitsbedingt nachvollziehbar nicht in der Lage gewesen
sei, sich um wesentliche behördliche Angelegenheiten zu kümmern. Auf den Befundbericht
im Einzelnen wird Bezug genommen.
Die Klägerin legte dem Beklagten des Weiteren ein ärztliches Attest des Dr. E. vom
01.09.2009 sowie eine „zur Vorlage bei der Beihilfestelle“ ausgestellte Bescheinigung der
Psychotherapeutin K.-S., B-Stadt, -ohne Datum- vor, auf deren Inhalt ebenfalls Bezug
genommen wird.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2009 wies der Beklagte den Widerspruch der
Klägerin zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, nach § 17 Abs. 3 BhVO werde Beihilfe nur
gewährt, wenn der Beihilfeberechtigte innerhalb eines Jahres nach Entstehen der
Aufwendung, spätestens ein Jahr nach der Ausstellung der Rechnung, die Beihilfe beantragt
habe. Dies habe die Klägerin versäumt. Die in der Vorschrift genannte Frist beginne mit
dem auf die Entstehung der Aufwendungen bzw. auf das Ausstellungsdatum der Rechnung
folgenden Tag. Maßgeblich für den Ablauf der Frist sei dabei der Tag des Eingangs des
Antrags bei der Festsetzungsstelle. Da die Beihilfeanträge zu den angefochtenen
Bescheiden erst am 20.07., am 21.07. und am 03.09.2009 bei der Festsetzungsstelle
eingegangen seien, sei gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 BhVO der Beihilfeanspruch hinsichtlich
der insoweit gekennzeichneten Rechnungsbelege erloschen. Nur wenn jemand ohne
Verschulden gehindert gewesen sei, die Jahresfrist einzuhalten, sei ihm gemäß § 32 Abs. 1
SVwVfG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wobei der Antrag
jedoch innerhalb von zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen sei. Laut
dem nervenärztlichen Befundbericht des Dr. E. vom 09.07.2009 habe die Klägerin ab dem
03.04.2009 Ihre Arbeitsfähigkeit wieder erreicht und sei ab diesem Zeitpunkt auch wieder
in der Lage gewesen, sich um wesentliche behördliche Angelegenheiten zu kümmern. Der
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hätte daher spätestens am
20.04.2009 gestellt werden müssen. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den
vorherigen Stand seien somit nicht erfüllt. Der als Übergabe-Einschreiben aufgegebene
Widerspruchsbescheid ging der Klägerin nach deren unbestrittenen Angaben am
13.01.2010 zu.
Mit am 08.02.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Klage erhoben,
mit der sie ihr Beihilfebegehren weiter verfolgt.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem
vorangegangenen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor,
nachdem sie zu Beginn der Osterferien am 03.04.2009 von ihrem Arzt wieder gesund
geschrieben worden sei, um nach den Osterferien wieder ihre Lehrtätigkeit aufzunehmen,
sei ihre Gesundung in kleinen Schritten erfolgt. In den Osterferien um den 07.04.2009
habe sie es geschafft, eine Vielzahl von Rechnungen zusammenzufassen und in einem
Antrag bei der Beihilfestelle einzureichen. Da der Antrag weit zurückliegende Rechnungen
betroffen habe, sei in der Antragstellung selbst in jedem Fall auch ein Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu sehen gewesen. Der Beklagte verkenne, dass in
einem Beihilfeantrag, in dem ganz bewusst Rechnungen aus Zeiträumen enthalten seien,
die mehr als ein Jahr zurücklägen, konkludent auch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand enthalten sei. Dieser Antrag müsse nicht expressis verbis gestellt werden,
sondern ergebe sich aus dem Umstand, dass verfristete Rechnungen vorgelegt würden.
Wegen der nur schrittweisen Verbesserung ihrer Situation sei sie im Übrigen auch am
07.04.2009 gesundheitlich noch nicht in der Lage gewesen, ihre Angelegenheiten selbst zu
regeln. Auch noch im Juli und August 2009 sei sie derart psychisch erkrankt gewesen, dass
sie nicht in der Lage gewesen sei, einen entsprechenden formellen
Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. So sei es erst zu den Wiedereinsetzungsanträgen am
14.07.2009 und 17.08.2009 gekommen. Sie habe auch nicht die Möglichkeit gehabt, eine
andere Person mit der Einhaltung der Frist zu beauftragen. Infolge ihrer psychischen
Krankheit habe sie die Problematik der Frist überhaupt nicht erkannt und auch niemanden
gehabt, den sie hätte beauftragen können. Sie sei außer zur Arbeit nicht mehr aus dem
Haus gegangen und habe somit auch keinen Anwalt beauftragen können. Einen
Lebensgefährten habe sie damals nicht gehabt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Beihilfebescheides vom
09.09.2009 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom
30.12.2009 zu verpflichten, ihr ohne Anwendung der Jahresfrist des
§ 17 Abs. 3 BhVO antragsgemäß Beihilfe gemäß den
beihilferechtlichen Bestimmungen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über
dem jeweiligen Basiszinssatz beginnend mit dem 09.09.2009 zu
gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an den ergangenen Bescheiden aus den im Widerspruchsbescheid dargelegten
Gründen fest. Ergänzend trägt er vor, die Tatsache, dass im fraglichen Zeitraum teilweise
Dienstfähigkeit vorgelegen habe und außerdem verschiedene Beihilfeanträge gestellt
worden seien, lasse den Schluss zu, dass die Klägerin auch in der Lage hätte sein müssen,
die betreffenden Aufwendungen im Rahmen der vorgegebenen Frist geltend zu machen
oder zumindest eine andere Person hiermit zu beauftragen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26.04.2010 nach Anhörung der
Beteiligten dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung erklärten Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Rechtsstreits
sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Hefter) und der
Gerichtsakte des Verwaltungsrechtsstreits 3 K 962/09 und der in jenem Verfahren
beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung über die Klage ergeht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch den
Einzelrichter.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alternative 2 VwGO statthaft und
auch im Übrigen zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die einen Anspruch der Klägerin auf die begehrte Beihilfe
ausschließenden angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden, so dass für
die beantragte Verpflichtung des Beklagten nach § 113 Abs. 5 VwGO mangels einer
Verletzung der Rechte der Klägerin kein Raum ist.
Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung eines in Anwendung der Beihilfevorschriften
erlassenen Verwaltungsakts erstreckt sich allein darauf, ob dieser mit den Vorschriften
selbst in Einklang steht und ob sich die Beihilfevorschriften in ihrer Anwendung auf den
konkreten Einzelfall in den Grenzen des dem Dienstherrn eingeräumten
Konkretisierungsermessens halten, insbesondere ob eine Beschränkung der
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und dem
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist
(vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20.08.1969 – VI C 130.67 –,
BVerwGE 32, 352).
Die angegriffenen Bescheide stehen mit den Beihilfevorschriften im Einklang.
Abzustellen ist hinsichtlich der Vereinbarkeit der angegriffenen Bescheide mit den
Beihilfevorschriften auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der
Aufwendungen, für die eine Beihilfe begehrt wird
(vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 – 2 C 35.04 –, ZBR 2006,
195; stdg. Rspr. der Kammer, s. z.B. Urteil der Kammer vom
10.06.2008 – 3 K 31/08),
im vorliegenden Fall also, da es um Aufwendungen geht, die am 30.06.2008 und früher
entstanden sind, auf § 98 SBG a.F. (jetzt § 67 SBG F. vom 11. März 2009) i.V.m. § 17
Abs. 3 BhVO in der Fassung von 2006 (unverändert § 17 Abs. 3 BhVO F. 2009). Danach
wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn der Beihilfeberechtigte sie innerhalb eines Jahres nach
Entstehen der Aufwendungen (§ 4 Abs. 5 Satz 2), spätestens jedoch ein Jahr nach der
ersten Ausstellung der Rechnung, beantragt hat (§ 17 Abs. 3 Satz 1 BhVO). Bei
Fristversäumnis erlischt der Anspruch (§ 17 Abs. 3 Satz 4 BhVO).
Die zitierte Vorschrift, gegen deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nach der
Rechtsprechung der Kammer und anderer Gerichte keine Bedenken bestehen
(vgl. Urteile der Kammer vom 05.03.2003 – 3 K 105/02 –; vom
04.06.2002 – 3 K 90/02 –, vom 13.07.1995 – 3 K 271/95 –, vom
30.11.1995 – 3 K 3/94 –
Gesichtspunkte wie Rechtscharakter und Zweck der Vorschrift,
Vereinbarkeit mit höherem Recht, Grundsätze der
Wiedereinsetzung> mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung
und Literatur),
steht dem von der Klägerin geltend gemachten Beihilfeanspruch nach zutreffender
Auffassung des Beklagten entgegen.
Dass die vom Beklagten wegen Verfristung nicht berücksichtigten Aufwendungen von der
Klägerin tatsächlich erst nach dem Ablauf der Jahresfrist geltend gemacht wurden, steht
außer Streit, wobei auf den Tag des Eingangs bei der Beihilfestelle abzustellen ist
(zur Maßgeblichkeit des Eingangsdatums im Rahmen des § 17 Abs. 3
BhVO: VG Schleswig, Urteil vom 19.11.2001 – 11 A 5/00 –, zitiert
nach JURIS, unter Hinweis auf Mildenberger, Beihilfevorschriften, § 17
Anm. 1 zu Abs. 9).
Die Jahresfrist des § 17 Abs. 3 Satz 1 BhVO ist daher in Bezug auf die vom Beklagten in
den angefochtenen Bescheiden insoweit gekennzeichneten und daher nicht
berücksichtigten Aufwendungen mit der Rechtsfolge des Erlöschens des Beihilfeanspruchs
nach § 17 Abs. 3 Satz 4 BhVO als versäumt anzusehen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Klägerin nicht zu gewähren. Ungeachtet
des Umstandes, dass die Frist des § 17 Abs. 3 Satz 1 BhVO angesichts der Rechtsfolge
des § 17 Abs. 3 Satz 4 BhVO – danach ist der Beihilfeanspruch mit Ablauf der Jahresfrist
erloschen
Abs. 5
Verwaltungsverfahrensgesetzes – SVwVfG – hiermit im Allgemeinen
verbundenen Problematik der Zulässigkeit eines
Wiedereinsetzungsantrags vgl.: VG Stuttgart, Urteil vom 21.08.2008
– 6 K 1360/08 –, zitiert nach JURIS; VG Stuttgart, Urteil vom
03.11.2008 – 12 K 1005/08 –, zitiert nach JURIS),
sieht die AV zu § 17 Abs. 3 BhVO in Satz 2 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei
Versäumnis der Antragsfrist zwar grundsätzlich vor. Es müssen allerdings die
Voraussetzungen des § 32 SVwVfG vorliegen. Voraussetzung ist danach, dass jemand
ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der
Wiedereinsetzungsantrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu
stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im
Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die
versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch
ohne Antrag gewährt werden (§ 32 Abs. 2 SVwVfG). Nach einem Jahr seit dem Ende der
versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte
Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge
höherer Gewalt unmöglich war.
Die genannten Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind hier
nicht gegeben.
Der Beihilfeantrag der Klägerin ging am 03.09.2009 beim Beklagten ein, weshalb alle
Rechnungsbelege, die das Datum des 02.09.2007 oder ein älteres Datum tragen, bereits
am 03.09.2008 nicht mehr fristgerecht hätten eingereicht werden können. Die
Beantragung von Beihilfe zu diesen Rechnungen erfolgte mithin erst ein Jahr nach dem
Ende der versäumten Frist, weshalb insoweit schon gemäß § 32 Abs. 3 SVwVfG eine
Wiedereinsetzung nur möglich ist, wenn man in der von der Klägerin vorgetragenen
Erkrankung einen Fall „höherer Gewalt“ sehen wollte
(vgl. hierzu VGH München, Beschluss vom 26.02.2007 – 14 C
06.3407 –, zitiert nach JURIS).
Dies würde voraussetzen, dass die Fristversäumnis auch durch die größte, nach den
Umständen des Falles vernünftigerweise von der Klägerin unter Anlegung subjektiver
Maßstäbe – also unter Berücksichtigung ihrer Lage, Erfahrung und Bildung – zu erwartende
und zumutbare Sorgfalt nicht hätte abgewehrt werden können
(vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 58 Rdnr. 20 mit
Nachweisen).
Ob dies hier der Fall war, erscheint nach dem Vortrag der Klägerin zumindest fraglich, kann
aber letztlich ebenso dahinstehen wie die weitere Frage, ob die Klägerin die Antragsfrist,
was für die nach dem 02.09.2007 entstandenen Aufwendungen ausreichend wäre,
(wenigstens) unverschuldet versäumt hat.
Die Klägerin hat nämlich jedenfalls nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen nach dem
Wegfall des von ihr vorgetragenen Hindernisses die Tatsachen zur Begründung ihres
Wiedereinsetzungsbegehrens glaubhaft gemacht. Innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des §
32 Abs. 2 SVwVfG sind alle maßgeblichen Einzelheiten darzulegen. Das gilt auch, wenn ein
Wiedereinsetzungsantrag nach § 32 Abs. 2 Satz 4 SVwVfG entbehrlich ist
(vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 60 Rdnr. 29 mit
Nachweisen; Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann, VwGO, § 60 Rdnr. 60
und Rdnr. 66; VG Oldenburg, Urteil vom 30.07.2004 – 6 A 4853/03
–, zitiert nach JURIS).
Die Klägerin hat den ersten Beihilfeantrag, der Gegenstand des Verwaltungsrechtsstreits 3
K 962/09 ist, ausweislich ihrer Unterschrift am 30.03.2009 gefertigt. Spätestens zu
diesem Zeitpunkt war sie somit nicht mehr gehindert, einen Beihilfeantrag zu stellen. Sie
hätte daher spätestens bis zum 14.04.2009 (Dienstag nach Ostern) die Tatsachen zur
Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags vollständig und in allen Einzelheiten darlegen
müssen. Die Klägerin hat aber erstmals mit am 08.06.2009 beim Beklagten
eingegangenem Schreiben vom 30.05.2009 die Gründe dargelegt, aus denen sie sich
gehindert sah, die begehrten Beihilfen rechtzeitig zu beantragen.
Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsantragsfrist des § 32 Abs. 2
SVwVfG hat die Klägerin nicht gestellt. Gründe, die eine derartige Wiedereinsetzung
rechtfertigen würden, sind auch nicht erkennbar.
Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin hat daher keinen Erfolg.
Es bleibt somit dabei, dass der Anspruch der Klägerin auf die von ihr begehrten
Beihilfeleistungen nach § 17 Abs. 3 Satz 4 BhVO erloschen ist.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass (vgl. § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).
Beschluss
2.067,30 Euro