Urteil des VG Saarlouis vom 23.06.2010

VG Saarlouis: behörde, wichtiger grund, ausbildung, informatik, brief, diplom, verfügungsgewalt, amt, zugang, vollstreckung

VG Saarlouis Entscheidung vom 23.6.2010, 11 K 1802/08
Eingang eines Antrags auf Förderungsleistungen; Förderungsart nach
Fachrichtungswechsel; Bankdarlehen
Leitsätze
1. Ein Antrag ist bei der Behörde dann eingegangen, wenn er tatsächlich in die
Verfügungsmacht der Behörde gelangt ist, unabhängig, ob zu diesem Zeitpunkt mit einer
Kenntnisnahme zu rechnen war.
2. Die im letzten Halbsatz des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X normierte Nachweispflicht der
Behörde vermögen zwar lediglich begründete oder berechtigte Zweifel auszulösen. Wenn
der Zugang aber überhaupt bestritten wird, ist dem Betroffenen eine nähere
Substantiierung nicht möglich, weil es sich um eine negative Tatsache handelt, die eines
Beweises oder auch nur einer weiteren Substantiierung grundsätzlich nicht zugänglich ist.
3. Zur Ermittlung des Zeitpunkts ab dem Ausbildungsförderung nur noch mit Bankdarlehen
erfolgt (§ 17 Abs 3 BAföG).
Tenor
1. Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 30.10.2007
und des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2008 verpflichtet, der Klägerin
Förderungsleistungen in Höhe von 210,00 EUR monatlich für die Zeit von Februar bis
August 2007 zu gewähren.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten trägt die Beklagte
zu 54% und die Klägerin zu 46%.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und die Beklagte dürfen
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der
sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls
nicht die die Vollstreckung betreibende Kostengläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nahm zum Wintersemester 2004/2005 ein Studium der praktischen
Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft mit dem Studienziel Diplom auf.
Zum Wintersemester 2005/2006 wechselte sie zum Studiengang Praktische Informatik
mit dem Studienziel Bachelor an derselben Hochschule. Die im Diplomstudiengang
verbrachten Semester wurden nicht auf das Bachelor-Studium angerechnet.
Mit Schreiben vom 27.02.2007 beantragte die Klägerin formlos Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz bei der Beklagten. Der Originalbriefumschlag enthält
den mit schwarzem Stift angebrachten Vermerk „eingeworfen am 28.02.07 um 18.00
Uhr“, den Eingangsstempel der Beklagten vom 02.03.2007 sowie einen mit blauem Stift
geschriebenen Vermerk „Der 28.02.2007 war ein Mittwoch“. Aus einem handschriftlichen
Vermerk ergibt sich weiterhin, dass der Brief am 02.03.2007 offenbar beim Amt für
Ausbildungsförderung abgegeben wurde, nachdem er in der Ausgangspost des BAföG-
Amtes war. Mit Schreiben vom 06.03.2007 forderte die Beklagte bei der Klägerin unter
Fristsetzung und Hinweis auf die erforderlichen Vordrucke sowie die Regelungen der §§ 60,
66 SGB I diverse Antragsunterlagen an. Nachdem eine Reaktion der Klägerin ausblieb,
wurde der Förderungsantrag mit Bescheid vom 23.05.2007 abgelehnt. Der Bescheid
bezog sich auf den Bewilligungszeitraum März 2007 bis September 2007. Zur Begründung
wurde ausgeführt, die Klägerin sei der Aufforderung, die für die Entscheidung über den
Förderungsantrag noch fehlenden Unterlagen vorzulegen, nicht rechtzeitig nachgekommen.
Auf die Folgen der fehlenden Mitwirkung sei sie hingewiesen worden. Deswegen sei der
Antrag nach §§ 60 und 66 SGB I abzulehnen gewesen.
Am 31.08.2007 ging ein neuer, auf dem hierzu vorgesehenen Antragsformblatt I gestellter
Förderungsantrag bei der Beklagten ein. Unter Zeile 4 gab die Klägerin dabei an, zuvor
noch keinen Antrag auf Ausbildungsförderung gestellt zu haben.
Mit Schreiben vom 04.09.2007 machte die Klägerin geltend, bereits am 28.02.2007 einen
Antrag auf BAföG-Leistungen in den Postkasten der Beklagten geworfen zu haben. Der
Antrag gelte als im Februar 2007 zugegangen, Sie habe es bislang noch nicht geschafft,
die erforderlichen Formulare einzureichen, was an der Antragsfrist nichts ändere. Ihr Antrag
sei nicht verfristet. Sie habe kein Schreiben erhalten, wonach eine Frist einzuhalten sei, und
auch keinen rechtsmittelfähigen Bescheid, mit dem der Förderungsantrag wegen fehlender
Unterlagen abgelehnt worden sei.
Mit Bescheid vom 30.10.2007 wurde der Klägerin Ausbildungsförderung in Höhe von
210,00 EUR für den Monat September 2007 bewilligt. Als Bewilligungszeitraum wurde die
Zeit von März 2007 bis September 2007 festgelegt. In dem Bescheid ist ausgeführt, für
die Zeit der Studienverlängerung, die durch ein abgebrochenes Studium oder von einem
Fachrichtungswechsel verursacht sei, erhalte die Klägerin ab Oktober 2007 Förderung in
Form eines Bankdarlehens. Hierfür sei ein gesonderter Antrag zu stellen.
Am 28.11.2007 erhob die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch. Zur Begründung
berief sie sich auf ihren Antrag vom 27.02.2007 und begehrte Förderungsleistungen ab
Februar 2007 bis zum voraussichtlichen Abschluss ihres Studiums am „31.09.2008“. Ein
Bescheid vom 23.05.2007 sei ihr nicht zugegangen. Vielleicht habe der Bescheid nicht
zugestellt werden können, da bei der Beklagten ihre Förderungsangelegenheit unter dem
Namen „…“ geführt worden sei. Soweit ihr in dem angefochtenen Bescheid die
Weiterführung der Förderung über den Monat September 2007 hinaus durch ein
Studentendarlehen angeboten worden sei, widerspreche dies ihrem Rechtsempfinden. Da
sie bislang kein BAföG bezogen habe, erscheine ihr logisch, dass ihr für sechs Semester
Praktische Informatik/Bachelor Ausbildungsförderung zustehe. Die beiden Semester im
Diplomstudiengang, den sie aus persönlichen Gründen zugunsten des nunmehr
eingeschlagenen Studiengangs aufgegeben habe, seien ihr leider nicht angerechnet
worden.
Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 20.10.2008 zurückgewiesen.
Zur Begründung ist ausgeführt, ein Anspruch auf Ausbildungsförderung für den von der
Klägerin begehrten Zeitraum Februar 2007 bis September 2008 bestehe über die im
angefochtenen Bescheid gewährte Leistung hinaus nicht. Die Festsetzung des
Leistungszeitraums ergebe sich aus § 66 SGB I. Die Behauptung der Klägerin, das
Schreiben vom 06.03.2007 ebenso wie den anschließenden Bescheid vom 23.05.2007
nicht erhalten zu haben, sei nicht glaubhaft. Zwar sei die Behörde nach dem Wortlaut des
§ 37 Abs. 2 SGB X in Zweifelsfällen verpflichtet, den Zugang nachzuweisen. Wenn vom
Empfänger aber behauptet werde, das Schriftstück gar nicht erhalten zu haben, bedürfe es
zur Entkräftung der Zugangsfiktion eines substantiierten Sachvortrags, der geeignet sei,
Zweifel hinsichtlich des Zugangs des Schriftstücks zu begründen. Daran fehle es hier, da
beide Schriftstücke richtig adressiert worden seien. Es sei extrem unwahrscheinlich, dass
in kurzem zeitlichem Abstand zwei Postsendungen weder zugestellt werden könnten noch
ein Postrücklauf erfolgt sei. Es falle auf, dass die Klägerin ohne Aufforderung einen neuen
Förderungsantrag gestellt habe, ohne zuvor nachzuforschen, was aus ihrem Antrag vom
Februar geworden sei. Dieses Verhalten lasse auf den Erhalt des Anforderungsschreibens
und des ablehnenden Bescheides schließen. Gehe man davon aus, dass die Klägerin das
Schreiben vom 06.03.2007 erhalten habe, sei der Antrag nach Ablauf der dort gesetzten
Frist abzulehnen gewesen. Ob die Klägerin den Ablehnungsbescheid vom 23.05.2007
erhalten habe, sei unerheblich, da im angefochtenen Bescheid beide Anträge
zusammengefasst und beschieden worden seien. Im vorliegenden Fall könne die Klägerin
erst ab Vervollständigung der Unterlagen Förderungsleistungen beanspruchen. Der
tatsächliche Beginn des Bewilligungszeitraums sei daher ohne praktische Bedeutung. Der
Bescheid erweise sich auch hinsichtlich des festgesetzten Endzeitpunkts als rechtmäßig.
Diesbezüglich sowie hinsichtlich der Frage in welcher Form Ausbildungsförderung ab
Oktober 2007 beansprucht werden könne, ist in dem angefochtenen
Widerspruchsbescheid ausgeführt:
„Der dort festgesetzte Bewilligungszeitraum umfasst zwar lediglich sechs Kalendermonate,
was allerdings nicht im Widerspruch zu § 50 Abs. 3 BAföG steht. Nach dieser Bestimmung
wird über die Ausbildungsförderung in der Regel für ein Jahr entschieden. Gemäß Tz. 50.3.1
BAföGVwv hat das Amt aber – abweichend von dieser Regel – einen anderen
Bewilligungszeitraum zu bilden, wenn dies im Einzelfall aus rechtlichen oder
verwaltungstechnischen Gründen angeraten ist. Letzteres ist hier der Fall.
Die Widerspruchsführerin kann vom Wintersemester 2007/2008 Ausbildungsförderung
nicht mehr unter den Bedingungen des § 17 Abs. 2 BAföG beanspruchen. Vielmehr gilt in
ihrem Fall § 17 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 2 BAföG. Danach erhält der Auszubildende
Ausbildungsförderung als Bankdarlehen nach § 18 c BAföG, wenn er eine „andere
Ausbildung“ nach § 7 Abs. 3 BAföG betreibt, soweit die Semesterzahl der hierfür
maßgeblichen Förderungshöchstdauer, die um die Fachsemester der vorangegangenen,
nicht abgeschlossenen Ausbildung zu kürzen ist, überschritten wird. Dies trifft im Fall der
Widerspruchsführerin zu.
Die Widerspruchsführerin hat unstreitig vor Beginn des für den hier vorliegenden
Förderungsantrag relevanten Studiums der Praktischen Informatik/Bachelor ein
zweisemestriges Studium im Fach Praktische Informatik/Diplom durchgeführt. Ihre
Förderungshöchstdauer entspricht der Regelstudienzeit ihres Studiengangs (§ 15 a Abs. 1
BAföG) für ihr Studium. Die Regelstudienzeit beträgt sechs Semester, so dass – ausgehend
vom Studienbeginn zum Wintersemester 2005/2006 – die Förderungshöchstdauer auf
Monat September 2008 zu begrenzen war. Letzteres ist auch im angefochtenen Bescheid
korrekt geschehen, was von der Widerspruchsführerin auch nicht in Zweifel gezogen wird.
Hiervon ausgehend steht der Widerspruchsführerin nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 2 BAföG
für die beiden letzten Semester der Förderungshöchstdauer des Bachelorstudiums, also ab
Wintersemester 2007/2008, nur noch Bankdarlehen zu.
Da sich somit nach Ablauf des Monats September 2007 die der Widerspruchsführerin
zustehende Förderungsart änderte, war auch eine Begrenzung des Bewilligungszeitraums
gemäß BAföGVwv 50.03.1 geboten.“
Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 31.10.2008 durch Einschreiben mit
Rückschein zugestellt.
Am 19.11.2008 hat sie die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung macht sie geltend, § 67 SGB I sei ermessensfehlerhaft angewendet
worden. Die Beklagte habe sich alleine an einem Urteil des VG in einem nicht
vergleichbaren Fall orientiert. Bei der Entscheidung hätte § 2 Abs. 2 SGB I Berücksichtigung
finden müssen. Dieser gebiete bei einer Ermessensentscheidung im Rahmen des § 67 SGB
I grundsätzlich die nachträgliche Gewährung von Leistungen, sofern die Mitwirkung
nachgeholt werde. Das Interesse der Behörde an einem schnellen Erhalt der
Antragsunterlagen wiege im Vergleich zu dem Interesse der Klägerin am Erhalt der
Sozialleistung geringer. Die Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens diene ihrem
Interesse und nicht dem der Behörde. Wenn sie Unterlagen nicht kurzfristig eingereicht
habe, entstehe ihr allein dadurch schon ein Nachteil, dass sie die Leistung später erhalte. §
66 SGB I ziele nicht darauf ab, sie endgültig um ihre Ansprüche zu bringen, weil § 67 SGB I
eine rückwirkende Leistungsgewährung ermögliche. Die Beklagte habe in erster Linie
pädagogische Erwägungen angestellt, die hier nicht angezeigt seien. Der
Fachrichtungswechsel hätte nachträglich genehmigt werden müssen, so dass kein Abzug
wegen des abgebrochenen Studiengangs hätte erfolgen dürfen. Sie habe schon nach zwei
Fachsemestern gewechselt, so dass es nicht darauf ankomme, ob ein unabweisbarer
Grund für den Wechsel vorliege. Es reiche ein wichtiger Grund. Ein solcher sei hier darin zu
sehen, dass sie nach Beginn des Studiums erkannt habe, dass ihr notwendige fachliche
Vorkenntnisse fehlten. Sie habe sich -allerdings erfolglos- bemüht, dies aufzuholen.
Nachdem sie dies erkannt habe, sei sie umgehend in den leichteren Bachelor-Studiengang
gewechselt. Den Antrag vom 31.08.2007 habe sie anlässlich einer Vorsprache beim
BAföG-Amt ausgefüllt. In diesem Zusammenhang sei sie informiert worden, dass der
Antrag vom Februar abgelehnt worden sei. Ihr sei gesagt worden, in jedem Fall müsse sie
ein neues Formular ausfüllen. Sie habe dies als eine Art förmliche Nachholung ihres
Antrages vom Februar gesehen und daher den Antrag entsprechend ausgefüllt. Daher
habe sie in dem Antrag angegeben, früher keinen Antrag gestellt zu haben.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom
30.10.2007 und des Widerspruchsbescheides vom
20.10.2008 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für
die Zeit vom Februar bis August 2007 sowie von Oktober
2007 bis September 2008 Leistungen gemäß § 17 Abs. 2
BAföG zu gewähren.
Die Beklagte hat im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide
schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte
sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten. Diese waren Gegenstand
der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 40, 42, 68 ff. VwGO zulässige Verpflichtungsklage, über die nach Anhörung
der Beteiligten gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden
kann, da die Sache – soweit entscheidungserheblich – keine besonderen Schwierigkeiten
tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, ist lediglich in
dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Bescheid vom 30.10.2007 und der Widerspruchsbescheid vom 20.10.2008 sind
insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als Ausbildungsförderung
für den Zeitraum Februar 2007 bis August 2007 versagt wurde (1.). Im Übrigen sind die
angefochtenen Bescheide aber rechtmäßig und kann sich die Klägerin daher auch nicht auf
eine Rechtsverletzung berufen (2.) (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Die Klägerin hat neben der durch den angefochtenen Ausgangsbescheid bereits
gewährten Ausbildungsförderung für September 2007 auch einen Anspruch auf
entsprechende Förderungsleistungen für die Zeit von Februar 2007 bis August 2007.
Maßgeblich für die Festlegung des Bewilligungszeitraums ist gemäß § 15 Abs. 1 BAföG die
Aufnahme der Ausbildung, frühestens der Beginn des Antragsmonats. Hier ist für den erst
nach Aufnahme der Ausbildung gestellten Förderungsantrag also entscheidend, wann der
Antrag gestellt wurde. Die Antragstellung erfolgte nach Aktenlage bereits im Februar 2007.
An der Wirksamkeit des schriftlich, aber formlos (vgl. § 46 Abs. 3 BAföG) gestellten
Antrags hat das Gericht ebenso wie die Beklagte keinen Zweifel. (Vgl. zu den -hier erfüllten-
Vorgaben: etwa Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl., § 15 Rn. 2) Die Festlegung
des Bewilligungszeitraums auf die Zeit ab März 2007 ist rechtswidrig, weil der Antrag
bereits im Februar 2007 bei der Beklagten eingegangen war. Der Eingangszeitpunkt
bestimmt sich danach, wann der Antrag tatsächlich in die Verfügungsgewalt der Behörde
gelangt ist, unabhängig, ob zu diesem Zeitpunkt mit einer Kenntnisnahme zu rechnen war.
(Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. § 31 Rn. 22 f. m.w.N.) Nach dem durchgehenden
Vortrag der Klägerin, der durch den handschriftlichen Vermerk auf dem Briefumschlag
bestätigt wird, ist der Brief mit dem Antrag am 28.02.2007 bei der Beklagten eingeworfen
worden und damit in die Verfügungsgewalt der Beklagten gelangt. Dass der Brief erst am
02.03.2007 in den Geschäftsgang der Beklagten gekommen ist, ist insofern ebenso
unerheblich wie die Frage, wie der Brief in die Ausgangspost des BAföG-Amtes hat
gelangen können (Vgl. den Vermerk Bl. 1 d. BA) . Entscheidend ist, dass der Antrag sich
bereits am letzten Tag des Monats Februar in der Verfügungsgewalt der Behörde befand.
Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf die begehrten BAföG-Förderungsleistungen für
den Zeitraum Februar 2007 bis August 2007. Wie die Gewährung von
Förderungsleistungen und die Argumentation der Beklagten, die sich mit der Frage einer
rückwirkenden Gewährung auch für die Zeit vor September (unter dem Gesichtspunkt der
Ermessensausübung gemäß § 67 Abs. 1 SGB I) auseinandergesetzt hat, zeigen, bestehen
am Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von
Förderungsleistungen auch für die Zeit vor September 2007 keine Bedenken.
Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass sie auf das
Anforderungsschreiben vom 06.03.2007 ebensowenig reagiert hat wie auf den Bescheid
vom 23.05.2007, mit dem ihr im Februar 2007 gestellter Antrag zurückgewiesen wurde,
weil sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.
Die Klägerin kann sich insofern mit Erfolg darauf berufen, dass ihr beide Schriftstücke nicht
zugegangen sind.
Beide Schriftstücke wurden ausweislich der Akten mittels einfachen Briefes übersandt.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X gilt der Bescheid (bzw. analog das Aufforderungsschreiben)
am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese Zugangsfiktion gilt
nach § 37 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB X aber nicht, wenn der Bescheid oder das
Schreiben nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Die im letzten Halbsatz
des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X normierte Nachweispflicht der Behörde vermögen zwar
lediglich begründete oder berechtigte Zweifel auslösen (Vgl. etwa HessLSG, Beschluss vom
06.07.2009 - L 6 AS 72/09 B ER -, Juris, m.w.N.;) . Wenn der Zugang aber -wie hier-
überhaupt bestritten wird, ist dem Betroffenen eine nähere Substantiierung nicht möglich.
Es handelt sich insofern um eine negative Tatsache, die eines Beweises oder auch nur
einer weiteren Substantiierung grundsätzlich nicht zugänglich ist. (Urteil der Kammer vom
13.02.1998 - 11 K 90/95 -, m.w.N.)
Die von der Beklagten geltend gemachten Umstände (etwa die Absendung von zwei
Schriftstücken in kurzem zeitlichem Abstand an die richtige Adresse, ohne dass ein
Postrücklauf zu verzeichnen gewesen wäre) sind demgegenüber nicht geeignet, diese
Bewertung in Frage zu stellen. Die dargelegten Umstände führen im konkreten Fall nicht zu
einer Beweislastumkehr. Sie sind insbesondere nicht von einem Gewicht, das rechtfertigen
würde, nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins davon auszugehen,
dass die Klägerin das Schreiben und den Bescheid nach allgemeiner Lebenserfahrung
tatsächlich erhalten haben muss. (Vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 06.07.2007 - 7 CE
07.1151 -, NVwZ-RR 2008, 252)
Ist damit aber durch das Schreiben vom 06.03.2007 eine Frist zur Vorlage von Unterlagen
nicht in Lauf gesetzt worden, fehlt es an den in § 66 Abs. 3 SGB I normierten
Voraussetzungen für eine hierauf gestützte Ablehnung des Antrages gemäß § 66 Abs. 1
SGB I. Hinzu kommt, dass nach den obigen Ausführungen auch der Bescheid vom
23.05.2007 mangels einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe nicht wirksam geworden ist.
Damit fehlt es auch am ermessenseröffnenden Tatbestand des § 67 Abs. 1 SGB I, so dass
hier die Frage der ordnungsgemäßen Ermessensausübung dahinstehen kann.
2. Die Klage bleibt ohne Erfolg, soweit der Klägerin die Gewährung von
Ausbildungsförderungsleistungen gemäß § 17 Abs. 2 BAföG für die Zeit von Oktober 2007
bis September 2008 mit dem Widerspruchsbescheid konkludent durch die Beschränkung
des Bewilligungszeitraums auf die Zeit bis September 2007 versagt wurde; insoweit ist der
Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in Ihren Rechten.
Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid, die sich
die Kammer zu eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 117 Abs.
5 VwGO).
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Zeitpunkt, ab
dem eine Förderung nur noch mit Bankdarlehen erfolgt, durch Subtraktion der Zahl der im
ersten Studium verbrachten vollen Semester von der nach § 15a BAföG für das aktuelle
Studium maßgeblichen Semesterzahl der Förderungshöchstdauer ermittelt wird. Die
Bankdarlehensförderung setzt daher ab dem Semester ein, ab dem die neue
Förderungshöchstdauer bei rechnerischem Abzug der vorher verbrachten Semester
überschritten wird. Kein Abzug erfolgt nur dann, wenn - was hier unstreitig nicht der Fall ist
- die im aufgegebenen Studiengang verbrachten Semester auf den neuen Studiengang
angerechnet werden. Mit dieser Regelung wird bewirkt, dass die Förderart Bankdarlehen
für die Zeit gilt, um die die Gesamtförderungsdauer länger währt, als wenn gleich mit der
dann eingeschlagenen Fachrichtung begonnen worden wäre. (Vgl. Schepers in
Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., § 17 Rn. 13) Ob für die frühere Ausbildung
Förderungsleistungen beansprucht worden sind, spielt indes keine Rolle.
Diesen Vorgaben wird die Entscheidung der Beklagten gerecht. Es ist insbesondere
rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Ausschlussvorschrift des § 17 Abs. 3
Satz 2 BAföG nicht angewandt hat. Nach dieser Norm gilt (§ 17 Abs. 3 Satz 1) Nummer 2
BAföG nicht, wenn der Auszubildende aus unabweisbarem Grund die Ausbildung
abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt hat. Wegen der eindeutigen Fassung des §
17 Abs. 3 Satz 2 BAföG greift der Ausschlusstatbestand nur bei Vorliegen eines
unabweisbaren Grundes ein. Ob der Fachrichtungswechsel vor oder nach dem vierten
Semester erfolgt ist, spielt nur für die hier nicht streitige Frage, ob die neue Ausbildung
überhaupt noch gefördert werden kann, eine Rolle, ist für die Frage, unter welchen
Voraussetzungen die Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG nicht gilt, aber
unerheblich.
Ein Grund ist nur dann unabweisbar, wenn Umstände eintreten, die die Fortsetzung der
bisherigen Ausbildung objektiv oder subjektiv unmöglich machen. (Humborg in
Rothe/Blanke, BAföG,5. Aufl. § 7 Rn. 43; BVerwG, Urteile vom 30.04.1981 - 5 C 36/79 -, E
62, 174, und vom 19.02.2004 - 5 C 6/03 -, E 120, 149.) Anhaltspunkte dafür, dass der
Wechsel der Klägerin vom Diplom- zum Bachelor-Studiengang aus einem in diesem Sinne
unabweisbaren Grund erfolgt ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist
ein auf mangelnder Qualifikation beruhender Eignungsmangel kein unabweisbarer Grund.
(Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl., § 7 Rn. 83) Nichts anderes macht die
Klägerin hier aber geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,
711 ZPO.