Urteil des VG Saarlouis vom 03.05.2010
VG Saarlouis: aufenthaltserlaubnis, visum, überwiegendes öffentliches interesse, einreise, aufschiebende wirkung, schengen, ermessen, absicht, ausreise, ausweisungsgrund
VG Saarlouis Beschluß vom 3.5.2010, 10 L 192/10
Zum erforderlichen Visum für eine Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken
Leitsätze
Ein Ausländer ist nur dann im Verständnis des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG
erforderlichen Visum eingereist, wenn er das für den aktuell begehrten Aufenthaltszweck
notwendige Visum erhalten hat.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert beträgt 2.500,-- Euro.
Gründe
Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27.01.2010 begehrt, ist
gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, da sein fristgerecht erhobener Widerspruch gegen die
in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Ablehnung der Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG keine aufschiebende Wirkung hat und auch die weiter verfügte
Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 20 AGVwGO sofort
vollziehbar ist. Der auch im Übrigen zulässige Antrag bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Ein Antrag auf Anordnung der kraft Gesetzes ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung
nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zurückzuweisen, wenn das öffentliche Inter-esse am
Sofortvollzug des angefochtenen Verwaltungsakts gegenüber den schutzwürdigen
Belangen des Betroffenen vorrangig ist, wobei ein überwiegendes öffentliches Interesse am
Sofortvollzug allgemein dann angenommen wird, wenn sich bereits bei summarischer
Prüfung erkennen lässt, dass der angegriffene Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Dies ist
vorliegend der Fall, da weder die in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene
Ablehnung, dem Antragsteller die von ihm zum Zwecke des Studiums nach § 16 AufenthG
beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, noch die Ausreiseaufforderung und
Abschiebungsandrohung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen mit der Folge,
dass das Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen weiteren Verbleib im
Bundesgebiet hinter dem öffentlichen Interesse an seiner umgehenden Ausreise
zurückzutreten hat.
Der Erteilung der von dem Antragsteller begehrten Aufenthaltserlaubnis steht bereits
entgegen, dass er nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG erfüllt. Nach dieser Bestimmung setzt die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist
ist (Nr. 1) und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht
hat (Nr. 2). Welches Visum i. S. v. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlich ist, ergibt
sich aus § 6 AufenthG. Ein Schengen-Visum kann nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2
AufenthG nur für die Durchreise oder für kurzfristige Aufenthalte erteilt werden, während
nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für längerfristige Aufenthalte ein Visum für das
Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich ist, das vor der Einreise erteilt wird. Mit einem
solchen nationalen Visum ist der Antragsteller nicht in die Bundesrepublik Deutschland
eingereist, obwohl die Absicht eines längerfristigen Aufenthaltes zum Zwecke des Studiums
zu diesem Zeitpunkt unzweifelhaft vorgelegen haben dürfte. Die Behauptung des
Antragstellers, vor der Einreise lediglich die Absicht gehabt zu haben, seine Mutter zu
besuchen, und den Entschluss zum Studium erst nach der Einreise in die Bundesrepublik
Deutschland gefasst zu haben, ist vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller sich in der
Vergangenheit bereits mehrere Male erfolglos um ein Studentenvisum bemüht hat, nicht
glaubhaft. Davon abgesehen dürfte sich die Vorschrift zur Erforderlichkeit des Visums
ohnehin an demjenigen Aufenthaltstitel orientieren, dessen Erteilung konkret beantragt ist.
Es kommt daher im Rahmen von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht auf den früheren,
sondern maßgeblich auf den aktuell angestrebten Aufenthaltszweck an.
Ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 01.03.2010, 13
ME 3/10, sowie VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom
14.03.2006, 11 S 1797/05, jeweils zitiert nach juris
Zwar kann von dem Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit
dem erforderlichen Visum nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG für die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden, wenn die
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer
Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Indes steht
dem Antragsteller weder ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach
§ 16 Abs. 1 AufenthG zu, noch sind besondere Umstände erkennbar, aufgrund derer es
ihm unzumutbar wäre, das Visumverfahren nachzuholen.
Die Erteilung der von dem Antragsteller begehrten Aufenthaltserlaubnis zum Studium steht
gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde und vermittelt
dem Antragsteller daher lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung,
der selbst bei einer Ermessensreduzierung auf Null einem nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG
vorausgesetzten strikten Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht
gleichzusetzen ist.
Vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom
27.12.2007, 2 A 323/07, sowie OVG Berlin, Beschluss
vom 06.10.2006, 7 S 32.06, DVBl. 2007, 68; ferner
Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 5 AufenthG
Rdnr. 60, m.w.N.
Von dem Vorliegen besonderer Umstände, die im Fall des Antragstellers eine Nachholung
des Visumverfahrens unzumutbar erscheinen ließen, ist ebenfalls nicht auszugehen.
Insbesondere hat der Antragsteller eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2
AufenthG nicht mit seinem Vorbringen aufgezeigt, sowohl das Visumverfahren als auch das
Studium selbst seien mit hohen finanziellen Aufwendungen verbunden und seine bisherigen
Bemühungen um den Abschluss des das angestrebte Studium vorbereitenden
Sprachkurses wären im Falle einer Ausreise umsonst gewesen. Dass die Nachholung des
Visumverfahrens nicht unerhebliche Kosten mit sich bringt und zu Verzögerungen bei der
Verfolgung des Aufenthaltszwecks führt, gehört zu den normalen Risiken einer Einreise
ohne das erforderliche Visum und sind grundsätzlich ebenso wie sonstige Erschwernisse,
die durch die Einhaltung des Visumverfahrens entstehen, als regelmäßige Folgen der
gesetzlichen Ausgestaltung des Einreiseverfahrens hinzunehmen.
Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 01.03.2010, 13 ME
3/10, a.a.O.; ferner Renner, a.a.O., § 5 AufenthG Rdnr.
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Erfüllt der Antragsteller damit schon nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5
Abs. 2 Satz 2 AufenthG war für eine Ermessensentscheidung des Antragsgegners kein
Raum, so dass auch sein Einwand, der Antragsgegner habe sein Ermessen nicht
rechtmäßig ausgeübt, nicht verfängt.
Darauf, ob der Erteilung der von dem Antragsteller begehrten Aufenthaltserlaubnis überdies
nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegensteht, dass ein Ausweisungsgrund vorliegt, weil
der Antragsteller im Verständnis des § 55 Abs. 2 Nr. 1a) AufenthG falsche oder
unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels bzw. eines
Schengen-Visums gemacht hat, kommt es danach nicht mehr entscheidungserheblich an.
Der Antragsteller ist auch nicht nach der auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruhenden
Bestimmung des § 39 Nr. 3 AufenthV berechtigt, die von ihm begehrte
Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise ins Bundesgebiet einzuholen. Danach kann ein
Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus einen Aufenthaltstitel im
Bundesgebiet einholen, wenn er Staatsangehöriger eines im Anhang II der Verordnung (EG)
Nr. 539/2001 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG)
besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels
nach der Einreise entstanden sind. Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen dieser
allein im Hinblick auf deren zweite Alternative in Betracht kommenden Bestimmung aber
schon deshalb nicht, weil der Wunsch, hier zu studieren, als Voraussetzung einer
Aufenthaltserlaubnis auch § 16 AufenthG im Falle des Antragstellers ersichtlich bereits nicht
nach der Einreise mit dem Schengen-Visum entstanden ist und zudem die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken im Ermessen der Ausländerbehörde steht. Ob §
39 Nr. 3 AufenthV ebenso wie § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur Anwendung findet, wenn
ein strikter gesetzlicher Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels steht, oder ob die
Vorschrift auch Ansprüche erfasst, die sich aus einer Ermessensnorm bei einer
Ermessensreduzierung auf Null ergeben, kann hier offen bleiben. Denn selbst wenn
Letzteres zutreffen sollte, könnte sich der Antragsteller nicht auf § 39 Nr. 3 AufenthV
berufen, weil Anhaltspunkte für eine Reduzierung des dem Antragsgegner nach § 16 Abs. 1
Nr. 1 AufenthG eröffneten Ermessens auf Null zugunsten der Erteilung der begehrten
Aufenthaltserlaubnis weder dargetan noch ansonsten erkennbar sind.
Erweist sich nach alledem die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den
Antragsteller als offensichtlich rechtmäßig, unterliegt im Weiteren auch die mit ihr
verbundene und den gesetzlichen Anforderungen des § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG
entsprechende Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung keinen rechtlichen
Bedenken.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei
in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte des Hauptsachewertes in Ansatz zu
bringen ist.