Urteil des VG Saarlouis vom 16.05.2007

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VG Saarlouis Urteil vom 16.5.2007, 5 K 46/06
Anfechtung einer Anordnung zur Beseitigung des Überbaus über die Grenze zum
Nachbargrundstück.
Leitsätze
1. Im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen einen Bescheid der Bauaufsichtsbehörde zur
Beseitigung eines Überbaus über die Nachbargrenze spielt es keine Rolle, ob ein solcher
Anspruch auch zivilrechtlich besteht.
2. Ein Überbau über die Grenze zum Nachbargrundstück widerspricht § 5 Abs. 2 LBO
2004.
3. Im Anfechtungsverfahren gegen eine Beseitigungsanordnung ist für den Grenzverlauf
von den Plänen des Beseitigungsverpflichteten im Genehmigungsverfahren auszugehen.
4. Ein Überbau läuft im Verständnis von § 5 Abs. 2 LBO 2004 den Vorschriften der LBO
zuwider.
5. Wenn die Abstandsflächenbestimmungen grundsätzlich einen Grenzabstand verlangen,
ist ein Überbau über die Grenze erst recht nicht zulässig.
6. § 7 Abs. 6 Nr. 1 LBO 2004, demzufolge vor die Außenwand tretende untergeordnete
Bauteile bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht bleiben, erlaubt keinen
Überbau über die Grundstücksgrenze.
7. Ein Überbau über die Grundstücksgrenze kann wegen der Würdigung der öffentlich-
rechtlich geschützten nachbarlichen Interessen gegen den Willen des Nachbarn nicht im
Wege der Abweichung nach § 68 Abs. 1 LBO 2004 zugelassen werden.
8. Der Anordnung der Beseitigung eines Überbaus über die Grundstücksgrenze von 34 cm
kann nicht entgegen gehalten werden, das Nachbarbegehren auf Einschreiten sei im
Verständnis von § 226 BGB schikanös.
9. Die Rechtsprechung, dass ein Nachbar, der sich selbst nicht an die
Abstandsflächenbestimmungen gehalten hat, deren Einhaltung nicht von seinem Nachbarn
verlangen kann, betrifft nur die Verhältnisse an der gemeinsamen Grundstücksgrenze.
10. Die Beseitigung des Überbaus dient der Wiederherstellung des nachbarrechtlichen
Austausch-verhältnisses, weil der Nachbar nur dann sein Anbaurecht (§ 7 Abs. 1 Satz b3
LBO 2004) sinnvoll ausnutzen kann.
11. Eine Verwirkung des nachbarrechtlichen Abwehranspruchs erfordert neben der
Untätigkeit über einen längeren Zeitraum das Hinzutreten besonderer Umstände, die die
verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.
12. Zur Ermessensausübung und -begründung einer baurechtlichen Beseitigungsanordnung
reicht im Regelfall der Hinweis auf die formelle und materielle Illegalität.
13. Die Pflicht der Bauaufsichtsbehörde zur Wahrung und Wiederherstellung rechtmäßiger
Zustände unterliegt nicht der Verwirkung.
14. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kommt in diesen Fällen nur unter dem
Gesichtspunkt der Willkür in Betracht.
15. Ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde gegen Verstöße gegen Vorschriften, die dem
Nach-barschutz dienen, ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde allein bei
Nachbarbeschwerden tätig wird.
16. Der Verpflichtete kann einer solchen Beseitigungsanordnung nicht mit Erfolg entgegen
halten, der Nachbar verletze Vorschriften, die nicht dem Nachbarschutz dienen.
17. Die Höhe der Kosten für die Beseitigung eines baurechtswidrigen Zustandes sind kein
Kriterium für eine Unverhältnismäßigkeit der Anordnung.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen
tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte
oder die Beigeladenen vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Anordnung der Beseitigung einer 34 cm über die
Grundstücksgrenze reichenden Außenwandverkleidung mit Unterkonstruktion und
vorgehängter Dachrinne.
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks im der
Gemeinde A-Stadt, A-Straße, Gemarkung ... , Flur ... , Parzelle Nr.... Die Beigeladenen sind
Eigentümer des – von der Waldstraße aus gesehen rechtsseitigen - Nachbargrundstücks E-
Straße, Parzelle ....
Mit Bauschein vom 16.07.1975 –– wurde der GmbH die Baugenehmigung zum
„Wohnhausneubau mit Garage sowie Einbau einer Ölheizungsanlage mit Lagerung von
10.000 l Heizöl als Erdtank“ auf dem jetzigen Grundstück der Kläger erteilt. Mit
Befreiungsbescheid vom 10.07.1975 erhielt die LEG eine Befreiung wegen Unterschreitung
des rechtsseitigen Grenzabstandes im Bereich der Garagenunterkellerung. In den
genehmigten Plänen sind das Wohnhaus und die Garage als einheitliches Bauwerk mit
Flachdach und umlaufender Attika dargestellt; Maßgaben zum Überstand der Attika vor die
Außenwand enthält die Genehmigung nicht. Dem Maßstab 1:100 entsprechend beträgt
der Überstand etwa (1 mm =) 10 cm.
Mit Bauschein im vereinfachten Genehmigungsverfahren (§ 67 LBO 1996) vom
04.12.2003 wurde den Klägern die Genehmigung zur „Errichtung eines Walmdaches auf
dem bestehenden Wohnhaus mit Flachdach“ auf dem genannten Grundstück erteilt. Mit
gesondertem Bescheid vom 04.12.2003 erhielten die Kläger gemäß § 75 Abs. 3 LBO eine
Befreiung wegen der Unterschreitung der rechtsseitigen Abstandsfläche (§ 6 LBO),
nachdem die Beigeladenen den Befreiungsantrag unterschrieben hatten. Ausweislich der
genehmigten Pläne hat das Dach eine Neigung von 30° und schließt im Bereich zum
Nachbargrundstück des Beigeladenen bündig mit der Hauswand unmittelbar auf der im
Plan dargestellten Grenze ab, während es zur Straße und zum Nachbargrundstück
Waldstraße 9 hin jeweils einen Überstand von rund 1,10 m und zum Garten hin von etwa
0,60 m aufweist.
Ursprünglich hatten die Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung mit einer Dachneigung
von 37,9° beantragt. Zu diesem Antrag hatte die Gemeinde das Einvernehmen mit
Schriftsatz vom 23.09.2003 unter der Bedingung hergestellt, dass die Dachneigung „lt.
Grundsatzbeschluss für die B-Straße“ 25 – 30° ohne Kniestock nicht überschreite.
Am 02.06.2004 ging beim Beklagten die Benennung des Bauleiters durch den Kläger zu 2.
vom 27.05.2004 ein. Unter dem 25.06.2004 zeigten die Kläger die abschließende
Fertigstellung an diesem Tage beim Beklagten an. Der Bezirksschornsteinfeger stimmte
unter dem 16.07.2004 dem Betrieb der Feuerstätte zu.
Mit Schreiben vom 17.04.2005 wandte sich der Beigeladene zu 1. an den Beklagten: Die
Bauausführung der Dachänderung der Kläger sei nicht wie in den unterschriebenen Plänen
dargestellt vorgenommen worden. Das Dach reiche vielmehr 34 cm auf ihr Grundstück.
Dieser Umstand bestätigte sich bei einer Ortsbesichtigung durch den Beklagten
20.04.2005. Mit Schreiben vom 13.06.2005 teilte der Beklagte den Klägern seine Absicht
zur Anordnung der Beseitigung des Dachüberstandes mit: Der Dachüberstand
widerspreche § 5 Abs. 1 LBO 2004 und könne auch nicht nachträglich genehmigt werden.
Daraufhin teilten die Kläger durch ihre sich zugleich bestellende Bevollmächtigte mit, sie
seien allen Aufforderungen im Zusammenhang mit dem Bauschein vom 04.12.2004
nachgekommen. Die Planzeichnungen seien allerdings nur im Maßstab 1:100 und deshalb
nicht so detailliert. Ein Dachüberstand von 34 cm sei nicht vorhanden. In diesem
Zusammenhang sei von Bedeutung, dass die Grenze nicht rechtwinklig verlaufe. Deshalb
sei die Grenze – wenn überhaupt – allenfalls im vorderen Grundstücksbereich um wenige
Zentimeter überbaut sei. Deren Beseitigung anzuordnen sei unverhältnismäßig. Nicht zu
verstehen sei, inwieweit § 5 Abs. 1 LBO 2004 vorliegend einschlägig sein sollte. Zudem
hätten die Beigeladenen bei der Änderung ihres Flachdaches in ein Walmdach vor etwa 2
Jahren eine Dachneigung von mehr als 30° vorgenommen, während ihnen gesagt worden
sei, dass nach der örtlichen Bauvorschrift maximal 30° zulässig sei. Es sei nicht
nachvollziehbar, weshalb gegen den bei ihnen behaupteten Dachüberstand vorgegangen
werde und gegen die unzulässige Dachkonstruktion bei ihren Nachbarn nicht. Diese hätten
im Übrigen möglicherweise auch (zum Nachbargrundstück B-Straße 15 hin) die Grenze
überbaut.
Mit Bescheid vom 13.09.2005 ordnete der Beklagte gegenüber den Klägern die restlose
Beseitigung der vor die rechte Außenwand vortretenden Verkleidung einschließlich
Unterkonstruktion und vorgehängter Dachrinne mit 34 cm Überstand über der im
genehmigten Plan dargestellten rechten Grundstücksgrenze (Parzelle .../54) innerhalb von
8 Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheides an. Zur Begründung führte er aus, dass
auf den Bauvorlagen zum Bauschein vom 04.12.2003 die Traufe über der rechten
Außenwand bündig mit dem aufgehenden Mauerwerk der rechten Außenwand (gleichzeitig
Grundstücksgrenze) ohne vortretende Verkleidung bzw. Gesims und Dachrinne dargestellt
sei. Der vorhandene Zustand widerspreche § 5 Abs. 2 LBO 2004. Danach sei die
Errichtung eines Gebäudes auf mehreren Grundstücken nur zulässig, wenn öffentlich-
rechtlich gesichert sei, dass keine Verhältnisse eintreten könnten, die den Vorschriften
dieses Gesetzes oder den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften zuwiderliefen.
Eine nachträgliche Genehmigung komme deshalb nicht in Betracht. Auf andere Weise
könne ein rechtmäßiger Zustand nicht geschaffen werden. Für den Fall, dass die Kläger der
Anordnung nicht oder nicht ausreichend nachkämen, drohte der Beklagte den Klägern ein
Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro an.
Der Bescheid wurde beiden Klägern jeweils am 17.09.2005 zugestellt.
Am 17.10.2005 erhoben die Kläger Widerspruch, den sie im März 2006 damit
begründeten, die vom Beklagten angeführte Rechtsgrundlage trage nicht, weil sie kein
Gebäude auf mehreren Grundstücken errichtet hätten. Sie hätten allein ein Flachdach
durch ein Walmdach ersetzt. Wenn es im angegriffenen Bescheid heiße, dass die
Verkleidung einschließlich Unterkonstruktion und vorgehängter Dachrinne 34 cm über die
im Plan eingezeichnete Grenze zum Nachbargrundstück der Beigeladenen hervortrete, so
handele es sich um dieselbe Konstruktion, wie sie diese Nachbarn an der Grenze zum
Grundstück ... Straße 15 angebracht hätten. Deshalb hätte der Beklagte auch gegen
diesen Überbau vorgehen müssen. Dem Bescheid lasse sich ferner nicht entnehmen, dass
der Beklagte das ihm von § 82 Abs. 1 LBO eingeräumte Ermessen überhaupt ausgeübt
habe. Weiterhin liege auch kein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 LBO vor. Der Beklagte habe sich
– ohne eigene Ermittlungen anzustellen - allein auf die Behauptung des Beigeladenen
verlassen, dass der Überstand 34 cm betrage. In der Behördenakte sei insoweit zum
Grenzverlauf ausgeführt, dass dieser so in den genehmigten Plänen eingezeichnet sei. Das
reiche aber nicht aus, weil sie – die Kläger – die Behauptung des Nachbarn bestritten, dass
die Hauswand die Grundstücksgrenze darstelle. Weiterhin werde bestritten, dass der
Dachüberstand genau 34 cm betrage. Weiterhin habe der Beigeladene ihnen gegenüber
sein Einverständnis mit der Mitte April 2004 angebrachten Dachkonstruktion erklärt und
diese erst knapp ein Jahr später beanstandet. Offenbar hätten ihn Gründe außerhalb des
Landesbaurechts dazu bewogen. An seinem zuvor erklärten Einverständnis müsse er sich
festhalten lassen. Er sei deshalb sogar verpflichtet, den Dachüberstand zu dulden und dem
Beklagten gegenüber eine Baulasterklärung abzugeben. Damit könne ein rechtmäßiger
Zustand auch auf andere Weise als durch Beseitigung hergestellt werden. Das habe der
Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt. Schließlich verstoße die
Beseitigungsanordnung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil die Nachbarn
tatsächlich durch nichts beeinträchtigt würden. Im Gegenteil hätten dieser ein Dach mit
einer Neigung von mehr als 30° errichtet, was ihnen vom Beklagten versagt worden sei.
Das verstoße zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz.
In der mündlichen Verhandlung beim Rechtsausschuss für den Stadtverband am
10.12.2004 erklärte der Vertreter des Beklagten, dass Herr ... von der Bauaufsicht eine
Nachmessung des Dachüberstandes am 20.04.2005 um 17.00 Uhr an Ort und Stelle
vorgenommen habe. Das sei auf dem Foto auf Seite 8 der Hausakte dokumentiert.
Mit Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2006 wurden
die Widersprüche beider Kläger zurückgewiesen: Rechtsgrundlage für die
Beseitigungsanordnung sei § 82 Abs. 1 LBO 2004. Danach könne eine
Beseitigungsanordnung ergehen, wenn eine bauliche Anlage dem materiellen Baurecht
widerspreche und sich nicht auf eine Genehmigung stützen könne. Für den Dachüberstand
existiere keine Baugenehmigung. Sie sei auch mit § 5 Abs. 2 LBO und damit mit dem
materiellen Baurecht nicht zu vereinbaren. Denn durch den Überbau stehe das Gebäude
auf zwei Grundstücken. Eine Zustimmung des Beigeladenen liege nicht vor; dieser habe
dem Überbau ausdrücklich widersprochen. In einem solchen Falle könne die Illegalität nur
durch eine Beseitigung ausgeräumt werden. Das habe zur Folge, dass eine
Ermessensentscheidung regelmäßig nur zum Erlass einer Beseitigungsanordnung führen
könne, es sei denn, aufgrund besonderer Umstände sei davon ausnahmsweise Abstand zu
nehmen. Dabei seien soziale und wirtschaftliche Gesichtspunkte grundsätzlich nicht zu
berücksichtigen. Gerade im Hinblick auf die vorangegangene Planung im Vorfeld der
Baugenehmigung vom 04.12.2003 sei die Anordnung auch verhältnismäßig. Dass die
Beigeladenen zu deren rechten Nachbargrundstück ... Straße 15 ebenfalls mit dem
Dachüberstand die Grenze überbaut hätten, führe zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen
könnten sich die Kläger im Unrecht nicht auf eine Gleichbehandlung berufen, zum anderen
sei der Dachüberstand vom Hause der Beigeladenen um einiges geringer und deren
Nachbar habe sich eben gerade nicht darüber beschwert. Verwirkt hätten die Beigeladenen
ihr Abwehrrecht nicht.
Am 14.07.2006 haben die Kläger bei Gericht Klage gegen die Beseitigungsanordnung und
den ihnen am 14.06.2006 zugestellten Widerspruchsbescheid erhoben. Zur Begründung
wiederholen sie ihr bisheriges Vorbringen und machen darüber hinaus geltend, dass die
Bestimmung des § 5 Abs. 2 LBO nicht mehr zum Prüfungsrahmen bei der Erteilung einer
Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gehöre und nach § 7 Nr. 6 LBO vor die
Außenwand tretende untergeordnete Bauteile wie Gesimse und Dachvorsprünge bis zu 50
cm Außenkante Dachrinne bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht zu
bleiben hätten. Deshalb könnten sich die Beigeladenen allenfalls auf § 912 BGB berufen.
Dabei sei deren Widerspruch unbeachtlich, weil dieser nicht im zeitlichen Zusammenhang
mit der Bauausführung erfolgt sei. Deren Ansinnen stehe weiterhin das Schikaneverbot des
§ 226 BGB entgegen, weil sie durch den Überbau weder faktisch noch optisch
beeinträchtigt würden. Unzutreffend sei die Behauptung im Widerspruchsbescheid, das
Vorhaben sei nicht genehmigungsfähig. Denn schließlich liege dafür zum einen eine
Baugenehmigung vor, zum anderen habe der Beklagte bei der Verhandlung über den
Widerspruch erklärt, dass das Vorhaben genehmigungsfähig sei, wenn die Nachbarn ihre
Zustimmung erteilten. Der Beigeladene zu 1. habe zwischenzeitlich in einem Gespräch mit
dem Kläger zu 2. signalisiert, gegebenenfalls zu der jetzigen Ausführung sein Einverständnis
zu erteilen. Dessen Dachüberstand zum Grundstück ... Straße 15 betrage ca. 10 cm.
Dagegen nicht einzuschreiten verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Mit Schreiben vom
14.05.2007 haben die Kläger ihre Einwände gegen die Beseitigungsanordnung erneut
vertieft.
Die Kläger beantragen,
die Beseitigungsanordnung vom 13.09.2005 und den
Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 28.04.2006 aufzuheben und
die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren für
notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die angegriffenen Bescheide und ferner darauf hin, dass die
Klagebegründung keine neuen Gesichtspunkte enthalte.
Die Beigeladenen beantragen (ebenfalls),
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Örtlichkeit am 03.05.2007 in Augenschein genommen; wegen der
Einzelheiten wird auf das Protokoll der Ortsbesichtigung verwiesen.
Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts ergeben sich aus dem Inhalt der Gerichtsakte
und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffene Beseitigungsanordnung ist in der
Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO),
rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Der Beklagte und der Rechtsausschuss haben sich als Rechtsgrundlage für die angegriffene
Beseitigungsanordnung auf § 82 Abs. 1 LBO 2004 gestützt. Danach kann die
Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung solcher baulichen Anlagen
anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert
wurden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
Die Einschätzung des Beklagten und des Rechtsausschusses, dass die aufgegriffene
bauliche Anlage der Kläger – der Überstand der Außenwandverkleidung mit
öffentlich-
rechtlichen
Ob den Beigeladenen auch ein zivilrechtlicher Anspruch gegen die Kläger auf Beseitigung
des Überbaus (gemäß § 912 BGB oder einer anderen Vorschrift) zusteht, spielt für das
vorliegende Klageverfahren keine Rolle, weil in diesem Bereich öffentliches und privates
Baurecht voneinander unabhängig sind.
Zu Recht hat sich der Beklagte auf die Unvereinbarkeit des Überbaus über die Grenze mit
der materiell-rechtlichen Bestimmung des § 5 Abs. 2 LBO 2004 gestützt. Danach ist die
Errichtung eines Gebäudes auf mehreren Grundstücken nur zulässig, wenn öffentlich-
rechtlich gesichert ist, dass keine Verhältnisse eintreten können, die den Vorschriften
dieses Gesetzes oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften
zuwiderlaufen. Diese Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Gebäudes auf mehreren
Grundstücken liegen nicht vor.
Dass sich das Garagengebäude der Kläger aufgrund des Überbaus über die Grenze zum
Grundstück der Beigeladenen auf zwei und damit auf mehreren Grundstücken befindet,
bedarf keiner vertieften Begründung. Ob der Überbau haargenau 34 cm oder einige
Zentimeter mehr oder weniger beträgt, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos.
Rechtlich keine Bedeutung misst die Kammer dem Vorbringen der Kläger im Laufe des
Klageverfahrens zu, die Grenze zwischen ihrem und dem Grundstück der Beigeladenen
verlaufe in Wirklichkeit gar nicht in Höhe der Außenwand ihrer Garage. Die Kläger haben
den Grenzverlauf auf den – von ihnen unterschriebenen – Plänen im
Baugenehmigungsverfahren so eingezeichnet. Davon ist vorliegend auszugehen. (OVG des
Saarlandes, Urteil vom 26.11.1996 – 2 R 23/95 -) Wenn die Kläger der Ansicht sind, die
Grenze verlaufe nicht an dieser Stelle, liegt es an ihnen, diese entweder katastermäßig
(neu) bestimmen bzw. vermessen zu lassen oder aber die Grenze durch Erhebung einer
zivilrechtlichen Klage gemäß § 920 BGB streitig zu stellen. Bis zu einem verwertbaren
Ergebnis im Rahmen der Vermessung oder der gerichtlichen Grenzfeststellung ist von der
Richtigkeit der Planvorlagen der Kläger auszugehen. Denn der Sache nach bestreiten die
Kläger ihre eigenen Angaben mit Nichtwissen, was selbst rechtlich nicht zulässig ist.
Für das Bestehen von Gegenrechten gegen ein Beseitigungsverlangen ist im Übrigen
derjenige, der sich darauf beruft, mit der Folge beweispflichtig, dass die Unaufklärbarkeit
der behaupteten Tatsache zu seinen Lasten geht. (BVerwG, Urteil vom 23.02.1979 - 4 C
86.76 -, Buchholz 406.16 Eigentumschutz Nr. 13 = NJW 1980, 252; Beschlüsse vom
19.02.1988 - 4 B 33.88 - (unveröffentlicht) und vom 05.08.1991 - 4 B 130.91 -, Buchholz
406.17 Bauordnungsrecht Nr. 35)
Rechtlich zutreffend sind der Beklagte und der Rechtsausschuss davon ausgegangen, dass
das Faktum des Überbaus den Vorschriften der LBO im Verständnis von § 5 Abs. 2 LBO
2004 zuwiderläuft. Denn die LBO sieht die Errichtung eines Gebäudes auf mehreren
Grundstücken grundsätzlich nicht vor. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004 sind vor den
Außenwänden von Gebäuden oder vor den Abschnitten von Außenwänden von Gebäuden
Flächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (Abstandsflächen). Die Abstandsfläche
muss mindestens 3 m betragen (§ 7 Abs. 5 Satz 4 LBO 2004) und auf dem Grundstück
selbst liegen. (§ 7 Abs. 2 S. 1 LBO 2004) Diese Voraussetzung erfüllt die unmittelbar an
der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen stehende Garage der Kläger nicht. Wenn
das Garagengebäude aber vom Grundsatz her einen Abstand von 3 m zur
Grundstücksgrenze einhalten muss, ist ein Überbau über die Grenze bauordnungsrechtlich
erst recht unzulässig.
Die Garage stellt auch keine privilegierte Grenzgarage im Verständnis von § 8 Abs. 2 Nr. 7
LBO dar, die allerdings nach § 8 Abs. 2 Satz 2 LBO 2004 auch nur entweder unmittelbar
auf der Grenze oder aber mindestens 1 m von der Grenze entfernt stehen, diese aber
nicht überschreiten darf. Bei ihrer Errichtung im Jahre 1975 war sie bereits deshalb nicht
privilegiert, weil sie in das Hauptgebäude integriert war und seinerzeit nur selbständige
Garagengebäude privilegiert waren. (§ 7 Abs. 5 Satz 3 LBO 1965/1974) Ferner scheiterte
eine Privilegierung an der Länge der Garage entlang der Nachbargrenze, die nach
damaliger Rechtslage maximal 8 m betragen durfte und tatsächlich (ohne Dachüberstand)
9,60 m beträgt. Dieser Konflikt wurde damals durch die Erteilung einer Befreiung vom
10.07.1975 ausgeräumt. Zwar sind zwischenzeitlich nach der LBO 2004 auch in das
Hauptgebäude integrierte Garagen nach § 8 Abs. 2 Nr. 7 LBO privilegiert und dürfen bis zu
12 m Gesamtlänge je Grundstücksgrenze (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 LBO 1996 erlaubte eine
maximale Länge von 9,00 m bei einer Grundstücksgrenze und einer
Gesamtgrenzbebauung von maximal 15 m) aufweisen. Die Privilegierung der Garage der
Kläger scheitert jedoch nach wie vor an deren Höhe. Denn nach § 8 Abs. 2 Satz 4 dürfen
privilegierte Grenzanlagen eine grenzseitige mittlere Wandhöhe von 3 m über der
Geländeoberfläche nicht überschreiten. Wandhöhe in diesem Verständnis ist nach § 7 Abs.
4 Satz 2 LBO 2004 das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand
mit der Dachhaut. Bei geneigter Geländeoberfläche ist nach § 7 Abs. 4 Satz 4 LBO 2004
die im Mittel gemessene Wandhöhe maßgebend. Nach den am 04.12.2003 vom
Beklagten genehmigten Plänen der Kläger beträgt die Wandhöhe der Garage an der
Grundstücksgrenze an der Straßenseite 3,30 m und an der rückwärtigen Ecke 6,10 m, im
Mittel somit (<3,30 + 6,10 => 9,40 m : 2 =) 4,70 m und folglich mehr als die zulässigen
3,00 m. Damit musste und muss die Garage öffentlich-rechtlich grundsätzlich einen
Grenzabstand von mindestens 3,00 m zu Nachbargrenze aufweisen.
Deshalb bedurfte die Garage nicht nur zur Errichtung der Erteilung einer Befreiung, sondern
auch deren Änderung des Dachaufbaus und das unabhängig vom – nicht genehmigten –
Überbau über die Grundstücksgrenze. Denn mit der Änderung der Dachform vom Fach-
zum Walmdach war eine Dacherhöhung im Bereich der nachbarlich geschützten
Abstandsfläche verbunden. Deshalb war für die Dachänderung zur Erteilung der
Baugenehmigung am 04.12.2003 eine Befreiung nach § 75 LBO 1996 erforderlich.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die von den Klägern ins Feld
geführte Regelung des § 7 Abs. 6 Nr. 1 LBO 2004 („Bei der Bemessung der
Abstandflächen bleiben außer Betracht: 1. vor die Außenwand vortretende untergeordnete
Bauteile, wie Gesimse und Dachvorsprünge bis 50 cm Außenkante Dachrinne.“) für sie nur
dann griffe, wenn die Außenwand der Garage die erforderliche Abstandsfläche – hier: die
Mindesttiefe von 3 m – einhielte. Diese Regelung erlaubt indes im Falle der Grenzbebauung
nicht die Inanspruchnahme fremder Grundstücke für überragende Bauteile.
Vorliegend spielt es rechtlich keine Rolle, dass die beiden Grundstücke, auf denen die
Garage aufsteht, unterschiedlichen Eigentümern – nämlich den Klägern einerseits und den
Beigeladenen andererseits - gehören. Selbst wenn beide Grundstücke im Eigentum der
Kläger stünden, wäre der Überbau nach § 5 Abs. 2 LBO 2004 öffentlich-rechtlich
unzulässig. Eine Möglichkeit zur Verhinderung von Verhältnissen, die den Vorschriften der
LBO zuwiderlaufen, ist die sogenannte Vereinigungsbaulast. Dabei wird auf der Grundlage
von § 83 LBO eine Baulast in das von der Bauaufsichtsbehörde geführte
Baulastenverzeichnis eingetragen, dass die beiden Grundstücke öffentlich-rechtlich mit der
Folge als „vereinigt“ gelten, dass zwischen ihnen keine „innere“ Nachbargrenze mehr
existiert und die Grundstücke folglich auch nicht mehr getrennt voneinander veräußert
werden können. (vgl. dazu Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Aufl., VIII
Rdnr. 8) Eine solche Baulast existiert aber nicht und deren Eintragung liegt aufgrund der
Umstände des vorliegenden Falles auch außerhalb jeder Vorstellung.
Die materiell-rechtliche Zulässigkeit des errichteten Überbaus kann auch nicht im Wege der
Abweichung (früher: Befreiung (§ 75 Abs. 3 LBO 1996)) erreicht werden, weil die
Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 LBO 2004 nicht vorliegen. Nach dieser Bestimmung
kann die Bauaufsichtsbehörde von bauaufsichtlichen Anforderungen der LBO oder aufgrund
der LBO Abweichungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der
jeweiligen Anforderung entweder die Einhaltung der Vorschrift im Einzelfall zu einer nicht
auch unter Würdigung
öffentlich-rechtlich geschützter nachbarlicher Interessen
Belangen vereinbar ist, oder wenn Gründe des allgemeinen Wohls es erfordern.
Zweck der Abstandsflächenbestimmungen und des grundsätzlichen Verbots des Überbaus
sind die ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung der Grundstücke, der
Brandschutz und der Nachbarfrieden. (Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2.
Aufl., VIII Rdnrn. 18 und 19) Mit diesen Zwecken ist der Überbau eines grenzständigen
Gebäudes über die Grenze grundsätzlich nicht zu vereinbaren, läuft ihnen vielmehr
diametral entgegen.
Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gründen des allgemeinen Wohls, die die Befreiung
erforderten, sind nicht erkennbar. Auch sind keine Anhaltspunkte für das Bestehen einer
vom Gesetz "nicht beabsichtigten Härte" ersichtlich. Dieses Tatbestandsmerkmal ist
unabhängig von sozialen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten des Baubewerbers oder
von dem Verantwortungsbereich an der Bauausführung beteiligter Dritter zuzuordnender
Verhaltensweisen allein grundstücksbezogen zu interpretieren. (vgl. etwa OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 17.05.1999 - 2 Q 9/99 -)
Aufgrund der aktuell fehlenden Einverständniserklärung der Nachbarn scheitert eine
Befreiung bereits daran, dass gegen den Willen des durch die
Abstandsflächenbestimmungen geschützten Nachbarn aufgrund des Erfordernisses der
Würdigung öffentlich-rechtlich geschützter nachbarlicher Interessen die Erteilung einer
Abweichung von der Einhaltung der Abstandsfläche – und damit erst Recht vom
grundsätzlichen Verbot, Gebäude auf mehreren Grundstücken zu errichten - allenfalls in
extremen Sonderfällen überhaupt nur denkbar ist. (OVG des Saarlandes, Beschluss vom
02.06.1999 - 2 Q 25/99 -, S. 6) Ein solcher Sonderfall ist vorliegend schon vom Ansatz her
nicht zu erkennen.
Soweit sich die Kläger auf das Verhalten der Beigeladenen im Zusammenhang mit ihrer
Baumaßnahme stützen, kann dahinstehen, ob darin eine Einverständniserklärung zu
erkennen sein könnte. Denn die für eine Abweichung nach § 69 LBO 2004 (allein) der
Baugenehmigungsbehörde gegenüber zu erteilende Zustimmungserklärung kann von den
Nachbarn (jedenfalls) bis zum Erlass des Baugenehmigungsbescheides frei widerrufen
werden. (So zur inhaltsgleichen Regelung in Art. 89 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayBO: BayVGH
vom 21.12.1971 - 188 I 71 -, VGHE BY 26, 1)
Eine Baugenehmigung wurde für den Überbau bisher nicht förmlich erteilt. Die
Baugenehmigung bringt aufgrund der dort eingezeichneten
Grundstückstücksgrenze unmissverständlich zu Ausdruck, dass ein Überbau
über die Grundstücksgrenze mit der Attika und/oder der Regenrinne nicht
genehmigt ist. Die Beigeladenen haben mehrfach unmissverständlich erklärt,
dass sie ihre Zustimmung zum Überbau verweigerten und ein bauaufsichtliches
Einschreiten erwarteten.
Im Falle der Nichtbeachtung nachbarschützender Bestimmungen des öffentlichen
Baurechts hat der betroffene Nachbar (vorbehaltlich eines individuellen Rechtsverlustes im
Einzelfall) regelmäßig einen subjektiven Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten
gegenüber baurechtswidrigen Anlagen und/oder deren Nutzung. Dieser Anspruch umfasst
regelmäßig auch ein Recht auf gegebenenfalls zwangsweise Realisierung entsprechender
Anordnungen im Wege des Verwaltungszwanges, im Einzelfall sogar unter Anwendung
eines bestimmten Zwangsmittels. (OVG des Saarlandes, Urteil vom 12.12.1986 - 2 R
144/86 -, S. 12 unter Hinweis auf die ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Beschluss vom
08.09.1975 - II W 40/75 -, AS 14, 214 = BRS 29 Nr. 142, und Urteil vom 22.10.1982 - 2
R 209/81 -, AS 19, 129 = NVwZ 1983, 685; ebenso Beschlüsse vom 07.09.1988 - 2 W
422/86 - und vom 31.01.1995 - 2 W 51/94 -) Dieser Anspruch von Grenznachbarn auf
Erlass und Durchsetzung einer Beseitigungsanordnung bezüglich unzulässiger Grenzbauten
besteht nach der ständigen Rechtsprechung des VG und des OVG des Saarlandes
unabhängig von der Feststellung einer tatsächlichen Betroffenheit im Einzelfall. Für die
Annahme eines Verstoßes gegen die Grenzabstandsbestimmungen und den daraus
resultierenden nachbarlichen Abwehranspruch kommt es daher nicht darauf an, ob und
inwieweit der sich gegen das Vorhaben wendende Nachbar durch die Unterschreitung der
Abstandsflächen zu seinem Grundstück hin in dessen Benutzung im Einzelfall real
beeinträchtigt wird. (Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Aufl., XI. Rdnr. 99
(S. 509) mit Nachweisen) Grenze für die Frage des Bestehens eines solchen Anspruchs ist
das sich aus dem Rechtsgedanken des § 226 BGB ergebende Schikaneverbot, das eine
Rechtsausübung dann verbietet, wenn sie ohne jedes schutzwürdige Interesse erfolgt.
Wegen der „zentimeterscharf“ konzipierten Abstandsverpflichtungen kommt die Annahme,
dass ein Anspruch des Nachbarn „schikanös“ in diesem Sinne ist, allerdings überhaupt nur
bei einer Unterschreitung der Abstandsverpflichtung „um wenige Zentimeter“ in Betracht.
(Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 06.03.1987 – 2 R 180/84 -, BRS 47 Nr. 100 (S. 261
<265>)) Vorliegend beträgt der Überstand indes 34 cm.
Keiner Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Umstand zu, dass an der Garage
früher bereits eine Attika vorhanden war und die Dachrinne nach den Angaben der Kläger
im Schriftsatz vom 14.05.2007 (nur) 15 – 16 cm vor die (neue) Attika tritt. Denn die (alte)
Baugenehmigung aus dem Jahre 1975 sah zwar die Attika, jedoch auch ein Flachdach vor,
während die Baugenehmigung vom 04.12.2003 ein Walmdach und keine Attika
genehmigt.
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger auf die feststehende Rechtsprechung, nach
der ein Nachbar, der sich seinerseits nicht an die Abstandsflächenbestimmungen
gehalten hat, deren Einhaltung nicht von seinem Nachbarn verlangen kann.
Diese Rechtsprechung betrifft nur das nachbarschaftliche Austauschverhältnis
an der gemeinsamen Grenze. Deshalb kann ein Bauherr nicht mit Erfolg geltend
machen, sein Nachbar halte die Abstandsfläche zu einem anderen Grundstück
nicht ein; diese Grenze geht ihn rechtlich nichts an, da das Abstandsflächenrecht
nur die baurechtlichen Verhältnisse an der gemeinsamen Grenze zweier
Grundstückseigentümer regelt. Vorliegend hält das Gebäude der Beigeladenen
zum Grundstück der Kläger die Abstandsfläche ein, während das Bauwerk der
Kläger nicht nur die Abstandsfläche nicht einhält, sondern darüber hinausgehend
sogar die Grenze überbaut. Die Beseitigung dieses Überbaus dient der
Wiederherstellung des nachbarlichen Austauschverhältnisses. Denn nur im Falle
seiner Beseitigung könnten die Beigeladenen das ihnen aufgrund der
Grenzbebauung auf dem Grundstück der Kläger zustehende Anbaurecht (§ 7
Abs. 1 Satz 3 LBO 2004: „Muss nach planungsrechtlichen Vorschriften mit
Grenzabstand gebaut werden, ist aber auf dem Nachbargrundstück innerhalb
der überbaubaren Grundstückfläche ein Gebäude ohne Grenzabstand bereits
vorhanden, so kann gestattet oder verlangt werden, dass ebenfalls ohne
Grenzabstand gebaut wird.“) sinnvoll ausnutzen.
Die Beigeladenen haben – entgegen der Einschätzung der Kläger – ihren Anspruch auf
Einschreiten des Beklagten gegen die Kläger auch nicht verwirkt.
Eine Verwirkung dieses nachbarlichen Abwehranspruchs setzt neben der Untätigkeit des
Nachbarn während eines längeren Zeitraumes ferner voraus, dass besondere Umstände
hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben
erscheinen lassen. Weder für die "längere Zeit" noch für die "besonderen Umstände" lassen
sich allgemein geltende Kriterien angeben. Allein das Zeigen der Baupläne stellt keinen
besonderen Umstand dar, der das spätere Geltendmachen des nachbarrechtlichen
Abwehrrechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lässt. (BVerwG, Beschluss
vom 07.08.1996 - 4 B 147.96 -, BRS 58 Nr. 186 mit weiteren Nachweisen) Der
Mindestzeitraum für die Verwirkung muss sich von der gesetzlichen Regelfrist für die
Erhebung eines Rechtsbehelfs abheben, d.h. der Nachbar muss deutlich länger als einen
Monat untätig geblieben sein. (BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 -, BRS 52 Nr.
218 = BauR 1991, 597) Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen vermag
das Gericht nicht zu erkennen.
Vorliegend erfolgte die Dachänderung durch die Kläger im Zeitraum vom 27.05. bis
25.06.2004, die Beschwerde der Beigeladenen ging beim Beklagten am 20.04.2005 ein.
Außer dem Ablauf von knapp zehn Monaten haben die Kläger nichts vorgetragen, was den
Schluss auf einen Untergang des nachbarrechtlichen Abwehrrechts zuließe. Für den Fall der
Anfechtung einer dem Nachbarn nicht bekannt gegebenen Baugenehmigung hat das
Bundesverwaltungsgericht auf die Jahresfrist des § 58 VwGO abgestellt. (Beschluss vom
07.08.1996 – 4 B 147.96 -, BRS 58 Nr. 186) Darum geht es vorliegend jedoch nicht, weil
die Kläger das Dach mit dem Überbau gerade abweichend von der ihnen erteilten
Baugenehmigung errichtet haben.
Besondere Umstände, die den Eintritt von Verwirkung als Verstoß gegen Treu und Glauben
erscheinen lassen, erfordern, dass der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens
des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser sein Recht nach so langer Zeit nicht
mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich
darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand)
und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass
ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen
würde. (BVerwG, Urteil vom 16.11.1991 – 4 C 4.89 -, BRS 52 Nr. 218 (S. 532 <539>))
Ist der Bauherr nicht durch eine längere Zeit andauernde Untätigkeit des Nachbarn und im
Hinblick auf ein dadurch geschaffenes Vertrauen auf dessen Einverständnis zu seinen
Baumaßnahmen veranlasst worden, sondern hat er unabhängig davon eine ihm erteilte
Genehmigung von sich aus sofort in vollem Umfang ausgenutzt und weitgehende, mit
erheblichem Kapitaleinsatz verbundene Schritte unternommen, so kann auch eine längere
Untätigkeit des Nachbarn, die solchen Dispositionen des Bauherrn nachfolgt, nicht mehr zur
Verwirkung der nachbarlichen Abwehrrechte führen. Für das Merkmal der Treuwidrigkeit,
das für den Rechtsverlust durch Verwirkung konstitutiv ist, fehlt es sodann an der außer
dem Zeitablauf erforderlichen kausalen Verknüpfung des Verhaltens des Berechtigten mit
bestimmten Maßnahmen des Verpflichteten und deren Folgen. Die verzögerte
Rechtsausübung verdient die Qualifizierung als treuwidrig nur dann, wenn die zunächst
gezeigte Untätigkeit den anderen Teil zu bestimmten Reaktionen veranlasst hat. (BVerwG,
Urteil vom 16.11.1991, a.a.O.)
Auf dieser Grundlage kommt die Annahme einer Verwirkung des Abwehrrechts der
Beigeladenen nicht in Betracht. Diese konnten ohne weiteres darauf vertrauen, dass die
Kläger die Dachänderung so vornehmen würden, wie in den von ihnen unterschriebenen
Plänen dargestellt, nämlich ohne Dachüberstand auf ihr Grundstück. Verwirkung wäre etwa
dann anzunehmen, wenn die Beigeladenen den Klägern während der Bauarbeiten geraten
hätten, das Dach aus optischen Gründen wie nunmehr ausgeführt mit Dachüberstand und
außen liegender Dachrinne auszuführen. Das hat indes nicht stattgefunden. Vielmehr
haben die Kläger aufgrund ihrer eigenen Pläne von Anfang an gewusst, dass die tatsächlich
gewählte Bauausführung der erteilten Baugenehmigung und Befreiung widersprach und sie
den Überbau folglich auf eigenes Risiko durchführten.
Im übrigen liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung bzw. Befreiung
nicht schon dann vor, wenn der betroffene Nachbar seine Zustimmung zur
Abstandsflächenunterschreitung erteilt hat oder ansonsten aus Rechtsgründen - zum
Beispiel Verwirkung - gehindert ist, erfolgreich Nachbarrechte geltend zu machen. Diese
Sicht würde verkennen, dass die Abstandsflächenbestimmungen, obwohl drittschützend,
auch und vor allem im öffentlichen Interesse und nicht zur Disposition der betroffenen
Nachbarn stehen. Die Gewährung einer Abweichung hängt demnach davon ab, dass auch
die übrigen Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 LBO 2004 erfüllt sind. Eine nicht
beabsichtigte Härte in diesem Sinne liegt indes nicht schon dann vor, wenn die
Abstandsflächenbestimmungen einer vom Bauherrn gewünschten, von ihm für
zweckmäßig gehaltenen oder sich nach den örtlichen Gegebenheiten mit Blick auf die
vorhandene Bebauung anbietenden baulichen Nutzung des Grundstücks Grenzen setzen.
Ebensowenig kommt es außerhalb der vorbeschriebenen Pflicht zur Beachtung
nachbarlicher Belange darauf an, ob und ggf. in welchem Ausmaß die Bebauung und
Nutzung des Nachbargrundstücks bei Zulassung der Abstandsflächenunterschreitung
betroffen wäre. Dass die Abstandsflächenbestimmungen eine bauliche Nutzung der
Grundstücke begrenzen, ist vom Gesetzgeber im Interesse der mit diesen Bestimmungen
verfolgten Ziele gewollt und deshalb nicht unbeabsichtigt. Eine Härtelage im Verständnis
der letztgenannten Bestimmung kann lediglich dort angenommen werden, wo objektive
grundstücksbezogene Besonderheiten des vorgesehenen Baugrundstücks eine sinnvolle,
der baulichen Nutzung in der Umgebung vergleichbare Bebauung eines Grundstücks
verhindern, ohne dass bei Zulassung dieser Bebauung die Abstandsflächenfunktion
nennenswert beeinträchtigt wird. (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 02.06.1999 - 2 Q
25/99 -, S. 6) Für eine solche grundstücksbezogene Besonderheit gibt der vorliegende
Sachverhalt nichts her.
Damit steht fest, dass rechtmäßig Zustände anders als durch die Beseitigung des
Überstandes nicht herbeigeführt werden können.
Auch die gemäß § 82 Abs. 2 LBO 2004 erforderliche Ermessensausübung begegnet keinen
durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Ausgangs- wie die Widerspruchsbehörde haben
sich bei ihrer Ermessensbetätigung davon leiten lassen, dass die zu beseitigende bauliche
Anlage formell und materiell baurechtswidrig und deshalb zu beseitigen sei, weil die
Einwendungen der Kläger keinen Anlass für eine andere Entscheidung geboten haben.
Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.
Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG des Saarlandes setzt die Ordnungsmäßigkeit
der Ermessensbetätigung in den Fällen der §§ 82 Abs. 2 LBO 2004, 88 Abs. 1 LBO 1996
bzw. 104 Abs. 1 Satz 1 LBO 1974 im Normalfall nicht mehr als die Feststellung der
formellen und materiellen Illegalität der betreffenden Anlage voraus. Der Hinweis hierauf
genügt dem Begründungserfordernis des § 39 Abs. 1 SVwVfG. Bei der Entscheidung, ob
gegen einen baurechtswidrigen Zustand vorgegangen werden soll, stehen sich nämlich
nicht in dem Sinne ein "Für und Wider" gegenüber, dass es der zuständigen Behörde ohne
gesetzliche Vorgabe freigestellt wäre, zwischen dem Einschreiten und dem
Nichteinschreiten zu wählen. Vielmehr geht es lediglich darum, die Bauaufsicht in die Lage
zu versetzen, "von dem an sich aus der Natur der Sache gerechtfertigten, ja gebotenen
Einschreiten (ausnahmsweise) absehen zu dürfen, wenn sie dies für nach den konkreten
Umständen opportun hält". Sie braucht daher im Regelfall bei einem Einschreiten gegen
einen baurechtswidrigen Zustand keine weiteren Ermessenserwägungen anzustellen oder
zu verlautbaren; etwas anderes gilt demgemäß nur dann, wenn besondere Umstände des
jeweiligen konkreten Sachverhaltes gegeben sind, die es rechtfertigen könnten, ganz
ausnahmsweise auf ein Vorgehen zu verzichten. Nur dann besteht auch eine
Notwendigkeit, zusätzliche Erwägungen des "Für und Wider" eines Einschreitens oder
hinsichtlich des Zeitpunktes des Tätigwerdens anzustellen und in der behördlichen
Entscheidung zum Ausdruck zu bringen. (BVerwG, Beschluss vom 20.08.1980 - 4 B 67.80
-, BRS 36 Nr. 93; OVG des Saarlandes, Urteil vom 12.12.1986 - 2 R 144/86 -, S. 11 ff.;
Beschluss vom 27.08.1999 - 2 Q 17/99 -, S. 6 ff. unter Hinweis auf die Urteile vom
25.02.1992 - 2 R 78/89 -, BRS 54 Nr. 207, und vom 09.08.1985 - 2 R 91/84 -, SKZ
1986, 116 Ls. Nr. 22; Urteil vom 18.06.2002 - 2 R 9/01 -, S. 14)
Einen Ausnahmefall vermag die Kammer – trotz des erheblichen Begründungsaufwandes
der Kläger - nicht zu erkennen. Keine Bedeutung für die Ermessensausübung hat
grundsätzlich der Umstand, dass ein baurechtswidriger Zustand von der
Bauaufsichtsbehörde nicht sofort aufgegriffen wurde. Nach gesicherter Rechtsprechung
des OVG des Saarlandes unterliegt die Pflicht der Bauaufsichtsbehörde zur Wahrung und
Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände nicht der Verwirkung. Eine gegenüber dem
Beseitigungsverlangen der Behörde schutzwürdige Vertrauensposition wird für den
Bauherrn erst dadurch erlangt, dass ihm in dem hierfür vorgesehenen
bauaufsichtsbehördlichen Zulassungsverfahren eine (im Ablehnungsfalle ggf. auch
gerichtlich zu erstreitende) positive Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die
Zulässigkeit seines Vorhabens in der gesetzlich vorgeschriebenen (Schrift-)Form erteilt
wird. (OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 28.05.2001 - 2 Q 18-20/01 - unter Hinweis
auf den Beschluss vom 28.04.1989 - 2 R 390/86 -, das Urteil vom 29.08.2000 - 2 R 7/99
- und den Beschluss vom 14.07.2000 - 2 R 6/00 -) Eine solche Baugenehmigung ist für
den aufgegriffenen Überbau nicht erteilt worden.
Der angegriffene Bescheid beruht auch nicht auf einer Verletzung des allgemeinen
Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Gleichheitssatz gebietet nicht, dass gegen
unterschiedlich gelagerte Fälle in gleicher Weise vorgegangen werden muss, geschweige
denn im gleichen Zeitpunkt; geboten ist lediglich ein systemgerechtes Vorgehen. Dieses
kann selbst dann bejaht werden, wenn eine Behörde gegen "Schwarzbauten" gleichsam
Schritt für Schritt vorgeht. Eine Behörde handelt sogar dann systemgerecht, wenn sie
einen geeigneten Fall als "Musterfall" auswählt, um erst nach einer gerichtlichen
Bestätigung ihrer Rechtsauffassung gleich gelagerte Fälle aufzugreifen. (BVerwG,
Beschluss vom 21.12.1990 - 4 B 184.90 -)
Da es sich vom Kern her um die Gleichbehandlung im Unrecht handelt, kann es hier
ohnehin nur eine Willkürkontrolle geben. Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG des
Saarlandes handelt die Bauaufsichtsbehörde nur dann in einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG
verstoßenden Weise willkürlich, wenn sie auf vergleichbare Tatbestände ohne einen
vernünftigen, aus der Natur der Sache folgenden oder in sonstiger Weise (irgendwie)
einleuchtenden Grund unterschiedlich reagiert. (OVG des Saarlandes, Beschluss vom
12.09.2000 - 2 Q 45/99 - unter Hinweis auf den (eigenen) Beschluss vom 13.09.1999 - 2
Q 21/99 -, SKZ 2000, 104, Leitsatz Nr. 62, und BVerwG, Beschluss vom 23.11.1998 - 4
B 99.98 -, BauR 1999, 734)
Das OVG des Saarlandes hat wiederholt entschieden, dass eine rechtswidrige Betätigung
des Einschreitensermessens der Bauaufsichtsbehörden nicht angenommen werden kann,
wenn sie nur bei Nachbarbeschwerden einschreiten, sie also in diesen Fällen im Rahmen
ihrer Ermessensbetätigung dem Verhalten der konkret betroffenen Grenznachbarn eine
maßgebliche Bedeutung beimessen. (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12.09.2000 - 2
Q 45/99 - unter Hinweis auf die (eigenen) Urteile vom 10.12.1991 - 2 R 29/90 - und vom
19.01.1993 - 2 R 9/92 - sowie den Beschluss vom 08.02.2000 - 2 Q 41/99 -) Das hat
seinen sachlichen Grund in der ausdrücklich nachbarschützenden Komponente der
bauordnungsrechtlichen Vorschriften über die Abstände an der Grenze. Schon mit Blick auf
die Befreiungsmöglichkeiten, die einen Dispens gegen den Willen eines durch eine
Grenzbebauung betroffenen Nachbarn unmöglich machen, kommt der Einschätzung des
Nachbarn besondere Bedeutung zu und ist von der Bauaufsicht im Rahmen ihrer
Entscheidung für oder gegen ein Einschreiten zu würdigen.
Da genau dieser Fall vorliegend gegeben ist, verletzt die angegriffene
Beseitigungsanordnung nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Deshalb spielt es vorliegend von Rechts
wegen keine Rolle, ob das Dach des Hauses der Beigeladenen auf das Nachbargrundstück
... Straße 15 ebenfalls überragt.
Schließlich greift die Rüge der Kläger einer willkürlichen Handhabung des Beklagten
hinsichtlich der Genehmigung der Dachneigung, weil den Beigeladenen die Genehmigung
zur Errichtung eines Daches mit einer Neigung von mehr als 30° erteilt worden sei und bei
ihnen auf die Einhaltung dieser maximalen Dachneigung bestanden worden sei, aus
mehrfachen Gründen nicht als Argument gegen die angegriffene Beseitigungsanordnung.
Denn bei der Dachneigung einerseits und beim Überbau über die Grundstücksgrenze
andererseits handelt es sich um völlig unterschiedliche und damit nicht vergleichbare
Tatbestände. Zum anderen wurde den Beigeladenen keine Dachneigung von mehr als 30°
genehmigt; das ergibt sich aus der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung
vorgelegten Bauakte. Zudem dienen die Festlegung von Dachformen und Dachneigungen
regelmäßig nur dem Ortsbild und nicht dem Interesse einzelner Nachbarn.
Schließlich ist die Beseitigungsanordnung ersichtlich auch nicht unverhältnismäßig. Der
Hinweis der Kläger darauf, dass „ein Rückbau der Dachkonstruktion für sie mit erheblichem
Aufwand und Kosten verbunden“ sei, greift schon vom Ansatz her nicht, da derjenige, der
sich über Rechtsvorschriften hinwegsetzt, immer auf eigenes Risiko handelt. Wenn dieses
Argument der Kläger beachtlich wäre, hätte es jeder Bauherr in der Hand, durch eine
besonders aufwendige und teure Bauausführung jedes nachbarliche Abwehrrecht
auszuhebeln.
Keinen rechtlichen Bedenken begegnet die den Klägern gesetzte Frist zur Beseitigung des
Überbaus von acht Wochen nach Bestandskraft der Verfügung. Weder haben die Kläger
insoweit Einwendungen gegen die Angemessenheit dieser Frist erhoben noch vermag das
Gericht Anhaltspunkte für eine fehlende Angemessenheit zu erkennen.
Auch die Androhung des Zwangsgeldes von 1.000 Euro ist von Rechts wegen nicht zu
beanstanden.
Damit liegen die Voraussetzungen für den Erlass der Beseitigungsanordnung vor.
Folglich ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, 159 VwGO, 100 ZPO
insgesamt abzuweisen.
Bei dieser Kostengrundentscheidung bedarf es keiner Entscheidung über die Notwendigkeit
der Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Kläger im Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2
Satz 2 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind den Klägern auf der Grundlage von §
162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen, weil die Beigeladenen einen
förmlichen Antrag gestellt haben und damit das Risiko eingegangen sind, ihrerseits auf der
Grundlage von § 154 Abs. 3 VwGO an den Kosten des Verfahrens beteiligt zu werden.
Die Berufung wird nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zugelassen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung
mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts für die am 27.01.2005 und damit nach dem Inkrafttreten
des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts am 01.07.2004 erhobene Klage ergibt
sich aus § 52 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG. Nach Ziffer 9.5 des Streitwertkataloges für
die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 07./08. Juli 2004 beschlossenen
Änderungen und der Rechtsprechung des OVG des Saarlandes (OVG des Saarlandes,
Beschlüsse vom 28.11.1983 - 2 W 1824/83 -, vom 26.11.1992 -2 W 35/92 -, vom
18.11.1993 - 2 W 39/93 -, vom 09.12.1996 - 2 Y 6/96 -, vom 28.05.1999 - 2 Y 5/99 -,
vom 17.10.2000 - 2 Y 9/00 -) ist das Interesse an der Anfechtung einer
Beseitigungsanordnung mit dem pauschalierend geschätzten Wert der zu beseitigenden
Bausubstanz als Maß für die mit der Beseitigung einhergehenden wirtschaftlichen Einbußen
anzusetzen. Wird in dem angefochtenen Bescheid neben der Grundverfügung zugleich ein
Zwangsgeld oder die Ersatzvornahme angedroht, so bleibt dies für die
Streitwertfestsetzung grundsätzlich außer Betracht. (Ziffer 1.6 2 des Streitwertkatalogs,
a.aO.) Als Gegenstandswert haben die Kläger in der Klageschrift pauschal einen Betrag von
5.000 Euro genannt. Im Schriftsatz vom 14.05.2007 haben sie indes die Kosten für die
Herstellung des genehmigten Zustandes mit „mindestens 10.000 Euro“ beziffert. Dieser
Betrag stellt folglich das wirtschaftliche Interesse an der Anfechtung der
Beseitigungsanordnung dar.