Urteil des VG Saarlouis vom 18.01.2006

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VG Saarlouis Urteil vom 18.1.2006, 6 K 172/05
Die Erhebung der Rundfunk- und Fernsehgebühr nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag
ist verfassungsgemäß
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zahlung von Rundfunkgebühren.
Der Kläger ist als Rundfunkteilnehmer für ein Radio und ein Fernsehgerät bei dem
Beklagten angemeldet. Für die Zeit von April 2005 bis Juni 2005 zahlte er die angefallenen
Rundfunkgebühren in Höhe von 51,09 Euro nicht.
Mit Gebührenbescheid vom 01.07.2005 setzte der Beklagte die rückständigen
Rundfunkgebühren für diesen Zeitraum zuzüglich eines Säumniszuschlages in Höhe von 8,--
Euro fest.
Mit Schreiben vom 13.07.2005 legte der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid ein.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, der Rundfunkgebührenstaatsvertrag, aus
dem die Pflicht des Rundfunkteilnehmers zur Entrichtung von Gebühren resultiere, sei ein
unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter. Wenn Gebühren erhoben werden sollten, müsse
Vertragspartner der Landesmedienanstalten der Rundfunkteilnehmer selbst sein. Darüber
hinaus könne in seiner Person keine Gebührenpflicht entstehen, da er seine
Rundfunkempfangsgeräte nur zum Empfang der Sendungen privater Anbieter von
Rundfunk und Fernsehen nutze. Allein die Möglichkeit des Empfangs öffentlich-rechtlicher
Rundfunk- und Fernsehsendungen berechtige noch nicht zur Forderung von Gebühren.
Mit Bescheid vom 07.09.2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Begründet wird
diese Zurückweisung damit, dass gem. § 1 Abs. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages
derjenige Rundfunkteilnehmer sei, der ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang
bereithalte, wer also damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand
Rundfunkdarbietungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren
Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt, empfangen könne. Es sei für die
Rundfunkgebührenpflicht nicht von Bedeutung, ob ausschließlich private Radio- und
Fernsehsender genutzt würden. Da der Kläger für den in Rede stehenden Zeitraum keine
Zahlungen geleistet habe, sei der Gebührenbescheid zu Recht ergangen.
Gegen den Bescheid hat der Kläger am 06.10.2005 Klage erhoben. Zur Begründung
wiederholt er sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, dass es
zu einer wettbewerbsverzerrenden Ungleichheit führe, wenn er Rundfunkgebühren zahlen
müsse, obwohl er lediglich das Angebot der privaten Rundfunk- und Fernsehanbieter nutze,
die nicht an den Gebühren beteiligt werden. Das Landesgesetz, das den
Rundfunkgebührenstaatsvertrag im Landesrecht umsetze, sei einseitig von den
Landesmedienanstalten erlassen worden und sei überholt, da es aus einer Zeit stamme, in
der die öffentlich-rechtlichen Anstalten allein Rundfunksendungen ausstrahlten. Heute
jedoch werde eine Vielzahl von Programmen von privaten Sendern bestritten, die an den
Gebühren nicht beteiligt würden. Zudem stelle die Gebührenpflichtigkeit einen Verstoß
gegen das Grundrecht dar, selbst zu entscheiden, welche Rundfunkdarbietungen genutzt
werden. Auch das Grundrecht auf freien Zugang zu Informationsquellen von
privatrechtlichen Unternehmen sei verletzt. Durch die einseitige Gestaltung der
Änderungsverträge zu den Rundfunkstaatsverträgen würden der Wettbewerb und die freie
Wahl an Rundfunkdarbietungen des Bürgers beschnitten. Es könne zudem nicht sein, dass
er Rundfunkgebühren zahlen müsse, wenn er das Fernsehgerät lediglich zum Abspielen von
Videokassetten oder DVD-Vorführungen privater und teilweise ausländischer
Filmgesellschaften benutze. Außerdem habe er durch die Zahlung eines Entgelts an Kabel
Deutschland den Empfang der von ihm gewünschten Radio- und Fernsehprogramme
bereits bezahlt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Gebührenbescheid vom 01.07.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, die Rundfunkgebührenpflicht beruhe auf dem vom Saarländischen
Landtag als Landesgesetz erlassenen Rundfunkgebührenstaatsvertrages. Gem. § 2 Abs. 2
des Rundfunkgebührenstaatsvertrages sei der Kläger verpflichtet, die eingeforderten
Gebühren zu bezahlen, da diese Verpflichtung bereits dann bestehe, wenn die Möglichkeit
der Nutzung irgendwelcher Rundfunkprogramme bestehe. Auf die Art der genutzten
Programme, deren Umfang oder die Tatsache, ob überhaupt eine Nutzung vorgenommen
werde, komme es nicht an.
Die grundrechtlich geschützte Informationsfreiheit gebe nicht das Recht auf kostenlosen
Empfang.
Mit Schriftsatz vom 10.10.2005 hat der Kläger, mit Schriftsatz vom 08.11.2005 hat der
Beklagte auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhaltes wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen, die Gegenstand der
Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Da die Beteiligten auf Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet haben, konnte
gem. § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren entschieden werden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Gebührenbescheid vom 01.07.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 07.09.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in
seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Rundfunkgebühren ist Art. 4 Rundfunk-
gebührenstaatsvertrag -RGebStV- und Art. 5 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag -RFinStV-
des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31.08.1991, dem
das Saarland durch Gesetz Nr. 1279 vom 29.10.1991 (Amtsblatt S. 1290) zugestimmt
hat, in der hier maßgeblichen Fassung des zum 01.04.2005 in Kraft getretenen 8.
Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 08.10.2004, im
Saarland umgesetzt durch Gesetz Nr. 1562 vom 23.02.2005 (Amtsbl. S. 446). Grundlage
für die Gebührenerhebung ist mithin ein formelles Gesetz und nicht - wie von dem Kläger
dargestellt - ein unzulässiger Vertrag zu Lasten der Rundfunkteilnehmer.
Gemäß § 2 Abs. 2 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelung des §
5 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine
Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgerätes zusätzlich eine Fernsehgebühr
zu entrichten (§ 2 Abs. 2 RGebStV). Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 RGebStV ist eine
Rundfunkgebühr nicht zu leisten für weitere Rundfunkempfangsgeräte, die von einer
natürlichen Person in ihrer Wohnung zum Empfang bereitgehalten werden.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelungen des
Rundfunkgebührenstaatsvertrages bestehen nicht. Insbesondere kann in der
Gebührenfinanzierung des öffentlichen Rundfunks keine unzulässige
Wettbewerbsverzerrung gegenüber den privaten Anbietern von Hörfunk und Fernsehen
gesehen werden. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht hierzu ausgeführt, dass im
Zeichen der Erweiterung des Rundfunkangebotes um privat veranstaltete Programme der
öffentlich-rechtliche Rundfunk zu gewährleisten habe, dass der klassische Auftrag des
Rundfunks erfüllt werde, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, neben
Unterhaltung und Information seine kulturelle Verantwortung umfasse. Daraus ergebe sich,
dass eine Finanzierung erforderlich sei, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Stand
setze, die ihm zukommende Funktion im dualen System zu erfüllen und ihn zugleich davor
zu schützen, dass die Entscheidung über die Finanzausstattung zu politischen
Einflussnahmen auf das Programm genutzt werde. In der ungeschmälerten Erfüllung dieser
Funktion und in der Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit
Rundfunkprogrammen im dualen System finde die Gebührenfinanzierung ihre
Rechtfertigung. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten sei es daher gerechtfertigt, die Gebührenpflicht ohne Rücksicht auf die
Nutzungsgewohnheiten der Empfänger allein an den Teilnehmerstatus anzuknüpfen, da die
werbefinanzierten Programme weniger strengen Anforderungen unterlägen.
Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die grundsätzliche Gebührenpflicht auch
nicht gegen das in Art. 5 Abs. 1 GG verankerte Recht auf Informationsfreiheit, da Art. 5
Abs. 1 GG keinen Anspruch gerade auf kostenlosen Zugang zu Informationsquellen,
insbesondere auf kostenlosen Empfang von Rundfunk begründet. Art. 5 Abs. 1 GG
untersagt lediglich die Festsetzung einer Gebühr, die den Zugang zu dem
Informationsmittel Rundfunk über das sachlich bedingte Maß erschwert. Hierfür ist jedoch
nichts ersichtlich.
Die Voraussetzungen für eine Rundfunkgebührenpflicht des Klägers liegen vor.
Rundfunkteilnehmer ist gem. § 1 Abs. 2 RGebStV, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum
Empfang bereithält. Ein Rundfunkempfangsgerät wird zum Empfang bereitgehalten, wenn
damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen,
unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt
oder verschlüsselt, empfangen werden können.
Der Kläger, der unstreitig ein Fernsehgerät und zwei Radiogeräte zum Empfang bereithält,
ist Rundfunkteilnehmer nach § 1 Abs. 2 RGebStV. Eine Gebührenpflicht des Klägers entfällt
nicht etwa deshalb, weil er, wie er angibt, nicht das Rundfunk- und Fernsehangebot der
öffentlich-rechtlichen Sender nutzt, denen die Gebühren zufließen, sondern lediglich private
Sender sieht oder das Fernsehgerät als Abspielgerät für DVD’s und Videokassetten
benutzt. Für die Gebührenpflicht kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 2
Satz 1 RGebStV nur darauf an, dass jemand ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang
bereithält. Nur die abstrakte Möglichkeit der Nutzung des Gerätes zum Empfang von
Rundfunkdarbietungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 RGebStV ist wesentlich; die
tatsächliche Nutzung des Rundfunkempfangsgerätes ist ohne Belang.
Dass der Kläger neben den Rundfunk- und Fernsehgebühren noch ein Entgelt an Kabel
Deutschlang zahlt, berührt seine Gebührenpflichtigkeit aus § 2 Abs. 2 RGebStV ebenfalls
nicht. Die an Anbieter von Kabelfernsehen entrichteten Zahlungen sind der Preis, den der
Kläger für zusätzliche Leistungen, nämlich die Bereitstellung des Kabelanschlusses, zu
zahlen hat.
Demnach ist von einer Gebührenpflicht des Klägers für den maßgeblichen
Bescheidzeitraum auszugehen.
Auch die Höhe der in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Rundfunkgebühren
unterliegt keinen Bedenken.
Grundlage für die Forderung eines Säumniszuschlages in Höhe von 8,-- Euro ist § 6 Abs. 1
S. 1 der Satzung des Saarländischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der
Rundfunkgebühren vom 08.03.2004 (Amtsbl. S. 1026), die gemäß § 4 Abs. 7 RGebStV
mit Genehmigung der Landesregierung vom dem Beklagten erlassen wurde. Danach wird
ein Säumniszuschlag in der festgesetzten Höhe fällig, wenn die geschuldeten
Rundfunkgebühren nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit entrichtet
werden. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da die Rundfunkgebühren nach § 4
Abs. 3 RGebStV in der Mitte des festgesetzten Dreimonatszeitraumes zu leisten waren
und innerhalb der sich danach anschließenden Vierwochenfrist tatsächlich nicht geleistet
worden sind. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkgebührenschuld
durch den Gebührenbescheid festgesetzt.
Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
Die Zulassung der Berufung kommt mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 124 a
Abs. 1 VwGO nicht in Betracht.
Sonstiger Langtext
Rechtsmittelbelehrung
Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung
der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes beantragen. Dabei
müssen sie sich durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen
Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als
Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und
Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum
Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch
Beamte und Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde
oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied
zugehören, vertreten lassen.
Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht des Saarlandes, Kaiser-Wilhelm-Straße 15,
66740 Saarlouis, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe
darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht
bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht des
Saarlandes, Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis, einzureichen.
Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des
Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht
oder
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend
gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 59,09 Euro festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen die Festsetzung des Streitwerts steht den Beteiligten oder sonst von der
Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes,
zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.
Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht des Saarlandes, Kaiser-Wilhelm-Straße 15,
66740 Saarlouis, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
einzulegen.
Die Beschwerde ist nur bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der
Entscheidung in der Hauptsache oder anderweitiger Erledigung zulässig.